Inhalt
04
Editorial
08
„Wer macht sich hier zum Menschen, hm?“
10
Versteckte Preiserhöhungen: Weniger drin zum gleichen Preis
12
Das tight Krasse-Volksmusi‘-Bingo
14
L‘Etat c‘est toi
16
SLEAZE on Tour: London
19
Einmal Shooting ohne alles, bitte!
31
Grafiker-Platz
34
Playmo the Undead
37
Sexploitation - Boobs & Blood
42
Dave‘s Little Koop mit Beck‘s
44
Kino
46
Einsamkeit in der Hose
47
Dickes Ding
48
Comics
50
Bücher
51
Der authentische Superheld
52
Tanz der Teufel
55
Game Previews
56
Wieviel Liebe braucht ein Mann?
58
Games-Geflüster
61
Voll auf die Fresse
62
Heisses Dresden!
65
Der Hubertus-Hirschkopf rockt!
66
Sven Väth
68
Maximilian Hecker
69
Jonesmann
70
The Picturebooks
72
Dendemann
74
Hip Hop mit Verstand
75
The Sounds
76
Cool wie Stuhl
78
Musik-Rezensionen
80
Verlosung
81
SLEAZE on tour: Sleazonale
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Impressum
SLEAZE April/ Mai 2010
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DITORIA 4
SLEAZE April / Mai 2010
reingeSLEAZEt. Es war merkwürdig. Wir wurden gelobt. Dass das Magazin inzwischen viel aufgeräumter sei. Dass es sich „prächtig“ (ein klasse Wort) entwickelt habe. Dass es jetzt Spaß mache (na endlich, nicht so wie vorher). Das machte uns stutzig. Ist übrigens ein Zitat von dem großen Heinz Erhardt, der gerade seinen 101. Jahrestag hatte. Doch ich schweife ab. Jedenfalls haben wir beschlossen, das Magazin wieder zu verändern. Also ist jetzt alles – noch aufgeräumter. Hä? Hallo, Widerspruch? Richtig. Und neben Widersprüchen, Schrägem und unserem ersten Interview, was wir in Originalsprache gelassen haben – keine Angst, ihr müsst jetzt nicht das altindische Wörterbuch vom letzten Julklapp suchen – ,gibt es Infos über…Dinge.
Viel Spaß mit diesen und anderen
hier und danilo
SLEAZE April/ Mai 2010
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LEAZ
M A G A Z I N 6
08
„Wer macht sich hier zum Menschen, hm?“
10
Versteckte Preiserhöhungen: Weniger drin zum gleichen Preis
12
Das tight Krasse-Volksmusi‘-Bingo
14
L‘Etat c‘est toi
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SLEAZE on Tour: London
SLEAZE April / Mai 2010
Trash mit Substanz
S L E A z E SLEAZE April/ Mai 2010
Der Blog auf www.sleazemag.DE 7
Unser vermeintlich hässliches Tier bekommt immer großes Feedback. Als es einmal in Ausgabe 7 aus technischen Gründen (= danilo war mal wieder dumm) nicht erschien, gab es Vermisstenanzeigen und eins aufs dicke Haupt. Wir haben die Rubrik ins Leben gerufen, weil Ungerechtigkeit herrscht – wieder einmal. Die süßen, niedlichen, ach so knuffigen Tiere werden mehr erforscht als die Einäugigen, Zweinasigen, Dreibrüstigen, kurz – die Freaks unter uns. Wusstet ihr das? Gut, das muss nichts Schlechtes sein. So landet man auch seltener im Tierlabor. Ungerecht ist es trotzdem. Eher Euthanasie als Darwin. Und außerdem: Frauen dürfen inzwischen auch ganz emanzipiert dumme „männliche“ Sachen machen wie Krieg führen. Also fordern wir endlich Gleichberechtigung, auch bei der Forschung. Menschen sollten in Versuchslabors zu gleichen Bedingungen wie Affen zugelassen, hässliche Tiere genauso erforscht werden wie süße. Da das allerdings noch in weiter Ferne liegt, sind die Tiere gefährdet. Wir
„Wer macht sich
steuern hiermit entgegen. Mit der ersten Kontaktsuchseite für die VERMEINTLICH HÄSSLICHEN UNTER UNS..
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hier
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Liebe/r Leser/in, diesmal bin ich ein ganz klitzeklein wenig stolz. Als begeisterter Primatenfan (mit Ausnahme des Menschen, wohlgemerkt!!) möchte ich den Lemuren-Ladys heute unseren hochintelligenten Prof. Dr. biol. hom. Dr. phil Aye-Aye vorstellen. Die Feuchtnase hatte sich lange Jahre der Forschung verschrieben und es nun doch aufgegeben, den Menschen zu verstehen. Letztendlich setzt Aye-Aye seine Intelligenz richtig ein und wendet sich einem viel interessanteren Thema zu. Er hatte mir bereits vor einiger Zeit anvertraut, dass er seine Energie besser nutzen möchte und mit vollem Einsatz die Damenwelt erobe … ähm, erforschen möchte. Nun ist es endlich soweit. Zeit für L’emur … Euer Verkuppilo
Nick: Aye-Aye Name: Fingertier Geschlecht: männlich Beruf / Beschäftigung: Anthropologe Wohnort: Madagaskar (ja, genau, das mit der Pest an Bord) Größe: 40 cm Hobby: Homo Sapiens mit Pupu bewerfen Motto: Man erkennt viel am Schwanz eines Primaten
Kurz etwas zu meiner Person: Viele Jahre verbrachte ich damit, mein Leben zu vergeuden. Meine Jugend warf ich weg, meine besten Jahre kauerte ich abgeschieden unter Affenbrotbäumen mit Stapeln von Büchern. Einem meiner wenigen Freunde verdanke ich, dass ich dieses triste Leben hinterfragte. Das war vor fünf Jahren. Jetzt bin ich nicht mehr in der Blüte meines Lebens (aber auch noch nicht völlig verwelkt) und suche eine Partnerin, die mich in die bunte, wilde Welt abseits stupider Homo Sapiens und ausgetrockneter Akademiker einführt. Ich bin mir bewusst, dass dies verbittert klingt, aber ich fühle mich so frei wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich könnte mir sogar vorstellen, als erstes wirklich freies Fingertier Madagaskar zu verlassen und andere Länder zu erforschen (nicht im akademischen Sinne). Wen ich suche: Eine Frau, die keine Akademikerin ist. Es ist mir egal, ob du kandierte Bockkäfer verkaufst, Striptease-Tänzerin bist oder auch einfach nur auf einer Bowlingbahn arbeitest. Bloß kein intellektuelles Gefasel. Ich suche eine Frau, die mit allen vier Beinen im Leben steht, abenteuerlustig ist und Spaß am Leben hat. Die auch mal den Tag durchmacht und nicht nur die ganze Nacht auf Futtersuche ist. Also einfach eine Frau, die weiß, wie man lebt. Und die geduldig ist mit einem Affen, der zu viele Bücher und zu wenig Frauen hatte.
zum M ensch en, hm ?“
Bei Interesse kannst du Kontakt aufnehmen unter der Chiffre „Mich laust der Affe“ mit einer Mail an danilo@sleazemag.de.
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Versteckte Preiserhöhungen: Weniger drin zum gleichen Preis
Preissteigerungen sind schon seit jeher verpönt. Ein Umstand, dessen sich auch die Konzerne bewusst sind. Anbieter von Lebensmitteln und Haushaltswaren vermeiden deswegen seit einigen Jahren, so gut es geht, Preiserhöhungen ihrer Produkte. Für den Verbraucher gibt es dennoch keinen Grund zu jubeln. Denn in der Regel umgehen die Unternehmen lediglich die direkten, offenen Preiserhöhungen. Höhere Profit, lässt sich über kleinere Packungsinhalte bei gleichen Preisen eben deutlich einfacher erzielen!
Narrensicheres Konzept Die Unart mit den schrumpfenden Packungsinhalten scheint also der Stein der Weisen für profitgeile Konzerne zu sein. Jedenfalls springen erschreckend viele auf diesen Zug auf. Angefangen bei Procter & Gambles Pringles Chips (von 200 runter auf zunächst 170 und seit letztem Jahr auf 165 Gramm Inhalt pro Packung), die dies schon seit Jahren praktizieren, bis hin zur Müllermilch (von 500 geschrumpft auf 400 ml pro Becher) von Alois Müller, die Liste ist lang und auf der Homepage der Verbraucherzentrale Hamburg e.V. im Detail einzusehen. Es gab jedoch bis April 2009 Produktgruppen, deren Inhalt nicht einfach klammheimlich kastriert werden durften. Dank eines EU-Beschlusses fiel auch diese letzte Hürde zu Gunsten der Hersteller.
EU öffnet Tür und Tor Seit April 2009 müssen Milch, Wasser, Limonade, Fruchtsäfte, Zucker und Schokolade nicht mehr in vorgegeben Verpackungsgrößen verkauft werden. Damit sind auch hier Packungsschrumpfungen möglich, auch wenn sich die Hersteller bislang überwiegend zurückhalten (abgesehen von Red Bull und deren krummen Doseninhalten von 355 und 473 ml). Dennoch kann man davon ausgehen, dass die Firmen nicht plötzlich ihre soziale Ader entdeckt haben, sondern viel mehr nur darauf gewartet wird, dass irgendwer den Anfang wagt – und sich damit zum Pionier-Buhmann macht. Denn nicht zuletzt dank der Verbraucherzentrale läuft das vermeintlich heimliche Anziehen der Profitschraube immer weniger „lautlos“ ab.
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Schlechte PR unerwünscht Auf einem mit Konkurrenz übersäten Markt meidet man schlechte Presse besser wie Herpes-Lippen. Sicherlich war der Aufschrei der Verbraucher über die Medien mit ein Grund dafür, dass es die Müllermilch nun doch wieder auch im 500-ml-Becher gibt (zumindest die klassischen Geschmackssorten). So muss man mittlerweile als Anbieter abwägen, ob man lieber eine versteckte oder doch besser eine offene Preiserhöhung durchzieht. Weil klar ist, dass beides Kundschaft verprellt. Jedoch schwingt bei der offenen Preiserhöhung weniger das Gefühl mit, unfair abgezockt zu werden. Ob offen oder versteckt, in beiden Fällen sind die Firmen um keine Rechtfertigung für die Erhöhung verlegen.
Fadenscheinige Argumente Zur Rede gestellte Hersteller führen gerne als Argument für die Verkleinerung des Inhalts ins Feld, dass die Qualität der Produkte beträchtlich gestiegen sei. Zum Beispiel verwende man nun keinerlei künstliche Farbstoffe mehr. Keine sehr durchdachte Ausrede, denn man muss förmlich sofort nachhaken, ob denn bislang künstliche Stoffe Verwendung fanden? Sehr pikant, vor allem wenn sich laut der Zutatenübersicht nichts verändert hat. Andere geben gerne an, dass die Produktionskosten immens angewachsen sind. Ein nur minimal besseres Argument, da sich meist sehr leicht feststellen lässt, wie sich Energie- und Produktionskosten tatsächlich entwickelt haben. Und wieder andere verstecken sich hinter der Aussage, dass die Verbraucher doch ohnehin den Grundpreis als Orientierungsgrundlage haben, also alles mitnichten „versteckt“ ist, sondern so transparent wie nie zuvor.
Grundpreis-Suchspiele In der Tat ist es Vorschrift, dass Waren auf der Preisauszeichnung im Supermarkt den so genannten „Grundpreis“ angeben müssen. Sprich, dass der Preis für eine feste Basis-Menge mit angegeben wird, zum Beispiel der Preis für 100 ml oder 100 g. Dadurch kann man ohne Probleme vergleichen, welcher Käse nun wirklich teurer ist. Zumindest in der Theorie, denn in der Praxis kommt es zu oft vor, dass dieser Grundpreis auf den Preisschildern fehlt oder sehr klein aufgedruckt ist. In kleineren Geschäften sowie an Kiosken fehlt er natürlich komplett. Außerdem greift die Grundpreis-Regelung nicht bei Waren, deren Inhalt in „Stück“ angegeben wird, wie zum Beispiel Toilettenpapier. Pascal
Linktipp: www.vzhh.de (Verbraucherzentrale Hamburg e.V.)
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Das tight KrassE
-VOLKSMUSI‘-Bingo
Spielregeln:
Jeder bekommt ein unterschiedliches Spielfeld zugeteilt
Schlager und volkstümliche Musik sind ein Hort voller Frieden und Glück. Da wird es doch endlich einmal Zeit, diese Texte genauer unter die Lupe zu nehmen. Sind Liebe, Harmonie und Glück wirklich vertreten? Fühlt man sich nach
Es wird ein Liedtext, ein Interview oder sonstige Äußerung herausgesucht und nach kuschelige-Heile-Welt-Bingo-Begriffen untersucht. Jeder hat selbstverständlich den gleichen Text. Sollte der Text für das kuschelige-heile Welt-Bingo nicht genügen, nehmt ihr einen neuen Text usw., usw. Wir zitieren aus Gelares Sarfaras Meisterwerk „DU“
Herzelein, weißt du noch damals? (mit tiefer Stimme gesprochene Intro) Nie zuvor erträumten wir uns eine Nacht wie diese. Deine Augen leuchteten, als wir hüpften Hand in Hand über die Wiese. Du warst ganz nah bei mir, wir sahen die Blumen blühen, du berührtest etwas in mir, ich konnte nicht ahnen, dass ich würde an diesem Gefühl verglühen. Wir hielten uns fest und sahen den Sternen zu, wir verschmolzen zu einer Seele. Du gabst mir den Rest, ich komm nun nicht mehr zu Ruh. Bist fort und somit der Grund warum ich mich quäle. Ohne dich bin ich leer, für immer und stetig. Doch die Erinnerungen geb ich nicht mehr her. Ich bin dein - für ewig.
jeder Textzeile wirklich viel dümmer? Will man sich nach diesem
Plural und Singular sowie sämtliche Deklinationen sind erlaubt. Beispiel: Herz – Herzen schmachte – schmachten – schmachtete usw.
Spiel die Haare frech nach hinten föhnen?
Hat jemand auf seinem Spielfeld einen kuscheligenHeile-Welt-Bingo-Begriff gefunden? Markieren!
Probiert es aus:
Wer zuerst eine Spalte, eine Reihe oder eine Diagonale fertig hat, ruft laut: kuschelige-heile Welt-Bingo und ist der große kuschelige-heile Welt-Bingo-Gewinner.
Danach werden neue Spielfelder verteilt und der kuscheligeheile Welt-Bingo-Spaß beginnt von vorn. Freut euch auf die nächste Ausgabe, denn dort gibt es eine Fortsetzung mit neuer Zielgruppe und schmusigen Glück. Bussi!
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zun Ausschneiden
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L‘Etat c‘est toi Wer die Situation nicht kennt, hatte bislang Glück oder lebte stets nach den herrschenden Gesetzen und ungeschriebenen Norm- und Wertevorstellungen. Wessen Gliedmaßen jedoch in den Mühlen der Behörden hängengeblieben sind, dem wird hier etwas auf den Weg gegeben.
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Wie schnell passiert es, dass man von der Polizei behelligt wird. Zu schnell im Auto, beim Fahren telefoniert oder mal eben die Bude vom Nachbarn ausgeräumt. Dass euch dann die Grün-Weißen aka Blau-Silbernen auf die Füße treten, ist nachvollziehbar. Die Suppe dürft ihr zu Recht löffeln. Übergriffe der Polizei, unangemessenes Verhalten, Pöbeleien, das sind alles Schlagworte, die nur zu gerne aus dem Hut gezogen werden, wenn man sich ertappt fühlt und die eigene Tat zu entkräften versucht. Was aber, wenn ihr nichts getan habt, was gegen geltende Gesetze verstößt? SLEAZE will all denen helfen, die ungerecht behandelt oder vom Staatsbüttel zu grob
angefasst wurden. Wir werden euch einen kleinen Überblick darüber verschaffen, welche Möglichkeiten denen offenstehen, die Opfer von Willkür und nicht gerechtfertigter Gewalt von Vollzugsbeamten wurden. Ein Polizist ist in der Regel nicht mit einem Namensschild ausgestattet. Also erfragt ihr seine Dienstnummer, denn zur Herausgabe ist er verpflichtet. Bleibt hartnäckig, je länger und öfter ihr fragt, desto höher ist die Chance, die Nummer zu bekommen. Denn auch wenn es seine Pflicht ist, er gibt sie logischerweise nicht gerne. Checkt im Internet auf der Website der jeweilig tätig gewordenen Polizei nach der Anschrift der Beschwerdestelle oder wenn
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es allzu arg wurde, nehmt euch einen Anwalt und erstattet über diesen Strafanzeige bei der jeweiligen Polizeibehörde. Eine Anzeige gegen Unbekannt ist in der Regel ziemlich aussichtslos, die verdächtige Person zu personalisieren ist besser. Dann besteht die Chance, dass der Vorwurf den betroffenen Beamten auch erreicht. Bei einer erfolgten Anzeigenerstattung wird der Beamte, sollte er dann namhaft gemacht werden, von der zuständigen Polizeidienststelle für Amtsdelikte angeschrieben. Da er Beschuldigter ist, kann er sich zur Sache äußern oder auch nicht. Auch steht ihm, wie bei jedem anderen Beschuldigten auch, das Recht zu, einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Sollte lediglich eine Beschwerde gegen ihn vorliegen, wird er ebenfalls aufgefordert, sich zur Sache zu äußern. Ebenso ist der Beamte verpflichtet, jedes Strafverfahren, das gegen ihn eingeleitet wurde, seinem Vorgesetzten zu melden. Das Heikle an der Sache ist, dass bei Erstattung einer Strafanzeige sofort disziplinare Vorermittlungen eingeleitet werden. Diese bewirken automatisch einen Beförderungsstopp. Das heißt, dass selbst bei einer Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft der Polizist Ärger von der Disziplinarstelle bekommen kann. Aber nur, wenn diese es als erwiesen ansieht, dass der Beamte durch sein Verhalten dem Ansehen der Behörde geschadet hat. Resultate aus einem Disziplinarverfahren können vielfältig sein und empfindliche Einschränkungen nach sich ziehen. Der Polizeibeamte kann eine Beförderungssperre erhalten, ihm kann eine Geldbuße auferlegt werden, ihm kann das Gehalt gekürzt werden und in besonders schweren Fällen kann er auch degra-
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diert werden. In Ausnahmefällen ist eine Entfernung aus dem Dienst möglich. Die fristlose Entlassung droht jedem Polizisten, der von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde. Eine Aussetzung zur Bewährung spielt da keine Rolle. Ihr seht also, selbst wenn man als Außenstehender das Gefühl hat, dem jeweiligen Beamten geschieht nichts, kann man ihm doch wirklich das Leben schwer machen. Informiert euch über eure Rechte und setzt diese durch.
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N O D N O L : r u o t n o SLEAZE Hat London seinen Ruf zu Recht? Paris ist zu romantisch, Kopenhagen ein Geheimtipp, Berlin noch zu neu, um etabliert zu sein – London wird seit Jahren als die einzige Metropole Europas gesehen.
chen, das im ersten Ein selbstironisches Zei Kühe aussehen? wie n nne llto BSE-Land Mü
nen sehr höflich sein. Ja, die Engländer kön Selbst ihre Müllwagen.
