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Spa der Zukunft
Sönke Schacht Marlis Minkenberg
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Kristin Vogel
Urs Hoffmann
Michael Altewischer
Claudia Gellersen Karin Niederer
UMFRAGE UNTER EXPERTEN Quo vadis, Spa-Branche?
Stillstand kennt die Spa-Branche nicht und steht derzeit vor einigen Herausforde-
rungen. Wir haben Profis der Branche gefragt, wie sie Spa- und Wellness-Bereiche
fit für die Zukunft machen.
Welche Entwicklungen im Spa-Angebot sehen sie für die kommenden Jahre?
Karin Niederer (KN), Managing Partner, Kohl & Partner: Entwicklungen beziehen sich vor allem auf den neuen achtsamen Umgang und die neue Dimension der Gesundheit mit Fokus auf das Was und Wie. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Nachhaltigkeit, die immer stärker von »nice to have« in Richtung buchungsrelevant aufsteigt. Aus Sicht der Unternehmer wird die »menschliche Ressource«, die Mitarbeiter, einen noch höheren Stellenwert einnehmen. Fachlich gut ausgebildetes Personal ist bereits jetzt Mangelware, denn durch die Pandemie sind Teammitglieder auch in andere Branchen abgewandert.
Marlis Minkenberg (MM), Beratung & Training für Beauty & Spa, MM Spa Consulting: In Bezug auf das Angebot sehe ich mehrere Dimensionen: Klang- und Farb-Räume und Anwendungen zur multisensorischen Entspannung. Die Umsetzung kann verschieden sein, zunächst mal klassisch mit der Natur oder angepasst an die Natur. Es sind aber auch technologische Lösungen möglich. Entspannung durch den Einsatz einer Virtual Reality Brille. Sie kann zu einer tiefenentspannenden Einstimmung verhelfen, um Stress und Hektik zu vergessen.
Gesundheit steht im Fokus. Die Menschen haben eine höhere Bereitschaft in sich selbst zu investieren. Daher werden auch Hautbestimmungen per App und Gesundheits-Analysen durch digitale Test zunehmend populärer. Auch Spiritualität im Spa erlangt einen hohen
»Es ist unsere Aufgabe immer wieder neu zu überdenken, welche Aufgaben wirklich von Mitarbeitern durchgeführt werden müssen und was wir der künstlichen Intelligenz überlassen können«,
so Michael Altewischer
Einfluss. Insbesondere das alte und traditionelle Wissen sei es zum Thema Heilpflanzen, zu ursprünglichen Reinigungs- und Räucherritualen oder besonderen Behandlungsabläufen. Michael Altewischer (MA), Geschäftsführender Gesellschafter, Wellness-Hotels & Resorts GmbH: Entwicklungen, die wir unter anderem in unseren Wellness-Trends seit einigen Jahren beobachten, wurden durch die Pandemie beschleunigt. Dazu gehört, dass Wellness mit Wirkung immer wichtiger wird. Der Wunsch sich einfach verwöhnen zu lassen wird zwar auch zukünftig ein nicht zu unterschätzender Faktor sein, gleichwohl erwarten immer mehr Menschen, dass die Spa-Behandlungen einen spürbaren Unterschied machen und über reine Streichelanwendungen hinausgehen.
Urs Hoffmann (UH), Inhaber und Trainer bei Spa Standards: Es entwickelt sich immer stärker das Bedürfnis nach Reduktion und damit die Besinnung auf das Wesentliche. Werte wie Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit, Authentizität, Regionalität, Gesundheit und Achtsamkeit gewinnen im Spa sowie im Alltäglichen verstärkt an Bedeutung. Die menschliche Berührung ist nicht zu ersetzen. Meine Hoffnung ist, dass sich, parallel zu apparativen Behandlungskonzepten, Qualität und Achtsamkeit in allen Arten von Körperanwendungen etabliert. Spa darf inspirieren und den Gast mit Themen in Berührung kommen lassen, die er nicht oder bislang nur aus Zeitschriften kennt.
Sönke Schacht (SS), Geschäftsführer, Vabali Spa Düsseldorf GmbH & Co. KG: Unsere Häuser werden sich weiterhin durch ein auf Ruhe und Entspannung setzendes Aufguss- und Saunaangebot auszeichnen. Dies war von Beginn an Teil unserer Mission und damit sind wir am Puls der Zeit. Urlaub vor der Haustür ist in Zeiten, in denen Flugreisen eher problematisch zu sein scheinen und Platz ein hohes Gut ist, ein wertvolles Angebot, das sehr gern in Anspruch genommen wird.
