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Kosmetik der Zukunft

NACHGEFRAGT

Woran arbeitet die Kosmetikindustrie HEUTE FÜRMORGEN?

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In den vergangenen Jahren hat das Fortschreiten der apparativen Kosmetik die öf-

fentliche Diskussion bestimmt. Nicht weniger spannend ist jedoch die Entwicklung

der Präparate. Doch inzwischen gibt es ganz neue Produkte mit deutlich größerem

Wirkspektrum. Das zeigt auch unsere Umfrage unter Branchenprofis:

Welche Wirkstoffe sind in der Entwicklung und werden in den nächsten Jahren auf den Markt kommen?

Dr. David Hauck (DH), Gründer und Geschäftsführer Dr. Hauck Naturkosmetik: Es wird intensiv an natürlichen Sonnenschutzmitteln geforscht. Peptide stehen dabei oft im Fokus, da sie von Rezeptoren genutzt werden können. Darüber hinaus werden bestehende Wirkstoffe galenisch verbessert. Das heißt, sie können tiefer und gezielter eingesetzt werden.

Dr. Christian Rimpler (CH), Geschäftsleitung Dr. Rimpler GmbH: Die Philosophie von Rimpler Cosmetics ist seit Jahren die Kombination der zwei Megatrends Natur- und Wirkstoffkosmetik. So konnten wir die natürlichen Reinststoffe wie Coenzym Q10, Resveratrol, Glabridin u. a. bereits sehr erfolgreich einführen.

Prof. Dr. Michael Schmidt (MSCH), Inhaber Dermatolan GmbH: Wir forschen seit langem und zur Zeit äußerst intensiv an folgenden Wirkstoffsystemen: – Optimierung der Regulierung der Hautbarriere, zum Beispiel Verstärkung unseres geschützten Dermatolan-Komplexes durch einen »Kalzium-Gradienten«. Wir kombinieren die vier Lipidbausteine der Hautbarriere in speziellen Konzentrationen, um den chemischen Aufbau der natürlichen Hautbarriere (Rein’sche Barriere) zu stabilisieren. – Enzyme zur Entsorgung von Zelldebris. In unseren Hautzellen müssen bestimmte »Reststoffe« des natürlichen Stoffwechsels »entsorgt« werden. Das übernehmen spezialisierte Enzyme. Durch die erhöhte Schadstoffbelastung unserer Umwelt kommen die Entsorgungsenzyme an ihre Leistungsgrenze, die Abfallstoffe reichern sich an, die Haut altert frühzeitig. – Antioxidantien und Detox-Moleküle aus der Tiefsee. Wir haben aus Tiefseebakterien spezielle Antioxidantien gewonnen, die unseren bekannten Antioxidantien überlegen sind. Sie werden umso aktiver, je stärker sie durch Gifte gefordert werden. Außerdem besitzen sie Zuckermoleküle, die eine stärkere Bindung an Schadstoffe aufweisen als die natürlichen Zuckermoleküle unserer Haut. – Hyaluronsäure-Fragmentierung. Wir haben durch die Aufspaltung von langkettigen Hyaluronsäuremolekülen drei kleine Fragmente gewonnen, die unterschiedlich tief in die Haut eindringen und die Hautfeuchtigkeit gezielt im Bereich der Hornhautzellen, der Hautbarriere und der Basalzellschicht erhöhen. – Mitochondriale Kosmetik. Ein ganzer neuer Forschungsschwerpunkt liegt auf den Mitochondrien in den Hautzellen. Wir wissen, dass durch UV-A-Strahlung und anderen Umweltfaktoren zunehmend mehr Mitochondrien zerfallen. Dabei entstehen sogenannte Formylpeptide als Spaltprodukte, die von unserem Immunsystem als »fremd« erkannt werden und Entzündungsreaktionen

Dr. Meike Streker Dr. David Hauck Dr. Roland Sacher Prof. Dr. Michael Schmidt

hervorrufen. Mit speziellen Hemmstoffen können wir diese Spaltprodukte umschließen und dadurch die Entzündungsreaktionen in der Haut stoppen.

