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forschung – Die Kosmetikentwicklungen der Zukunft

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ENTWICKLUNGSTRENDS WIRKSTOFFE in der Kosmetik

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Was tut sich in der Kosmetikindustrie? Woran wird derzeit

geforscht und welche neuen Präparate werden auf den Markt

kommen? Ein Einblick in die aktuellen Trends.

Es gibt sogenannte »Wirkstoffe«, die nur laut Werbeaussagen wirksam sind, in Wirklichkeit aber keine nachweisbaren Effekte aufweisen. Daneben stehen effektive Substanzen zur Verfügung, die aber aus rechtlichen Gründen in der Kosmetik nicht eingesetzt werden dürfen. Übrig bleiben sinnvolle Wirkstoffe, welche die Funktionen der Haut unterstützen und somit einen festen Platz in der modernen Kosmetik einnehmen können. Es kommt jedoch im Einzelfall darauf an, ob die sogenannten sinnvollen Wirkstoffe dann auch in dem verkaufsfertigen Präparat die gewünschte Wirkung zeigen. So ist es zum Beispiel nicht selbstverständlich, dass sich der vorher einzeln im Zellversuch als effektiv gezeigte Wirkstoff in dem Gesamtpräparat über

Prof. Dr. Michael Schmidt, Mitinhaber und wissenschaftlicher Leiter der Dermatolan GmbH, gehört zu den bekanntesten Autoren und Referenten im Bereich der modernen Hautpflege. einige Monate aktiv hält, dass er es nach dem Auftragen auf die Haut verlässt, um dann in die Haut einzudringen und den gewünschten Zielort zu erreichen. Ein Präparat muss ja nach dem Zusammenrühren in sich stabil bleiben, die Phasen dürfen sich nicht trennen. Wieso sollte der Wirkstoff nach dem Auftragen von sich aus diese stabile Mischung verlassen? Dieser Vorgang wird als Liberation bezeichnet.

Für eine abwehrstarke Haut

Seit Jahren und gerade zur Zeit wird intensiv an folgenden Wirkstoffsystemen geforscht: Dazu gehört die Optimierung der Regulierung der Hautbarriere, zum Beispiel die Verstärkung unseres geschützten Dermatolan-Komplexes durch einen »Kalzium-Gradienten«. Hierfür werden die vier Lipidbausteine der Hautbarriere in speziellen Konzentrationen kombiniert, um den chemischen Aufbau der natürlichen Hautbarriere (der Rein’schen Barriere) zu stabilisieren. In dieser wichtigsten Hautbarriere können die vier »Bausteine« wie ein »Reißverschluss« geordnet vorliegen (im »fest-kristallinen« Zustand) oder sie werden durcheinander gewürfelt (in den »flüssig-kristallinen« Zustand). Man kann sich die Unterschiede in etwa wie zwischen Eis (fester Zustand) und Wasser (ungeordneter flüssiger Zustand) vorstellen. In der optimalen Haut liegt die Barriere zu 75 % im festen und zu 25 % im flüssigen Zustand vor. Bei der trockenen, von Ekzemen befallenen, vorzeitig gealterten Haut befindet sich die Hautbarriere zu sehr im »flüssigen« Zustand. Der »feste« Zustand muss erhöht werden und führt so zu einer abwehrstarken, jugendlich-prallen

Nur wenige Hersteller machen sich die Mühe, den untersuchten Wirkstoff zu »markieren« und ihn nach der Anwendung durch aufwendige Verfahren bei seinem Eindringen in die Haut zu verfolgen

Haut. Einen der vier benötigten »Barrierebausteine« gibt es jedoch (noch) nicht Naturkosmetik konform. Wir forschen zur Zeit an einem speziellen »Kalzium-Gradienten«, der diesen noch nicht zertifizierten Wirkstoff ersetzen kann.

Antioxidantien und DetoxMoleküle aus der Tiefsee

Unsere Haut ist durch unsere Umwelt und Lebensweise zunehmendem Zellstress ausgesetzt. Die entstehenden freien Radikale zerstören wichtige Strukturen und lassen uns schneller altern. Dazu reichern sich vermehrt Schadstoffe in den Zellzwischenräumen unserer Hautzellen an. Wir haben aus Tiefseebakterien spezielle Antioxidantien gewonnen, die unseren bekannten Antioxidantien haushoch überlegen sind. Das erklärt sich dadurch, dass Tiefseebakterien in einer unvorstellbar lebensfeindlichen Umgebung vorkommen. Sie haben zum Beispiel Antioxidantien entwickelt, die umso aktiver sind, je stärker sie durch Gifte gefordert werden. Im Gegensatz dazu sind zum Beispiel unsere menschlichen Antioxidantien in der Haut schon nach 20 Minuten UV-Bestrahlung erschöpft. Außerdem besitzen sie Zuckermoleküle, die eine stärkere Bindung an Schadstoffe (wie zum Beispiel Schwermetalle) aufweisen als die natürlichen Zuckermoleküle unserer Haut. Die Schadstoffe in dem Zellzwischenraum unserer Hautzellen lagern sich vor allem an Zuckermolekülen an, die sich auf der Zelloberfläche befinden. Um diese Schadstoffe abzulösen und dann über die Haut zu entsorgen, müssen wir Wirkstoffe ein-

setzen, die sie stärker binden, also von den Hautzellen ablösen. Das schaffen eben jene Detox-Moleküle, die für eine »Entgiftung« der strapazierten Haut eingesetzt werden.

