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BIOWISSENSCHAFTEN

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PRODUKTE

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Einblicke in die Evolution von Proteinen

Bakterien als Enzymfabriken

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Wie schaffen es Bakterien, sich an synthetische Umweltgifte anzupassen und zum Beispiel in weniger als 70 Jahren ein Pestizid und chemischen Kampfstoff als Nahrung zu erschliessen? Die evolutionären Anpassungen, die solchen Prozessen zugrunde liegen, hat jetzt ein internationales Forscherteam im Detail untersucht.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betrachteten ein Enzym, das sie aus Bakterien isoliert hatten, die in der Nähe von Fabriken Pestiziden ausgesetzt gewesen waren. Mithilfe einer neuartigen Kombination von Methoden fanden sie heraus, welche Mutationen im Laufe der Jahre im Erbgut stattgefunden hatten – und wie diese Mutationen zu biochemi schen Veränderungen führten, die heute das Enzym dazu befähigen, das Pestizid zu spalten. «Mit unserer Studie zeigen wir, dass die Technik der sogenannten ancestralen Rekonstruktion nicht nur genutzt werden kann, um Evolutionsvorgänge zu ent schlüsseln, die viele Jahrhunderte zurückliegen, sondern auch, um erst kürzlich stattgefundene Anpassungen mit sehr rascher Evolution, wie sie in Bakterien stattfindet, zu untersuchen», betont Co-Autor Prof. Dr. Erich Bornberg-Bauer von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU), dessen Gruppe massgeblich an der Studie beteiligt war. Sie fand in Kooperation mit der Forschergruppe um Prof. Dr. Nobuhiko Tokuriki von der British Columbia University im kanadischen Vancouver statt. Die Ergebnisse könnten unter anderem dabei helfen, neue Wege für den Abbau und die Entsorgung von Umweltgiften und chemischen Stoffen zu finden.

Hintergrund und Methode

Die Forscher nutzten die Methode der ancestralen Rekonstruktion, bei der mithilfe von Algorithmen nachverfolgt wird, wie Proteine in Vorfahren ausgesehen haben. Die Wissenschaftler «beleben» dazu eine Art Ur-Gen wieder, das als Ausgangspunkt einer heutigen Genfamilie gilt. Klassischerweise wird diese Methode angewandt, um Proteine, die sich langsam verändern, über mehrere Millionen bis Milliarden Jahre zurückgehend nachzustellen. In diesem Fall nutzten die Forscher die Methode, um ein sich sehr schnell entwickelndes Enzym über einige Jahrzehnte zurückzuverfolgen und molekulare Mechanismen aufzudecken, die zu einer neuen Funktion geführt haben – der Fähigkeit, das Pestizid Methyl-Parathion zu spalten. Dieses wird erst seit rund 70 Jahren industriell erzeugt und ist eng verwandt mit Nervengiften, die auch für die chemische Kriegsführung in Frage kommen. Die Forscher kombinierten die Methode der ancestralen Rekonstruktion mit biochemischen und strukturellen Tests des Vorgänger-Proteins im Labor und identifizierten darin fünf Mutationen, die dafür hauptverantwortlich sind, dass das Protein im Laufe der Zeit seine Funktion ändern konnte. In einem weiteren Schritt untersuchten die Wissenschaftler, inwiefern diese Mutationen jeweils die sogenannte Fitness, also den Grad der Anpassung der Gene zu bestimmten Zeitpunkten, veränderten. Zudem charakterisierten sie viele verschiedene Kombinationen der Mutationen. Sie setzten neuartige statistische Analysen ein, mit denen sie die Interaktion der Gene und deren unterschiedliche Dominanz erheben konnten. Diese Analysen gaben Aufschluss über die zugrundelie genden molekularen Interaktionen – sowohl innerhalb des Enzyms als auch zwischen Enzym und Pestizid. Die Forscher fanden heraus, dass die fünf wichtigsten der identifizierten Mutationen in einem komplexen Netzwerk zusammenspielen und letztlich gemeinsam beeinflussen, dass sich das sogenannte aktive Zentrum des Enzyms besser mit dem Pestizid verbinden und so neue Funktionen ausbilden kann. «Unser kombiniertes Verfahren kann auch in vielen anderen

Modell des Enzyms, das die Forscher in ihrer Studie untersuchten. Die zwei grauen Kugeln stellen das aktive Zentrum dar, das sich mit dem Pestizid verbindet, um es zu spalten.