Dr. Meike Streker (MST), Kosmetikwissenschaftlerin, Dozentin und Beraterin: Wirkstoffe, die die Hautbarriere stabilisieren und sie so vor Umwelteinflüssen stärken, werden weiterhin im Trend liegen. Hierzu zählt neben dem sehr gut erforschten Vitamin B3 (Niacinamid) auch Squalan. Squalan wird derzeit als Trendwirkstoff beschrieben, dabei ist es in der Kosmetikindustrie altbekannt. Pflanzliche Rohstoffe und insbesondere Biomimetika stehen ebenfalls im Fokus der Kosmetikforschung. Dabei sind auch biomimetische Wirkstoffe nicht neu. Beispiele hierfür wären Ectoine, aber auch Haferextrakte sowie Moor- oder Moosextrakte.

Die Vitamine C und A zählen zum Goldstandard in der Kosmetik, weil es für beide Wirkstoffe eine Vielzahl an guten klinischen Nachweisen gibt. Da Vitamin C sehr instabil ist, fällt es schwer den aktiven Wirkstoff in eine galenische Grundlage einzubetten. Deswegen wird er heute immer öfter in reiner Form, beispielsweise als gefriergetrocknete Kügelchen angeboten.

Dr. Roland Sacher (RS), Gründer und Geschäftsführer Dr. Sacher Kosmetik: Neue Möglichkeiten bei der Gewinnung von kosmetischen Wirkstoffen eröffnet die Biotechnologie. So werden zum Beispiel pflanzliche Stammzellen unter kontrollierten Bedingungen im Bioreaktor vermehrt und zur Produktion von Wirkstoffen angeregt. Aber auch die Kultivierung von Mikroorganismen (Hefe, Bakterien) bietet ungeahnte Möglichkeiten. Die Gewinnung von Hyaluronsäure und Ectoin sind zwei gute Beispiele für diese Technologie.

Gibt es neue (verbesserte) Wirkungsspektren bei Kosmetika und Pflegeansätzen?

DH: Die Sonnenkosmetik ist vor allem bestrebt, generell mehr Lichtschutz zu bieten, auch über den UV-Schutz hinaus. Dabei geht es nicht nur um UV-Blocker, sondern auch um andere Stoffe, die eine starke antioxidative Wirkung haben wie Astaxanthin, das freie Radikale neutralisieren kann. Auch ein Wirkstoff wie das Enzym Photolyase ist sehr spannend, denn es kann die Reparatur der DNA beschleunigen, also bei Zellschäden helfen.

CR: Neben der Identifikation von Aktivstoffen und deren Wirkmechanismen ist

»Auch die Forschung im Labor bietet Chancen bei der Entwicklung von Rohstoffen/ Wirkstoffen«,

die zweite große Herausforderung in der Produktentwicklung, die Bioverfügbarkeit am Wirkort sicherzustellen. Deshalb werden hier die Carriersysteme und auch die Forschung zur Nanotechnologie interessante Ergebnisse liefern, um die Stabilität, die Penetration an den Wirkort und damit die Verfügbarkeit zu erhöhen.

MST: Als echte Herausforderung für die Kosmetikindustrie sehe ich die Entwicklung neuer effektiver Lichtschutzfilter, die weder schädlich für den menschlichen Organismus noch für die Umwelt sind und dabei einen effektiven Schutz bieten.

