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IN KÜRZE

IN KÜRZE

Hier hilft ein Roboter bei der Schokoladenproduktion. Automatisierung verändert unsere Gesellschaft und führt vermutlich zu mehr Ungleichheit.

Automatisierung und ihre Konsequenzen

Ist Industrie 4.0 schlecht für die Gesellschaft?

Die Automatisierung wird künftig zu mehr wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit führen – und dies werden vor allem die Menschen mit geringer Qualifikation zu spüren bekommen. Auch die Arbeitslosigkeit wird bei diesen Beschäftigten, langfristig gesehen, steigen. Das zeigt ein neues Rechenmodell, das Wirtschaftswissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart zusammen mit Kollegen der Universität Göttingen entwickelt haben.

Dr. Dorothea Elsner 1

Die oft diskutierte Robotersteuer könne dem nämlich weniger entgegensteuern, als man bisher annahm. Das Thema Industrie 4.0 weckt ebenso Hoffnungen wie Ängste. «Viele Menschen befürchten zum Beispiel, dass Industrieroboter Arbeitsplätze wegnehmen könnten», erklärt Prof. Dr. Klaus Prettner, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Hohenheim. «Ob das tatsächlich zutrifft und wie sich Massnahmen der Politik auswirken können, darüber geben uns Modellrechnungen klarere Einsichten.»

Die Basis-Modelle sind veraltet

Um Wirtschaftswachstum und langfristige Entwicklungen zu erklären, verwenden die Forscher Rechenmodelle, in die sie Eckdaten einspeisen. Wenn sie wissen wollen, wie sich Massnahmen oder Änderungen auswirken, ändern sie die entsprechenden Parameter in ihrem Modell – und können so einen Blick in die Zukunft werfen. «Die Basis-Modelle sind allerdings in den 1990er-Jahren entstanden – und da steckte die Automatisierung noch in den Kinderschuhen», gibt Prof. Dr. Prettner zu bedenken. «Daher haben wir die Automatisierung nun in diese Wachstumsmodelle eingebaut.» Das heisst, dass es nicht wie bisher im Modell nur Maschinen und Arbeitskräfte gibt, welche in einem relativ starken Ausmass komplementär sind, sondern jetzt auch die Automatisierung als Substitut für Arbeit mit einberechnet wird. «Ausserdem haben wir Bildungsentscheidungen modelliert, welche bisher vernachlässigt waren», so Prof. Dr. Prettner. «Ob man sich für eine Hochschulausbildung entscheidet oder nicht, hängt beispielsweise vom künftigen Einkommen ab. Doch ob man sich für ein Hochschulstudium entscheidet, hängt auch von der Intelligenz einer Person ab – je höher sie ist, desto

Mechanismen und Lösungen zur sozialen Ungleichheit Der Forschungsschwerpunkt «Inequality and Economic Policy Analysis (Inepa)» der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften untersucht die Ursachen und Konsequenzen der Ungleichheitsentwicklung, um mögliche Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Neben dem Anspruch die Mechanismen aufzudecken, die zu einer ökonomischen Ungleichverteilung führen, sollen so auch politische Massnahmen formuliert, neue Methoden für eine präzisere Analyse von Ungleichheit entwickelt und das Wissen über die Ungleichheitsentwicklung verbreitet und dadurch ein gestärktes gesellschaftliches Bewusstsein geschaffen werden.

Während der industriellen Revolution hatten Arbeiter kaum eigene Rechte. Hier ein Knabe in einer Spinnerei womöglich gegen Anfang des 20. Jahrhunderts.

geringer ist der eigene Aufwand für ein Studium, so dass man sich eher dafür entscheidet.»

Wortschöpfung Die Bezeichnung «Industrie 4.0» hat ih ren Ursprung in Deutschland. 2011 wurde diese Idee einer neuen industriellen Revolution auf der Hannover Messe «ausgerufen». Sie soll eine Weiterent wicklung des letzten Meilensteins in der Industrie sein. Alle industriellen Prozesse sollen neu drahtlos miteinander verknüpft werden, so dass diese schneller und flexibler agieren können. Die neue Wortschöpfung lehnt sich offensichtlich an die Schreibweise, die bei Versiosangaben von Computerprogrammen üblich ist.

Geringqualifizierte werden abgehängt

Als Ergebnis sagt das modifizierte Modell voraus, dass die Automatisierung zu einem steigenden Anteil an Hochschulabsolventen führt. «Sie zwingt gewissermassen die klügeren Köpfe, mehr in ihre eigene Bildung zu investieren», erläutert Prof. Dr. Prettner. «Die anderen werden so jedoch immer mehr abgehängt. Dadurch klafft die Einkommensschere zwischen den Hochqualifizierten und den Geringqualifizierten immer weiter auseinander, und die Arbeitslosigkeit bei Geringqualifizierten nimmt zu.» Um zu testen, wie sich wirtschaftspolitische Gegenmassnahmen auswirken, haben die Forscher auch eine Robotersteuer und eine progressive Einkommenssteuer in ihr Modell eingebaut, und berechnet was geschieht, wenn man mit den Steuereinnahmen unterschiedliche Massnahmen finanziert.

Eine Robotersteuer bringt nichts

«Betrachtet haben wir eine direkte Umverteilung an jene Menschen mit niedrigem Einkommen und eine Bildungssubvention», so Prof. Dr. Prettner. «Die Ergebnisse zeigen Wirkungen dieser Massnahmen, die man nicht erwarten würde.» Ein Beispiel: Eine Robotersteuer senkt die Innovationsbereitschaft in den Unternehmen. Dadurch sinken die Löhne der Hochqualifizierten im Vergleich zum Basisszenario, was wiederum die Investition in eine Hochschulausbildung uninteressanter macht. Zudem gibt es mehr Konkurrenz um die Arbeitsplätze für Geringqualifizierte, was deren Löhne senkt und potenziell deren Arbeitslosigkeit erhöht. «Mit einer Robotersteuer kann man Ungleichheit daher weniger wirksam bekämpfen als bisher gedacht», fasst Prof. Dr. Prettner zusammen. Durch eine Bildungssubvention wiederum lässt sich zwar der durchschnittliche Lohn steigern, sie führt jedoch zu höherer Ungleichheit: «Sie wird von den Steuern aller bezahlt, es profitieren jedoch nur die gut Ausgebildeten.» «Das Modell zeigt, dass einfache Lösungen nicht immer zu den gewünschten Effekten führen», warnt Prof. Dr. Prettner. Seine Empfehlung: «Alle Politikmassnahmen sollte man vorab genau überlegen und modellbasiert betrachten.»

Originalpublikation Klaus Prettner, Holger Strulik, «Innovation, Automation, and Inequality: Policy Challenges in the Race Against the Machine, Journal of Monetary Economics», https:// doi.org/10.1016/j.jmoneco.2019.10.012

Eine geringere Qualifikation schlägt sich im Lohn nieder. Laut der Studie klafft die Lohnschere künftig noch stärker auseinander. Kontakt Prof. Dr. Klaus Prettner Universität Hohenheim Schloss Hohenheim 1 D-70599 Stuttgart +43 650 7775277 klaus.prettner@uni-hohenheim.de www.uni-hohenheim.de

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