Mit über 7 Millionen Einwohnern ist sie die größte Stadt der EU und von ihrem Einfluss auf kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Gebiet bisher auch die einzige Weltstadt Europas. Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Probleme wird London wohl auch diese Krise einigermaßen unbeschadet überleben und weiterhin eine der führenden Finanzmetropolen bleiben. Abseits der abstrakten wirtschaftlichen Superlative hat London natürlich auch alles, was Großstädter brauchen: viele Menschen, Hektik, Beton – und ein riesiges kulturelles Angebot. Es gibt wohl niemanden, der nicht irgendeine Erinnerung an einen Song aus London hat. Neben Klassikern wie den Beatles und den Rolling Stones und Mainstream-Pop à la East 17 oder George Michael mit und ohne Wham! gibt es für das sich gern abgrenzende Ohr auch Untergrund-Fusionen wie 2step, Grime (hoch lebe bonkers Dizzee Rascal!), Britpop, Jungle oder D’nB. Auch wenn nicht alle diese Genres ihren Ursprung in London hatten, ist die Stadt doch ein guter Multiplikator für den Sprung ins ausländische Musikgeschäft. Auch in der Mode fährt London eine eigene Linie. Der ModLook der 60er wurde dank der Hilfe der Musik-Szene populär, aber auch heute prägen Designer wie Selbstmörder Alexander McQueen oder die vielen erstklassigen Streetwear-Labels von Supremebeing, Fenchurch, Silas and Maria bis Lazy Oaf den London-Style. Gerade letztere haben ihre Basis hauptsächlich im nördlichen Soho rund um die Carnaby Street. Da schließt sich der Kreis wieder, als der Mod-Look die Gegend erstmals hip werden ließ. Dementsprechend feiert die Straße dieses Jahr auch ihren 50. Jahrestag mit Events und Rückblicken.
merresidenz?
Nomad’s Londoner Som
le in einem Shop Die Bread & Butter Bib ein Zeichen. ch Au . eet Str y nab der Car
Strass‘, Steine und mehr Kunst Dank Banksy hat die Kunst- und Kulturindustrie Londons eine neues und sehr buntes Mosaik- (oder besser Pflaster)steinchen. Street Art ist inzwischen ein Thema, was inzwischen nicht nur die Rechtsanwälte, sondern genauso Tourismus, Mode und Gastronomie für sich entdeckt hat. Noch steckt alles in Kindersneakers, man kann also sich noch einigermaßen ohne klassisches Touri-Feeling auf Banksy-und-Co-Spuren begeben. Unter localize.us kann man sich z.B. eine eigene (Cool-)Tour zusammenstellen, weit weg von den vielen Konsumtempeln.
- Mehr Infos: www.visitbritain.org - Würdiges zum Sehen: Carnaby Street, www.carnaby.co.uk - Von den Stadtteilen außerdem zu empfehlen sind East End und Camden - Street Artist Banksy, www.banksy.co.uk (Vorher informieren, da Street Art…na ja, ihr wisst Bescheid. Es gibt auch Insider, die Touren anbieten. Der coolere Weg ist natürlich die eigene Erforschung, unter localize.us kann man sich z.B. eine schöne 16 zusammenstellen.) Tour
tte – mit Robbo-
Die berühmte Banksy-Ra Kommentar
adt auch erst aus.
Das macht eine Großst
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DER
G
auf www.sleazemag.de
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Einmal Shooting ohne alles, bitte! Was tun, wenn man kein Geld hat? Richtig, man macht Limonade daraus. Haben wir uns auch gedacht und diesmal ein Webcam-Shooting umgesetzt. Normale Menschen mit normalen Kleidungsgrößen werden einfach vor eine Webcam gestellt und posen normal. Übrigens, die Stylistin war keine Stylistin, die Fotografin keine Fotografin und die Projektdiktatorin ist in Wirklichkeit alles andere als Stalin.
Diktator: Jule Haug Fotograf: Maren Siegemund Stylistin: Gelare Sarfaras Grafische Bearbeitung: Yanah Hölig Webcam: HP Elite Autofocus
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Cap: St端ssy Jacke & Shirt: SupremeBeing Hose: Diesel Schuhe Nike Air Yeezy Ball: K1X Brille: Nerd Uhr: G-SHOCK 20
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T-Shirt: Style Sucks Hose: Diesel Jacke: Diesel Kophรถrer: Coloud Schuhe: Nike
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Hose: Iron Fist Jacke: Iron Fist Shirt: Supremebeing Ball: K1X Schuhe: New Balance
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Jacke: SupremeBeing Hose: Khujo Vintage Schuhe: Adidas E.P. Pro Ball: K1X
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Schuhe: adidas Hose: adidas Schmuck: Suparina, Old Skull People Jacke: SupremeBeing Shirt: St端ssy Uhr: Too Late
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Hose: Cleptomanicx Shirt: adidas Jacke: Drykorn Uhr: Neolog
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Jacke: Cleptomanix Jeans: Drykorn Kopfhรถrer: Coloud Marvel
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Jacke: Blend She Shirt: Iron Fist Tasche: Timezone Hose: Cleptomanix Schuhe: Harlot Kopfhรถrer: Urban Ears Kette: Suparina SLEAZE April/ Mai 2010
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Cap: New Era Shirt: SupremeBeing Jacke: Cleptomanix Hose: Khujo Vintage Schuhe: Nike Jordan
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Cap: Beastin Jacke/ Shirt / Schuhe : adidas Hose: Diesel Uhr: G-SHOCK
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L E B E N S K U N S T 30
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Playmo the Undead
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Sexploitation - Boobs & Blood
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Dave‘s Little Koop mit Beck‘s
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Grafiker-Plat
z
ker fi a r G r ü f z t Ein Pla
- und Partyto u A -, s g n u ige Wohn n Graund kurzleb h ic s rt e hochwertige d i n e b rä s e e v t ft h a ie ndsch Anders s n nichts Die Medienla Internet ab. re le ib Tablet-Versio x e s fl le s p a p d A t in s ern as Marst – selb dates wand icht sogar d e n wird – vore ll ra ie a v D d n s. u (u a youts Haptik auf fiken und La dem sich die ind Grafiker n s a , n t, e k s s n a u p p n it a zu dem Ze en Inhalt em jeweilig ändern. Bis ren. d e g u e lz ie zu präsentie n Sp n e e s ch s e is n m e ch g te n a re Kunst terial) der iesen, um ih w e g n a n e ch pelseite analoge Flä ahl eine Dop W r re e s n u Künstler . gabe einem gen wie z. B s n u u A k n r e rä d je ch s kleine Ein deshalb in e können ng. Bis auf Wir stellen u g ü rf e Bei Interess V r i. u e z fr tz ig la ll P ö v rfike nstler en. auf dem Gra en ist der Kü kt aufnehm g n ta n u o d K n s u n k u e b it heits gern m rechte Dumm azemag.de le s @ o il n a stler über d weitere Kün
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Sexploitation
Boobs & Blood „Hätte ich mich nicht so sehr für Titten interessiert, wäre aus mir vielleicht ein großer Filmemacher geworden.“
Das kann gut sein, jedoch ist Russ Meyer auch mit seinem Hang zu Riesenbusen eine Legende im Filmbus[en] iness. Der Regisseur ist bekannt für Streifen mit wenig Handlung,
billiger
Produktion
und
viel
Sex.
Laien
würden seine Filme stupide als Softpornos bezeichnen, doch Russ weiß Scherze zu setzen, groteske Optiken und subtil eine Komödie zu schaffen. Weniger unauffällig ist seine Affinität zu Riesenmöpsen, die Filme wie „Blumen ohne Duft“ erst so richtig sehenswert machten, Jener ist zudem Meyers erfolgreichste Verfilmung, die das Genre der Sexploitationfilme einleitete. Auch privat will der Busenfreund nicht auf jene in Übergröße verzichten, seine beiden Ehefrauen spielten in einigen seiner Streifen mit und hatten somit großes Potential. In seiner Autobiografie mit dem schönen Namen „A Clean Breast“ erfahren wir jedoch, dass Russel Albion (bürgerlicher Name) nicht nur mit Titten zu tun hatte. Zwischen den ersten Filmen mit 15 und der Fotografie für den Playboy als Einstieg in die Medien war Meyer Kriegsberichterstatter in Europa im Zweiten Weltkrieg. Doch nach der Heimkehr gründete er mit seiner ersten Frau eine eigene Produktionsfirma und es ging wieder nur um eins: Buusen Buusen Buuusen! Jule
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Blumen ohne Duft Als Hommage oder Fortsetzung an Jaqueline Susann’s Roman The the Valley of Dolls, hatte Russ Meyer mit „The Valley of Dolls“ (zu deutsch Blumen ohne Duft) 1970 seinen größten Erfolg. Der Film spielte insgesamt 6 Millionen € Gewinn ein, nicht schlecht dafür, dass es nur um Titten und Tote geht. Die junge aufstrebende MädchenRockgruppe The Kelly Affair lernt auf einer Party einen Musikproduzenten kennen, der sie auch gleich unter Vertrag nimmt und ihnen den medienwirksamen
Namen The Carrie Nations gibt. Als spannenden Nebenaufhänger steht einem Bandmitglied auch noch ein erhebliches Erbe zu. Die Ereignisse überschlagen sich, jeder schläft mit jedem, gleichzeitig wird versucht, das Erbe abkömmlich zu machen und wie das halt so ist, endet alles in einer Massen Steche-/Schießerei, bei der in kurzer Zeit vier Leute sterben. Doch Ende gut alles gut, die Mädels mit den Riesenmöpsen überleben heroisch. Jule
Die Satansweiber von Tittfield Ein Roadtrip, wie man ihn sich vorstellt: Drei agressive Stripperinnen, davon zwei Lesben, fahren in einem Porsche durch die Wüste. Dabei treffen sie auf ein Pärchen, von dem gleich erst mal der männliche Part nach einem eskalierten Autorennen per Genickbruch umgebracht wird. Die unter Drogen stehende Freundin wird kurzerhand zur Weiterfahrt eingesackt. Beim Stopp an einer Tankstelle trifft die Mädchenbande auf einen gebehinderten Mann und seinen zurückgebliebenen Sohn. Der Alte besitzt eine Menge Geld auf der Farm, welches die agressiven Weiber versuchen zu entwenden. Das schaffen sie auch, der Alte und auch sein Sohn sterben durch die Hand der Stripperanführerin, jene bringt auch gleich noch eine
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ihrer Gefährtinnen zur Strecke und stirbt am Ende selbst. So wie man es sich wünscht, sterben also insgesamt sechs Hauptdarsteller in dem düsteren schwarz-weiß Movie. Damit hätte nach dem Film einleitenden Prolog über Gewalt und Frauen wohl niemand gerechnet. Erstaunlicherweise gibt es in dieser Meyers-Produktion keine Nacktszenen, man beschränkt sich auf Riesenhupen und viel Gewalt. Sex gab es eher hinter den Kulissen. Die Hauptdarstellerin weigerte sich, drei Wochen ohne Befriedigung am Set zu verbringen (eine von Russ Meyers strikten Regeln), also wurde der Kameraassistent für den nächtlichen Orgasmus eingestellt. Jule
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Supervixen Als etwas skurriles Reisetagebuch kann Supervixen auf jeden Fall bezeichnet werden. Protagonist Cliff Ramsey ist eine Sexbombe ohnegleichen. Seine Arbeit an der Tankstelle wird ständig gestört durch nymphomane Kunden, die lieber mit ihm ins Bett als sein Benzin wollen, ganz zum Ärgernis seiner Freundin SuperAngel. Erst gibt es Sex, dann eine Keilerei der bei40
den. Nachdem das Engelchen von einem impotenten Bullen umgebracht wird, macht sich Cliff auf den Weg durch die Welt auf der Suche nach einem besseren Leben. Finden tut er bislang nur notgeile SuperWeiber, die nach seinem Körper gieren deren Ehemänner trachten nach Cliff‘s Leben. Nach etlichen Stopps an Motels und Tankstellen und einer Tauben, die durch Bom-
bensex wieder sprechen kann, erreicht unser Protagonist ein Diner, in dem er doch tatsächlich seine große Liebe finden soll: SuperAngels Reinkarnation. Und das Beste: Sie interessiert sich auch für seinen Charakter. In einem atemberaubenden Showdown versucht ein verrückter Gatte von Ramsey’s vorherigen Verehrerinnen vergebens ihn umzubringen. Der Eifersüchtler
stirbt selbst durch eine Dynamitstange in der Hand. Supervixen ist Russ Meyers erste Film, der Hollywoodausmaße in Produktion, Aufmachung und Handlung annahm, ohne dabei Titten, Tote und Tragödie zu vernachlässigen. Jule
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Mudhoney Antigone kann einpacken! Mit Mudhoney versetzt Russ Meyer eine griechische Paradetragödie in die Provinzstadt Spooner, Missouri. Als Durchreisender löst Calif McKinney innerhalb kürzester Zeit Eifersuchtsdramen Mord und Totschlag aus. Bei einem Stopp in dem kleinen Örtchen lernt er einen Mann kennen, der seine Hilfe bei einigen Jobs benötigt. Calif‘s Entscheidung dort zu bleiben wird erleichtert, als er die heiße Tochter des neuen Arbeitgebers kennenlernt. Leider ist jene mit einem irren Frauenschläger verheiratet, der sich mit dem dorfansässigen Pfarrer verbündet, um McKinney, den geheimnisvollen Ehefrauenvögler, aus dem Weg zu räumen. Das schreit ja förmlich nach mystischer Schwarz-Weiß-Optik, Sex und Gewalt. Als einziges Todesopfer geht die Pfarrersfrau aus der Geschichte, alle restlichen mitwirkenden Frauen überleben gerechterweise und werden in griechischer Sagenmanier von ihrem Peiniger erlöst. Der Film ist Namensgeber für die Grunge-Band Mudhoney, vielleicht wegen seinem schönen Ende. Jule
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Dave‘s Little Koop mit Beck‘s Bei seiner Koop mit Beck’s Gold und dem Modeladen Firmament bewies er wieder einmal, dass er sein Gefühl für den Zeitgeist nicht
What kind of tools do you choose for your work? Photoshop, brushes, spray cans anything else? What do you prefer? Anything from pen & ink, airbrushing, pencil then scanned into a Mac, to render in Illustrator or I would say mainly Photoshop as it replicates very closely the human hand with pencil & paint, as I find ‚vector‘ work, sometimes too clinical.
verloren hat. Das ShirtDesign mit dem alles sehenden Auge Gottes über der Großstadt als Fusion von Altmeister Keith Haring und heutiger Street Art könnte sofort an jede Großstadt-Wand gekleistert werden, um begeistert fotografiert zu werden.
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What does the project with Beck’s Gold and Firmament mean to you personally? To be asked was a great honour, as I have massive respect for the Firmament boys Jorg & Andre, and of course Reinhold at Silk PR. Everything from production to the party was fantastic - thanks to my manager Adrian Darby at Moving Music Management for putting together all the details. Could you name any artists (street artists, illustrators, painters…), who had influence in your work? Could you name, why? Well, as stated in my YouTube interview in this context its got to be the original Street Art King ‚Keith Haring’, he was one of the
first of the first! He was (along with Futura & Basquiat) one of the true founding fathers.. But my own favourites are Ralph Steadman, Ronald Searle, Gerald Scarfe, these to me are the real masters of stunning art, technique and the clever message. Plus American artists have massively influenced me Robert Williams (Appetite for Destruction) & Joe Coleman (a wild man!) are the real crazy LA artists still producing eye-watering work but my list is long & life is short.... The sell out discussion, for example about Banksy pieces at eBay and other platforms, is rising in the street art scene. What do you think? And who “owns” street art? We live in the digital age so selling bonafide art direct to the fans is cool. Street Art should always stay with links to the street & should be free to anyone, I do have a real problem when it becomes purely a ‚money commodity‘. Hey, we all need to live & make a profit but when the big money guys get involved then it becomes divorced from the original sentiment but if your doing well & you‘re personally happy then best of luck!!
www.davelittle.co.uk www.urban.becks.de
SLEAZE April / Mai 2010
LEAZ
M E D I E N
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Kino
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Einsamkeit in der Hose
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Dickes Ding
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Comics
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B端cher
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Der authentische Superheld
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Tanz der Teufel
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Game Previews
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Wieviel Liebe braucht ein Mann?
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Games-Gefl端ster
SLEAZE April/ Mai 2010
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Überblick für April / Mai 2010
KINO
Robin Hood Abenteuer, Historie / Regie: Ridley Scott / Kinostart: 13.05.2010
Russell Crowe ist Kevin Costner, Matthew MacFadyen ist Alan Rickman und Morgan Freeman und Sean Connery haben den Bus verpasst. Der neue Robin Hood. Wird vielleicht ein toller Film. Auf jeden Fall hat Herr Crowe in einem Interview festgestellt, dass die Dreharbeiten in ihrer Brutalität mit denen bei „Gladiator“ nicht zu vergleichen sind. Man darf tatsächlich gespannt sein.
Daniel
Neukölln Unlimited Dokumentation / Regie: Agostino Imondi/Dietmar Ratsch / Kinostart: 08.04.2010
Familie Akkouch hat ihren Ursprung im Libanon und versucht im Kiez über die Runden zu kommen. Dabei stehen nicht die allseits bekannten Klischees im Vordergrund. Die Kinder Lial, Hassan und Maradona versuchen ihr Glück, indem sie sich ihre Fähigkeiten zunutze machen. Lial ist Boxpromoterin, Hassan ist Breakdancemeister und der kleine Maradona ist vielversprechender Kandidat für Deutschlands Supertalent. Wenn da nicht die Behörden wären. Denn die verweigern den Akkouchs einen unbefristeten Aufenthalt in Berlin. So schwebt über den Versuchen, aus ihrem Leben etwas zu machen, das Damoklesschwert der Abschiebung. Lial und Hassan versuchen, Geld zu verdienen und so der Ausländerbehörde den Beweis zu erbringen, dass sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Und Dr. Körting, der hartleibig anmerkt, dass zu prüfen sei, ob es von öffentlichem Interesse sei, dass einzelne Personen oder Familien in Deutschland bleiben dürfen, wird von Hassan mit den Worten abgewatscht, dass er einen Hass in ihm schüre. Dass nie etwas glatt läuft, wenn man es braucht, zeigt sich in dem Gebaren des kleinen Maradona. Einerseits angetrieben von den Vorbildern, die er in seinen Geschwistern sieht, zieht es ihn auch zum Lebensstil seiner Kumpels auf der Straße, was dann in Konfrontationen mit der Polizei endet, was wiederum Wasser auf die Mühlen von Herrn Körting ist. Herkunft ist doch mehr als nur Oma und Opa. Daniel
Precious Drama / Regie: Lee Daniels / Kinostart: 25.03.2010
Clareece Jones ist schwarz, 16 Jahre alt und wiegt weit über 200 Pfund. Sie kann weder lesen noch schreiben. Von ihrem eigenen Vater vergewaltigt, trägt sie bereits das zweite Kind aus diesen Torturen aus. Und bekommt von ihm das HI-Virus obendrauf. Die Mutter kümmert das wenig und lässt an ihr sämtliche Aggressionen und Frustrationen aus. Clareece (Gabourey Sidi) kommt an eine andere Schule, dort kümmert sich die Lehrerin Ms. Rain (Paula Ratton) um das verloren geglaubte Mädchen. Sie lernt lesen und schreiben, findet Freunde unter ihren Mitschülern und löst sich immer mehr aus ihrer Starre und die stolze Aufmüpfigkeit, der Humor und die Lebenslust tritt immer mehr zu Tage. Doch die Vergangenheit in Form ihrer Mutter lässt sie nicht los. Ein Schicksal, dass niemanden kalt lässt. Beklemmend, jede Szene ein weiterer Schlag in die Magengegend, absolut kein Popcorn-Kino, aber auch nicht weniger sehenswert.
