4 minute read
Im Gespräch
from Sportfisi@ 2020
by Sportfisio
42 SPORTFISI@ 2020
IM GESPRÄCH MIT ANDRI RAGETTLI
Advertisement
Interview: Anita Zwahlen Fotos: Andri Ragettli
NUR GERADE ZWEI TAGE NACH SEINEM 15. GEBURTSTAG FEIERTE ANDRI RAGETTLI SEIN WELTCUP-DEBUT. INZWISCHEN IST ER EINER DER ERFOLGREICHSTEN FREESKIER WELTWEIT. WÄHREND ER DIE KONKURRENZ AB UND AN ZITTERN LÄSST, SORGT ER AUF SOCIAL MEDIA EHER FÜR STAUNEN. MIT SPEKTAKULÄREN PARCOURS, WELCHE MINITRAMPS, BÄLLE, BOSUS, ROLLEN UND ANDERE LABILE GERÄTE ODER SPRÜNGE AUF BARREN ENTHALTEN, SOWIE MIT WAGHALSIGEN VELO-SPRÜNGEN VON HÄUSERN ODER BRÜCKEN INS WASSER WURDE EINE BREITE ÖFFENTLICHKEIT AUF DEN 22-JÄHRIGEN AUFMERKSAM. SPORTFISI@ HAT DEN ERFOLGREICHEN SCHWEIZER FREESKIER ZUM INTERVIEW GETROFFEN.
SPORTFISI@ 2020 43
SPORTFISI@: Andri Ragettli, vielen Dank erst einmal, dass du dir die Zeit nimmst, uns ein Interview zu geben. Viele, die dich noch nicht kannten, wurden durch deine spektakulären Videos auf dich aufmerksam. Schaut man als Sportphysiotherapeut diese Videos, ist man einerseits fasziniert, andererseits holt man in Gedanken schon mal den Verbandskasten. Hast du dich bei deinen Stunts noch nie ernsthaft verletzt?
Andri Ragettli: Kleinere Zerrungen gehören wohl schon dazu, aber eigentlich ist es wie im normalen Leben, wo die meisten Unfälle im Haushalt passieren. Meine schlimmsten Verletzungen holte ich mir beim Skaten, also in der Freizeit und unabhängig von meinen sportlichen Aktivitäten.
Du bist in Laax aufgewachsen – also quasi mit den Skiern an den Füssen geboren. Was hat dich ausgerechnet zum Freeski gebracht? Ski Alpin wäre doch naheliegender gewesen.
Ich habe auch tatsächlich mit Ski Alpin angefangen. Als ich dann etwa sechs Jahre alt war, habe ich von einem Bekannten Freeski geschenkt bekommen. Vorne und hinten hochgebogen, ideal für Sprünge und Tricks. Ich war sofort fasziniert und nachdem ich beides, also Alpin und Freestyle, eine Zeit lang parallel gemacht hatte, habe ich mich dann für Freeski entschieden.
Mit 15 Jahren hattest du dein Weltcup-Debut. Da stellen sich mir als Sportphysiotherapeutin gleich einmal zwei Fragen: Wie trainiert ein 15-Jähriger auf internationalem Niveau? Und wie viele Trainingsstunden pro Woche hattest du?
Seit meinem 12. Lebensjahr war ich auf Sportschulen. Zuerst bei uns in der Gegend auf der Talentschule Ilanz und nach einem Jahr dann in im Sportgymnasium Engelberg. Ich gehörte schon sehr früh zum erweiterten Kader von Swiss Freeski und hatte somit stets eine professionelle Betreuung. Der Zeitaufwand lag etwa zwischen 15 und 20 Stunden pro Woche, wobei das Training aber sehr vielfältig und polysportiv aufgebaut war.
44 SPORTFISI@ 2020
Im Frühling 2017 hast du als erster den Quad-Cork 1800 gestanden – 4 Rückwärtssalti und 5 Drehungen um die eigene Achse in einem Sprung – und somit einen Weltrekord erzielt. Wie muss ich mir den Aufbau vorstellen, bis du die Rückwärtssalti und Drehungen stehen konntest?
Ich taste mich an jeden neuen Trick heran. Teile davon übe ich zuerst auf dem Trampolin oder der Matte. Heutzutage auch auf dem Air Bag. Bevor ich den Sprung als Ganzes zum ersten Mal auf Schnee mache, vergeht in der Regel schon eine Weile. Wenn ich dann den Moment als richtig erachte, ist es am Wichtigsten, dass ich mir alles genau vorstellen kann und auch fest davon überzeugt bin, dass ich es schaffe. Diese mentale Fokussierung macht es dann erst möglich.
Eine Sportart wie Freeski schreit regelrecht nach Verletzungen. Welche gravierenden Verletzungen haben dich zurückgeworfen?
Ich habe mir das Schlüsselbein gebrochen, habe aber ansonsten neben einigen Gehirnerschütterungen und überdehnten Bändern wenige Verletzungen gehabt. Dies hat sicher auch mit meiner konsequenten Routine zu tun, jeweils zwischen 30 und 60 Minuten nach den Trainings zu dehnen.
Gehört der Besuch bei einem Sportphysiotherapeuten für dich zur wöchentlichen Trainingsroutine oder benötigst du ihn nur, wenn gerade “Not am Mann” ist.
Wir haben ständig eine Physio vor Ort an den Wettkämpfen oder im Training. Ich gehe meistens nur zur Physio, wenn ich irgendwo Schmerzen habe.
Auf welche regenerativen Massnahmen schwörst du nach intensiven Trainingseinheiten oder nach einem Wettkampf?
Ich dehne jeden Tag 30 Minuten. Ich bin mir sicher, es hilft extrem bei der Regeneration und es beugt Verletzungen vor. Ausserdem steige ich auch sehr gerne ins Eisbad. Es hilft mir nach einem harten Training, die Muskeln zu entspannen. Ist mentales Training für dich ein Thema zur Wettkampfvorbereitung?
Im Wettkampf wird sehr viel über die mentale Stärke gespielt. Es macht einen Unterschied, worauf man sich konzentriert, worauf man den Fokus richtet. Wir erhalten von Swiss Ski immer wieder Angebote für mentale Trainings und auch privat habe ich bereits Sitzungen bei Coaches besucht. Ich bin in einem engen Austausch mit meinem Umfeld, was die optimale Vorbereitung und Schärfung der Achtsamkeit betrifft.
Wie ist dein Training aktuell strukturiert?
Momentan bin ich am Skifahren auf dem Gletscher in Saas Fee. Nach dem Skifahren mache ich ein kurzes Rumpftraining und natürlich dehne ich. Ich versuche aber immer, einmal pro Woche ein Krafttraining für die Beine zu absolvieren.
Und zu guter Letzt: Was sind deine nächsten sportlichen Ziele?
Ich möchte weiterhin hart arbeiten – auf und neben dem Schnee –, um jeden Tag ein wenig besser zu werden. Mache ich das korrekt, wird alles andere folgen. Natürlich ist mein Radar auch auf eine WM- und eine olympische Medaille ausgerichtet!
tiktok.com/@andriragettli instagram.com/andriragettli/ youtube.com/channel/UCvYOwzvHR_f3Sl4oKWkVy9w facebook.com/AndriRagettli/