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Josip Kvetek, Viola

«ICH MÖCHTE ALLES SPIELEN UND KUNST MACHEN»

VON LEA VATERLAUS Josip Kvetek wurde 1992 in Speyer in Deutschland geboren, bevor seine Familie nach Ende des Kroatienkriegs wieder zurück in die kroatische Heimat zog. Seine musikalische Ausbildung an der Violine begann er in Osijek und Zagreb, und er setzte sein Musikstudium in Violine, Barockvioline und Bratsche im amerikanischen Denton, Texas, fort. Sein Masterstudium an der Bratsche absolvierte er erst an der renommierten amerikanischen Yale School of Music und bis vor Kurzem an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Seit der Saison 2022/23 ist er stellvertretender

Solobratschist beim Sinfonieorchester Basel.

LV Josip Kvetek, von der Geige über die

Barockgeige bis zur Bratsche: Wie kann man drei Instrumente gleichzeitig studieren? JK Ich hatte für alle Instrumente hervorragende Dozent*innen, die mich lehrten, bei jedem Instrument einen eigenen Stil und eine eigene Technik zu finden. Ich spiele beispielsweise nicht ‹geigerisch› Bratsche, sondern versuche, einen eigenen Klang zu finden, der zum Instrument passt. So kann ich zwischen den Instrumenten gut wechseln und es gibt in meinem Kopf kein Durcheinander.

LV Du begannst Deine Ausbildung auf der Geige. Wann kamen die anderen

Instrumente dazu? JK Ich wollte bereits im Alter von 17 Jahren Bratsche lernen, aber der Musiklehrer an meiner damaligen Schule war der Meinung, dass ich erst mein Potenzial auf der Geige entwickeln sollte. Zudem fand ich in Kroatien keine Bratschenlehrperson, die gut zu mir passte. Als ich das Gefühl hatte, in Zagreb langsam alles zu kennen, beschloss ich, meine Möglichkeiten zu erweitern und nach Amerika zu gehen. Dort spielte ich als Konzertmeister und Solist

erst Barockgeige in einem Barockorchester, danach kam die Bratsche dazu. Ich begann das Instrument immer mehr zu mögen – und blieb schliesslich dabei!

LV Eine solche Vielfalt an Instrumenten und Stilen umfasst ein riesiges Repertoire. Welche Musik magst Du am liebsten? JK Die Opern der Hochrenaissance, beispielsweise die frühen Opern von Claudio Monteverdi! Ich liebe deren Harmonien, Melodien und Stil und spiele dann am liebsten Barockgeige. Wegen der vielen Rezitative, die ohne Orchesterbegleitung sind, habe ich in einer dreistündigen Oper ausserdem meist nur etwa vierzig Minuten zu spielen und kann den restlichen Abend das Bühnengeschehen beobachten. In den Proben ist es schon oft beinahe passiert, dass ich den Einsatz verpasst habe! (lacht)

«Die Bratsche steht nicht im Scheinwerferlicht, hält hinter den Kulissen aber alles zusammen.»

LV Gibt es viel SoloLiteratur für die

Bratsche? JK Ja und nein. Vergleicht man das Bratschen-Repertoire mit jenem der Geige oder des Klaviers, ist es natürlich wenig. Suche ich mir aber gezielt die Stücke aus, die mir gefallen, finde ich immer genügend Material. Es stimmt aber, dass es nicht viele virtuose Solokonzerte für die Bratsche gibt. Bei den Probespielen wird dies ersichtlich – zur Auswahl stehen meist nur Hindemith, Walton und Bartók. Ich verstehe, dass die Bratsche nicht das attraktivste Instrument für ein virtuoses Konzert ist, wenn man sie neben die Geige stellt, die in den hohen Lagen brillieren kann. Trotzdem kann man ohne die Bratsche keine Orchester- oder Kammermusik machen. Die Bratsche steht nicht im Scheinwerferlicht, hält hinter den Kulissen aber alles zusammen.