RS: Damit Wirkstoffe gute Effekte hervorbringen, müssen sie so aufgebaut sein, dass sie sich an Rezeptoren auf der Oberfläche der Hautzellen anlagern können. Die Penetration von Wirkstoffen in die Haut ist ebenfalls ein spannendes Forschungsgebiet. Die meisten Wirkstoffe sind wasserlöslich, aber die Horn-

»Es wird immer breitere Ansätze für Sonnenschutz geben«,

erklärt Dr. David Hauck

schicht der Epidermis ist hydrophob (wasserabweisend) und setzt somit der Penetration wasserlöslicher Wirkstoffe enge Grenzen. Man kann zum Beispiel wasserlösliche Wirkstoffe wie Vitamine in Liposomen verkapseln oder kurzkettige Hyaluronsäure und Glykole als chemische Penetrationsbeschleuniger verwenden, um die Penetration von Wirkstoffen zu verbessern. Alle Formen von Peeling haben neben ihrer Hautglättung eine Verbesserung der Wirkstoffpenetration zur Folge.

Welche allgemeinen Trends in der Kosmetikentwicklung sind erkennbar? Für welche Probleme wird momentan nach Lösungen gesucht?

DH: Die Verpackung wird ökologischer, zum Beispiel durch recycelten Kunststoff. Das gilt auch für die Wirkstoffe wie beim

»Wir versuchen auch zukünftig die Nachhaltigkeit verstärkt in den Fokus zu rücken«,

betont Dr. Christian Rimpler

Upcycling von Nebenstoffen der Pflanzenindustrie. Gemäß Mintel wird feste, wasserdustrie. Gemäß Mintel wird feste, wasserfreie bzw. -arme Kosmetik bis 2025 eine der freie bzw. -arme Kosmetik bis 2025 eine der Schlüsselthemen in der Kosmetikindustrie Schlüsselthemen in der Kosmetikindustrie sein und ein achtsamer Wasserkonsum wird sein und ein achtsamer Wasserkonsum wird die Beauty und Personal Care Branche zudie Beauty und Personal Care Branche zukünftig noch intensiver beschäftigen. Marktkünftig noch intensiver beschäftigen. Marktbeobachtungen zeigen, dass viele Hersteller beobachtungen zeigen, dass viele Hersteller und Marken den Wasserverbrauch durch und Marken den Wasserverbrauch durch die vermehrte Herstellung von Kondie vermehrte Herstellung von Konzentraten reduzieren. Feste Koszentraten n re r duzieren. Feste Kosmetikprodukte findet man heute me m ti t kprodukte fin fi det man heute in fast allen Bereichen. Sei es in der in fast al a len Bere r iche h n. Sei es in der Hautreinigung bzw. -pflege oder sogar in der Haar- und Zahnpflege.

CR: Durch gute Ausbildung wird die individuelle Hautdiagnose immer besser, um damit gezielt mit Produkten einer Fehlfunktion oder Dysbalance entgegenzuwirken.

MSCH: Es gibt sogenannte »Wirkstoffe«, die nur laut Werbeaussagen wirksam sind, in Wirklichkeit aber keine nachweisbaren Effekte aufweisen. Daneben stehen wirksame Substanzen zur Verfügung, die aber aus rechtlichen Gründen in der Kosmetik nicht eingesetzt werden dürfen. Übrig bleiben sinnvolle Wirkstoffe, die die Funktionen der Haut unterstützen und die somit einen festen Platz in der modernen Kosmetik einnehmen können. Es kommt jedoch im Einzelfall darauf an, ob sie dann auch in dem verkaufsfertigen Präparat die gewünschte Wirkung zeigen. So ist es zum Beispiel absolut nicht selbstverständlich, dass sich der vorher einzeln im Zellversuch als effektiv gezeigte Wirkstoff in dem Gesamtpräparat über einige Monate aktiv hält und nach dem Auftragen auf die Haut das Präparat verlässt, um dann noch in die Haut einzudringen und den gewünschten Zielort zu erreichen. Wieso sollte der Wirkstoff nach dem Auftragen von sich aus diese stabile Mischung verlassen? Dieser Vorgang wird als Liberation bezeichnet. Nur wenige Hersteller machen sich die Mühe, den untersuchten Wirkstoff zu »markieren« und ihn nach der Anwendung durch sehr aufwendige Verfahren bei seinem Eindringen in die Haut zu verfolgen.

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