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ROLF LIEBERMANN

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INTERVIEW

INTERVIEW

FASNACHT FÜR GROSSES ORCHESTER

VON SIGFRIED SCHIBLI Der junge Rolf Liebermann, der 1910 in Zürich geboren wurde, studierte zuerst Jurisprudenz, doch zog es ihn bald zur Musik. Als Schüler des Komponisten Wladimir Vogel machte er frühzeitig Bekanntschaft mit der Zwölftontechnik. Mit seinen Polyphonen Studien von 1943 reiste er nach Basel zu Hans Haug, dem damaligen Leiter des Radioorchesters Beromünster, und bekam eine kalte Dusche verpasst: «Auf Sie haben wir gerade noch gewartet!», soll Haug zu ihm gesagt haben.

Liebermann liess sich nicht entmutigen und gab weder Basel noch das Radio auf. Er wurde Tonmeister beim Radio-Studio Zürich und Assistent des Dirigenten Hermann Scherchen, der das Radioorchester Beromünster in der Nachfolge von Haug leitete und eine radikal moderne Programmpolitik durchsetzte. 1950 übernahm Liebermann die Leitung der Orchesterabteilung.

Das Orchesterwerk Furioso verhalf ihm zu internationaler Anerkennung und es wird heute noch gespielt. Als vor dreieinhalb Jahren die Hamburger Elbphilharmonie eröffnet wurde, stand das barbarisch-wilde Orchesterstück Furioso auf dem Programm des mit Spannung erwarteten Eröffnungskonzerts. Es diente nicht nur als Akustikprobe für den neuen Konzertsaal, sondern war auch eine Hommage an die Hamburger Jahre Rolf Liebermanns, denn Liebermann war in den späten 50er-Jahren als Leiter der Hauptabteilung Musik beim Norddeutschen Rundfunk und danach als Opernintendant in Hamburg tätig gewesen.

EIN AUFTRAG AUS BASEL Das Komponieren wurde etwas an den Rand gedrängt, aber an den Nagel gehängt hat Liebermann sein Handwerk als Komponist auch in seinen Hamburger Jahren nicht. Während seiner Zeit als Musikchef

ZUM WERK beim Norddeutschen Rundfunk schrieb er unter anderem das Geigy Festival Concerto, ein Auftragswerk anlässlich des 200-jährigen Bestehens der Firma J.R. Geigy. Diese war 1758 gegründet worden und betrieb ursprünglich das Gewerbe des ‹Drogenhandels›, worunter man Heilpflanzen, Farbhölzer und Ähnliches verstand. Geigy fusionierte im Juli 1970 mit der Konkurrentin Ciba zur Firma Ciba-Geigy, welche 1996 durch die Fusion mit Sandoz im Novartis-Konzern aufging.

In seinem rund zwölf Minuten langen Stück für Basler Trommel und Orchester zeigt Liebermann keinerlei Scheu, die musikalischen Genres und Stilebenen zu vermischen. Er gehörte zu den Verfechtern der ‹Musica impura› und nicht zu den Reinheitsfanatikern in der Musik und hatte bereits ein Concerto für Jazzband und Sinfonieorchester komponiert, das in Donaueschingen uraufgeführt wurde und das als typisches Werk des ‹Third Stream› gilt – eines dritten Wegs zwischen Klassik und Jazz.

FASNACHTSM Ä RSCHE IN NEUEM LICHT Die vier Sätze des Geigy Festival Concerto gehen gleitend ineinander über. Hier ist es nicht der Jazz, der sich mit dem Orchester amalgamiert, sondern die unverwechselbare Basler Volksmusik. Liebermann zitiert und variiert ausgiebig typische Basler Motive: zu Beginn die Lokalhymne Z Basel an mim Rhy, dann in der Tagwacht den Sound der Fasnachtsinstrumente Piccolo und Trommel. Nach dem Vier-UhrGlockenschlag ertönt der ganz in dunkle Orchesterfarben getauchte Morgestraich, unterbrochen durch ein längeres Trommel-Solo. Es folgen weitere Fasnachtsmärsche, wie im 3. Satz der fein instrumentierte Arabi, und schliesslich im Finale eine wahre Polyfonie der Motive und Klangfarben – ein Abbild der Musik an der Basler Fasnacht. Die bekannten Märsche bleiben jederzeit erkennbar, nehmen aber durch die klassische Instrumentierung einen ungewohnten Charakter an. Als Berater für die Trommelnotation wirkte der bekannte Basler Trommelexperte und -lehrer Fritz Berger mit, der in der Uraufführung die anspruchsvolle Partie der Solo-Trommel spielte.

BESETZUNG 3 Flöten, 3 Oboen, 3 Klarinetten, 3 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug, Klavier, Streicher, Basler Trommel

ENTSTEHUNG Auftragswerk zum 200-jährigen Bestehen der Firma Geigy AG, Basel

URAUFFÜHRUNG 6. Juni 1958

WIDMUNG Der Stadt Basel

DAUER ca. 12 Minuten

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