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Daniel
SLEAZE April / Mai 2010
Survival of the Dead (Reif für die Insel) Horror / Regie: George A. Romero / Kinostart: 08.04.2010
Zombies, miese seelenlose Fleischfresser, machen den Vereinigten Staaten die Hölle heiß. Es gibt kaum ein Entrinnen, bis in die letzte Ecke zwängen sich die staksigen, scheinbar fremdgesteuerten Fleischberge auf ihrer Suche nach pulsierend-frischen Herzen und Hirnen. Auf einer Insel des Ostküstenstaates Delaware fechten dagegen die eingesessenen Familienclans der O´Flynns und Muldons seit Jahren gegeneinander. Und anstatt man angesichts der drohenden Gefahr die Fehde beilegt, wird auch der Umgang mit den Untoten Thema der Auseinandersetzung. Die einen wollen jeden Zombie, der in die Quere kommt, per Kopfschuss in die Jagdgründe des faulen Fleisches schicken. Die Gegner wollen sie „leben“ lassen, in der Hoffnung, die Marionetten mit starrem Blick umzuerziehen und ihnen zukünftig Tierfleisch schmackhaft zu machen. Der trigger happy Familienclan der O´Flynns verliert und das Familienoberhaupt Patrick O´Flynn (Kenneth Welsh) wird von der Insel verbannt. Fern der Insel trifft O´Flynn auf eine Gruppe von Soldaten, die sich auf eigene Faust durchschlagen wollen. Sie wollen auf die Insel, von der O´Flynn verbannt wurde, in der Hoffnung, dass dort ein normales Leben möglich ist. Der Anführer der Deserteure ist Sarge (Alan van Sprang), der, auf der Insel angekommen, sich O´Flynns Tochter nähert, die wiederum beide Familien zu einem Runden Tisch drängt. Als dann einer von Sarges Leuten erschossen wird, nimmt das Chaos Anlauf und grätscht den Inselbewohnern und seinen Gästen ins Kreuz. Daniel
SLEAZE April/ Mai 2010
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Fatso
Einsamkeit in der Hose Rino bewohnt allein die Wohnung seiner verstorbenen Großmutter. Die Einrichtung sieht aus, als wäre sie nur kurz zu Einkaufen oder zur Grabpflege. Rino ist Außenseiter von Beruf, er ist übergewichtig, trägt ein Kassengestell und auch sonst ziemlich schräg. Pornosüchtig, schwer masturbationsabhängig und verdammt einsam. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich mit dem Übersetzen von Bedienungsanleitungen vom Deutschen ins Norwegische. Seine Fantasien verarbeitet er in Comics, über einen Superhelden namens Captn Kuk, was das norwegische Wort für den englischen Cock ist. Und Captn Kuk ist das, was tief in Rino schlummert. Pornös, auf der Suche nach Gerechtigkeit und unglaublich versaut. Sein Kumpel Filip ist ihm keine große Stütze. Ein kettenrauchender Säufer, der sich durch zynisch-sarkastische Schimpforgien über Wasser hält und sich dadurch jeder Wahrheit über seine armselige Existenz entzieht. Rinos Eltern haben beschlossen, ein Zimmer der Wohnung unter zu vermieten. Und wen wundert’s, der neue Mieter ist eine 20Jährige blonde Versuchung namens Malin. Rino ist sofort schwer verliebt, doch Malin steht auf durchtrainierte Sunnyboys und lässt sich von denen ziemlich verarschen. Rinos Leben läuft aus der Bahn, Malin reißt ihn aus seinem lethargierten Alltag. Am Ende steht eine Willkommensfeier, die das retardierende Moment von Rinos kläglichen Versuchen darstellt, aus sich herauszukommen. Am Ende zieht Malin zu ihrer Mutter zurück um sämtlichen Reizen und Versuchungen zu entkommen, denen sie nicht widerstehen kann. Und Rino geht aus der Geschichte mit mehr Selbstsicherheit hervor. Ein teilweise derber Film, der nicht überzogen oder überspitzt wirkt, sondern zeigt, wie es Leuten ergehen kann, die unterschiedlicher kaum sein können. Über unbedarfte kleine Mädchen, die sich unter Alkohol ins Unheil stürzen, über junge Männer, die nicht wissen, wohin mit sich. Ein ehrliches Stück Zelluloid. Und die Comicstrips von Captn Kuk, die den Film durchziehen, sind wiederum abgefahren und fast beängstigend, wenn man überlegt, dass sie der „normalen“ Fantasie eines Einzelnen entspringen. Daniel
Regie: Arild Fröhlich VÖ: 07.05.2010 Vertrieb: Sunfilm
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SLEAZE April / Mai 2010
HSBUJT
DPNJD
! U B H ! 3121 HSBUJT!DPNJD!UBH!9/!NBJ!3121
Dickes Ding Ein Buch Ăźber die deutsche
Aber was bedeutet das fĂźr unser Leben?
Comicgeschichte wäre in ungefähr
Im Klartext: es gibt umsonst Comics! Man kann also tatsächlich in den Comicladen seiner Wahl reinlatschen und sich mitnehmen, was man will – ohne einen europäischen Pfennig zahlen zu mßssen. Im Angebot ist alles was die Verlagsprogramme so hergeben.
so dick wie ein englisches Kochbuch. Um so auĂ&#x;ergewĂśhnlicher,
XXX/HSBUJTDPNJDUBH/EF
wenn dieses Jahr am 8. Mai zum ersten Mal der Gratis Comic Tag statt findet, denn das gab es noch nie: Es haben sich alle Comicverlage aus Deutschland, die Rang und Namen haben (und noch mehr) zusammen geschlossen,
Dabei reicht die Auswahl von Manga Ăźber francobelgisch Ăźber Superhelden bis hin zu deutschen Indiecomics und natĂźrlich alles, was in keine Schublade passt. Flankiert wird das Ganze von einer breit angelegten Pressekampagne und den teilnehmenden Comichändlern. SLEAZE schlägt zusätzlich vor, dass der Bundestag den „Tag des deutschen Comics“ einfĂźhrt. Der achte Mai wäre dafĂźr ein ganz hervorragendes Datum! Sascha
um etwas fĂźr die Comickultur in
QSÂ TFOUJFSU!WPO
Infos und vieles mehr auf www.gratiscomictag.de
diesem unseren Lande zu tun.
XXX/HSBUJTDPNJDUBH/EF
Š 2009 Top Cow Productions, Inc. All rights reserved.
H F T UB MU V O H ; ! X X X/ B N J H P . H S B G J L / E F
WITCHBLADE 3 – KRIEG DER WITCHBLADES 132 Seiten | 16,95
Die Witchblade, eine mystische Waffe, gespalten in zwei Teile ist eine der mächtigsten Artefakte der Welt. Doch nun entbrennt ein Kampf der zwei Trägerinnen, der zeigen wird, wer wirklich wßrdig ist so eine Macht zu besitzen. 8\ 1dRWWP]ST[ 2^\XRbW^_ ^STa X\ ?P]X]X BW^_ d]cTa www.paninicomics.de SLEAZE April/ Mai 2010
BEREITISCH: L ERHÄLT;034 " 1 “ F8C27 =4BB “ 30A:= 43 “ F0 C Exklusive Comic Preview JETZT auf
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X-MEN NOIR
NORTHLANDERS: HAMMER + KREUZ
Al Capone meets Superhelden so könnte man das neue Marvel Noir Label umschreiben. Noir bedeutet schwarz auf deutsch und Junge, Junge, hier geht auch ständig das Licht aus. Nicht nur gibt es eine Leiche nach der anderen, man sieht auch fast nix, weil alles bei Nacht spielt. Das erzeugt natürlich gewaltig Spannung und Atmosphäre und lässt unsere Helden in einem ganz anderen „Licht“ erscheinen. Sowieso sind die Bilder, die Dennis Calero erschafft, fast wie Schnappschüsse aus einem schwarz-weiß Bogart-Streifen, gewürzt mit all der Brutalität und Kaltschnäutzigkeit, die man einem Mike Hammer zuschreibt.
„Ein Steak bitte, blutig” so möchte man dem Kellner zurufen, wenn man sich den aktuellen Northlanders-Band durchgelesen hat. Northlanders spielt in Irland um das Jahr 1014. Die Wikinger sind eingefallen und machen sich die Insel untertan. Wir folgen einem Vater und seiner Tochter, welche auf der Flucht sind und gleichzeitig alles tun, um den Besatzern das Leben schwer zu machen. Diskutieren ist in diesen Zeiten nicht der
Wissen sollte man, dass diese Geschichten in einer Art Parallelwelt zum normalen Marvelversum spielen. Das macht dann auch alles tatsächlich doppelt interessant, zum einen ist dieses Prohibitionssetting doch mal was anderes und man weiß nicht, wie die (eigentlich) bekannten Figuren in der neuen Welt agieren und zueinander stehen. Auffällig ist z.B., dass hier niemand Superkräfte hat und die X-Men allesamt als jugendliche pubertäre Soziopathen gelten, die Professsor Xavier in seiner Besserungsanstallt wieder auf den richtigen Weg bringen will. Dieser Weg führt seiner Meinung nach allerdings in die Spezialisierung von kriminellen Fähigkeiten seiner „Schüler”. Schräge und mächtig unterhaltsam. Als Sahnehäubchen gibt es noch ein paar Kurzgeschichten (also echte, kein Comic) über Sentinels. Ein wirklich gelungenes Experiment von Marvel Comics. Düster, spannend und mysteriös – ich bin sicher, dass würde die Mimi auch mal mit ins Bett nehmen, schließlich ist es ein Krimi mit einer feinen Prise Superheldentum. erschienen bei Panini Comics, 14,95 Euro
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bevorzugte Lösungsweg, und so pflastern Leichen den Weg der zusammen geschrumpften Familie. Leichen, die mittels Schwerthieben nach Valhalla geschickt wurden. Wie gesagt, es ist sehr blutig und man fragt sich, wo das enden soll. Und darum hat Auto Brian Wood (bekannt durch DMZ und Channel Zero) auch ein kleines Bonmot am Schluß für den Leser übrig. Ryan Kelly illustriert die Geschichten im reinsten Comicstil souverän und ohne Schnickschnack. Regelrecht atemberaubend sind die Cover von Massimo Carnevale. Wer aufgrund dieser Titelbilder auf die Serie aufmerksam wurde, dem sei gesagt, dass er ruhig zugreifen kann. Erfrischend anders, da das Setting eben nicht in einem Conan-artigenMagieuniversum spielt, sondern hier auf der Erde, die wir kennen. Erfrischend anders, weil die Zeit um 1000 n. Chr. doch recht interessant ist und von Brian Wood mit interessanten Geschichten nahegebracht wird. erschienen bei Panini Comics, 16,95 Euro
SLEAZE April / Mai 2010
STAR WARS #78: SCHLACHT UM KHORM (3 VON 3) Wer komplett Bescheid wissen will über die Schlacht von Khorm, muss natürlich noch die beiden vorigen Hefte dazu kaufen. Wer’s nicht tut, kommt gerade recht zum großen Finish, das alles bereithält, was man sich von Star Wars wünscht: Lichtschwertduelle, Explosionen, Lasergewehrgefechte, Jedis, Raumjäger... und mehr. Sehr schön gemacht übrigens: Im Heft gibt es eine Zeitlinie, in der alle Star-Wars-Konflikte markiert sind, so sieht man z.B. ganz genau, wann die Geschichte spielt, die man gerade liest. Vor den Kinofilmen, während der Clone Wars oder oder oder. Sehr interessant.
Sowieso findet man im Star Wars-Magazin nicht nur Comics, sondern auch noch andere redaktionelle Beiträge. So wird man auf dem aktuellen Stand gehalten, was Film, Game und Spielzeugtechnisch Star-Wars-mäßig so vor sich geht. Im hinteren Teil fängt dann die Storyline von „Dark Times: Blutige Ernte” an. Wirklich nett gezeichnet von Douglas Wheatley und sehr mysteriös geschrieben von Mick Harrison. Dank der redaktionellen Beiträge, die einen Überblick verschaffen, sollte jeder mal einen Blick reinwerfen: Warsies und Neugierige, die sich bisher kaum für Star Wars interessiert haben. erschienen bei Panini Comics, 3,95 Euro
BATMAN: KAKOFONIE Er ist zurück und dieses mal wird es noch lustiger. Die Rede ist nicht vom dunklen Ritter, sondern von Kevin Smith. Selbiger mischte vor ein paar Jahren schonmal die Marvel-Serie Daredevil auf. Für die Serie Green Arrow erfand er auch einen eigenen Superschurken namens Onomatopeia. Das ist das Fremdwort für Lautmalerei und bezeichnet das Nachahmen und Wiedergeben eines nichtsprachlichen Geräuschs, also BOOM oder KRACK. Wie geschaffen für Comics, in denen Laute ja auch wörtlich dargestellt werden.
Worum geht’s? Deadshot kriegt den Auftrag, ins Arkham Asylum einzubrechen und den Joker zu töten, denn dessen selbst entwickeltes Nervengift wird mittlerweile in abgeschwächter Form auf der Straße als Rauschgift verkauft, es nennt sich sinnigerweise „Kicha”. Während Deadshot dabei ist, den Joker töten zu wollen, taucht Ono...ihr wisst schon auf und greift Deadshot an. Das Ende vom Lied: Der Joker kommt frei, kriegt Geld vom Lautmaler und Batman kommt an den Tatort. Smith gelingt es hier wieder einmal, einem sehr bekannten Charakter neues Leben einzuhauchen und schreibt sich mit guten Einfällen und dem bekannt zotigen Humor bis zum Ende durch – welches hier natürlich nicht verraten wird. Gezeichnet wird das alles von Walter Flanagan, dem alten Kumpel von Kevin Smith aus New Jersey, der auch dessen frühere Storys schon illustriert hat. Insofern also keine große Überraschung. Wer mal wieder nen netten Batman-Comic lesen will und/ oder eh Kevin Smith mag, sollte sich auf den Weg zu seinem bevorzugten Kiosk/Einzelhändler/Comicladen machen. erschienen bei Panini Comics, 14,95 Euro
in Zusammenarbeit mit
rezensiert von Sascha Thau
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Überblick für den Februar / März 2010
BÜCHER
Giulio Laurenti
Suerte - Vom kolumbianischen Drogenboss zum Modedesigner Das Leben des Ilan Fernandez / Riemann Verlag
Die Biografie eines Kolumbianers, der mit 16 drogenabhängig war, mit 19 Kokain in großen Mengen verkaufte und mit 27 aus dem Gefängnis entlassen wurde. Der Mann war fast so groß wie Escobar. Jetzt ist er Designer seiner eigenen Modemarke mit Dependancen in 32 Ländern. Mit Wut im Bauch über seine üble Vergangenheit und dem entsprechenden Feuer im Blut hat Fernandez den eigenen Teufelskreis durchbrochen und sieht sich nun als geläutert. Das Buch zeigt das Innere des Drogenhandels auf, die Exzesse, den ewigen „Hustle“. Wir nennen es nicht Lehrbuch, geben es uns aber trotzdem. Daniel
Nick Brandt
A Shadow Falls Bildband / Knesebeck
Das ist nicht Hagenbeck und auch nicht The Kruger Nationalpark. Nick BRANDT hat Tiere Ostafrikas nicht einfach nur abgelichtet. Er hat sie in Szene gesetzt, sie zu Protagonisten ihres eigenen Films gemacht. Durch das Spiel mit Atmosphäre, Licht und Schatten erscheinen sie dem Betrachter fast menschlich. Jedes Lebewesen hat seine eigene Geschichte zu erzählen und stellt sich in seiner jeweiligen Lieblingspose dar. Teilweise fast mystisch erscheinen die Mähne des Löwen oder der trinkende Elefant. Nick Brandt´s zweiter Bildband wird vermutlich ebenso einschlagen wie sein „On this Earth“, wo er die ersten Naturbilder veröffentlichte. Ein dritter Teil soll folgen. Daniel
Jon Flemming Olsen
Der Fritten-Humboldt Goldmann Verlag
Wer genau hinsieht, weiß, wer der Autor ist. Imbiss-Ingo bei „Dittsche“! Nur dass er im Privaten lieber keine Haare auf dem Kopf trägt anstelle des Vogelnests, wenn er zwischen Fritteuse und Kühltheke steht und den enervierenden Bademantelträger und Besserwisser Dittsche mit halben Litern versorgt. Olsen hat sich aufgemacht und tourte einen Sommer lang durch einige Imbissbuden Deutschlands. Ziel war es für ihn nicht, einen Fritten-Führer herauszubringen. Ihn interessierte eher das, was neben der Nahrungsaufnahme passiert. Herausgekommen sind tragisch-komische Geschichten, von den Protagonisten selbst erzählt.
Daniel
Yoani Sánchez
Cuba Libre - Von der Kunst, Fidel Castro zu überleben Heyne Verlag
Die Autorin, zu Zeiten des Berliner Mauerfalls längst in der Pubertät, berichtet über den Alltag im kubanischen Sozialismus. Über fremde Utopien, von ihren Eltern in die Wiege gelegt, über die Abneigung, diese Utopien den eigenen Kindern weiterzugeben. Von der Sorge, wie man das Einkaufsnetz voll bekommt. Und dem inneren Konflikt, was das Schreiben eines Blogs für weitreichende Folgen haben könnte. Bekommt der Sohn Ärger in der Schule? Wird sie als angebliche Agentin des CIA „entlarvt“? Warum kann man DVD-Player kaufen, obwohl es noch nicht einmal VHS-Kassetten zu kaufen gibt. Sánchez prangert nicht an, sie stellt kritisch dar, wie das Leben im Kuba des Fidel Castro ist. Daniel
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SLEAZE April / Mai 2010
El Superbeasto
Der authentische
Superheld Superhelden sind nett, hilfsbereit und uneigennützig. Superschurken sind fies, egoistisch und kaltherzig. Dieses Schwarz-Weiß-Denken erinnert doch sehr an den guten, alten Dabbel-Juh Bush. Regisseur Rob Zombie räumt mit dieser unrealistischen Einteilung in seiner Comic-Verfilmung „El Superbeasto“ ordentlich auf. El Superbeasto ist eingebildet, arrogant und ein erstklassiges Beispiel vom Besitzer eines JohariFensters. Also alles Eigenschaften, die ein Herr, der Superhelden-Fähigkeiten besitzt und dem diese zu Kopf gestiegen sind, durchaus haben könnte (was aber in der sauberen Comichelden-Welt sonst meist nicht vorkommt). Das Problem: Seine Superhelden-Skills bestehen hauptsächlich darin, dass seine Schwester Susi X sie hat und sie ihm immer wieder mal „hilft“. So auch, als seine neue Traumfrau Velvet, die nichts von ihm wissen will, wovon er wiederum nichts wissen will, von dem Psycho-Pseudo-Wissenschaftler Dr. Satan entführt wurde. Da Susi gerade einer Meute Nazis den Kopf Hitlers entführt hat, gibt es den großen Showdown zwischen Superhelden, Dr. Satan und Nazi-Truppen auf dem Anwesen des Doktores. Das Ganze wird mit einer ordentlich skurrilen Mischung aus Sex, Horror und politisch inkorrekten Sprüchen (und Geräuschen) sowie der deutschen Synchronisation von Oliver Kalkofe und Martina Hill abgerundet. danilo
Regie: Rob Zombie VÖ: 09.04.2010 Vertrieb: Sunfilm
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Tanz der Teufel
Oder: Du kannst uns nicht entkommen.
