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Das Ding: Die klassische Spielkarte

BEDARF. Allein im belgischen Tournhout verlassen 1,5 Millionen Decks mit klassischen Spielkarten die weltgrößte Kartenspielfabrik Cartamundi. Pro Tag. Dem muss ein entsprechend hoher Verbrauch gegenüber stehen. Dazu mögen unzählige Damenkränzchen zählen, vor allem aber ist es das Glücksspielbusiness mit legalen und noch mehr illegalen Casinos und Pokerrunden. Denn hier gilt: Originalverpackte Blätter sind in eine Klarsichtfolie eingeschweißt, um den Kunden oder den Mitspielern anzuzeigen, dass die Partie mit einem neuen, nicht gezinkten Blatt gespielt wird.

URSPRUNG. Heute übliche Spielkarten dürften sich von dem

4×13-Blatt mit 52 Karten ableiten, das schon Johannes von Rheinfelden 1377 bekannt war, ein Blatt zu zehn Zahlkarten und drei Hofkarten. Johannes von Rheinfelden, geboren um 1340 in Freiburg im Breisgau, war ein Dominikaner und Schriftsteller. Er verfasste die älteste in Europa bekannte Beschreibung von Spielkarten. Im System eines 52-Karten-Blatts hat jede Karte einen hierarchisch abgestuften (Zahlen-)Wert und eine von vier Farben. Das Ass als 1 leitet sich übrigens vom lateinischen „as“ ab, der kleinsten Währungseinheit im europäischen Mittelalter. Schon mit einem solchen klassischen Blatt lassen sich viele Tausend verschiedene Kartenspiele spielen. Bereits dieser Um-

Das französische Blatt

Weltweit wird mit dem sogenannten französischem Blatt Karten gespielt. Es gilt als am weitesten verbreitet. Den Hofkarten, also König, Dame und Bube wurden von Kartenmachern früh historische oder mythologische Personen zugeordnet. Zum Teil wurden deren Namen mitgedruckt. Eine der frühesten bekannten Zuordnungen war und ist:

• Kreuz-König: Alexander der Große

• Pik-König: David

• Herz-König: Karl der Große

• Karo-König: Julius Caesar

• Kreuz-Dame: Maria

• Pik-Dame: Pallas Athene (griechische Göttin der Weisheit)

• Herz-Dame Judith (biblisches Ideal der Frömmigkeit)

• Karo-Dame Rachel (biblische Figur als Ideal der Schönheit)

• Kreuz-Bube: Lancelot, der Ritter aus der Artussage

• Pik-Bube: Holger Danske, ein Gegenspieler Karls des Großen, König in Dänemark

• Herz-Bube: Lahire (Étienne de Vignolles), ein Kämpfer an der Seite von Jeanne d’Arc

• Karo-Bube: Hektor von Troja oder auch Roland, ein Paladin Karls des Großen stand bietet der Wissenschaft ein breites Forschungsfeld, das umso größer wird, wenn die unzähligen Variationen und Abarten des Mediums Spielkarte unter die Lupe genommen werden. Die Erkenntnisse wie, womit und weshalb sowohl in gehobenen als auch in niedrigen Kreisen gespielt wurde, lassen schließlich tief in die jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen blicken.

UNTERSCHIEDE. Dabei haben sich die Kartenblätter einerseits regional entwickelt, andererseits wirkten sich bestimmte Änderungen im Laufe der Zeit durchaus global aus. Bestes Beispiel dafür ist, dass vom einfachen Bild zur Darstellung über Kopf übergegangen wurde und die

Das deutsche Blatt

Das Deutsche Blatt kennt die Farben Eichel, Laub, Herz und Schellen. Die Namen für die verschiedenen Farben weisen teils deutliche regionale Unterschiede auf. Neben den Karten mit Zahlenwerten gibt es die vier Bildwerte Unter (auch Bauer), Ober (auch Dame), König und Daus oder Sau. In den meisten heute gebräuchlichen Varianten reichen die Kartenwerte von 6 bis 10 sowie Unter, Ober, König und Ass

Das Ungarische/Mitteleuropäische/Doppeldeutsche Blatt Erbe der Habsburger-Monarchie: In Österreich, Ungarn, der Slowakei, Slowenien, Kroatien, Teilen Bosniens und Teilen Tschechiens ist ein Blatt in Verwendung, das dieselben Farben wie das moderne Bayerische Blatt verwendet und mit Persönlichkeiten aus „Wilhelm Tell“ bebildert ist.

Unter, Ober und Daus (Ass) jeder Farbe zeigen jeweils eine bestimmte Person aus Friedrich Schillers Drama oder eine Jahreszeit (Daus). Diese sind unter anderem Herz-Ober als Hermann Gessler, Grün-Unter (Laub) Walter Fürst und Eichel-Ober Wilhelm Tell selbst. Das Eichel-Daus zeigt beispielsweise eine alte Frau, die Feuerholz trägt und den Winter darstellt.

Interessanterweise ist trotz der Bebilderung mit Persönlichkeiten aus der Schweizer Geschichte dieses Blatt in der Schweiz nahezu unbekannt.

Werte und Farben in allen Ecken gedruckt wurden. Damit wurde es gleichgültig, wie man die Spielkarte in der Hand hält – ihr Wert ist immer sofort und jederzeit sichtbar. Nur wenige Kartenspielblätter widersetzten sich dieser Entwicklung, zum Beispiel der Jass im alemannischen Raum.

Nachweisen lassen sich Spielkarten in Europa erst seit dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts. Ihren Ursprung haben die Spielkarten in Ostasien, wo die Herstellung von Karton früher als in Europa einsetzte. Die Symbole europäischer Spielkarten sind üblicherweise vier Farbzeichen, deren Namen und Gestaltung sich je nach Kulturraum unterscheiden.

FORMATE. Wir im „Westen“ sind handliche rechteckige Karten im Verhältnis von etwa 6x9 Zentimeter gewohnt. Traditionelle indische Spielkarten sind hingegen rund und ostasiatische/ chinesische Spielkarten haben als typische Form das lange Hochrechteck.

Farbzuordnungen im Vergleich

Deutsches Blatt Eichel Laub Herz Schellen

Französisches Blatt Kreuz Pik Herz Karo

Schweizer Blatt Eicheln Schilten Rosen Schellen

Hinweis Noch bis 27.11.2024 ist auf der Mediathek von Arte die Dokumentation „Ass im Ärmel – Faszination Kartenspiel“ abrufbar.

Szeneprominenz und ihre Prägung

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