Fällen eingesetzt werden, um mehr über die molekularen Mechanismen herauszufinden, die der Evolution von Proteinen zugrunde liegen», sagt Co-Autor Elias Dohmen von der WWU. Das neu gewon nene Wissen ist unter anderem für die sogenannte gerichtete Evolution relevant – ein Verfahren, das die Optimierung von Enzymen und Proteinen zum Ziel hat, und vor allem in der industriellen Biotechnologie Anwendung findet.

Originalpublikation G. Yang et al., «Higher-order epistatic net works underlie the evolutionary fitness landscape of a xenobioticdegrading enzyme», Nature Chemical Biology (2019); DOI: 10.1038/s41589-019-0386-3.

Kontakt Universität Münster – Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Kathrin Kottke Schlossplatz 2 D-48149 Münster +49 251 8321899 kathrin.kottke@uni-muenster.de www.uni-muenster.de

Unerwartete Entdeckung

Blaualgen stellen Öl her

Cyanobakterien – umgangssprachlich auch Blaualgen genannt – können mithilfe von Licht aus Wasser und Kohlendioxid Öl produzieren. Das zeigt eine Studie der Universität Bonn. Der Befund ist unerwartet: Bislang glaubte man, diese Fähigkeit sei den Pflanzen vorbehalten. Möglicherweise werden Blaualgen nun auch als Futter- oder Treibstoff-Lieferanten interessant, zumal sie keine Ackerflächen benötigen.

Was haben Raps, Avocado und Olivenbaum gemeinsam? Sie alle werden vom Menschen als Öl- oder Fettproduzenten genutzt. Die Fähigkeit, mithilfe von Licht aus Wasser und Kohlendioxid Öl herzustellen, haben aber im Prinzip alle Pflanzen – angefangen von einzelligen Algen bis hin zu den riesigen Mammutbäumen. «Wir haben nun erstmals gezeigt, dass Cyanobakterien das ebenfalls können», erklärt der Biologe Prof. Dr. Peter Dörmann vom Institut für Molekulare Physiologie und Biotechnologie der Pflanzen (Imbio) der Universität Bonn. «Das war nicht nur für uns völlig überraschend.» Bislang ging die Fachwelt davon aus, dass den Cyanobakterien diese Eigenschaft abgeht. Denn auch wenn ihr Trivialname «Blaualgen» anderes nahelegt, zählen sie eigentlich zu den Bakterien. In vielen Punkten unterscheiden sie sich daher er

Prof. Peter Dörmann (l.) und sein Doktorand Mohammed Aizouq mit zwei verschiedenen Cyanobakterien-Kulturen.

heblich von den Pflanzen: Cyanobakterien sind näher verwandt mit dem Darmbakterium E. coli als mit einem Olivenbaum. «Es gibt zwar in der Literatur uralte Berichte, dass Cyanobakterien Öl enthalten können», sagt Dörmann. «Diese wurden aber nie verifiziert.» Der Wissenschaftler beschäftigt sich am Imbio seit vielen Jahren mit einem Enzym, das bei Pflanzen einen Schritt der Ölsynthese katalysiert. Es ist in den Chloroplasten aktiv – den grün gefärbten Zellbestandteilen, die für die Photosynthese zuständig sind. Ihnen verdanken es die Pflanzen, dass sie mithilfe von Sonnenlicht energiereiche chemische Verbindungen herstellen können. Viele Wissenschaftler vermuten, dass Chloroplasten ursprünglich von Cyanobakterien abstammen. Denn die beherrschen – anders als alle anderen Bakteriengruppen – ebenfalls die pflanzentypische Photosynthese unter Freisetzung von Sauerstoff. Vor mehr als einer Milliarde Jahren hat demnach eine Ur-Pflanzenzelle ein Cyanobakterium «verschluckt». Das Bakterium lebte danach in der Zelle weiter und versorgte sie mit Photosynthese-Produkten. «Wenn diese Endosymbionten-Hypothese stimmt, könnte das Ölsynthese-Enzym der Chloroplaste also ursprünglich aus Cyanobakterien stammen», erklärt Dörmann.