Irgendwo in Tennessee, Anfang der 80er Jahre. Ein hübsches College-Girl in knappen Höschen rennt schreiend durch den Forst, verfolgt von dem unbeschreiblichen Bösen. Bevor sie jedoch ihr vermeintliches Heil in einer abgelegenen Waldhütte suchen kann, wird sie gegen ihren Willen vom umgebenen Gestrüpp in die Begattungsstarre befördert. Währendessen in der Hütte bekommt ihre Freundin ihren Schädel gespalten, und ihr Lebensabschnittsgefährte das Gesicht zerfetzt. Jetzt steht er alleine da: Ash, Einzelhandelskaufmann und Pausbacke. Eigentlch wollte er seiner Freundin einen Heiratsantrag machen, jetzt fliegt sie durch den Raum und will ihn umbringen. Bewaffnet mit einer Axt und abgeschnitten von der Außenwelt muss er sich gegen die Mächte des Necronomicons, das Buch des Bösen, durchsetzen, welches nicht nur seine Freunde in seelenlose Dämonen verwandelte, sondern Inbegriff allen Dunkels ist. Nachdem selbst der Wald um ihn herum nach seinen Leben trachtet und jegliche Fluchtmöglichkeit vom unbeschreiblichen Bösen verhindert wurde, entscheidet er sich den Dämonen zu stellen. Mit Axt und Bleistift.
Eine kreischende Stimme ertönt aus einer abgelegenen Waldhütte. Sie ächzt „Du kannst uns nicht entkommen! Du kannst uns nicht entkommen!“ Was für Hauptdarsteller Bruce Campbell filmische Realität war, galt auch für den Film selber, in dem eine Gruppe Teenager, abgeschnitten von der Außenwelt, sich gegen das unbeschreibliche Böse durchsetzen musste. Nur kam es hier nicht aus dem Munde dämonischer Weiber, sondern von selbst ernannten deutschen Sittenwächtern. Für mich prinzipiell dasselbe. Die eine Gruppe stellt sich einem jedoch wenigstens direkt entgegen, die andere verschanzt sich hinter Paragraphen, Gerichten und veralteten Moralvorstellungen ... 52
Sam Raimis Independenthorror aus dem Jahre 1981 ist strenggenommen nicht mehr als ein Amateurfilm. Was heute als Kultklassiker angesehen wird, war 1981 lediglich der mehrjährige Versuch eines 21-jährigen Filmliebhabers auf sich aufmerksam zu machen. Eine Visitenkarte zu hinterlegen, die ihm größere Produktionen ermöglichen und ihm somit einen Fuß in die Tür Hollywoods setzen würde. Bereits 1978 - mit gerade einmal 18 Jahren - drehte Sam Raimi eine Version von „The Evil Dead“. Unter dem Titel „Within the Woods“ durften sich seine Freunde vor einer 8mm-Kamera durch das Laub wälzen und ihre schmerzverzerrten Gesichter in die Kamera drücken. Als Zutaten verseh Raimi den Kurzfilm mit Schreckensschreien, Tiergedärmen und Latexmilch. Dies reichte aus um als Anschauungsfilm Sponsoren zu finden, die bereit waren 8.000 Dollar bereitzustellen, damit Raimi in den Wäldern Tennessees SLEAZE April / Mai 2010
seinen „Within the Woods“ neudrehen konnte. „Within the Woods“ selber durfte allerdings aus urheberrechtlichen Gründen nie veröffentlicht werden, da Raimi nicht lizensierte Musik verwand. Dies ist die offizielle Stellungnahme. Inoffiziell bestätigte Hauptdarsteller Bruce Campbell allerdings mehrmals, dass Raimi sein Erstlingswerk für zu amteurhaft halten würde, um es zu veröffentlichen. Mittlerweile ist eine Kopie des Films im Umlauf – allerdings ohne Ton und nur als abgefilmte Version einer alten 8mm-Aufführung.
Other than that, day one was very productive.“ - Bruce Campbell, If Chins could kill Bei der Umsetzung des teils recht anspruchs vollen Drehbuchs wurden sämtliche Effekte von der Crew entwickelt. Hierzu setze man sich für die ausgedehnten Kamerafahrten einfach auf ein Moped, der Ton wurde erst gar nicht vor Ort aufgenommen (so sparte man viel Zeit und Geld für den eigentlichen Dreh). Die subjektive Kamerafahrt des unbeschreiblichen Bösen durch die Fenster der Hütte wurde mit Hilfe eines Besens umgesetzt, die bessesene (schwebende) Ellie Sandweis mit Hilfe einer Hebetechnik von Außen durch den Raum geliftet. Da der Hauptdrehort, die verlassene Waldhütte, auch tatsächlich eben eine verlassene Waldhütte war, konnte das Drehteam sie nach eigen Gutdünken für den Dreh umbauen – der Nachteil war allerdings, dass keinerlei fließendes Wasser oder gar Elektrizität vorhanden war. So musste weiteres Geld in Stromgeneratoren gepumpt wurden (da eh ohne Ton gedreht wurde, hätte neben dem Dreh auch eine Blaskapelle spielen können). Den Darstellern wurde die Wasserknappheit erst gar nicht offenbart, so dass man nach dem Auftragen des Make-Ups und Kunstbluts sie einfach vor vollendete Tatsachen setzte.
Als das überschaubare Budget zusammen gekratzt wurde, fehlten dem Drehteam um Raimi nur noch zwei weibliche Darsteller. Mit 8 Kumpels - als Cast und Crew in Personalunion - dauerte es nicht mehr als 2 Wochen bis die Schockermär vom unbeschreiblichen Bösen im Kasten war. Natürlich verlief der Dreh nicht vollkommen reibungslos. Bruce Campbell beschrieb die Zeit in seiner Autobiographie „If Chins could kill“ (in jedem gutsortieren Buchhandel erhältlich) wie folgt... „November 14. The race began: Right from the get go, filming was a comedy of errors, or terrors, if you will. Within minutes of leaving for the first location, an abandoned bridge, the production van got lost and we spent a half hour trying to locate it. No sooner had we found it than Sam [Raimi] drove his classic into a ditch and we had to get a tow truck to haul it out. The next location was an isloated dirt road. Sam felt that a high, wide would be best. [...] We just hopped the fence and set up the camera. Things were going pretty well, until Josh spotted a large bull glaring at us. Sam [Raimi] got it in a hurry and was chased about a hundred yards by the angry bovine. A cliff was next. About two hours later, Brother Don, scouting for an additional vantage point, lost his footing and tumbled headfirst off a nearby cliff. Apparently he was well enough to get up under his own power, but he was taken to the hospital for some tests. SLEAZE April/ Mai 2010
Der Dreh dauerte länger als eigentlich geplant und wurde erst am 23.Januar 1981 beendet. Der anfängliche Erfolg war verhalten, erst nach mehreren Festivals erkannte das amerikanische Publikum die Qualitäten des Films, im Gegensatz zu Deutschland, denn hier durfte das Publikum den Film in seiner voller Länge kaum begutachten. „Tanz der Teufel“ ist heutzutage ein Synomyn für die Zensurwut des deutschen Staates. Insgesamt wurde der Film in seinen verschiedenen Schnittfassungen mehrmals indiziert und beschlagnahmt. Bedeutet: die öffentliche Verbreitung und Bewerbung ist untersagt und wird strafrechtlich verfolgt. Wer dies trotzdem tut, kann für die Verbreitung von gewaltverherrlichenden Medien hinter Gittern wandern. Was sich absurd anhört, ist leider kein schlechter Scherz, sondern Realität. Raimis Horrorspaß in dem letztlich College-Kids
eingefärbter Kartoffelpüree aus den Ärmeln kleckert, verstößt nach dem Amtsgericht Tiergarten gegen die Menschenwürde. Dies kämpfte der ehemalige deutsche Verleih des Films, Prokino, an – und ging sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht – doch konnte sich gegen den harten Arm des Gesetzes nicht durchsetzen. Selbst eine rechtliche Definitionsdebatte stieß der Film los, als sein Verleiher sich mit Händen und Füßen gegen das Verbotsverfahren mit der Begründung wehrte, dass die Menschen in dem Film eben keine Menschen mehr seien, sondern Zombies. Unterliegen Zombies nun der Menschenwürde? Sie tun es. Laut gerichtlichen Beschluß erfüllen alle Schnittfassungen (mit Ausnahme einer FSK 16-Version) von „Tanz der Teufel“, die unter hohem Kostenaufwand von den jeweiligen Verleihern und Vertrieben über die Jahre hergestellt wurden, den Strafbestand des Paragraphen 131 oder stellen zumindest eine Jugendgefährdung dar – sind somit entweder indiziert oder beschlagnahmt.
Natürlich darf jeder deutsche Bundesbürger den Film besitzen und so oft schauen wie er mag. Die Mär, dass eine Beschlagnahmung ein generelles Verbot ist, stimmt natürlich nicht. Der Staat darf keine Filme verbieten, sonst wäre es Zensur - und eine Zensur existiert laut Grundgesetz ja nicht. Ein juristischer Kniff. Oder Farce. Abhängig vom Standpunkt. Dennoch bedeutet die Indizierung und in diesem Fall auch Beschlagnahmung, dass der Film de facto nicht existiert, da er eben öffentlich nicht beworben werden darf. Somit wird dadurch nicht nur die unabhängige Berichterstattung 53
eines Kunstwerkes behindert, sondern der Zugang zu einen der wichtigsten Klassikern des modernen amerkanischen IndependentHorrorkinos erheblich erschwert.
Die immer wiederkehrende Beschlagnahmung von den verschiedenen Schnittfassungen des Films, hat ihn somit zumindest in Deutschland auch einen ganz besonderen Ruf eingebracht. In den 90ern sprach man nur vom ominösen „Tanz der Teufel“ – der Film selber wurde als ranzige VHS-Kopie unter der Hand weitergereicht. Heutzutage stellt es keine große Schwierigkeit mehr da, den Film nicht nur zu sehen, sondern auch sein Eigen zu nennen (allerdings nicht, wie es in einer freien und modernen Gesellschaft eben sein sollte). Mehrere DVD-Fassungen (nur über Österreich erhältlich) sind mittlerweile erschienen und der Film steht in den Verkauscharts von Importhändlern – trotz seines Alters – immer ganz weit oben. Und auch hier können wir eine weitere Justiz-Mär klären: der Kauf des Films im Ausland, so z.B. Österreich, ist ebenfalls nicht verboten. Nur eben der Import - über den Postweg. Eine weitere Farce, die die Beschlagnahmung noch absurder wirken lässt.
nachzueifern – einge schafften es, sowie Peter Jackson mit „Bad Taste“, Kevin Smith mit „Clerks“ oder Robert Rodriguez mit „El Mariachi“, viele scheiteren allerdings. Aber auch hier schaffte es nur genannter Rodriguez aus seinem Amateuer-Erstlingswerk mit den Nachfolgefilmen „Desperado“ und „Once upon a time in Mexico“ eine eigene Filmreihe zu schmieden. Bei „Tanz der Teufel“ wurden aber nicht nur mehr zwei Filme nachgeliefert, sondern auch noch eine eigenständige Comicund Videospielreihe. Und als ob das noch nicht genug wäre, tourt seit mehreren Jahren ein „Tanz der Teufel“-Musical durch die Staaten, welches bald seinen Weg auf den Broadway und – mag man den Gerüchten glauben - auch auf die Leinwand finden wird. Die deutsche Justiz wird dies mit Sicherheit mit Interesse verfolgen.
Nicht nur in Deutschland sorgte der Film für Furore. In dem für Gewaltdarstellungen recht liberalen Land USA lief der Streifen lange Zeit ohne ein MPAA-Rating (quasi die amerikanische FSK) – erst in den 90er Jahren gab man ihm ein NC-17, welches in der Regel nur an Pornos vergeben wird. In Finnland wurde der Film ebenfalls verboten, in Großbritannien galt dies nur für die ungeschnittene Fassung. Mittlerweile ist der Film in beiden Ländern offiziell und ungeschnitten erhältlich. Was Saim Raimi mit „Tanz der Teufel“ schuf, sucht bis heute im Amateurfilm-Bereich seinesgleichen. Über die Jahre versuchten viele junge Nachwuchsregisseuere den Erfolg
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Games-Überblick für April bis Mai 2010
Game PREVIEWS
von Pascal
Tom Clancy‘s Splinter Cell Conviction Action-Adventure | Xbox 360, PC | Ubisoft | April 2010 Sam Fisher ist nicht nur einfach wieder da, sondern auch exklusiv zu seinen Xbox-Wurzeln zurückgekehrt. Nach langer Entwicklungszeit will Ubisoft den Abschluss im April schaffen und Spieler zum fünften Mal in die Haut des SchleichSpezialisten schlüpfen lassen. Die Story um Sam nimmt nach der Ermordung seiner Tochter eine deutlich düstere und härtere Abzweigung. Vorbei die Zeiten, in denen er nur ein Agent und Diener des Staates war. Nun kämpft er nur noch für sich und will an den Mördern gnadenlose Rache üben. Entsprechend ist Splinter Cell Conviction der erste Teil der Reihe, der erst ab 18 frei gegeben ist. Das Gameplay scheint sich auch in eine etwas actionorientiertere und einsteigerfreundlichere Richtung zu bewegen. Dies ist aber durchaus zeitgemäßer und dynamischer, als starre Stealth-Einlagen, die in frustigen „Trial & Error“-Schleifen enden. Gespannt darf man zudem auf den brandneuen Co-Op-Modus sein.
Alan Wake Action-Adventure | Xbox 360 | Microsoft Game Studios | Mai 2010 Es gibt Spiele, bei denen man besser erst dann darüber schreibt, wenn man das fertige Produkt in Händen hält. Alan Wake gehört definitiv in diese Kategorie! Das erste Mal angekündigt wurde das Spiel, bevor die Xbox 360 überhaupt auf dem Markt war, vor ziemlich genau fünf Jahren. Nun scheinen die „Max Payne“-Erfinder aber so langsam auf die Zielgerade einzulenken und es macht den Eindruck, als ob der gute Alan doch noch aufwacht. Aktuelle Bilder und Videos lassen erhoffen, dass sich der lange Schönheitsschlaf ausgezahlt hat. Im Spiel schlüpft man in die Haut eines Bestseller-Autors mit massiver Schreibblockade. Um den kreativen Knoten endlich zu lösen, überredet ihn seine Frau zu einem ausgiebigen Trip in eine idyllische Kleinstadt. Kurz darauf verschwindet diese jedoch spurlos und Alan findet sich in einem wahrgewordenen Albtraum voller Gewalt und paranormalen Phänomenen wieder. Das Game erinnert sehr an Grusel-Kracher wie „Silent Hill“ oder „Alone in the Dark“ und verspricht eine filmreife Inszenierung.
Red Dead Redemption Sandbox | Xbox 360, PlayStation 3 | Take-Two Interactive | April 2010 GTA mit Pferden, so könnte man „Red Dead Redemption“ kurz umreißen. Und tatsächlich bietet der Open-WorldSandbox-Titel einige Parallelen zum Videospiele-Überhit schlechthin. Angefangen beim selben Entwickler-Studio Rockstar Games über völlige Bewegungsfreiheit in einer großen Spielewelt bis hin zur typischen Gangster-Story voller klischeebeladener Charaktere, das Game trägt eindeutig die GTA-Wurzeln in sich. Nur, dass der Schauplatz nicht ein Fantasie-New-York, -San-Francisco oder -L.A. ist, sondern eben der raue Wilde Westen! Und genau das macht eine Menge Charme aus, denn so viele gute Wild-West-Simulationen gibt es einfach nicht für die aktuellen Konsolen. Für alle, die als Kind auch gerne Cowboy und Indianer gespielt haben, also das perfekte Game zum Austoben.
Lost Planet 2 Action-Adventure | Xbox 360, PlayStation 3 | Capcom | Mai 2010 Capcom schickt Gamer zurück auf den unwirtlichen (mittlerweile Ex-)Eisplaneten. Der erste Teil um den Kolonisten Wayne war größtenteils sehr spannend umgesetzt und bot eine bis dahin sehr neue Next-Gen-Erfahrung. Teil zwei knüpft zehn Jahre später an und zeigt uns einen massiven Klimawandel auf dem Planeten E.D.N. III, einer Kolonie der Menschheit. Streifte man im Vorgänger nur durch Eiswüsten, findet man sich dieses Mal auch in jeder Menge Dschungel-Arealen wieder. Ansonsten bleibt vieles beim alten Konzept. Und so kämpfen immer noch Schneepiraten gegen die Anhänger der NEVEC-Organisation und natürlich auch gegen die Akriden, eine feindselige AlienRasse und Ur-Bewohner des Planeten. Neben Knarren stehen dem Spieler in dem Action-Game auch Mechs im Kampf gegen riesige Level-Bosse zur Verfügung. Besonders interessant klingt der Vier-Spieler-Co-Op-Modus. Und da das Spiel die hauseigene „Resident Evil 5“-Grafikengine nutzt, sieht das Ganze grafisch zudem sehr hübsch aus!
FIFA Fussball Weltmeisterschaft 2010 Sportspiel | Xbox 360, PlayStation 3, Wii, PSP | Electronic Arts | April 2010 Noch verlässlicher, als dass alle vier Jahre die WM ansteht ist, dass EA ein entsprechendes Spiel rechtzeitig auf den Markt bringt. Und so dürfen wir schon gute sechs Wochen vor Beginn des Fussball-Spektakels in Südafrika, auf den heimischen Konsolen off- wie online austragen, wer der nächste Weltmeister wird. Das Spiel basiert, was Grafikengine und Gameplay angeht, auf dem aktuellen „Fifa 10“und bietet eine für EA typische perfek te Präsentation der WM-Locations bis ins kleinste Detail. Für eine konkurrenzlos-authentische Stadion-Atmosphäre dürfte somit wieder einmal garantiert sein. Diese soll sogar so weit gehen, dass man im Publikum endlich auch mal weibliche Fans erblicken kann. Na, wenn das mal nicht allein Grund genug zum Kaufen ist!
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WIE VIEL LIEBE BRAUCHT EIN MANN?
DIE GÖTTER MEINEN ES NICHT GUT MIT KRATOS, WORT-
AKTE: KRATOS
WÖRTLICH. SIE SORGTEN EINST DAFÜR, DASS ER SEINE FAMI-
Doc: Was führt Sie zu mir, Herr… Kratos: Kratos. Nennen Sie mich Kratos.
