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Schottische Fantasie
ROMANTISCHER FELS
VON STEFAN LANG Walter Braunfels stand in den 1920er-Jahren gleichberechtigt neben Richard Strauss an der Spitze der Konzert- und Opernprogramme. 1933 ging er in die innere Emigration. Doch er komponierte weiter. Schottland war Inspirationsquelle für einige seiner Orchesterwerke.
Walter Braunfels war ein Romantiker des 20. Jahrhunderts, der den Tonsatz ausreizte, das Neue im Bekannten suchte, ohne das tonale System zu zerbrechen. Er war einer der wichtigsten Komponisten der Weimarer Republik, musikalisch zutiefst mit der Ästhetik des 19. Jahrhunderts verwachsen. Das verwundert nicht, denn seine musikinteressierte Mutter war mit Grössen wie Clara Schumann und Franz Liszt persönlich befreundet. Seine Ausbildung absolvierte Braunfels in München und Wien – er profilierte sich auch als hervorragender Pianist.
MIT LEICHTIGKEIT DEN NORDEN GEZEICHNET Seine Schottische Fantasie entstand von 1932 bis 1933. Sie sollte beim Festival des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in Dortmund uraufgeführt werden.
Ca’ the Yowes toe the knowes (Treib die Schafe auf den Hügel), eine Volksweise, die jeder Schotte mitsingen kann – die Melodie haben auch die Kollegen Britten, Vaughan Williams oder Stevenson strapaziert –, hat auch Braunfels zitiert. Dabei hat er keine blosse ‹schottische Pastorale› geschaffen – es ist die Oberfläche, die Richtung Norden weist. Der Unterbau ist eher südlich voller sonniger Luftigkeit und Schwärmerei. Braunfels war auch immer von der Leichtigkeit der Musik Bizets fasziniert, die sich hier widerspiegelt.
Die Isle of Skye in Schottland
ANDERE ZEITEN Die geplante Uraufführung wurde abgesetzt, weil das Kulturleben Deutschlands nach der Machtergreifung 1933 grundsätzlich neu geordnet wurde. Braunfels wurde als ‹Vierteljude› registriert, obwohl er schon längst aus innerer Überzeug zum Katholizismus übergetreten war. Zudem hatte er 1923 einen Kompositionsauftrag der NSDAP abgelehnt, eine Art Parteihymne zu komponieren. Hitler war persönlich vorstellig geworden. An diesen Vorfall erinnerte man sich. Braunfels wurde seiner Ämter enthoben, seine Musik aus sämtlichen Programmen gestrichen.
DAS KOMPONIEREN BLIEB Trotzdem blieb Braunfels in Deutschland, ging in die innere Emigration, zog an den Bodensee und komponierte – vorerst für die Schublade. Nach dem Zweiten Weltkrieg, 1947, kam der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer mit der Bitte auf ihn zu, die Musikhochschule der Stadt wieder ins Leben zu rufen. Er übernahm erneut das Direktorenamt der Hochschule, das er aber schon 1950 wieder ablegte, um zurück an den Bodensee zu ziehen.
Dieser Text entstand ursprünglich für Deutschlandfunk Kultur.
Schottische Fantasie
BESETZUNG 2 Flöten, 2 Oboen, 3 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, Posaune, Pauken, Harfe, Streicher
ENTSTEHUNG 1932–1933
URAUFFÜHRUNG 6. Dezember 1933 in Winterthur mit dem Musikkollegium Winterthur unter der Leitung des Komponisten und mit Oskar Kromer als Solist