Kristin Vogel (KV), Marketingleitung, Mawell Resort: Eine Reduzierung der Spa-Angebote steht nicht zur Debatte, da die Nachfrage
»In der Coronazeit ist die Gewinnung/ Erhaltung von hoch qualifiziertem Personal keine leichte Aufgabe, da wir keinen systemrelevanten Ansatz aus politischer Sicht haben«,
betont Claudia Gellersen
groß ist. Ferner zielt diese auf das Gesamtportfolio im Beauty-Bereich ab. Wir sehen, dass der gesundheitliche Fokus immer mehr an Priorität gewinnt.
Claudia Gellersen (CG), Geschäftsführerin, Gut Varendorf: Die »Babyboomer-Jahrgänge« erreichen das Rentenalter. Das bedeutet, dass unsere Angebote speziell für diesen Personenkreis erweitert werden müssen. Wir sind dabei, unser Personal sowie die Infrastruktur u. a. in den Bereichen Physiotherapie/med. Wellness aufzurüsten. Des Weiteren ist eine immer stärkere Tendenz in Richtung Prävention deutlich spürbar.
Bis 2030 sollen die Treibhausemissionen im Schnitt um 60 % (gegenüber 1990) gesenkt werden. Wie können Spas das umsetzen und was haben Sie geplant?
KN: Das beginnt schon beim Bau des Gebäudes, wo verstärkt auf ressourcenschonende und nachhaltige Bauweisen ebenso wie auf Regionalität der Baumittel geachtet wird. Weiterhin gilt es, beim Betreiben der Spa-Anlagen auf nachhaltige Quellen zu setzen: Photovoltaik, Sonnen- und Windenergie, Erdwärme, Hackschnitzelanlage etc.. Regionale Produkte und der Anstieg von Bio-zertifizierten (Natur-)Produkten im Kosmetikbereich tragen ebenso dazu bei wie ein bewusstes Hinführen der Gäste zu naturnahem Verhalten.
MM: Derzeit führt das Unternehmen »Nest« in der Schweiz ein Experiment durch, das ermöglicht, dass die Fitness- und Wellness-Einheiten autark funktionieren. Hierbei wird mit Wärmepumpen, Wärmedämmung, Solarzellen, neuen Speichermöglichkeiten und anderen Technologien ohne externe Energiezufuhr gewirtschaftet. Es werden selbst die Fitnessgeräte der Anlage zur Energiegewinnung genutzt.
MA: Wichtig bei diesem Thema ist: Wir dürfen den Gast nicht dafür bestrafen, dass er in Zentraleuropa Urlaub macht. Wenn schon heute bei nur wenigen heißen Tagen im Jahr der Wunsch der Gäste nach Klimaanlagen groß ist, macht es keinen Sinn, diese pauschal als Energiefresser abzutun. Kreative Lösungen sind gefragt. Dabei ist klar, dass Wellnesshoteliers es sich schon aus wirtschaftlicher Sicht nicht erlauben können, überdimensionierte Energiekosten zu produzieren. Die Hoteliers in unserer Gruppe sind vertraglich zu einem umweltbewussten Management verpflichtet.
UH: Es gibt einige Hotels, die bereits klimaneutral arbeiten. Eine Umstellung auf nachhaltige, plastikfreie Produkte und Amenities ist längst überfällig.
SS: Das ist ein schwieriges Thema. Wir setzen in unseren Häusern auf Ökostrom und ein grundsätzlich nachhaltiges Verhalten. Das fängt bei dem E-Firmenwagen an und hört bei dem bewussten Umgang mit der Energie noch lange nicht auf. Eine Sauna wird immer viel Energie benötigen. Allerdings ist der Energiebedarf pro Person in unserem Haus unter dem Strich wesentlich geringer, als wenn eine Sauna in Keller oder Garten gebaut und genutzt wird. Aktuell denken wir darüber nach, unseren Gästen die Möglichkeit eines CO2-Ausgleichs zu geben.