«Eines Tages wäre ich gerne im Besitz eines wertvollen Instruments, das eigentlich ins Museum gehört.»

LV Besitzt Du eine speziell wertvolle

Bratsche? JK Nicht wirklich, nein. Ich hatte nie genügend Geld, um mir ein teures Instrument zu kaufen, und bewarb mich nicht bei Stiftungen, denn ich mag das Instrument, das ich spiele. Ich spiele meistens auf modernen Instrumenten – meine Bratsche ist vier Jahre alt, und ich habe eine zweite Bratsche desselben polnischen Geigenbauers, die erst einen Monat alt ist. Eines Tages wäre ich gerne im Besitz eines wertvollen Instruments, das eigentlich ins Museum gehört (lacht), aber ich brauche das nicht, um gut musizieren zu können. Mit einem wertvollen Instrument ist man nur gestresst, und ich finde, man sollte zu jedem Instrument gut Sorge tragen.

LV Du bist seit dieser Saison stellvertretender SoloBratschist beim Sinfonieorchester Basel. Kanntest Du

Basel schon vorher? JK Ja, ich kannte Basel bereits. Mit dem Gstaad Festival Orchester spielte ich einmal ein Konzert hier, und ich habe die Stadt schon mehrmals besucht. Mittlerweile wohne ich auch hier, denn ich finde es wichtig, in der Stadt, in der ich eine neue Stelle annehme, richtig in das dortige Kunst- und Kulturleben eintauchen zu können.

LV Der Titel des aktuellen Konzerts heisst ‹Viol(a)ence in Heaven›. Was meinst Du zu diesem Wortspiel? JK Ich finde es sehr lustig! Ein ähnlicher Spruch beschreibt eine schmerzliche Überzahl von Geigen als ‹Viol(in)ence›.

LV Auf dem Programm steht Walter

Braunfels’ Schottische Fantasie für

Bratsche und Orchester mit Nils

Mönkemeyer als Solist. Kennst Du das Stück und den Solisten?

JK Nein, das Stück habe ich nie gespielt. Nils Mönkemeyer lernte ich letzte Spielzeit bei den Hofer Symphonikern kennen. Wir spielten ein Klavierkonzert mit seinem Klavierpartner William Youn, und er selbst war auch dabei. Ich bewundere seine Spieltechnik sehr und freue mich auf das Konzert mit ihm.

LV Was verbindet Dich mit Gustav Mahler, dessen Werke an diesem Konzertabend auch gespielt werden? JK Ein sehr persönliches Erlebnis! Nach dem Krieg war es in Kroatien nicht möglich, viel umherzureisen. Eine meiner ersten Reisen führte mich zu einem Orchesterprojekt in Frankreich, in dem ich eine Sinfonie von Gustav Mahler aufführte. Ich erinnere mich daran, dass dieser Moment für mich sehr denkwürdig war: Ich kam aus einer kleinen Stadt in einem kleinen Land und hatte bisher meist nur in Streicherbesetzungen gespielt. Hier war ich aber plötzlich in einem riesigen Orchester und führte mit Musiker*innen aus aller Welt dieses fantastische Werk auf! Ich liebe Mahlers Musik: Er lässt kein Instrument aus, alle Stimmen sind gleichgestellt und fügen sich wunderbar zusammen.

LV Hast Du Ziele, die Du als Musiker erreichen möchtest? JK Ich möchte einfach weiterhin Musik machen, sei es in einer kleinen Kammermusikformation in Deutschland oder die Aufführung einer Sinfonie von Mahler in der Carnegie Hall – ich geniesse beides gleichermassen. Ich möchte alles spielen und Kunst machen, ob auf der Geige, der Barockgeige oder der Bratsche. Ich finde, dass jeder Ort gute Musik verdient, und bereite mich deshalb auch auf jede Konzertsituation gut vor. Jedes Mal, wenn ich spiele, möchte ich gut spielen. Das ist mein Ziel.

LV Josip Kvetek, herzlichen Dank für das

Gespräch!

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