Ölsynthese-Enzym ähnelt dem der Pflanzen

Zusammen mit seinem Doktoranden Mohammed Aizouq ist er dieser Möglichkeit nachgegangen. Dazu haben die Wissenschaftler das Erbgut verschiedener Cyanobakterien nach einem Gen durchforstet, das der Erbanlage für das pflanzliche Ölsynthese-Enzym ähnelt. Mit Erfolg: Sie

fanden in den Blaualgen ein Gen für eine so genannte Acyltransferase, zu dieser Gruppe zählt auch das Pflanzenenzym. In weiteren Tests zeigte sich, dass Cyanobakterien mit diesem Enzym tatsächlich Öl herstellen, wenn auch nur in geringen Mengen. Das Ergebnis ist einerseits aus evolutionsbiologischer Sicht interessant: Es zeigt, dass ein bestimmter Teil der Ölsynthe se-Maschinerie in den Chloroplasten der Pflanzen vermutlich aus Cyanobakterien stammt. Allerdings nutzen Pflanzen heute vor allem andere Stoffwechselwege zur Öl-Herstellung. Darüber hinaus eröffnet das Resultat eventuell neue Möglichkeiten, Tierfutter oder Biokraftstoffe herzustellen. Denn anders als Ölpflanzen wie Raps benötigen Cyanobakterien keine Ackerflächen, um zu wachsen – ein Behälter mit Kulturmedium und ausreichend Licht und Wärme reicht ihnen. Vielleicht eignen sie sich daher, um zum Beispiel in Wüsten, – also ohne in Konkurrenz zum Nahrungsanbau zu treten – Öle für den Antrieb von Autos herzustellen. Zumal bei der Verbrennung nur das Kohlendioxid wieder frei würde, dass die Cyanobakterien zuvor bei der Ölproduktion der Luft entzogen haben. Die Mikroorganismen würden damit also einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Ohnehin fixieren die in den Weltmeeren lebenden Cyanobakterien erhebliche Mengen des Treibhausgases. Ohne ihren Beitrag wäre die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre Schätzungen zufolge doppelt so hoch. «Ähnliche Versuche laufen heute bereits mit pflanzlichen Grünalgen», erklärt Dörmann. «Die sind aber schwieriger zu halten; ausserdem lassen sie sich nicht so einfach biotechnologisch auf eine mög lichst hohe Ölproduktionsrate optimieren.» Bei Cyanobakterien könnte das anders sein. Allerdings stellt die an der Universität Bonn untersuchte Art nur sehr geringe Mengen Öl her. «Es ist aber durchaus möglich, dass andere Arten deutlich ertragreicher sind», sagt der Biologe. Zudem liessen sich Blaualgen relativ einfach genetisch modifizieren, ähnlich wie andere Bakterien auch. «Es ist also gut möglich, dass sich der Ölertrag auf biotechnologischem Wege noch einmal deutlich steigern liesse.»

Originalbeitrag Mohammed Aizouq et al., «Triacylglycerol and phytyl ester synthesis in Synechocystis sp. PCC6803», Pnas (2020); DOI: 10.1073/ pnas.1915930117

Kontakt Prof. Dr. Peter Dörmann Universität Bonn Regina-Pacis-Weg 3 D-53113 Bonn +49 228 73 2830 mbiodoermann@uni-bonn.de www.uni-bonn.de

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