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Sportphysio @ work

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SPORTFISI@ 2020

SPORTPHYSIO @ WORK mit Monique Blaser

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Text: Anita Zwahlen Bilder: Monique Blaser 35

Foto: keystone-sda

«DER ATHLET STEHT IMMER IM ZENTRUM», SO DIE 33-JÄHRIGE MONIQUE BLASER ÜBER IHRE SCHÜTZLINGE DES SKICROSS. DIE GEBÜRTIGE BERNERIN BEGLEITET DAS DAMEN- UND HERRENTEAM DES SCHWEIZER SKICROSS IN DER 5. SAISON AN DIE INTERNATIONALEN WELTCUPRENNEN. BEREITS ZWEIMAL DURFTE SIE BEI DEN WELTMEISTERSCHAFTEN DABEI SEIN UND 2018 BEGLEITETE SIE DIE ATHLETEN ZU DEN OLYMPISCHEN WINTERSPIELEN IN PYEONGCHANG.

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Monique hat zwei saisonale Anstellungen: Sie arbeitet jeweils von April bis Ende November im Swiss Olympic Medical Center des Leistungszentrums Magglingen und von Dezember bis Ende März für Swiss Ski für das Schweizer Skicross-Team.

v.l.n.r.: Björn Bruhin (wiss. Mitarbeiter Swiss Ski), Enrico Vetsch (Assistenztrainer), Monique Blaser, Mike Schmid (Assistenztrainer) Olympic Games 2018, PyeongChang

Monique ist für das Schweizer Damen- und Herrenteam verantwortlich. Nebst den ungefähr zehn bis vierzehn Athleten setzt sich das Schweizer Team aus einem Cheftrainer, zwei Assistenztrainer, vier Servicemännern und einer Sportphysiotherapeutin zusammen. Monique hält engen Kontakt mit den Sportärzten des Schweizer Teams, jedoch sind diese jeweils nicht vor Ort, sodass sie die erste Ansprechperson bei Unfällen vor Ort ist. Da die Sportart Skicross nicht ganz ungefährlich ist, wird von jedem Veranstalter ein Arzt und ein Sanitätsposten gestellt.

In die Vorbereitung der Saison ist die Sportphysiotherapeutin nicht direkt involviert. «Aufgrund des Wohnorts der Athleten ergibt es sich, dass diese in jeweiligen Kleingruppen individuell das Athletiktraining in ihrer Region absolvieren. Wenn jedoch eine Verletzung in der Saisonvorbereitung passiert, so werde ich sofort informiert. Ich pflege einen sehr guten Kontakt mit den jeweiligen Sportphysiotherapeuten der Region. Der Austausch ist für mich sehr wertvoll und schätze ich sehr», so Monique weiter.

Doch was sind denn die typischen Klassiker an Verletzungen, die sich ein Skicrosser an einem Rennen oder in der Saisonvorbereitung zuziehen kann? «Ich habe es immer wieder mit Hirnerschütterungen, Ruptur des vorderen Kreuzbandes, Knorpelschäden durch den Aufprall der Sprünge und Mensikusläsionen zu tun. Typisch kann es durch Einfädeln an einem Tor auch zu Syndesmose- oder Innenband-Verletzungen kommen. Zusätzlich ist das Risiko hoch, dass man sich bei einem Sturz das Schlüsselbein bricht oder sich die Schulter ausluxiert. Gerade beim Start versteht man die Wichtigkeit einer intakten Schulter: die Griffe am Start, an welchen sich die Athleten nach Startschuss explosiv nach vorne ziehen, sind höhenverstellbar. Diese werden meist sehr hoch eingestellt, sodass vom Athleten in der Startposition in einer Schulter-Hyperflexion eine maximale Schnellkraft abverlangt wird. – Da die Piste der Damen und Herren, teils sogar auch noch für die Snowboard-Crossfahrer ein- und dieselbe ist, stellen sich auch auf der Fahrt einige Schwierigkeiten auf: durch das grössere Körpergewicht fliegen zum Beispiel Männer bei derselben Schanze deutlich weiter, wobei die Damen dann eher flach aufprallen. Je nach Piste werden darum die Strukturen der Athleten unterschiedlich beansprucht. So kann es sein, dass ich – abhängig vom Kurs – einmal nur 4 Athleten behandeln muss oder dann alle 14 Athleten. Was mir dabei persönlich sehr wichtig ist, dass immer alle kommen dürfen und es niemandem nicht erlaubt ist, die Sportphysiotherapie in Anspruch zu nehmen.

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Erste Priorität hat immer, dass die Athleten so gut als möglich ihren Job verrichten können.»