LIE AUSLÖSCHT. ZUM DANK BENUTZEN SIE IHN NUN REGELMÄSSIG ALS PUNCHINGBALL FÜR IHRE INTRIGEN. SEIT 19. MÄRZ IST ER IM NEUEN PLAYSTATION 3-GAME „GOD OF WAR 3“ IM EINSATZ. IM LETZTEN TEIL DER TRILOGIE GEHT ES FÜR IHN DARUM, EIN PAAR ALTE RECHNUNGEN ZU BEGLEICHEN UND DAMIT EIN STÜCK WEIT SEINE VERGANGENHEIT AUFZUARBEITEN. DER ANTIHELD TRAF DESWEGEN PROF. DR. LEID-WESEN, DIE ALS EINE KORYPHÄE AUF DEM GEBIET DER BELASTUNGS- UND SOMATOFORMEN STÖRUNGEN GILT. OB ER DIE TRAUMATA DER VERGANGENHEIT VERARBEITEN KÖNNEN WIRD, LEST IHR IN GEHEIMEN GESPRÄCHSPROTOKOLLEN, DIE EIN INSIDER SLEAZE ZUGESPIELT HAT.
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Doc: Gut, Kratos, was kann ich also für Sie tun? Kratos: Nun, wo soll ich anfangen? Ich reagiere oft sehr impulsiv und rege mich über Kleinigkeiten wahnsinnig auf. Klar, als Südländer besitze ich natürlich eine gehörige Portion Temperament, aber ich wünsche mir, dass ich nicht immer sofort von Null auf Hundertachtzig gehe. Oft sehe ich es als einzigen Ausweg an, Dinge kaputt zu machen. Doc: Ich muss sagen, Kratos, ich finde es schon einmal einen sehr, sehr positiven und mutigen Schritt, dass Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Wie würden sie ihr eigenes Aggressionspotenzial denn einschätzen? Sagen wir auf einer Skala von ein bis zehn? Kratos: Eins bis zehn? Hmmm, ich denke, da wäre ich eine Zwölf. Definitiv eine Zwölf. Doc: Schwitzen, Herzrasen, Hautrötung oder -blässe – wenn Sie gewalttätig sind, treten eines oder mehrere dieser Symptome auf? Kratos: Machen Sie Witze? Alle. Ich gerate da in eine Art Trance. Richtig blass und grimmig sehe
ich aus, wenn ich richtig aus der Haut fahre. Apropos Haut – manchmal, wenn ich zornig bin, dann schimmert die sogar bläulich, wurde mir gesagt. Ich befinde mich dann also definitiv im rein anaeroben Bereich. Doc: Interessant. Das würde eigentlich eher für eine akute Gewalttätigkeit sprechen. Allerdings haben Sie ja eingangs gesagt, dass Sie in der letzten Zeit etwas „rastlos und unausgeglichen“ waren. Können Sie das noch ein wenig konkretisieren? Kratos: Es hat ungefähr im Jahre 2005 begonnen. Davor war ich ein ganz gewöhnlicher Heerführer. Dann habe ich meine Seele an Ares verkauft, er war damals Kriegsgott und ein mit allen Wassern gewaschener Typ. Seitdem werde ich immer wieder rückfällig. 2007 hatte ich zum zweiten Mal einen richtig gewaltigen Aggressionsanflug. Experten haben damals das „God of War II-Syndrom“ diagnostiziert. Damals habe ich mich mit allem angelegt: Menschen, Untoten, Seeungeheuern, ich hab sogar vor Göttern nicht halt gemacht. Ursprünglich glaubte ich, ich wäre zu weit gegangen, weil die Götter – besonders diese hinterlistige Athene – mich dann immer wieder ausgetrickst und verprellt haben, aber irgendwann war mir alles egal… Doc: Bitte fahren Sie doch fort… Kratos: …gut, also…wenn mir einer schräg kam, dem hab ich eine verpasst. Der Stärkere gewinnt. Ich bin Kratos, der Kriegsgott, nicht Kratos, Gott der Canasta-Spieler! 2008 hatte ich dann einen etwas kleineren Rückfall. Also, dachte ich zumindest. Die Vermutung meines Bewährungshelfers war damals „God of War: The Chains of Olympus“. Aber die Auswirkungen waren ähnlich verheerend wie zuvor. Jetzt habe ich seit einigen Monaten schon wieder so ein Zucken im linken Auge. Ich glaube, es geht bald wieder los. Ich spüre auch – wenn es jetzt Trouble gibt, dann richtig. High definition, verstehen Sie? In voller Schärfe! Doc: Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie ab und an in Konflikten auch „Hilfsmittel“ zu Rate ziehen. Stimmt das denn? Kratos: Ja, das stimmt. Außergewöhnliche Gegebenheiten erfordern manchmal außergewöhnliche Maßnahmen. Oft stellen sich mir
ganze Armeen entgegen – solche Feiglinge –, und da brauche ich ab und an auch mal ein bisschen Unterstützung. Die machen dann schon mal Bekanntschaft mit besagten Chaosklingen, den vernichtenden Nemeïschen Löwen oder anderen spektakulären Waffen. Doc: Gut, ich verstehe. Also aufgrund Ihrer Beschreibungen müssen wir von ständig wiederkehrender Gewalttätigkeit ausgehen. Das würde heißen: Wir müssten Sie stationär behandeln. Kratos: Aber das geht nicht – ich habe mit den Pappenheimern aus dem Olymp noch ein paar Hühnchen zu rupfen und ich bin körperlich zurzeit auch tipptopp in Form. Ich kann jetzt unmöglich meine Zeit auf einer dusseligen Kur verplempern. Gibt es da keine anderen Therapiemöglichkeiten? Doc: Glauben Sie mir, Ruhe ist für Sie wirklich die beste Medizin. Kratos: Ja das glaube ich gerne, aber ich habe doch schon gesagt, dass ich ab 19. März noch einen sehr wichtigen Termin im Olymp habe. Da trifft sich in den heiligen Hallen alles, was in der griechischen Mythologie Rang und Namen hat. Und da werde ich noch mal richtig die Fetzen fliegen lassen. Doc: Lieber Kratos, Gewalt ist doch keine Lösung! Wir sollten unbedingt Ihr familiäres Umfeld noch etwas genauer durchleuchten. Gab es traumatische Erlebnisse in Ihrer Kindheit? Kratos: Hören sie Lady, zu meinen Eltern habe ich ein absolut gespaltenes Verhältnis, das ist richtig. Aber die Jungs im Olymp wollen mir ans Leder. Ich habe nur noch eine Chance, um meinen Albträumen ein Ende zu bereiten: Ich muss im Olymp mal richtig aufräumen. Doc: Also so kann ich Ihnen nun wirklich nicht weiterhelfen. Kratos: Sorry, ich muss jetzt wirklich weg. Sie können natürlich gern zu einer kleinen Feldstudie mitkommen. Sind Sie eigentlich schon über 18? Das ist leider Pflicht, denn ich kann nicht garantieren, dass nicht der ein oder andere ein bisschen Nasenbluten bekommt.
GOD OF WAR 3 ODER GENUG IST GENUG! Das Spiel setzt dort an, wo es in God of War 2 endete. Kratos reitet auf dem Rücken von Gaia in den Olymp ein, um Zeus endgültig seine Grenzen aufzuzeigen. Bewaffnet mit den Chaosklingen stellt sich Kratos sämtlichen Gestalten, die für sein Leid verantwortlich sind und waren. Und das sind nicht wenige. Kratos hat fast mit dem ganzen Olymp noch ein Hühnchen zu rupfen. Die Gebiete von God of War 3 sind bis zu vier Mal so groß wie ihre Vorgänger. Rätsel, blutige Kämpfe und die Erforschung der beeindruckenden Welt von God of War 3 wechseln sich stetig ab. Das Spiel schließt elegant den Kreis zu den beiden Vorgängern. Der göttlich-mitreißende Action-Kracher ist exklusiv für die PS3 erhältlich. 57
Neuigkeiten, Gerüchte und Fundstücke aus der Welt der Videospiele
Games-Geflüster Fallout: New Vegas kommt im Herbst für Xbox 360, PlayStation 3, PC Bethesda Softworks macht Nägel mit Köpfen und kündigt an, dass die Fallout-Saga in Las Vegas weiter geht. Schon in diesem Herbst dürfen sich Fans auf 100 Stunden RollenspielSpaß freuen. New Vegas ist kein direkter Nachfolger von Fallout 3, sondern viel mehr ein eigenständiger Ableger im Fallout-Universum. Zum ersten Mal spielt man übrigens keinen Vault-Bewohner. Ebenso soll Vegas keine von Atombomben zerstörte Geisterstadt sein, sondern nach wie vor ein Sündenpfuhl par Excellence. Wir sind gespannt auf detailliertere Infos, Videos und Bilder. Lara Croft bekommt eigene Straße in England Im Ort Derby dürften sich einige Zocker darum bemühen, eine Wohnung im „Lara Croft Way“ zu ergattern. Eine Volksabstimmung hat dazu geführt, dass Lara sich locker gegen Fußballer Steve Bloomer, den Astronom John Flamsteed und den Ingenieur George Sorocold durchsetzen konnte. Alle stammen aus Derby und standen somit zur Wahl. Im Falle der TombRaider-Heldin stammte das ursprüngliche Entwicklerstudio Core Design aus Derby. Auf jeden Fall eine einzigartige Ehrung für eine Videospielfigur und beweist nur einmal mehr, dass die Engländer total ein Rad ab haben – aber auch einen exzellenten Frauengeschmack! Konsolenumbauspezialist mahnt Konkurrenten ab Ein weiterer skurriler Leckerbissen aus dem Urheberrechts-Sumpf.
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gametop IT-System Technik GmbH ist eine Firma, die unter anderem damit ihr Geld verdient, dass sie Videospielkonsolen so umbaut, dass auch so genannte „Sicherheitskopien“ spielbar sind. Ein Markt, der hart umkämpft ist. So hart, dass gametop nun einen Konkurrenten (wer-flashtwo.de) per Anwalt abmahnen ließ. Erfolgreich, wie es scheint, denn die Seite ist mittlerweile offline. Dennoch ein sehr pikanter Akt, denn das Umbauen von Konsolen ist ein rechtlicher Graubereich und vielleicht sollte man da besser keine großen Wellen machen, um nicht selbst noch mehr ins Visier genommen zu werden als ohnehin schon. Treibt Bungies neugewonnene Freiheit den Halo-Macher zu anderen Konsolen? Bungie, der Erfinder der legendären Halo-Reihe, ist seit 2007 offiziell wieder von Microsoft geschieden. Jedoch scheint alte Liebe sehr langsam zu rosten, denn nach Ende der Liaison erschien im letzten Herbst Halo 3: ODST und Ende dieses Jahres kommt Halo: Reach. Selbstverständlich exklusiv für Xbox 360, denn die Rechte an der Reihe bleiben bei Microsoft. Danach hat Bungie angekündigt, mal wieder etwas anderes als Halo-Games zu machen. Möglicherweise erscheinen dann auch mal wieder Videospiele aus dem Hause Bungie für Nicht-Microsoft-Systeme, denn immerhin entwickelte Bungie vor der Ära „Halo“ ausschließlich für den großen Erzrivalen Apple Mac. Bislang wollte sich der Entwickler allerdings noch nicht konkret dazu äußern.
Unreal Engine 4 in der Mache… und noch ferne Zukunftsmusik Ohne Zweifel ist die Unreal Engine 3 die am meisten genutzte Grafikroutine hinter den NextGen-Videospielen. Mittlerweile gibt es sie schon fast so lange wie die Xbox 360. Epics hauseigenes „Gears of War“ zeigte November 2006 zum ersten Mal, welch‘ Power die Engine unter der Haube hat (wenige Tage zuvor erschien mit RoboBlitz das allererste Game mit der Engine überhaupt). Marc Rein, seines Zeichens VizePräsident von Epic Games, gab nun an, dass derzeit stark an der vierten Generation gewerkelt wird. Jedoch soll diese so mächtig werden, dass sie sich an „Massively Multi-Core Processors“ richtet und bis zur Marktreife noch viele Jahre ins Land gehen werden. Seiner Ansicht nach könnten diese Kriterien möglicherweise nicht einmal von der nächsten Generation von Videospielkonsolen erfüllt werden – ganz zu schweigen
von aktuellen Konsolen wie die Xbox 360 mit ihren läppischen drei Kernen als Prozessor-Herz. Lobbyisten verlangen, dass Open Source mit Raubkopie gleichgesetzt wird
Die International Intellectual Property Alliance (IIPA) wendet sich dieser Tage an die US Regierung mit dem Antrag, OpenSource-Software wie Raubkopien zu behandeln. Was auf den ersten Moment absolut lächerlich klingt, tut es beim zweiten darüber SLEAZE April / Mai 2010
nachdenken... immer noch! Aber es geht hier letztlich nicht um rationale Begründungen, sondern um Profit. Und eine Branche, die einige Dollars wegbrechen sieht, weil Anwender womöglich kostenfreie Produkte nutzen, schnappt nun mal gerne blind um sich. Man darf gespannt sein, ob die Vereinigten Staaten dem Antrag zustimmen beziehungsweise, inwieweit der Staat schon von Lobbyisten korrumpiert ist.
SLEAZE April/ Mai 2010
Stößt die Xbox 360 langsam an ihre Fassungsgrenzen?
Bekanntlich nutzt Microsoft für die Xbox 360 das DVD-Format. Die Vorteile des Laufwerks sind schnelle Zugriffszeiten, ausgereifte Technik und günstige Produktionskosten. Der riesige Nachteil ist jedoch die Speicherkapazität: gerade einmal 8,5 GB fasst so eine DualLayer-Scheibe. Im Gegensatz dazu passen auf eine Bluray, welche bei der PlayStation 3 zum Einsatz kommt, satte 50 GB
Daten. Bislang war dies kein wirklich spürbares Problem, jedoch erscheinen nun für die Xbox 360 immer mehr Spiele auf mehreren DVDs. Aktuelles Beispiel ist hier „Mass Effect 2“. Bei diesem Game ist die Wechselei der Discs besonders ungünstig gelöst, da man zwischen den beiden Discs mehrmals wechseln muss – und zwar auch dann, wenn man die DVDs auf der Festplatte installiert hat! Bei Final Fantasy 13 sind es schon 3 DVDs und was dabei noch schlimmer wiegt sind Aussagen von Entwicklern, dass die Xbox-
Fassung mit stark komprimierten Videos in den Zwischensequenzen auskommen muss, die in Puncto Qualität deutlich der PlayStationVersion nachstehen sollen. Capcom hat für Lost Planet 2 auch schon angekündigt, einige Parts aus Platzgründen von der Disc nehmen zu müssen. Welche jedoch als Download per Xbox Live später nachgereicht werden sollen – bleibt zu hoffen, dass diese wiederum nichts extra kosten!
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Voll auf die Fresse
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Heisses Dresden!
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Der Hubertus-Hirschkopf rockt!
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Sven V채th
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Maximilian Hecker
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Jonesmann
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The Picturebooks
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Dendemann
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Hip Hop mit Verstand
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The Sounds
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Cool wie Stuhl
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Musik-Rezensionen
LEAZ
M U S I K 60
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Egotronic
Voll auf die Fresse
Für die Berliner Elektro-Trash Combo Egotronic keine Option. Stattdessen legten sie 2008, ein Jahr nach ihrem zwiespältigen Zweitling „Lustprinzip“, ein Album nach, das sich jeglicher Kritik trotzig entgegenstemmte. Nicht ohne Genuss. Denn die Band will polarisieren. Und das können sie. Sie haben Spaß daran. Warum auch nicht? Sänger Torsun und seine Kämpferschar Endi am Keyboard und KT&F am Rechner lassen sich dementsprechend auch auf ihrem neuesten Werk „Ausflug mit Freunden“ nicht beirren und forcieren weiterhin den konsequenten Weg. Als Teil des Hamburger Labels Audiolith Records um Bratze, ClickClickdecker und
Frittenbude steht man in der Pflicht. Das Künstlerkollektiv um Labelbetreiber Lars Lewerenz ist ein sympathisch subversiver Haufen, der sich mit seiner parolenhaften Rethorik, kompromissloser Basslastigkeit und gelegentlichem Gagaismus, eine stetig wachsende Fanschar erspielte. Großen Anteil daran hat das übergreifende Talent aller Audiolith-Acts, ihre LiveVerpflichtungen mit einer Konsequenz und Hingabe zu absolvieren, wie es nur wenigen Künstlern des elektronischen Genres vergönnt ist. Das bleibt hängen und macht Lust auf mehr. Man spürt, dass die Musiker ihre Erfahrungen vor allem über die Bühne erspielten. Dass es bei
Was machen, wenn bereits das zweite Album einen kollektiven Kater bei der kritisierenden Zunft hinterlässt? Die eigene Unfähigkeit erkennen und einen Schlussstrich ziehen?
dem Live- Ansatz anfängliche Übertragungsschwierigkeiten bezüglich der ersten Veröffentlichungen gab, verwundert unter diesem Aspekt nicht wirklich. Wer kennt das nicht? Am Abend im Club rockt die Band wie Scheiße und am nächsten Morgen, die vor Ort gekaufte CD im Player, hinterfragt man bereits nach dem ersten Lied seinen vorabendlichen Bewusstseinszustand. Diese Differenz zwischen Live und Studio haben Egotronic überwunden. Auf „Ein Ausflug mit Freuden“ spielen sie gekonnt mit ihren Reizen zwischen Punk & Elektro. Der 2007 getätigte Schritt von Sänger Torsun das ursprüngliche Duo – Mitgründer
VOM REGISSEUR VON ”JU-ON” UND ”THE AB 13. MAI IM 3D-KINO SLEAZE
Hoerm verließ die Band – als Dreimann-Combo weiterzuführen, kann nur beglückwünscht werden. Der anfängliche Dilettantismus der ersten beiden Platten ist gewichen. Auch ein Verdienst der „neuen“ Mitglieder. Da soll man noch sagen, Plattenkritiken wären destruktiv. Tim
Egotronic „Ausflug mit Freunden“ erscheint am 30.04. bei Audiolith Records. Infos & Tourdaten: www.audiolith.net www.bratze.eu www.egotronic.net www.frittenbude.blogsport.de
GRUDGE”
www.schocklabyrinth3D.senator.de
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HEISSES DRESDEN! Die vier Kanadier treten als Favoriten unter den letzten drei Bands im Finale der Jägermeister Rock:Liga 09/10 an. Vor dem entscheidenden
Jägermeister Rock:Liga mit Hot Hot Heat
Seit zehn Jahren sind die Jungs mittlerweile im Geschäft, wenig Zeit für Familie und Freunde. Die zehn Jahre Lebensunterhalt durch Musik sprechen allerdings auch für eine gewisse Popularität im Geschäft, in Kanada werden sie gefeiert wie bei uns Die Ärzte zu ihren besten Zeiten. Warum setzt man sich also erneut einer Wettbewerbssituation aus?
