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LAND DER STERNE
VON BENJAMIN FRANÇOIS
Die ‹Composer in Residence› Unsuk Chin beginnt ihre Basler Residenz mit der Ur aufführung des Orchesterwerks Alaraph ‹Ritus des Herzschlags› – eine wunder bare Gelegenheit, die in Berlin lebende Künstlerin besser kennenzulernen.
BF Unsuk Chin, Ihre Werke führen uns in ein schillerndes Zeiterlebnis mit unglaublichen Beschleunigungen, Lupeneffekten und Ellipsen. Was bedeutet Zeit für Sie als Tonkünstlerin?
UC Ich merke seit etwa zehn Jahren, dass sich die Welt beschleunigt. Sie ändert sich so schnell, dass ich mich ernsthaft frage, ob ich in zehn bis zwanzig Jahren in dieser Welt leben möchte, wenn ich überhaupt noch lebe! Es geht alles so rasant: Es gibt auch Künstler* innen in anderen Sparten, die sich sehr schnell an diese Geschwindigkeit gewöh nen und daraus etwas Schöpferisches kreieren. Wir Musiker*innen oder Komponist*in nen eher nicht! Wir üben einen Beruf aus, für den man sehr viel Zeit braucht und in dem sich alles langsam entwickelt. Man muss nicht nach aussen, sondern mehr ins Innere gehen. An trüben Tagen denke ich manchmal, dass es diesen Beruf in Zukunft gar nicht mehr geben wird oder dass das, was wir zeitgenössische Komponist*innen machen, vielleicht das letzte Urgestein der Musikgeschichte sein wird. Vielleicht wird sich die Geschichte auch in eine ganz andere Richtung entwickeln, man kann es nie wissen. Jedenfalls komponiere ich nicht für Zuhörer*innen, die in hundert Jahren leben werden. Ich konzentriere mich lieber auf meine eigene, mir gegebene Zeit.
BF Denken Sie nie an die Nachwelt oder an die Langlebigkeit Ihrer Musik, die Generationen nach Ihnen immer noch hellhörig machen und faszinieren wird?
UC Das kann ich so nicht sagen, ich bin keine Hellseherin. Aber ich denke mir, dass diese klassische, ernste Musik vielleicht irgendwann aufhört und etwas anderes eintritt. Trotzdem bin ich mir sicher, dass gute Werke bleiben werden. Man schreibt heutzutage nicht mehr wie Beethoven; so wird es vielleicht in der Zukunft eine ganz andere Art von ‹klassischer› Musik geben. Der Bezug des Menschen zur Musik wird anders sein als heute oder vor zwei Jahrhunderten: vielleicht oberflächlicher oder – ich merke die Tendenz schon heute – wie ein Einwegprodukt produziert und genutzt. Ich vermute und hoffe gleichzeitig, dass sich die Menschheit besinnen wird und zu reflektieren anfängt.
BF Sie komponieren für traditionelle Besetzungen und Instrumente der abendländischen Musik. Daneben weisen Ihre Werke zahlreiche aussereuropäische Ein flüsse auf. Wie gehen Sie mit diesem Wechselverhältnis um?
UC Ich fühle mich nicht als eingefleischte Koreanerin, obwohl ich dort aufgewachsen bin. Ich habe auch dort studiert, habe mich als Musikerin in Südkorea entwickelt, war aber immer Kosmopolitin. Ich sehnte mich hinaus in die weite Welt, aber seitdem ich in Europa bin, komponiere ich eine Musik mit einem ausgeprägten Interesse für etwas anderes, zum Beispiel für traditionelle koreanische Musik. Ich habe ausserdem eine starke Affinität zur Musik von
Bartók oder Strawinsky und gleichzeitig zu Kompositionen, die mit europäischer Tradition überhaupt nichts zu tun haben. Meine Musik wird nicht mehr als koreanische klassische Musik betrachtet: Diese Differenzierung, die ich oft als Herabsetzung und Vorwurf erlebt habe, muss ich mir zum Glück nicht mehr anhören.
BF Nachdem die Uraufführung von Alaraph ‹Ritus des Herzschlags› beim Festival ‹Présences› in Paris im Februar 2023 ausfallen musste, findet sie jetzt am 30. August in Basel statt. Ihr kosmologisches Wunschland im Stück ist grösser als der Raum zwischen Korea und Europa ... UC Tatsächlich hat Alaraph keinen besonderen geografischen Bezug. Vielmehr möchte ich die Zuhörer*innen in ein kosmologisches Land mitnehmen, das ich in meiner Fantasie kreiert habe, in die sogenannten ‹Herzschlagsterne›. Die Lichtkurve des Sterns ähnelt dem Herzschlag in einem Elektrokardiogramm, wenn seine Helligkeit über die Zeit aufgezeichnet wird. In meinem Stück verwende ich viele verschiedene Pulsschläge, von langsamen bis zu extrem schnellen. Einige rituelle Komponenten sind auch zu vermerken: Ich verzichte auf melodisches Schlagwerk wie Vibrafon oder Glockenspiel und habe stattdessen für die rhythmischen Schlaginstrumente komponiert. Es erklingen statisch aufgebaute Klangflächen, die zum Teil quasi meditativ im Raum schweben.
… von den Werken alter Meister, erleben wir bis heute die Dynamik eines Mercedes-Benz. Präzision, Charme und Technik – ein Mercedes-Benz hat schon immer die Sinne bewegt.
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Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 2 D-Dur