Generell ist das Schweizer Team mit Monique Blaser ungefähr eine Woche vor Ort bei einem Weltcuprennen. Unterteilt werden in zwei Trainingstage, einen Qualifikationstag und einen Wettkampftag.

Bei den Trainingstagen geht die Sportphysiotherapeutin zusammen mit den Trainern am morgen früh mit zur Pisteninspektion. Hier schaut sie sich nach kritischen Punkten im Pistenverlauf um und kundet den Sanitätsposten aus. Nach der Pisteninspektion beginnt das sogenannte Testing, wofür hier einige Athleten aus allen Nationen ausgelost wurden. Diese testen die Pisten nach deren Funktionalität. Nach dem erfolgten Testing haben alle Athleten die Möglichkeit, die Piste zu inspizieren und danach Trainingsläufe einzeln oder in Gruppen von 2-4 Athleten zu absolvieren. Hier unterstützt die Sportphysiotherapeutin die Trainer, indem sie zusammen mit ihnen einen Abschnitt des Trainingslaufs filmt. Die Trainer nutzen dann dieses Videomaterial zur Analyse mit den einzelnen Athleten am Abend, während Monique ihrer Hauptfunktion als Sportphysiotherapeutin im Hotel nachgeht.

Am Qualifikationstag starten die Athleten einzeln gegen die Zeit, wobei bei den Männern die schnellsten 32 Fahrer und bei den Damen die schnellsten 16 Fahrerinnen für das Rennen zugelassen werden. Monique befindet sich zusammen mit einem Assistenztrainer immer am Start. Einerseits filmt sie wieder den oberen Teilabschnitt der Strecke, anderseits unterstützt sie die Athleten in deren eigenen Ritualen. «Jeder Athlet ist hierbei individuell. Der eine will sein Material immer selber zum Start tragen, der andere eben gerade nicht. Bei wieder jemand anderem hilft man die Skischuhe abklopfen, holt Wasser oder reicht ihm ein Biberli. Hier geht es nur noch darum, dass der Athlet fokussieren kann und sich nicht um anderes kümmern muss.»

v.l.n.r.: Sport-PT Team Austria, Masseurin Team Canada, Sport-PT Team Germany, Sport-PT Monique Blaser Team Switzerland — sunny Valley, Russia, 2020

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Am Renntag ist die Sportphysiotherapeutin erneut im Startbereich, wo die Athleten in einem 4er-Heat starten [Heat ist ein Laufdurchgang, wobei hier beim Skicross 4 Personen miteinander starten und es darum 4er-Heat genannt wird]. «Bei einem Sturz bin ich deutlich schneller beim Athleten, als wenn ich mich irgendwo im Verlauf der Strecke platziere und zuerst noch hochkraxeln muss.» Da vom Start her die komplette Piste nicht ersichtlich ist, sind die Trainer und Monique mittels eines Funks miteinander verbunden, sodass sie im Notfall nur an den Ort des Geschehens mit den Skiern runterfahren kann. «Passiert ein Unfall, so bin ich ab dann weg vom Geschehen und begleite den verunfallten Athleten. Dies kreiert sehr ungewohnte Situationen. Einerseits muss man die Emotionen des vielleicht ernsthaft verletzten Athleten abfangen, man kommuniziert mit dessen Eltern, die den Sturz am Fernsehen noch live mitansehen mussten, koordiniert mit den Ärzten in der Schweiz das weitere Vorgehen und unter Umständen einen Spezialrückflug in die Schweiz – und kommt dann gleichzeitig den Erfolg eines anderen SkicrossAthleten mit, der es auf das Podest geschafft hat.» Die Saison gestaltet sich stets in grosse Teilblöcke, in der in relativ kurzer Zeit viele Rennen und somit auch viele Reisen verbunden sind. In den vier Monaten, die Monique mit den Skicrossern verbringt, muss sie frei verfügbar sein. Dies erfordert auch viel Flexibilität in ihrem Privatleben. «Dies können jedoch mein Partner und ich gut managen. Nach Saisonende bin ich jeweils schon sehr müde, aber ich werde um das Vielfache durch ein sehr familiäres Team entschädigt. Ich trage zwar eine grosse Verantwortung, da ich die erste Anlaufstelle jeweils vor Ort bin, wenn es um medizinische Belange geht, jedoch geniesse ich den vollen Rückhalt durch den Staff, was ich sehr schätze.»

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Inspektion der Rennstrecke bei -28° in Idrefjäll, Sweden

Skicross Arosa 2019 39

Foto: Stephan Boegli

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