Konzert zum Finaleinzug, hat SLEAZE mit Hot Hot Heat einen Tag in Sachsens Hauptstadt verbracht und die Kompatibilität von Hitze und Band getestet. In ihrer Heimat Vancouver ist es wohl selten so warm, wie etwa in unserem ersten Stopp, dem Saunarium. In einem lauschigen Familienbetrieb finden wir uns mit der Band am Vormittag zusammen, in einer auf 40 Grad vorgeheizten Sauna. Große Challenge hierbei ist es, angezogen nicht zu schwitzen und locker-lässig Fragen zu beantworten. Steve (Keyboard und Gesang), Paul (Schlagzeug), Parker (Bass) und Luke (Gitarre) erzählen uns gleich von den gegenseitigen Macken und Angewohnheiten und halten sich erstaunlich entspannt. Sänger Steve wird sofort als Eitelster der Jungs entlarvt, angereist mit einigen Pflegeprodukten für Haut und Locken, neben den etlichen Klamotten versteht sich. Der Rest der Band hält sich da eher bedeckt. Generell machen die Jungs für Rocker einen recht anständigen Eindruck, niemand trinkt oder raucht, bis auf Bassist Parker, so zumindest die offizielle Version. Im Laufe des Tages soll sich noch zeigen, dass die anderen Drei auch nicht so unschuldig sind. Ein rascher Locationwechsel führt uns in Dresdens Lokschuppen. Ein Glückstag für uns, die älteste Lok der Stadt muss heute angefeuert werden, was Hot Hot Heat gleich freiwillig übernehmen. Die Band ist begeistert von den alten Zügen und der Atmosphäre der Halle. Schlagzeuger Paul schießt ein paar Fotos für seinen Vater, der von dem Lok-Aufgebot begeistert wäre.
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„Du hast recht, wir sind seit über zehn Jahren dabei, das ist wirklich nicht fair.“ (lacht Dustin) „Unser Album kommt in vier Monaten raus, es ist somit ein guter Weg jenes zu promoten, eine Reise zu machen, Leute zu treffen. Es ist wie ein Warm Up für unsere Tour durch Europa. Die Rock:Liga war einfach ein großartiges Angebot zu einer passenden Zeit.“ (Paul) „Glücklicherweise sind all die anderen Bands wirklich coole Jungs und Mädels. Deshalb fühlt es sich auch nicht wie ein Wettbewerb an, es ist mehr wie ein Konzert mit Freunden.“(Luke) Zusammengepfercht in dem Fahrerhäuschen beim Kohle schippen, haben wir etwas Zeit, um tiefer auf die Bandgeschichte einzugehen. Angefangen haben HHH eigentlich zu dritt mit Bassist, Schlagzeuger und Sänger/Keyboarder. Stilistisch wollten sie sich von allem abwenden, was 1999, zur Zeit der Gründung, modern war. Man schuf eine eigene Musikrichtung und konnte sich bald im CDRegal unter Indie-Rock wiederfinden, als eine der richtungweisenden Bands dieses Genres.
Fans am meisten zu schätzen wissen – und in der Zeit der Downloadkultur auch die ertragsreichste Geldquelle. HHH vertreten da ihre ganz eigene Live-Philosophie: „Es ist wichtig für uns, wirklich immer besser zu werden. Es ist jedes Mal eine Hürde, die beste Band zu werden. Viele Leute denken sich, wenn sie berühmt sind, halten sie diesen Status, indem sie alles gleich machen, dauernd dieselben Songs spielen in ähnlicher Performance. Wir versuchen dem Publikum immer wieder etwas Neues zu bieten, zum Beispiel mit Medleys oder einer differenzierten Umsetzung der Song-Idee.“ (Steve) Zum Glück sind die Jungs auch ein wenig Rock‘n‘Roll und lassen sich Dinge wie Stagediving oder das Zerstören von Gitarren nicht nehmen. Bei einem Gig vor kurzer Zeit versuchte Bassist Dustin seinen Bass zu zerschmettern. Keine leichte Aufgabe anscheinend und die ersten Versuche scheiterten kläglich. Damit sein Ruf nicht litt, gab er alles und noch mehr: Bass kaputt, Finger kaputt. Bass spielen geht noch, nur den Finger bekommt er nicht mehr gerade. Nach dieser Geschichte geht er gleich mal mit dem anständigen Luke, der im Übrigen einen Kater von letzter Nacht hat, eine rauchen. Paul und Steve genießen ihre Burger und streiten sich um die Pommes. Die Unbeschwertheit der Jungs ist beinahe idyllisch. Angefangen als Garagenband traf man zur richtigen Zeit die richtigen Leute, bekam einen Plattenvertrag und bald folgte der Wechsel zum internationalen Label Warner Brothers Music.
Und die Musik heutzutage? „Ich glaube, mittlerweile sind wir aufmerksamer und somit faszinierter und interessierter an der aktuellen Musik. Natürlich gibt es immer noch eine Menge Scheißmusik. Aber die Beatles mögen wir auch nicht und die sind schließlich uralt.“ (Steve) In Vorfreude auf den Abend, an dem sich Hot Hot Heat ins Finale der Jägermeister Rock:Liga spielen werden, geht es weiter zur „Devil‘s Kitchen“, einem Diner in nordamerikanischem Stil mit grandiosen Burgern und einer großen Auswahl an scharfen Saucen. Eine perfekte Vorbereitung für den Auftritt am Abend. Konzerte sind ja schließlich das, was die
Gab es jemals Zweifel an der endgültigen Entscheidung für die Musik? „Es geht immer auf und ab. Die Zeitspanne von der Bandgründung bis zur Popularität war sehr kurz. Wenn du jung bist, findest du das alles großartig und aufregend, du denkst nicht über die Zukunft nach. Mit der Zeit beginnst du jedoch zu realisieren, dass es auch nur ein Job ist, der natürlich sehr viel Spaß macht, aber auch eine gewisse Routine mit sich bringt. Bereut haben wir es aber nie.“ (Paul) Jule
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Jägermeister Rock:Liga
alle Fotos Š mark mattingly
mit Hot Hot Heat
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Der Hubertus-hirschkopf rockt! Jägermeister ist mittlerweile zu einer Friska Viljor Saison 08/09
Kultmarke unter den Kräuterlikören geworden. Wichtig ist, dass es rockt. Mit dieser Devise schafft es der Hirsch sogar, internationale Künstler nach Deutschland zu holen. Seit nunmehr sechs Jahren veranstaltet die Spirituose die ähnlich einer Fußball-Liga aufgebaute Jägermeister Rock:Liga.
Mediengruppe Telekommander Saison 07/08
Clawfinger Saison 06/07
Der Bandwettbewerb, ausgetragen in diversen Städten Deutschlands, versammelte innerhalb kürzester Zeit etliche Musiker, die die momentanen Hipster der Indierock- und Electroszene darstellen. Unter anderem dabei waren Dúné, Ash, Sparta, Zoot Woman, Moneybrother, Oceansize, Electric Six, The Cinematics, Silversun Pickups, Crystal Castles und The Whip. Ging es früher fast nur um die Feierkultur bei Bands wie zum Beispiel Deichkind, so sind die Teilnehmer heute musikalisch von hoher Qualität. Und das wird auch vom Publikum belohnt: Aus den anfangs 30 Rock:Liga-Fans in der Konzerthalle sind mittlerweile über 1000 geworden, ganz zu schweigen von den vielen Fans im Internet. Das Finale der Saison 2009/10 am 29.Mai im Berliner Kesselhaus können wir kaum erwarten und drücken unseren Favoriten Hot Hot Heat die Daumen. www.myspace.com/rockliga
Deichkind Saison 05/06
Mamasweed Saison 04/05
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DJ No.1 Sven V채th
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Sven Väth ist einer der erfolgreichsten DJs der Welt. In Deutschland seit Jahren unangefochtene Nr. 1. Sein Abo auf die Spitzenposition in den jährlichen Leserpolls der elektronischen Musikmagazine zeugen davon. Seit den frühen Achtzigern hat sich der Frankfurter an die Spitze der Techno-Bewegung gespielt und ist auch heute kein bisschen müde, seine basslastige Botschaft in die Welt hinauszutragen.
Latte war also ziemlich weit oben. (lacht) Ich bin aber damals auch schon ins Dorian Gray (legendärer Frankfurter Club) gegangen und habe den DJs auf die Finger geguckt. Da gab es nur ganz einfache Plattenspieler mit Riemenantrieb. Das war feinste Handarbeit, um mit denen wirklich punktgenau zu mixen. Das hat mich fasziniert. Und was für eine Energie entstehen kann, wenn man den Beat halten kann. Wie die Tanzfläche dann abgeht. Das habe ich dort gelernt. Also das Handwerk im Dorian Gray. Und die Entertainerqualitäten von DJ Wolfgang? Sven Väth: (lacht) Ja, das kann man so sagen. Erinnerst du dich an deinen ersten richtigen DJ-Gig? Sven Väth: Das hat sich anfangs natürlich alles in meiner Heimat abgespielt. Neben dem Job bei meinen Eltern hatte ich auch ein Angebot vom Dorian Gray erhalten. Ich übernahm für 50 Mark die Morgenschicht. Ich habe dann von 20 bis 1 Uhr bei meinen Eltern aufgelegt, und danach dann bis mittags um 11 Uhr im Dorian Gray. Da war ich siebzehn und das war dann sozusagen mein erstes AuswärtsBooking. (lacht)
Es gibt immer noch viel zu entdecken. Länder wollen musikalisch erobert werden. Pioniergeist ist gefragt. Sven Väth über die Anfänge seiner
Klingt nach einer recht provinziellen Angelegenheit. Sven Väth: Ja, das war es. Erst um 1985 rum haben die Leute begriffen, dass man einen DJ auch für einen einzigen Abend engagieren kann. Damals war aber alles noch sehr amateurhaft. Man wusste nicht mal wohin mit seinen Platten. Cases dafür gab es ja noch nicht, also hatten wir Apfelsinenkisten. (lacht)
DJ-Karriere, ausgedehnte DJ Sets und die Frage: Was macht ihn eigentlich so besonders? Sven, du hast als Kind im Tanzlokal deiner Eltern dem DJ auf die Finger geschaut. Erinnerst du dich noch an den Resident von damals? Sven Väth: Ja. klar. Der hieß Wolfgang. Kam aus Österreich und war total verrückt. Immer wenn er die Tanzrunden anmoderiert hatte, ist der raus aus seiner Kanzel und hat auf der Tanzfläche erst einmal einen Salto geschlagen. Der war ständig bereit die Leute aus der Reserve zu locken. Ein sehr außergewöhnlicher Typ. Als deine Mutter dich dann fragte, ob du in ihrem Laden auflegen möchtest, wusstest du also was von dir erwartet wird? Sven Väth: Ich wusste auf jeden Fall: Wo Wolfgang ist, dahin musst du kommen. Die
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Fragt man deine Kollegen was das Besondere an Sven Väth ist, kriegt man als Antwort: „Sven kann Sachen spielen, die kann kein anderer bringen.“ Was meinen die damit? Sven Väth: Ich hatte schon immer un heimlichen Spaß daran, mit Musik zu experimentieren. Auch wenn die Sachen, die ich früher im Laden meiner Eltern gespielt habe, nicht unbedingt die Hits meiner Zeit waren, sondern eher Klassiker. Disco, Rock `n Roll und sowas. Ich habe damit rumexperimentiert und wahnsinnig viel Erfahrung gesammelt. Was dann im Nachhinein daraus geworden ist, kam eigentlich über meinen musikalischen Werdegang. Ich habe mich über Industrial immer mehr in die elektronische Materie begeben und mich durch verschiedene Musikgenres gearbeitet. Früher House aus Chicago, Electronic Body, Detroit Sound, Dub. Das hat mich fasziniert.
Kommt daher auch deine Leidenschaft für lange, intensive DJ-Sets? Sven Väth: Lange Sets waren das, was mich am Djing immer total angemacht hat. Nur so konnte ich den Leuten präsentieren, was ich musikalisch gut fand. Das war nicht immer ein Stil, oder nur das Aktuellste. Das war ein Mix aus allem. In den Achtzigern konnte man das auch verdammt gut machen. Da existierte noch kein Sound, der abendfüllend ein ganzes Programm gestaltet hätte. Soviel Platten gab es von einem Stil überhaupt nicht. Daraus ist dann meine Leidenschaft entstanden, zu später Stunde richtig tief in die Kiste zu greifen. Das kann man zur Peak Time natürlich nicht bringen. Würde ich auch gar nicht wollen, denn jede Platte braucht ihren ganz besonderen Moment. Wie sieht das heute aus? Haben DJs noch die Möglichkeit zu experimentieren? Sven Väth: Ich glaube die ganze DJKultur hat sich generell geändert. Heute kommen die jungen DJs nicht mehr aus den Diskotheken. Da ist eher ein Studio- oder Produzentenbackground, oder sie haben sich zu Hause die Finger wund gemixt, um dann endlich mit einer Mix-CD vor deiner Tür zu stehen. Die haben gar nicht die Erfahrung, regelmäßig vor Leuten zu spielen. Da fehlt oft das Einfühlungsvermögen. Wir mussten uns damals noch mit dem Geschäftsführer einigen, wie weit man musikalisch überhaupt gehen konnte (lacht). Das hat mich und meine DJ-Generation noch geprägt. Du bist seit über zwanzig Jahren als DJ unterwegs. Bist du dessen nicht ab und an überdrüssig und sehnst dich nach dem wohlverdienten Ruhestand? Sven Väth: Nein, auf keinen Fall. Ich habe so viele Projekte, die mich immer wieder aufs Neue fordern, dass ich an so etwas gar nicht denke. Außerdem kann es in der Musik gar nicht langweilig werden. Es gibt jede Woche neue Platten und so viele Länder entdecken die elektronische Musik erst jetzt für sich. Da kann man noch mit richtigem Pioniergeist an die Sache rangehen. Aber auch was heutzutage aus Deutschland kommt, war noch nie so spannend wie in dieser Zeit. Das möchte ich echt nicht missen. Tim
Sven Väth „The Sound Of The 10th Season“ ist bei Cocoon erschienen. Infos & Tourdaten: www.cocoon.net
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Als Maximilian Hecker 2001 mit seinem Debüt „Infinite Love Songs“ dem Herzschmerz seinen Stempel aufdrückte, hat er seinen Ruf weg. Die New York Times nannte ihn fortan einen „fragilen HerzschmerzFlüsterer“ und wählte das Album unter die zehn wichtigsten Veröffentlichungen des Jahres. Hecker - König der Softies? Der sensible Musiker sieht das anders: „Ich finde, sich zu öffnen und sein Innerstes preiszugeben, ist ein Zeichen von Stärke.“ Maximilian Hecker über Liebe, Treue und Verletzlichkeit.
Über Liebe
Über Verletzlichkeit
Ich denke, man braucht einen hohen Reifegrad, um glücklich zu lieben und geliebt zu werden. Bis es dazu kommt, muss man erst einmal Frieden mit sich selbst geschlossen haben und seine innere Balance gefunden haben. Es gibt eine schöne Szene in dem schwedischen Vampirfilm „Let the Right One In“. Die Hauptdarstellerin fragt ihren Liebsten: „Würdest du mich auch lieben, wenn ich ein Junge wäre?“ Und er antwortet: „Ja, das würde ich.“ Ich glaube also, man sollte die Überhöhung der Liebe erst einmal außen vor lassen und vielmehr nach wahrer Freundschaft suchen, losgelöst von äußeren Begebenheiten.
Ich sehne mich danach, dass die Menschen um mich herum sich so offen und verletzlich zeigen, wie ich es in meinen Songs tue. Ich mache das gerne und ohne jetzt missionieren zu wollen, sehe ich mich schon in einer Vorbildfunktion. Indem ich die Leute durch meine Offenheit auffordere zu ihren Gefühlen zu stehen und sie zu zeigen. Denn dann müssten wir uns nicht mehr voreinander fürchten. Wir könnten die Schwächen des Anderen sehen und wüssten wer hinter der Fassade steckt.
Über Treue Ich hatte noch nie eine in diesem Sinne bürgerliche Beziehung, in der sich dieses Thema stellte, daher weiß ich nicht so recht, wie ich mit dem Begriff umgehen soll. Ich glaube aber, man muss sich freiwillig treu sein, sonst fühlt man sich eingeengt wie in einem Kerker und möchte ausbrechen.
Tim
Maximilian Hecker „ I Am Nothing But Emotion, No Human Being, No Son, Never Again Son “ ist auf Blue Soldier Records erschienen. Infos & Tourdaten: www.maximilian-hecker.com
Maximilan Hecker
Weichei No.1
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SLEAZE April / Mai 2010
Jonesmann
Seit Jahren ist Samson Jones alias Jonesmann in der deutschen Hip-Hop-Szene aktiv. Höhen und Tiefen gehen bei dem Frankfurter MC Hand in Hand. Auf die Trennung von Bozz Music im Jahr 2007 folgten künstlerische Täler und lähmende Zweifel an
Hip Hop mit Herz
der Aufrichtigkeit des Hip-Hop-
Westernhagen sang: „Ich bin wieder hier. In meinem Revier. War niemals fort. Nur an einem anderen Ort.“ Inwiefern trifft das auf dich und die vergangenen Jahre zu? Jonesmann: Aus heutiger Sicht passt das ganz gut zu mir. Es gab aber eine Zeit, in der ich mir darüber nicht mehr ganz bewusst war. Ich hing in den letzten Jahren ein bisschen in der Schwebe. Steckte bei Bozz Music fest und wollte eigentlich kein Mixtape oder Rapalbum mehr machen. Ich wollte mich mehr auf die R&B-Pop-Geschichte einlassen und sehen, ob da was für mich zu holen ist. Leider habe ich mich dann einfach zu sehr gehen lassen. Die Zeit verflog, und ich wusste plötzlich nicht mehr, was ich wirklich machen will. Hinzu kam, dass mich das ganze Business in der Zeit auch total abgeturnt hat.
Geschäfts. Seit 2008 scheinen diese Tiefpunkte überwunden. Jonesmann gründete sein eigenes Label Echte Musik und fand mit gleichnamigen Album zu alter Stärke zurück. Im vergangenen Jahr bestätigte er den Aufwärtstrend mit der Kollaboration „4 Fäuste für ein Halleluja“, die er zusammen mit
Dieses desorientierte Gefühl hast du mittlerweile wieder abgelegt. Wie kam es dazu? War der Ruf des Geldes zu verlockend? Jonesmann: Auch. Aber vor allem der Ruf der Fans. Und dadurch, dass die Kohle allmählich knapp wurde, hatte ich den nötigen Antrieb, um zu sagen: Reiß dich jetzt endlich mal zusammen. Was 2008 auch zur Trennung von Bozz Music führte, dem Label deines langjährigen Freundes Azad. Jonesmann: Ja, aber wir sind damals definitiv im Guten auseinander gegangen. Wir haben uns zusammengesetzt und überlegt, wo wir hinwollen. Das hat dann dazu geführt, dass wir geschäftlich einfach nicht mehr zueinander gefunden haben. Es ist aber alles cool und es gibt kein böses Blut zu vergießen.
seinem Heidelberger Kumpel Olli Banjo veröffentlichte. Die Belohnung: Ein solider 46. Platz in den deutschen Albumcharts. Und heute? SLEAZE hat bei Jonesmann nachgefragt.