Hyaluronsäure-Fragmentierung und -Stimulierung sind weitere Forschungsthemen. Wir haben durch Aufspaltung von langkettigen Hyaluronsäuremolekülen drei verschiedene kleine Fragmente gewonnen, die unterschiedlich tief in die Haut eindringen und die Hautfeuchtigkeit gezielt im Bereich der Hornhautzellen, der Hautbarriere und der Basalzellschicht erhöhen. Zusätzlich haben wir beispielsweise in den Hyaluron-Boosterpräparaten einen natürlichen HyaluronsäureStimulator eingebaut, der gezielt auf die noch aktiven Hautzellen einwirkt.

Mitochondriale Kosmetik

Wir wissen, dass durch UVA-Strahlung und andere Umweltfaktoren zunehmend mehr Mitochondrien zerfallen. Dabei entstehen sogenannte Formylpeptide als Spaltprodukte. Diese Formylpeptide werden von unserem Immunsystem als »fremd« erkannt und rufen Entzündungsreaktionen hervor. Mit speziellen Hemmstoffen können wir diese Spaltprodukte umschließen und dadurch die Entzündungsreaktionen in der Haut stoppen. Hintergrund: Mitochondrien sind ja in unserer Evolution als fremde Bakterien in unsere Zellen eingewandert. Dabei werden die Mitochondrien von der Zellmembran der Wirtszellen umhüllt und somit von unserem Immunsystem nicht erkannt (obwohl sie eigentliche »fremd« sind). Erst nach ihrem Zerfall kommen unsere Immunzellen mit den fremden Mitochondrienproteinen in Kontakt und reagieren sofort gereizt (obwohl keine eigentliche Infektion mit Bakterien vorliegt). Viele der irritierten und entzündeten HautEin ganzer neuer Forschungsschwerpunkt liegt auf den Mitochondrien in den Hautzellen.

zuständen in der Kosmetikpraxis sind keine Reaktionen auf von außen eingedrungene Keime, sondern hängen ursächlich mit dem inneren Mitochondrienzerfall zusammen.

Weitere Forschungsprojekte beziehen sich auf Kommunikations-Signalstoffe, um beispielsweise die Anhäufung von Melanozyten in der Haut (»Pigmentflecken«) aufzulösen und die Kommunikation zwischen eingedrungenen Bakterien zu stören. Hintergrund: Bakterien haben eine artspezifische »Sprache« mittels chemischer Signalmoleküle (Quorum Sensing) entwickelt, mit deren Hilfe sie sehr detailliert Informationen über die Beschaffenheit der Umgebung, Nahrungsangebot und viele andere Faktoren austauschen können. Erstmals entdeckt wurden diese Moleküle bei dem sogenannten Vibrio-Meerbakterium. So werden Bakterien derselben Art zum Beispiel schnell an einen Infektionsherd geführt, um einen Vorteil gegen fremde Bakterien und gegen Pilze zu erzielen. Für den betroffenen Menschen stellt eine Bakterieninfektion ein großes Problem im Hinblick auf Antibiotika-Nebenwirkungen und -Resistenzen dar. Deshalb wären alternative Behandlungsansätze vorteilhaft.

Die chemischen Signalstoffe können nach den neuesten Erkenntnissen neutralisiert oder sogar gezielt manipuliert werden (Quorum Quenching), um eine Entzündung zu begrenzen oder zu beenden. Das bestätigen beispielsweise unsere langjährigen Arbeiten zur Nutzung von Signalstoffen in unserem Hautpflegesystem.

Bedeutung für die Entwicklung von Kosmetik

Zum einen sollen Rötungen und generell irritierte Haut beruhigt und Entzündungen vorgebeugt werden. Auf der Suche nach derartigen Blockiermolekülen sind wir in einigen speziellen Pflanzenextrakten fündig geworden. Das Ergebnis sind bewährte und hochwirksame Rezepturen.

Neben der Steuerung von Entzündungsvorgängen sind aber auch Signalmoleküle interessant, die das Wachstum und die Verteilung von Zellen regulieren. Derartige Steuerungsmoleküle haben wir in Tiefseebakterien gefunden, die auf Unterseevulkanen wachsen. Mit Hilfe von Signalmolekülen sorgen sie für eine gleichmäßige Besiedlung der Oberflächen und verhindern ein »Gedränge« untereinander. Glücklicherweise reagieren auch unsere Melanozyten (die farbstoffbildenden Zellen in unserer Haut) auf genau diese urtümlichen Signale. Wenn sich also Melanozyten zu harmlosen, aber unschönen Pigmentflecken zusammenrotten, können sie mit Hilfe dieser Signalmoleküle dazu gebracht werden, sich wieder zu zerstreuen. Das gelingt zum Beispiel mit den marineau-Produkten nicht, wenn die Pigmentverschiebungen bei einer zwar gleichmäßigen Verteilung aber unterschiedlich starker Farbstoffproduktion der einzelnen Melanozyten hervorgerufen werden. Leider sieht man den Pigmentverschiebungen von außen nicht an, aus welcher Ursache sie entstanden sind, da hilft nur ausprobieren.

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