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AM ANFANG STAND DAS ALPHORN

Von Lea Vaterlaus

Die Hornistin Eda Paçacı und der Posaunist Domenico

Catalano haben sich im Sinfonieorchester Basel über die Blasregisterreihen hinweg kennengelernt, sind seit einem knappen Jahr verheiratet und machen derzeit den Spagat zwischen Basel und Leipzig.

LV Eda und Domenico, wir führen dieses Gespräch über das Telefon. Wo erreiche ich Euch gerade?

DC Ich bin in Wien! Zurzeit bin ich mit dem Mahler Chamber Orchestra auf Tournee. Wir waren bereits in Amsterdam und Düsseldorf, sind heute in Wien und reisen noch weiter nach Berlin, Hamburg und Paris.

EP Wir sind wirklich viel unterwegs! Ich befinde mich ‹ausnahmsweise› in Basel, weil ich hier diese Woche viele Vorstellungen und Proben habe.

LV Beim Sinfonieorchester Basel habt Ihr bei vielen gemeinsamen Projekten gespielt. Vor einem

Jahr ist Domenico zum Gewandhausorchester Leipzig gewechselt. Wie ist es für Euch, in zwei verschiedenen Orchestern zu spielen?

EP Es hat sich viel verändert, denn wir sind jetzt oft weit entfernt voneinander. Diese Entscheidung war schwer, schlussendlich aber auch irgendwie machbar. Ich finde es für Domenico als Musiker sehr wertvoll, dass er diese Gelegen heit genutzt hat und nach Leipzig gegan gen ist. Das Gewandhaus ist eine Institution, und so eine Möglichkeit ergibt sich nicht oft!

DC Wir vermissen die Vorzüge, die wir hatten, als wir im selben Orchester spielten, schon – gleichzeitig hat es aber auch viele Vorteile, für unterschiedliche Klangkörper zu arbeiten. Wir haben nun eigene Arbeitsleben, und unsere Aufgaben und Probleme mischen sich nicht mehr so oft wie früher. Bei gemeinsamen Telefonaten und Treffen haben wir trotzdem das Bedürfnis, uns über die Arbeit zu unterhalten. In Basel fand ich es deshalb einfacher, das Berufliche vom Privaten zu trennen. Es war dort klar festgelegt, wann die Dienstzeit endet und das Privatleben beginnt.

LV Trefft Ihr Euch zwischen Basel und Leipzig in der Mitte?

DC Eigentlich treffen wir uns nicht ‹in der Mitte›, es sei denn, wir besuchen einander an einem Konzertort. Kürzlich hatte ich mit dem Gewandhausorchester Konzerte in Salzburg, und Eda hatte Zeit, um nach Österreich zu kommen. Für uns fühlte sich das wie Urlaub an!

EP In der ersten Hälfte der Spielzeit kam Domenico häufig nach Basel zurück. Die anschliessenden Monate waren sehr intensiv, und wir konnten uns jeweils mehrere Wochen nicht sehen. Die Sommerpause überschneidet sich bei uns aber, und wir werden viel gemeinsam unternehmen können.

LV Im Orchester verbringen die Musiker*innen viel Zeit zusammen – fast wie eine Familie!

DC Das Orchester ist eine spezielle Form von Beziehung, die ich aber nicht als ‹Familie› bezeichnen würde. Die private Familie verbindet man mit engen zwischenmenschlichen Beziehungen, was durchaus auch im Orchester der Fall ist. Zu Hause kann man aber sehr direkt sein, während es im Beruf mehr Feingefühl braucht. Es ist sehr schön, mit den Kolleg*innen nach einem Dienst noch etwas zu trinken oder essen zu gehen – eine gewisse Distanz zum Beruflichen braucht es trotzdem.

EP Im Orchester treffen viele verschiedene Familien, Kulturen und Gewohnheiten aufeinander, und man wahrt eine kollegiale Distanz. Familiäre Situationen ergeben sich beispielsweise, wenn jemand eine Solopassage hat und vom gesamten Register unterstützt wird. Oder an den Kammermusikkonzerten der Museumsnacht, bei denen man die Kolleg*innen plötzlich von ganz anderen, privaten Seiten kennenlernt.