Hast Du den Bruch damals so locker weggesteckt wie es heute rüberkommt? Jonesmann: Nein, denn anfangs stand ich natürlich alleine da. Ich hatte aber wenigstens meine fertige Platte in der Hand. Ich hab dann überlegt, was ich mache. Bei anderen Labels anklopfen oder eigenes Label gründen? Da ich keinen Bock hatte, von Entscheidungen Anderer abhängig zu sein, entschied ich mich für Letzteres und gründete mein eigenes Label „Echte Musik“. Aus heutiger Sicht die richtige Entscheidung? Jonesmann: Ja. Auf jeden Fall. Endlich kann ich genau das machen, worauf ich Bock habe. Außerdem stehen mir talentierte Künstler zur Seite, die ich featuren kann und mit denen wir richtig was aufbauen können. Somit hat das ganze Hin und Her auch irgendwie Sinn gemacht. Darüber bin ich echt froh. Tim
Infos & Tourdaten: www.echte -musik.com
SLEAZE April/ Mai 2010
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The Picturebooks
Unsere Helden
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SLEAZE April / Mai 2010
Im vergangenen Jahr zündeten
Robert Smith (The Cure)
Extraklasse. Pessimisten des
Es sind die geilen Texte, Melodien und Songs die wir an ihm lieben. Der einzigartige Stil, die Verschrobenheit und die herausstechende Stimme, die heute, Gott sei Dank, immer noch so unvergleichlich klingt. Wir alle in der Band sind mit The Cure aufgewachsen und deswegen hat sich vielleicht Robert & Co. auch so in unsere Köpfe eingebrannt.
Genres, denen mit Nirvana
David Bowie
The Picturebooks mit ihrem Debütalbum „List Of People To Kill” eine Rockbombe der
die letzte Musikrevolution begegnete, konnten sich endlich von ihrer Endzeitstimmung befreien, neue Energien freisetzen und in hemmungslose Begeisterungsstürme ausbrechen. Dass es sich bei dem jungen Trio um eine deutsche Band handelte, war nebensächlich. Anfang April legt die Gütersloher Band nun ihrem Zweitling „Artificial Tears” nach. Ob die Band die gesteigerten Erwartungshaltunge, die durch den Erstling entstanden,
Wir verehren Refused schon ewig.„The Shape of Punk to Come“ war ein Meilenstein! Wir lieben auch die meisten seiner bisherigen Projekte und haben immer verfolgt was er macht. Er ist so was wie ein Vorbild von uns. Wir lernten ihn und seine Bandkollegen von TINC kennen, als wir mit ihnen im SO36 in Berlin gespielt haben. Das war schon aufregend. Bei leckerem, veganen Catering haben wir uns stundenlang über alles mögliche unterhalten und ihn mit Fragen über seine Bands gelöchert. Dennis ist ein geiler Songwriter, Sänger, Entertainer und hat einen bewussten Lebensstil, den wir als Tierfreunde und Vegetarier sehr respektieren.
Ian Mackaye (Minor Threat, Fugazi)
Lou Reed (The Velvet Underground)
Wir lieben Minor Threat und Fugazi. Folglich lieben wir Ian. Wir hören speziell Minor Threat schon unser ganzes Leben lang. Das kompromisslose der Band wird immer wieder bei uns aufgegriffen. Wir finden Hardcore ist heute mehr als tot! Wenn man sich mal die Vollidioten anschaut, die sich heute Hardcore schimpfen, aber nur noch„Malen nach Zahlen“mäßig harte Gitarren mit harten Vocals, gepaart mit einem vermeintlichen „Hardcore“Look kombinieren und dann denken, sie seien Teil dieser Bewegung, dann kriegt man echt das Kotzen! Wir nennen das Stillstand! Und das ist genau das Gegenteil von Ian Mackaye!
The Velvet Underground ist eine unserer Lieblingsbands. Die schrillen Gitarren, die psychedelischen Sounds und die un glaublichen Texte. Für uns sind The Velvet Underground Hardcore! Anti-Establishment! „Venus In Furs“ ist der mit Abstand härteste Song, den wir kennen. Die Geschichten um die Band, ihr Look, alles stimmt und ist bei uns digital und auf Vinyl zu finden. Seine Soloprojekte waren nicht alle der Hammer, aber er ist eben Lou Reed. Der macht, worauf er Bock hat und die Leute finden ihn cool. Diesen unantastbaren Status wie Bowie hat er auf jeden fall auch.
Rezensionen erfahrt ihr
Jamy Hince, Alison Mosshart (The Kills)
mehr. Unser Autor Matthias
Es wäre nicht richtig, nur einen der Beiden zu nennen, denn zusammen bilden sie eine Einheit, an der man nicht vorbei kommt. Die Art, wie die Gitarristen und der Sänger zusammen klingen, grooven und einem zum Tanzen bringen, obwohl es so einfach und minimal gespielt ist, ist der Hammer für uns.
In welcher musikalischen Tradition sich die Band aber
Dennis Lyxen (Refused, The (International Noise Conspiracy)
Er ist eine Ikone in allen Lebenslagen. Der Look, die Musik und die Texte machen ihn zu unserem Gottgleichen Superhelden. Er ist der wirkliche Star unter den Stars. Eine einzigartige Inspiration. David Bowie hat einen Status erreicht bei dem er nichts mehr falsch machen kann. Alles was er macht ist geil, ist Kunst, ist heilig. Wir sind mit und durch Bowie erzogen worden. Wir lieben die kuriosen Texte und die geilen Songtitel wie „Suffergette City“, „Ziggy Stardust“, „Rebel Rebel“ oder „Panic in Detroit“. Wir haben wahrscheinlich bei jedem Song, den wir geschrieben haben: eine Stelle, an der wir gesagt haben „Lasst uns das mal so „Bowie-mäßig“ machen!
erfüllen kann? In unseren
hat genauestens hingehört.
Weniger ist so viel mehr! Bei den Aufnahmen unseres Albums haben wir uns oft ein Beispiel an The Kills genommen, wenn wir das Gefühl hatten, zu viel in einen Song zu machen. Bei den ganzen neuen Bands von heute mit dünnen Discobeats, Funk-Gitarren und einem leicht naiven Stimmchen fällt ein Ex-Junkie mit elektronischer Blues Band wie The Kills immer wieder gerne bei uns auf.
Stephen Patrick Morrissey Morissey ist der Inbegriff von Präsenz und Coolness. Der Mann ist mit einer göttlichen Stimme gesegnet. Die hat kein anderer Mensch auf der Welt. Seine Texte haben unser Leben in Frage gestellt. Er hat uns mehr als nur inspiriert, er hat uns geprägt. Wir alle haben den Nachnamen Smith in unseren Pässen stehen. Als wir das erste Mal „Meat Is Murder“ hörten, waren wir alle ziemlich fertig, aber haben uns bestätigt gefühlt. Morrissey ist GOTT!
selber sieht, erfahrt ihr hier. The Picturebooks über ihre Idole.
SLEAZE April/ Mai 2010
The Picturebooks „Artificial Tears“ erscheint am 02.04. bei Nois-O-Lution.
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Dendemann
Hotel Kempinski am Kurf端rstendamm. Eine F端nf-Sterne-Bleibe im westlichen Herzen Berlins. Ein wenig runtergerockt. Aber nicht Rock genug f端r Dendemeier. In der Nichtraucheretage erwartet der Denim-Fan und empf辰ngt bei Kaffee und Kippen.
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SLEAZE April / Mai 2010
Was ist los mit dir? Was steckt hinter „Vom Vintage verweht“? Dendemann: Ich hab eine Bringschuld was den Titel angeht. Was „SchweigenDilemma“ oder „Die Pfütze des Eisbergs“ betrifft, da hab ich irgendwie was auf dem Buckel, das möchte ich auch selber bedienen. Aber das ist natürlich in kommerzieller Hinsicht ein katastrophaler Albumtitel. In diesem Fall gibt es den Titel schon seit Jahren. Das hat mit der Platte überhaupt nichts tun, das bin einfach nur ICH. So abgedroschen das auch klingt. Diese ganze Entwicklung, ich treffe jetzt Leute nach 3 1/2 Jahren wieder, die sagen, dass du dich verändert hast. Aber du weißt selbst, wie lange das dauert, Haare wachsen nicht über Nacht und natürlich ist das nichts, was ich mir vor drei Jahren überlegt habe, dass ich in drei Jahren so aussehen möchte oder so klingen möchte. Ich hab meinen Film, den ich fahr und wenn sich das mit einer Produktion überschneidet, dann wird man diesen Film hören. Spätestens seit einem Jahr wusste ich, ich möchte eine Platte machen, die, ob jetzt hörbar oder nicht, meine Verarbeitung der Mittachtziger Jahre ist, oder zumindest der Musik, die ich damals vielleicht altersbedingt noch nicht gehört habe, nun aber nachgeholt habe. Ich habe jetzt drei Alben und zwei EPs den Neunziger gefrönt. Mal mit einem Neuansatz, synthetisch, aber alt oder die Sampleschlacht von früher bis zu Tode exerziert. Und beim Live-Auftritt mit Band vor zwei Jahren zur Grönemeyer-Tour, als man sich überlegen musste, willst du der Stadionsprecher sein mit deinem DJ oder willst du eine Vorband sein. Ich hatte mit der Band schon mehrmals gespielt, weil die in der Vergangenheit zu Veranstaltungen als Mikrofongast eingeladen hatten. Die Wahl war also schnell getroffen. Es war auch egal, dass es nur ein Budget für drei Musiker gab und man sich überlegen musste, wie man ein Bläsersample live transportiert. Ich hab vor Leuten gespielt, die mich nicht kennen. Es war wichtig, dass es nach vorne geht und dass ich rappe und versuche den Leuten zu zeigen, das etwas geht, dem Kegelverein und den anderen. Auf einmal waren Stücke wie „Lieblingsmensch“, die auf der Platte ein reines Funk-SoulStück sind, einfach Rock. Und ich hab mich dann auch so rockig gefühlt. Auf einmal war alles egal, so wie die Frage, was mach ich mit meiner Hand? Und hab mich ans Stativ gestellt oder hab mich hingeworfen und ein Bier über meinem Kopf ausgeleert. Ich hab es gefühlt. Vom Sound habe ich es völlig überschätzt, ich war so angetrieben von
dem Drummer, diese halbe Stunde war so anstrengend wie zwei Stunden DJ-Konzert. Das Album ist die logische Konsequenz aus der ganzen Zeit. Und habe überlegt, was ist denn jetzt? Die ganze Zeit, wenn du schon Hip Hop hörst, ist es nur die 1985er Schleife. Warum? Weil da irgendwie Energie ist. Nicht weil da geschrien wird, oder weil da mehr Bass ist, aber es ist lärmig, es ist nicht so aufgeräumt wie heute, es ist nicht so klinisch tot. Es ist der Charme des Unfertigen natürlich. Und vor allem fällt auf, Rap und Rock sind richtig gute Freunde, ohne auch nur einmal Gefahr zu laufen, Crossover zu sein. Run DMC, Cool J... . Rap und Rock, entweder auf Samplebasis in Form einer Coverversion mit Aerosmith oder in Form von simpelsten 808-Beats mit Plastikgitarren. Und das habe ich produziert. Diese Musik habe ich erst mal am Computer gemacht. 20 Beats, die besten 13 hab ich von der Band nachspielen lassen, mich direkt daneben gestellt und live von Strophe eins bis drei durchgerappt. Oh, wir können ja schneiden, wir konnten ja sagen, der Take war der Hammer, aber die dritte Strophe von dem davor ist geiler. Aber wir haben immer nur in der Summe geschnitten. Und wenn du die Instrumentalversion hörst, bin ich immer noch mit drauf über das HiHat-Mikro. Wie kriegt man das hin, der Typ ist live besser, nicht weil die anderen live schwächeln, sondern er selbst ist live besser als im Studio, die Leute scheinen ihn sogar besser zu verstehen, obwohl es ja live alles schwieriger ist. Aber der Ausdruck ist besser, alles klingt wirklich so, als wäre es so wie er meint. Dieser Ernstfall, du hast nur diese eine Chance, das brauch ich scheinbar um aus mir herauszugehen. Deshalb ist das auch so ein Krach. Einfach Lärm. Du scheinst den Druck zu brauchen, den selbstgemachten Zwang, den Take in einem Schwung durchzuziehen und dann musst du es halt bringen. Und wenn du verkackst, machst du eben weiter. Dendemann: Dieses ganze Hip-HopProblem, was ich immer im Studio mit mir rumgeschleppt hab, jede Strophe hat die gleiche Dramatik. Ich bin ja schon jemand, der seine Strophen immer am Stück rappt, was ja heutzutage schon unüblich ist. Selbst da gibt es immer die gleiche Dramaturgie. Diese ganze Problematik stellte sich nicht mehr, es ging nur noch darum, alles raus damit! Was wir haben, das haben wir. Und 80 Prozent dieser Vocals sind so entstanden. In
dieser Live-Aufnahme. In zweimal fünf Tagen. Diese ganze Genresache, es ist ja nicht nur schlecht, dass das kaputt geht. Wie schön ist es zum Beispiel für einen französischen Elektroproduzenten und Remixer, dass sich jetzt grade britischer Indie-Rock so hervorragend französisch remixen lässt. Da sind ein paar Grenzen gepurzelt, durch die richtigen Songs. Mit einer neuen Vokabel überforderst du die Leute nur. Wenn du jetzt sagst, ich mach Grime, die Engländer denken sich was Neues aus, die Journaille dreht durch. Alle freuen sich, man feiert sich ein Jahr lang und dann ist auch wieder gut. Und machen dann auch aus einem Mike Skinner einen Millionär und das nur auf der Insel! Ich hab gedacht, ich muss das selber machen, ich muss komponieren ohne Samples, ohne Fremdinput, ich muss auf der Tastatur rumdrücken im Ausschlussverfahren, bis du sagst, es klingt eigentlich gar nicht so verkehrt. Und dann habe ich das Moses Schneider und seiner Band gezeigt. Die waren erstaunlich angetan. Der Rest war ein superleichtes Aufnehmen, abgesehen von der Anstrengung der Aufnahme selbst. Ich habe mir auch gedacht, in meinem Alter ist ein guter Zeitpunkt, damit anzufangen, Krach zu machen. Weil später kann es dir nur als Midlifecrisis ausgelegt werden. Später ist es der Sportwagen, den du eigentlich nicht mehr fahren solltest. Jetzt ist noch früh genug um zu sagen, eigentlich mag ich keine smoothe Musik. Eigentlich möchte ich Lärm machen. Wir sind gespannt, wie du das live umsetzen wirst. Du bist auf der Bühne ja immer gut für Überraschungen. Sei es textlich oder musikalisch. Dendemann: Irgendwann fällt einem halt der fünfte Reim dazu ein, den man früher nicht hatte. Was die Live-Geschichte betrifft, werde ich auf der Bühne zwischen den Drums und dem DJ eingekesselt sein. Wenn man sich nicht komplett dämlich anstellt, kann man diese Platte identisch live performen. Was hat es mit „Es geht bergab“ auf sich? Dendemann: Ich wollte es schon immer mal machen, tatsächlich war es so, dass Fehlfarben nebenan im Studio waren. Ich kam dann an mit meiner Idee und die meinten nur, dass sie damit leben können. Weil eine Coverversion von „Es geht voran“ wurde bei denen schon so oft angefragt. Das wollten die noch nie. Mein Song ist dahingehend lediglich davon inspiriert. Danke dir fürs Interview. Daniel
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Amewu
Hip Hop
mit Verstand
Die erfolgreichen Zeiten des Gangster Gehabes im deutschen Rap scheinen vorbei. Technik und Tiefgang sind der neue Style. Amewu hat Beides. Die besten Voraussetzungen einer der kommenden Trendsetter im New School Hip Hop Made in Berlin zu werden.
Die klassische Kinderzimmer Rapper Karriere hat auch der 25jährige Amewu hinter sich. Geprägt von den Rap Platten der späten Achtziger und frühen Neunziger, machte Amewu bereits früh seine Vorbilder für sich aus. Das man nicht nur textlich, sondern auch technisch ein gewisses Niveau erreichen sollte, war dem heutigen Philosophie Studenten somit früh klar. Rhythmus, Geschwindigkeit, Flow. Nötige Tools um sich auf den Berliner Battlebühnen erfolgreich beweisen zu können. Amewu galt alsbald als einer der fähigsten Rapper der Hauptstadt. Das Talent
und Technik nicht alles sind, spürte der ambitionierte Rapper, als sich immer mehr Gossenrapper aus den Großstädtischen Randbezirken aufmachten die deutsche Hip Hop Landschaft zu dominieren. Beeindruckt von den derben Rhymes, verbunden mit der Hoffnung mit seinen gereimten Emotionen auf eine interessierte Hörerschaft zu stoßen, kam der bundesweite Hauptstadt Hype, den musikalischen Schaffen Amewus leider nicht zu Gute. Enttäuscht zog sich der Rap Philosoph in sein Kämmerlein zurück. Es folgten MC Gastauftritte in der Berliner
Grime und Dubstep Szene bei denen er mit seinen inspirierenden Raps für Aufsehen zu sorgte. Eine Erfahrung die ihm neue Motivation verlieh, das Hip Hop Spiel von neuem zu starten. Da hat er mit seinem Album „Entwicklungshilfe“ letztes Jahr getan und die Chancen auf eine größere Hörerschaft stehen gut. Gangsta Rap ist tot. Ihm steht nun nichts mehr im Wege. Lang lebe Amewu! Tim
Amewu „Entwicklungshilfe“ ist bei Edit Entertainment erschienen. www.myspace.com/kriegerdeslichts
S L E A z E
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Der Blog auf www.sleazemag.DE
SLEAZE April / Mai 2010
The Sounds: Die Musik der 80er Jahre ist populärer denn je. Eine der spannendsten Bands dieser Tage kommen mal aus dem Indie-Trendland Schweden.
Eurer Albumtitel ist ja sehr symbolbeladen. „Crossing The Rubicon“ bedeutet sinngemäß, ein große Risiko einzugehen, ohne dabei eine große Absicherung zu haben. Habt ihr als Band schon euren persönlich Rubicon überquert? The Sounds: Ich denke schon, gerade auf die Zukunft der Band bezogen. Wir sind nach einigen Jahren als Band an einen Punkt gekommen, an dem wir dringend einige Veränderungen brauchten. In der Musikindustrie ist nicht mehr viel so wie es eigentlich sein sollte. Darum haben wir beschlossen uns von jedem Labelzwang frei zu machen. Das war für uns der einzige Weg unsere Philosophie und Verständnis von Musik auszuleben. Mit dieser Freiheit können wir jetzt ganz anders Musik machen und auf Tour gehen. Wir haben zum Glück viele gute Leute gefunden, die uns mit neuen Ideen helfen unseren Weg zu gehen. Das war definitiv Überquerung des Rubicon für die Band..
Sie haben gerade mit „Crossing the Rubicon“ das dritte Album rausgebracht und waren zuletzt auf Tour mit No Doubt. SLEAZE-Autor Birk Grüling stört die Band in
Eure Musik wird gern mit Bands wie Duran Duran oder Blondie verglichen. Stört euch das? The Sounds: Natürlich stört es immer ein wenig mit anderen Bands verglichen zu werden. Aber ich muss zugeben, früher war der Vergleich noch sehr treffend. Unser Sound ist aber gerade in den letzten Jahren doch selbstständiger geworden. Ich glaube deshalb, werden mit dem neuen Album weniger Vergleiche gezogen.
ihrem Heimaturlaub und spricht mit ihnen über den persönlichen Rubicorn und die klaren und die inspirierenden Texte ihrer Vorbilder.
