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Das Teamquartier
Klima wichtig sein. Nur dann kann man als Team erfolgreich sein. Und natürlich ist es auch Aufgabe des Kapitäns, dafür zu sorgen, dass dem so ist. Er sollte immer präsent sein, die Themen repräsentieren und Verantwortung übernehmen. Das müssen alle anderen aber auch. Es gibt immer Haupt- und Nebendarsteller, aber es kann auch mal sein, dass der Nebendarsteller den Oscar gewinnt.
Welche Rolle spielt Hansi Flick und welche Rolle seine Vorgeschichte bei Bayern und beim DFB?
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Er ist der richtige für den Weg, den man gehen will und auch schon eingeschlagen hat. Ich traue ihm viel zu, er hat eine gute Ansprache, einen guten Umgang mit den Jungs. Aber am Ende wird auch er am Erfolg gemessen, und das sind nun mal die großen Turniere. Und dafür ist wie gesagt wichtig, einen Teamgeist zu kreieren, eine Idee zu entwickeln.
Und eine Achse zu finden wie 2014?
Absolut! Eine stabile Achse braucht man, das zeigen alle Erfolge großer Mannschaften. Diese Achse hatten wir 2014 definitiv. Zudem hatten wir gemeinsam schon vieles erlebt.
Was ist aus Ihrer Sicht bei den letzten beiden Endrunden 2018 und 2021 schiefgelaufen?
An der Qualität hat es sicher nicht gelegen. Aber die erwähnte Achse gab es eben eher nicht, es gab viele Nebengeräusche und Ungereimtheiten. Es gab verdiente ältere Spieler und eine neue Generation, die nachkam. Es passte an einigen Stellen nicht. Und dann kannst du auch in einer Gruppe mit Schweden, Mexiko und Südkorea scheitern.
Trotz des bescheidenen Abschneidens zuletzt ist das Ziel mindestens das Halbfinale, sogar vom Titel wird gesprochen. Ist das wirklich realistisch? Aktuell ist Deutschland Weltranglisten-Elfter.
Zu den ersten drei, vier Nationen zählen wir momentan sicher nicht – einfach aufgrund der vergangenen beiden Endrunden. Ziel muss es sein, unter die letzten vier zu kommen. Aber auch als Elfter kannst du Weltmeister werden, weil es diese Übermannschaft, wie es bei uns damals Spanien war, aktuell nicht gibt. Zumindest sehe ich sie nicht. EM-Traum geplatzt: Fernando Torres erzielt im Finale 2008 in Wien gegen Deutschland den Siegtreffer für Spanien, Lahm (rechts) kommt zu spät. Foto: IMAGO/Sven Simon
Philipp Lahm
über die deutschen Chancen Legenden unter sich: Lahm bei der WM 2010 im Kopfballduell mit Spaniens MittelfeldAss Andrés Iniesta.
Foto: IMAGO/Ulmer
Auch nicht Brasilien?
Natürlich sind sie stark. Aber man weiß zum Beispiel nicht, wie es ist, wenn sie auf gute Europäer treffen – egal, wie gut sie in Südamerika performen. Ich sehe Brasilien und Argentinien trotzdem vorne, Frankreich hat einen sensationellen Kader, Spanien eine junge, sehr talentierte Mannschaft. Dann gibt es natürlich noch uns, die Holländer, Belgien und England.
Wer wird Weltmeister?
Als wüsste ich das. (lacht) Es hat sich tatsächlich keiner so richtig hervorgetan. Keiner, den man zwingend aus dem Weg räumen muss. Aus dem Bauch heraus hätte ich Argentinien gesagt. Wenn man immer nah dran ist, hat man es irgendwann auch mal verdient –das habe ich selbst erlebt. Zumindest, wenn man nach Niederlagen wächst, wie wir mit dem DFB und auch mit Bayern.
Wie viel hängt vom ersten Spiel gegen Japan ab?
2014 war eines der wichtigsten Spiele das Auftaktspiel gegen Portugal. Man wusste nicht ganz genau, wo man steht, wo die anderen stehen, hatte gleich einen dicken Brocken. Und dann haben wir dermaßen ein Statement gesetzt, dass alle wussten: Mit Deutschland müssen wir wieder rechnen. Außerdem hat uns das so ein Selbstvertrauen eingeflößt, das enorm wichtig war für den weiteren Turnierverlauf. Ab da waren wir absolut überzeugt, dass es weit gehen wird; und die Fans in Brasilien und die Nation zu Hause auch. Sollte Deutschland gegen Japan nicht gewinnen oder gar verlieren, stünde man gegen Spanien natürlich unfassbar unter Druck.
Hat man als Spieler die weiteren Runden im Hinterkopf, wie es weitergehen könnte, oder ist das nur eine Spielerei unter Fans und Journalisten?
Nein, das wäre gelogen. Natürlich schaut man ab dem Tag der Auslosung aufs Tableau und guckt, auf wen man wann treffen kann, ganz klar. Aber das wird dann immer weniger und wenn man unmittelbar vor dem ersten Spiel steht, darf es überhaupt keine Rolle mehr spielen. Dann zählt nur der nächste Gegner, dann musst du da sein.
Deutschland scheitert im Halbfinale und holt 2024 beim Sommermärchen 2.0 den Titel: Würden Sie unterschreiben?
Wenn ich mir was wünschen dürfte, wäre es natürlich, dass Deutschland 2024 Europameister im eigenen Land wird, nach einem tollen Turnier, das alle begeistert hat. Aber natürlich gönne ich den Jungs auch schon in Katar den maximalen Erfolg, auch wenn es schwer wird. Am wichtigsten wäre es, dass es die Mannschaft schafft, dass man sich wieder vollumfänglich mit ihr identifiziert, dass man sie gemeinsam feiert und sie unterstützt – auch wenn es mal nicht so läuft.