KV: Mit unserem von Grund auf nachhaltigen Energiekonzept sind wir Vorreiter in der Hotelbranche und konnten bereits Impulse an Kollegen weitergeben. Nachhaltigkeit ist für uns mehr als ein Versprechen, es ist die Essenz des Prinzips »Grünes Mawell«. Wir beziehen unsere Energieversorgung aus nachwachsenden lokalen Quellen und schaffen eine gesunde Atmosphäre mit der Abwärme aus dem Satelliten-Blockheizkraftwerk und einer Biogasanlage. Ein Pufferspeicher unter unserem Naturbecken sorgt zudem dafür, dass wir optimal mit der benötigten Energie haushalten können. Dieses durchdachte und umweltfreundliche Energiekonzept wurde mit dem Energiepreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Eine eigene Wasseraufbereitung durch Ultrafiltration rundet das Konzept ab.
CG: Wir sind stetig dabei, das Machbare auch umzusetzen. So nutzen wir die Sonnenenergie mit entsprechenden Speicherkapazitäten, um unsere Sauna und Poollandschaft angenehm zu temperieren. Des Weiteren wurde die Isolierung der Appartements erneuert bzw. optimiert. Minibars werden zukünftig durch den Zimmerservice ausgetauscht.
Welche Rahmenbedingungen beschäftigen Sie am meisten? Und welche Lösungsansätze verfolgen Sie bzw. Ihre Partnerunternehmen?
KN: Eine der wichtigsten und größten Herausforderungen aktuell ist das Finden und Binden von Mitarbeitern. Durch die Pandemie gab und gibt es viel Verunsicherung
»Kundenbindung und Digitalisierung sind nicht nur in der Hotellerie, sondern auch im Spa-Bereich wichtige Faktoren zum Erfolg«,
erklärt Karin Niederer
und einen völlig unregelmäßigen Arbeitsablauf – zuerst im Lockdown keine Arbeit, danach sehr viel Arbeit, die sich nicht nur körperlich bemerkbar machte, sondern auch in puncto Energiehaushalt. Zudem haben sich die Gäste verändert: Ein Teil wurde feinfühlig(er), ein anderer Teil fordernd(er). Es gilt somit, das Team auf die sich ändernden Rahmenbedingungen bestens vorzubereiten, zu schulen und insgesamt stärker in den Austausch mit ihnen zu gehen (interne Kommunikation und Information sind essentieller denn je). MA: Das mit Abstand größte Thema ist definitiv der Mitarbeitermangel in der gesamten Branche. Themen wie flexiblere Arbeitszeiten werden inzwischen viel diskutiert und Lösungsansätze getestet. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass es vor allem darum geht, individuell auf die Lebensrealität der Mitarbeiter einzugehen.
UH: Es gibt seit einiger Zeit einen Personalmangel in der Spa-Branche, der sich infolge der Corona-Pandemie auf die Personalstruktur der gesamten Hotellerie ausgeweitet hat. Wünschenswert ist, dass sich der Beruf des Spa-Therapeuten als Berufsbild etabliert, ähnlich der Konditionen und Ausbildungsstandards in den USA. Ich könnte mir eine staatliche Grundausbildung zum Massagetherapeut vorstellen, bei der sich die Auszubildenden in verschiedene Richtungen spezialisieren können. Die Grundausbildung sollte jedoch für eine gute Qualifizierung ausreichen. Ob sich in Deutschland eine solche Ausbildungsstruktur etabliert, ist fraglich und wenn, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Bis dahin bleibt nur die Option, dass die Spa-Branche gemeinsam Qualitätskriterien definiert, damit diese (nach)geschult werden und perspektivisch in bestehende Ausbildungen einfließen können.
SS: Seit Beginn der pandemischen Situation ist das Thema Personal eine immer wiederkehrende Herausforderung. Zunächst müssen wir Personal finden, das zu uns passt und unsere Werte lebt. Wir legen zum Beispiel viel Wert auf Personalentwicklung. Dieser sehr individuelle Fokus macht im Vergleich zu anderen Arbeitgebern den entscheidenden Unterschied. Momentan beschäftigt uns neben Recruiting am meisten, wie wir unseren Gästen weiterhin einen entspannten und sicheren Aufenthalt – trotz steigender Fallzahlen – gewährleisten können.
Wenn Sie versuchen in die Zukunft zu schauen, wie wird sich Ihre Kundenzielgruppe entwickeln?
KN: Durch die neue Generation Z wird die Zielgruppe breiter. Verstärkt nehmen sich auch jüngere Gäste ab 20 Jahren eine oder mehrere bewusste Auszeiten pro Jahr. Die räumliche Herkunft wird für gesundheitsspezifische Spezialthemen steigen, für klassische Well-
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»Mit Sicherheit wird ein geringer CO2-Fußabdruck ein Pluspunkt bei einer zunehmend umweltbewussteren Klientel sein«,
ist Urs Hoffmann überzeugt
ness- und Spa-Angebote den Einzugsradius von 1,5 bis zwei Stunden beibehalten.