Viele angesagte Bands wie The XX oder Editors lassen den Sound der 80ziger Jahre wieder aufleben. Warum meint ihr ist die Musik dieser Zeit so inspirierend? The Sounds: Die Musik der 80ziger Jahre ist nicht gerade komplex. Viele Lieder sind sehr einfach gestrickt und die Texte haben immer eine sehr klare und direkte Message. Vielleicht denken viele Bands deshalb es ist einfacher diesen Stil zu nutzen, als einige Ideen zu schaffen. (lacht) Aber ich denke, die Musik dieser Zeit ist immer aktuell und die Revivals der 80ziger scheint es irgendwo auf der Welt immer zu geben, egal ob in der Musik oder der Mode. Wenn uns eine Sache ständig umgibt inspiriert sie uns auch. Gerade als Musiker sucht man schließlich immer die Anregungen in seiner nächsten Umgebung. Eurer neues Album ist gerade rausgekommen, ihr habt unzählige Gigs, unter anderem mit No Doubt gespielt und der Festivalsommer steht schon vor der Tür. Jetzt seid ihr gerade Urlaub. Wie schafft ihr es zwischen den turbulenten
SLEAZE April/ Mai 2010
Zeiten im Studio und auf Tour runter zu kommen und euch zu entspannen? The Sounds: Das klappt nie (lacht). Wir versuchen einfach ein normalen Leben hier in Schweden zu führen. Zum Beispiel versuchen wir nur in der Woche zu arbeiten und uns die Wochenenden für Freunde und Familie freizuhalten. Die Zeit mit seinen Verwandten kommt auf Tour schließlich immer zu kurz. Aber richtig abschalten kann man auch im Urlaub nicht, Musiker sein ist oft ein „Never-Ending-Job“. Zuhause denkt man schon wieder über neue Songs nach und auf Tour arbeitet man sowieso den ganzen Tag. Ohne Frage, wir lieben es alle Musiker zu sein, aber manchmal ist es schon etwas frustrierend. Aber meist fällt einem schnell wieder ein, warum man Musiker ist und dass es der Job war den man immer wollte. SLEAZE: Auf eurem aktuellen Album gibt es einen Song namens „Home is where your heart is“. Könnte dieser Song auch „Sickness of touring“ heißen? The Sounds: Klar gibt es, wie gesagt Punkte, an denen man die Schnauze voll hat vom Touren. Man vermisst sein eigenes Zuhause, die Möglichkeit sein Essen selbst zu kochen oder einfach Zeit allein in der Wohnung zu verbringen. Aber wenn man zufrieden ist und im Leben, die richtige Entscheidungen getroffen hat, kann überall deine Heimat sein. Darum geht es uns eigentlich in dem Song. Für uns ist die Heimat auch dort wo wir die Möglichkeit haben unsere Musik zu machen. Er könnte deshalb auch „Home is where your music is“ heißen. SLEAZE: Ihr kommt ja auch zu uns auf Tour. Was ist für das Besondere an Konzerten in Deutschland? The Sounds: Es ist immer schön bei euch in Deutschland zu spielen. Alles ist immer so gut organisiert und die Klubs, in denen bisher wir gespielt haben, waren wirklich erste Klasse. Es ist schon was dran am Klischee der Gründlichkeit.(lacht) Toll ist auch das Publikum, wir haben viele sehr große Fans aus Deutschland. Auf welchen Festivals können wir euch im Sommer sehen? The Sounds: Ich kann nur soviel verraten, es sind einige große Festivals geplant. Dann können wir uns ja auf The Sounds live freuen. Danke fürs Gespräch und noch viel Spass im verdienten Urlaub. The Sounds: Danke schön. Interview: Birk Grüling
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Cool wie Stuhl “Immer wenn ich fernsehe und diese hungerleidenden Kinder auf der ganzen Welt sehe, kann ich mir nicht helfen und muss weinen. Ich liebe es dünn zu sein, aber nicht so, mit den ganzen Fliegen und dem Tod.” (Mariah Carey) Hören wir den Namen Mariah Carey, denken wir an zu enge Kleider in abartigen Bonbonfarben, fiese Schminke, weiße Hundewelpen, die sie um sich geschart haben will, wenn sie mehr oder weniger elegant in Interviews auf einer Recamiere liegt – schade eigentlich. Die New Yorkerin gehört mit Whitney Houston, Madonna und Céline Dion zu den vier verkaufsstärksten Musikerinnen der Geschichte. Insgesamt haben sich ihre 14 veröffentlichten Alben 148,5 Millionen mal verkauft, 18 ihrer Singleauskopplungen schafften es auf Platz Eins der Charts und etliche Awards, darunter auch Grammys und World Music Awards, darf sie ihr Eigen nennen. Hauptsächlich wuchs Mariah bei ihrer irischen Mutter auf, nachdem jene sich von ihrem afro-venezolanischen Mann schied. Mit 16 schmiss Multikulti-Mary die Schule, jobbte als Kellnerin und Garderobiere und wohnte, entgegen all unserer Erwartungen, sogar in einer Wg. Quasi wie in einem schlechten Hollywood Film wurde sie innerhalb der nächsten zwei Jahre den richtigen Leuten vorgestellt und bekam `88 einen Vertrag bei Columbia. Man mag ihre Musik finden wie man will, sie zählt bis heute eigentlich zu den Popikonen der 90er und etablierte mit der Single „Fantasy“ feat. Ol‘ Dirty Bastard das Prinzip ‚Rapper macht Single mit Popsternchen‘. Alles halb so wild, wenn da nicht auch noch die Filme wären: „Glitter“ ist wohl ein Fauxpas mit dem wir alle etwas anfangen können, haarscharf an einer goldenen Himbeere vorbei geschlittert kann wohl nur noch Jennifer Lopez schlechter schauspielern als Miss „We belong together“ (2005, nebenbei gepriesen als Song des Jahrzehnts). Die Zeiten des Diven-Boygroup-Emanzen-Heldentums sind leider vorbei und so kann Carey nur noch Schlagzeilen damit machen, sich lächerlich unangemessen zu verhalten und zu kleiden und die ganze Welt davon zu überzeugen, in was für einer egomanen Traumwelt sie doch lebt.
Wie aus Marius einfach nur Westernhagen wurde 1978. Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz. Marius geht ab wie ein Derwisch. Es wird gegrölt, geschrien, geflüstert und manchmal sogar gesungen. Hier geht es nicht darum, immer den richtigen Ton zu treffen. Hier geht es um Rock ‚n‘ Roll. Er tritt mit seinen Texten dem Bürgertum auf die gutbeschuhten Füße und provoziert bis die Gitarre kracht. Es klingt dreckig und voller Leben und es funktioniert auch noch 2010. Leider kam dann das Geld und Marius wurde älter. Es folgten affektierte Texte und nervende Ohrwürmer. Westernhagen verwandelte sich in einen anzugtragenden Snob. Einen Geschäftsmann, der sich als wilder Rebell sah und doch nur langweilte. Seine Lieder klingen sauber und ordentlich konstruiert. Von Dreck ist nichts mehr zu hören. Ruhe in Frieden, Marius. Yanah
Jule
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SLEAZE April / Mai 2010
Von kredibil zu debil
Kid Rock (alias Robert James Ritchie, Jahrgang: 1971)
1987 war Rapmusik noch hauptsächlich Partymusik. 1987 änderte Public Enemy das. Ihre beiden charismatischen Frontmänner, der toughe Chuck D. und der Dauerclown Flavor Flav, brachten mit P.E. die Politik in den Hip Hop. Krass, intelligent und immer sehr deutlich brachte die Gruppe in den folgenden Jahren Hip-Hop-Meilensteine raus, auf denen sie immer wieder Rassismus, Drogenprobleme oder auch die Verdummung durch die Massenmedien anprangerten. 2010. Der Spaßmacher Flavor ist gerade 51 geworden. Seit einigen Jahren ist er wieder auf MTV mit der „Reality“-Show „Flavor of Love“, bei der er auf peinliche Weise der Hahn im Korb ist, der zwischen einem Haufen irre gewordener Hühner das ihm geeignetste rauspicken soll. Chuck D. konnte ihm offensichtlich weder die Drogen noch die Massenmedien ausreden, die Verdummung sieht man dem ehemaligen Crack-Abhängigen deutlich an. Er macht also genau den Scheiß, den Public Enemy immer kritisierte. Anstatt Full Flavor also nur noch Bad Taste. Das DschungelCamp ist nicht mehr weit. Flavor ist jetzt auf Channel Zero. danilo
SLEAZE April/ Mai 2010
Wirklich bekannt wurde der Rocker aus Michigan erst 2008 – zumindest im deutschsprachigen Raum. „All Summer Long“, ein „Sweet Home Alabama“-Klon reichte aus, um auch in Europa wirklich Gehör zu finden. Doch die wirklich coolen Zeiten hat Kid schon längst hinter sich gelassen. Bis zum Album „Cocky“ (2001) nahm er kein Blatt vor dem Mund und Songs wie „American Bad Ass“ liefen auf MTV quasi nur mit einer Zensur-Piep-Endlos-Loop. Damals war er ein sehr dreistes Großmaul und Arschloch. Aber ein Arschloch mit Schneid und so etwas macht meistens sexy. Zumindest attestierte ihm dies keine geringere als Pamela Anderson. Die Ehe währte allerdings nur kurz und irgendwie hat es den Anschein, als hätte die gute Pam dem Musiker nicht nur das Herz, sondern auch die Eier zerquetscht. Jedenfalls klingt Kid Rock nun mehr wie „Grandpa Pop“ und trällert besinnlichere Texte. Nicht nur, dass er heute weichgespülter und angepasster ist, er sieht auch deutlich gealtert aus. Scheint so, als hätte er nun seine Pubertät hinter sich gebracht. Schade eigentlich! Pascal
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m u s i k
Indie Elektro Pop
Hip Hop
Hip Hop
Indie Pop
Apparatjik
Dendemann
Fun Lovin Criminals
Kafkas Orient Bazaar
We Are Here
Vom Vintage Verweht
Classic Fantastic
Die neue Farbe
V: 08.04. / Meta Merge Un
V: 07.04. / YO MAMA (Sony BMG)
V: 26.03. / Killohertz Records/
Kafkas Orient Bazar/
Warner
Eigenvertrieb)
Die mitunter etwas neben der Spur wirkenden Herren von den Fun Lovin‘ Criminals sind wohl selbst denen ein Begriff, die sonst das Thema Hip Hop nicht mal mit der sprichwörtlichen Kneifzange anfassen würden. Dennoch muss man zugeben, dass FLC um Mastermind Huey Morgan mit Tracks wie dem inzwischen legendären „Scooby Snacks“ nicht gerade kleine Chartbrötchen gebacken haben. Mit „Classic Fantastic“ sind die New Yorker nun nach gut fünf Jahren mit 13 Songs zurück, die gewohnt humorvoll und im Grunde als Querschnitt der Entwicklungen der Band verstanden werden.
Als eine Besonderheit kann man inzwischen nicht mehr bezeichnen, wenn sich Solokünstler und Bands dazu entscheiden, ihre Platten selbst zu produzieren und über den Eigenvertrieb unters Volk zu bringen. Ob die Gründe dafür nun in der ersehnten künstlerischen Eigenständigkeit oder mangelnden Interesse von Labelseite zu finden, soll nicht weiter thematisiert werden.
Recordings
Die Bezeichnung „Supergroup“ wird immer dann verwendet, wenn eine Band sich aus Mitgliedern zusammensetzt, die zuvor bereits in anderen, oft sehr bekannten Bands erfolgreich gewesen waren. Im Fall von Apparatjik haben sich Guy Berryman (Coldplay), Magne Furuholmen (A-ha), Jonas Bjerre (Mew) und Produzent Martin Terefe zusammengetan und ein Elektro Pop-Album aufgenommen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, was ich von der Platte halten soll. Einerseits wirklich schöne Popsongs, die verdächtig an eine elektronische Version von Mew erinnern (was nicht nur an der kopflastigen Stimme von Jonas Bjerre liegt), anderseits sehr experimentelle Passagen und einige belanglose Nummern, die zwischen 80er New Wave und Industrial schwanken. Solide Arbeit, allerdings entgegen der Besetzung kein Superalbum. Fans der oben genannten Bands sollten reinhören. Jero
Wenn große deutsche Rapper der 90ziger Jahre neue Alben ankündigen, kann man auf einiges gefasst sein. Von dem HipHop, der sie damals bekannt machte, sind die meisten Comebacks der „Old-School“-Absolventen weit entfernt. Deshalb eins vorweg: „Vom Vintage Verweht“ ist kein Soulalbum, wie Jan Delays „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ und auch kein Gitarrenpopwerk ala Max Herre oder Dennis Lisk. Vielmehr konzentriert sich Dendemann auf das, was ihn schon zu EinsZwo-Zeiten am Besten lag. Es regiert der Rap‘N‘Roll, bei dem die E-Gitarre mit den harten Beats kuschelt und über allem thront die Reibeisen-Stimme von Dende. Gemixt wurde das live eingespielte Album von Tocotronic-Produzent Moses Schneider. Großartig finde ich auch die Single „Stumpf ist Trumpf“. Für mich ein eindrucksvoller Beweis, dass der Mendener Rapper immer noch zu den humorvollsten und gleichzeitig scharfzüngigsten seiner Zunft gehört. Gefällt. birk
–
Zeigt man sich mit im eigentlich Titelsong eher soulig wie einst, als man vor Größen wie Barry White den Hut zog, beweisen FLC bei „The Originals“ einmal mehr, dass man keineswegs nur in ruhigeren Gewässern fischen kann. Spätestens aber, wenn sich Gäste wie Roots Manuva ein Stelldichein geben („Keep on Yellin“) zeigt die Band, wo auch heute noch die eigenen „Roots“ zu finden sind. Zeit für erste Sonnentage! Tim
Weit wichtiger ist die Frage, was hinter einem solchen Bandnamen steckt. Bundesweit machte Kafkas Orient Bazaar mit dem Debüt „It Could Be Dangerous“ Ende 2007 auf sich aufmerksam. Am Stil hat sich auch 2010 - zum Glück - nichts gravierend geändert. Indie-Mucke mit Rock- und Pop-Elementen. Dennoch zeichnet sich das zweite Album „Die neue Farbe“ durchaus durch mehr Mut zur Melodien, die man früher an manchen Stellen dann doch lieber verkniffen hat, um nicht zu poppig zu wirken. Die Entscheidung zugunsten größerer Experimentierfreude ist letztlich aber der entscheidende Unterschied zu den Alben von Bands mit ähnlichem Background. Tim
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SLEAZE April / Mai 2010
m u s i k
Rock
Alternative
Folkpop
Indie
Madsen
The Picturebooks
Sophie Hunger
The Radio Dept.
Labyrinth
Artificial Tears
1983
Clinging To A Scheme
V: 23.04 / Vertigo/Universal Music
V: 02.04. / Noisolution
V: 16.04. / Two Gentlemen
V: 21.04. / Labrador
„Labyrinth“, das vierte Album, startet mit gleich drei Liebesliedern. Etwas schmalzig. Zeilen wie „Weil du lebst, Weil du liebst, Weil du vergibst,..., wirst du geliebt“, sind schon etwas pathetisch. Im Verlauf der CD werden die Songs gehaltvoller und besser. Highlights sind das treibende „Berlin“, eine kontroverse Auseinandersetzung mit der Hauptstadt oder„Blockade“, eine rotzige Punk-Nummer über die Unfähigkeit dem Alltag zu begegnen. Der Sound von Madsen ist satter geworden. Hymnenmäßiger wie bei „Lass die Liebe regieren“. Nachteil: Ohne den Schatten des übertriebenen Pathos kommen die Texte von Madsen selten aus. Ein Grund warum das Album gelegentlich etwas zu sehr nach Deutsch-Indie-Rock klingt. Etwas mehr Ecken und Kanten hätten nicht geschadet. Für Fans sollte das egal sein. Die Lieder kann man mitsingen und sie bleiben im Ohr. Allen anderen könnte das Album ob seiner aufdringlichen Gewolltheit aber schnell auf den Keks gehen.
The Picturebooks? Da war doch was? Richtig - erst im Frühjahr des vergangenen Jahres haben wir an dieser Stelle über das Debüt der Band aus NRW (die auch 2010 einfach nicht so klingen will, wie man es von einer deutschen Band gerne erwartet) berichtet.
Unter ihrem eigenen Namen hat die Berner Sängerin bisher erst zwei Longplayer aufgenommen. Fast scheint es so, als sei der Albumtitel eine Art Fingerzeig in Richtung derer, die in zahlreichen Berichten über die nicht gerade als Plaudertasche bekannte Schweizerin immer wieder auf ihrem jungen Alter herumreiten. Mit an Bord hat das neue Album den Song „Le vent nous portera“, mit dem die facettenreiche Künstlerin der französischen Ausnahmeband Noir Desir ihre Ehrerbietung erweist. Natürlich beweist Sophie Hunger auch mit ihren eigenen Kompositionen, weshalb sie nicht nur in ihrer Heimat mit dem Vorgängeralbum „Monday‘s Ghost“ den Spitzenplatz der Charts belegte, sondern auch im Ausland mehr als nur Achtungserfolge verbuchte. Ein wesentlicher roter Faden des Albums ist die Tatsache, dass die vormals akustischen Konstruktionen der Songs eher elektronischen Elementen gewichen sind. Und so ist „1983“ eher ein ElektroPop- denn ein klassisches FolkAlbum geworden. Und genau das steht dem Album ausgesprochen gut zu Gesicht.
Dieses Album wurde eigentlich für Ende 2008 angekündigt. Gut Ding will Weile haben. Und als läge keine kleine Ewigkeit zwischen dem 2006 erschienenen ‚Pet Grief‘ und dem aktuellen Werk, machen die Jungs da weiter, wo sie bei ihrer letzten Platte aufgehört haben. Verträumte Melodien mit Synthesizer und Drumcomputer statt Bass. Dezente Gitarren, unangestrengter Gesang, der sich nie in den Vordergrund drängt, gewohnt abdriftet und charakteristisch für die Band ist. Nur kleine Veränderungen wurden an der Musik vorgenommen, die nicht mehr so stark verzerrt und übersteuert klingt wie noch auf den ersten Veröffentlichungen.
birk
Respekt sei der Band schon für die Produktivität gezollt, die man bei den meisten Künstlern in dieser Form doch eher vergeblich sucht. Stilistisch bleibt sich das Trio in gewisser Weise treu, wenngleich zu attestieren ist, dass die Band auf „Artificial Tears“ doch deutlich reifer klingt. Die Songs klingen durchweg runder und obwohl das Fundament der Picturebooks weiterhin die übliche Trio-Instrumentierung ist, reißt das Album an vielen Stellen in ungewohnte Gefilde aus. So wagt man elektronische Experimente, ohne dabei die eigene Intention aus dem Blick zu verlieren und die Songs in ihrer eigentlichen Form zu gefährden. „Articial Tears“ läuft durchaus rund, doch neue Wege befährt die Band auch im zweiten Anlauf nur in seltenen Momenten. Matthias
Den Abschied von Lo-Fi-Sound bedeutet das allerdings nicht. Diese Solidität macht „Clinging To A Scheme‘“ zu einer guten Dream Pop Platte, die nach Frühling riecht und das lange Warten vollends entschädigt. Jero
Tim
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