EP Domenico war eine Ausnahme! (lacht) Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nie ein privates Verhältnis mit jemandem aus dem Orchester zu haben. Als ich in der Saison 2018/19 zum Sinfonieorchester Basel kam, kannten wir uns erst nur vom Dienst. Gegen Ende meines Probejahres wurde daraus etwas mehr … DC Ein Alphorn war ausschlaggebend. Im Rahmen eines Kammermusikprojekts besorgte ich Eda ein Alphorn, worauf wir uns zum ersten Mal richtig austauschten und intensive Gespräche führten. Dabei entdeckten wir plötzlich ganz viele Gemeinsamkeiten.

LV Welche Leidenschaften verbinden Euch denn?

DC Die Musik, die sowohl Leidenschaft wie auch Beruf ist, steht natürlich zuoberst. Einander neue Musikstücke zu zeigen, war spannend und oft überraschend. Besonders faszinierend ist für uns die Barockzeit, denn diese Literatur spielen wir in den Orchestern selten.

EP Wir sind zudem beide grosse Kaffeeliebhaber*innen und mögen gute Gastronomie. Wir rösten auch selbst Kaffeebohnen und probieren ständig neue Sorten aus. Was die Musikgenres betrifft, konnten wir sehr viel voneinander lernen und entdecken.

LV Wie habt Ihr Euch eigentlich kennengelernt? Die Hörner sitzen ganz links und die Posaunen ganz rechts …

LV Wie kommen zwei Blechbläser*innen miteinander aus? Im Orchester und beim Üben in derselben Wohnung?

EP Wir haben sehr unterschiedliche Funktionen im Orchester und auch verschiedene zeitliche Abläufe. Ich bin immer sehr früh an einem Probe- oder Konzertort, um mich einzuspielen. In Basel haben wir uns manchmal fast nie gesehen, obwohl wir am selben Projekt beteiligt waren. Deshalb war es nie ein Problem, im selben Orchester zu spielen. Wir respektieren den persönlichen Raum, den die andere Person benötigt.

DC Zu Hause haben wir einen Übungsraum, den wir teilen. Wenn sich unsere Tagesrhythmen überschneiden, gehen wir an einen Ort, an dem mehrere Räume zur Verfügung stehen, beispielsweise ins Theater. Oft spielen wir auch Duette oder hören einander beim Spielen zu. Dass wir beide aus demselben Register kommen, ist dabei ein grosser Vorteil. Wenn ich Eda nicht an meiner Seite gehabt und mir ihre Kritik nicht zu Herzen genommen hätte, wäre ich beim Probespiel in Leipzig wohl nicht so erfolgreich gewesen!

EP Das klingt romantisch. (lacht) Wir sind ziemlich ehrlich zueinander –manchmal zu ehrlich! Das macht uns stark.

LV Was schätzt Ihr aneinander besonders?

DC Ich bewundere Edas Ehrlichkeit, ihren Ehrgeiz und ihre Ehrfurcht vor dem, was sie macht. Ich habe unheimlichen Respekt vor der Aufgabe, die Eda als Hornistin bewältigt. Ich weiss, was es dazu braucht, dieses Instrument zu spielen – deshalb spiele ich es nicht. (lacht)

EP Domenico ist auch ehrgeizig, hat dabei aber eine andere Herangehensweise. Ich komme aus der Türkei, wo ich mich anders beweisen musste als er in der Schweiz. Diese ‹Ur-Ruhe›, die er ausstrahlt, seine positive Art und sein Vertrauen geben mir viel Kraft.

LV Wo seht Ihr Euch in zehn Jahren?

EP Ich würde mich sehr freuen, eine eigene Hornklasse aufzubauen!

DC Es stehen viele Türen offen … Wir möchten sicher nicht längere Zeit auf Distanz leben. Das ist nicht im Sinne einer Familie, die gerade frisch gegründet worden ist.

EP Wir sind offen für alles, was auf uns zukommt!

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