SS: Wir sind davon überzeugt, dass wir in unserem Segment eine sehr gute Dienstleistung bieten, für die unsere Gäste bereit sind, Geld zu investieren. Entscheidend ist hierfür ein aufmerksames Auge für unsere Häuser aber eben genauso für die vielen Menschen, die mit uns arbeiten. Unsere Zielgruppe ist unverändert vielfältig und unsere Bekanntheit wird durch weitere Häuser überregional wachsen. Doch Wachstum allein ist nicht genug.
Wie wird sich die Aufenthaltsdauer entwickeln?
KN: Diese steigt allgemein, wie schon die letzten 1,5 Jahre zeigen, leicht an. Eine langfristige massive Erhöhung der Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht zu erwarten, sofern es sich um eine »Wellness-Auszeit« handelt. Dennoch fällt auf, dass mehr Gäste als vor der Pandemie sich drei bis fünf Nächte Zeit nehmen und nicht nur mehr ein bis zwei Nächte buchen. Je stärker die Gesundheitsausrichtung eines Betriebes, desto länger die Aufenthaltsdauer.
MA: Wir können damit rechnen, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Wellnesshotel von aktuell zwei bis drei Tagen sukzessive in Richtung einer Woche gehen wird – vorausgesetzt es gibt Gründe für die Aufenthaltsverlängerung wie interessante Aktiv- oder Kochkurse und die Gäste haben nicht das Gefühl, das komplette Angebot des Hauses nach drei Tagen ausgeschöpft zu haben. Ungehobenes Potenzial sehe ich zudem im Bereich der Corporate Health. Arbeitgeber müssen zukünftig deutlich mehr für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter tun, als Obstkörbe und ein paar Onlinekurse anbieten. Die Motivation zu nachhaltigen Wellness-Aufenthalten kann definitiv dazu gehören.
SS: An unseren Wochenenden sind wir dauerhaft ausgebucht. Daher arbeiten wir daran, uns auch für den Feierabendbesuch unter der Woche als Option zu platzieren. Abhängig von den unterschiedlichen Standorten der Häuser variiert auch das Gästeverhalten. Durchschnittliche Verweildauer und Konsumverhalten sind unterschiedlich und können individuell ergänzt werden durch das gastronomische Angebot oder das Anwendungsangebot in Sauna und Massage. Da kann eine kürzere Verweildauer wirtschaftlich genauso interessant sein wie ein langer Wellnesstag.
Inwieweit verändert die Digitalisierung Ihre internen Abläufe? Welche digitalen Lösungen für das Kunden-Beziehungs-Management setzen Sie ein bzw. sehen Sie für die nahe Zukunft?
KN: Digitalisierung ist einer der wichtigen Punkte, um aktiv Ressourcen zu sparen und interne Abläufe sowie Prozesse zu vereinfachen. Hier steckt die Wellness- und Spa-Branche noch in den Kinderschuhen (mit wenigen Ausnahmen), obwohl es bereits seit Jahren Systeme am Markt gibt, die dies unterstützen würden.
MA: Gerade an der Rezeption und in der Küche, aber auch im Spa nimmt die Digitalisierung eine immer größere Rolle ein. Was nicht zwingend von Menschen gemacht werden muss, muss zukünftig die künstliche Intelligenz übernehmen. Die Zeit der Mitarbeiter wird sich noch mehr auf den zwischenmenschlichen Kontakt mit den Gästen fokussieren.
SS: Durch unser Online-Reservierungstool können unsere Gäste nun ohne Wartezeiten zu uns kommen. Das ist ein großer Fortschritt. Natürlich wollen wir die Buchungs- und Geschenkoptionen möglichst einfach für unsere Gäste gestalten.
KV: In Zukunft geplant: Bildschirme (bewegte Bilder, Image-Filme, aktuelle Einblicke) und Präsentationen (Team, Anwendungen, Produkte) im Wartebereich.
CG: Die internen Abläufe sind nicht bzw. kaum von der Digitalisierung betroffen. Wir haben eine eigene App, die umfassend alle notwendigen Informationen für den Aufenthalt unserer Gäste beinhaltet. Sie werden sowohl darüber wie auch über diverse Social Media Kanäle erreicht, um Neuigkeiten mitzuteilen.