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Strenge Regeln gegen „grüne“ Mogelpackungen

Vielen konsuMentinnen und konsuMenten ist die WichtiGkeit eines nAchhAltiGen konsuMs beWusst und sie sind GrundsÄtZlich bereit, einen beitrAG Zu leisten. AllerdinGs ist der konsuMAlltAG einerseits Von entscheidunGen ohne VollstÄndiGe inForMAtion und unGeWisseM AusGAnG GePrÄGt, Andererseits sPielen hAndlunGsentlAstende routinen eine Grosse rolle.

GAbriele ZGubic

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Für den Einzelnen ist nachhaltiger Konsum häufig zeit- und ressourcenaufwändig und ist auch nicht allen Menschen in gleichem Ausmaß möglich. Deswegen muss die Debatte um nachhaltigen Konsum auf einem realistischen Verbraucherbild basieren. Neben Transparenz und Information braucht es auch Regulierung, insbesondere in Bezug auf Greenwashing (oder Grünfärberei). Allgemein werden darunter irreführende Aussagen zum ökologischen Nutzen eines Produkts, Dienstleistung oder Organisation verstanden, um ein Unternehmen umweltfreundlicher darzustellen, als es eigentlich ist.

Nachhaltige Konsumpraktiken beim Lebensmitteleinkauf

Eine AK-Studie beschäftigt sich mit Konsumpraktiken österreichischer Haushalte hinsichtlich Nachhaltigkeit, Hürden, Ärgernisse sowie Einstellungen zu politischen Maßnahmen. Während der Preis weiterhin eine zentrale Rolle beim Einkauf darstellt, informieren sich 57 % der Befragten über die Inhaltsstoffe und 40 % über die Nachhaltigkeit/Ökobilanz von Produkten. Zu Gütezeichen informieren sich 23 %. Fast zwei von drei Befragten kaufen regionale Lebensmittel ein, fast jeder Zweite greift zu Bio- oder Fairtrade-Produkten. Ärgernisse bilden u. a. irreführende Herkunftsangaben mit 52 %, Werbung mit falschen Behauptungen mit 46 %, schwer lesbare bzw. unverständliche Produktinformation mit 42% und Werbung mit Selbstverständlichkeiten mit 20 %. Ca. 75 % der Befragten stehen einer Verpflichtung der Hersteller zur Erstellung einer Ökobilanz sowie einem größeren Angebot bei Bio-Produkten positiv gegenüber. Eine generelle Produktausweitung wünschen sich nur 15 %. Die Studie zeigt, dass Konsumentinnen und Konsumenten auf Nachhaltigkeit setzen, aber oft mit Hürden konfrontiert sind. Sie wollen u. a. mehr Klarheit bei der Kennzeichnung von nachhaltigen Lebensmitteln und weniger Greenwashing. Umweltbezogene Angaben auf Produkten, insbesondere Gütesiegel, sind für Konsumentinnen und Konsumenten eine wichtige Information für eine umweltbewusste Kaufentscheidung. Umso wichtiger ist es, dass diese Angaben auch richtig sind und keine Irreführung darstellen.

Beispiel von lebensmittelklarheit.de2

vom April 2021: „Auf der Verpackung und im Angebotsprospekt wirbt der Anbieter mit Aussagen, die besondere Anforderungen an die Tierhaltung, Tiergesundheit und an den Tierschutz erwarten lassen. Um welche Anforderungen es sich handelt und durch welche Maßnahmen diese erfüllt werden, erfahren Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch nicht“, so die Bewertung. Dieses Beispiel zeigt zudem, dass nicht nur in Österreich Regionalität gerne mit Qualität verknüpft wird (siehe Abbildung).

© netto-online.de

Europäische Kommission sagt Greenwashing den Kampf an

Unter Greenwashing werden irreführende Aussagen zum ökologischen Nutzen eines Produkts, Dienstleistung oder Organisation verstanden, um ein Unternehmen umweltfreundlicher darzustellen, als es eigentlich ist. Behauptungen zum „Umweltschutz“ sind nicht verboten, solange sie nicht unlauter sind. Zentrale Grundlage bildet die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG (UGPRL) sowie die Leitlinie zur Auslegung der UGPRL vom 29.12.20213 . 2020 haben die Kommission und die nationalen Verbraucherschutzbehörden Websites („Sweep“) auf nachhaltigkeitsbezogene

Abbildung: Was denken sie über Gütezeichen auf lebensmitteln?

Angaben durchforstet, der weitverbreitetes Greenwashing und in Folge rechtlichen Handlungsbedarf aufgezeigt hat4 . Am 30.März 2022 legte die Kommission einen Vorschlag vor5, in dem u. a. die UGPRL in Bezug auf Greenwashing verschärft werden soll. Beispielsweise ist vorgesehen: • Umweltaussagen müssen klar, objektiv, überprüfbar und durch ein unabhängiges

Überwachungssystem gestützt werden. • Werbung mit Vorteilen, die am Markt gängige Praxis sind, ist verboten. • Werben mit dem gesetzlichen Standard als Besonderheit ist verboten. • Nachhaltigkeitssiegel müssen auf einem

Zertifizierungssystem – Mindestanforderungen hinsichtlich Transparenz und

Glaubwürdigkeit – beruhen oder von staatlichen Stellen festgesetzt sein. • Allgemeine Aussagen wie „umweltfreundlich“, „umweltschonend“, „öko“, „grün“, „klimaneutral“ und weiter gefasste Angaben wie „verantwortungsbewusst“ sind verboten.

Diese Vorschläge sind sehr zu begrüßen und werden (hoffentlich) die Rechtsdurchsetzung erleichtern; erfahrungsgemäß dauern Unterlassungsklagen, die die Arbeiterkammer führen kann, lange und sind Einzelfallentscheidungen, die für andere Fälle nicht bindend sind. Daher braucht es weiterführende Regelungen. Überlegenswert ist die Regulierung von Green Claims auf EU-Ebene: Wie bei der Health-Claims-Datenbank der EU kann auch eine zentrale Datenbank für Green Claims eingerichtet werden bzw. eine Vorab-Prüfung nach dem Modell der Überprüfung von gesundheitsbezogenen Angaben durch die EFSA.

Gütesiegeldschungel lichten

Gütezeichen sollen Orientierung geben, entsprechen aber in der Praxis nicht immer den Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten. Für 50 % der Befragten sind Gütezeichen eine wichtige Orientierungshilfe, gleichzeitig sind 75 % der Meinung, dass es zu viele Gütesiegel gibt und 46 % befinden die Kriterien als zu schwach. Der derzeitige Gütezeichendschungel bietet keine Hilfe für gute Kaufentscheidungen – im Gegenteil. Konsumentinnen und Konsumenten bleiben ratlos zurück. In einer AK-Broschüre6 sind ca. 80 Marken- und Gütezeichen aufgelistet und erklärt. Oft geht die tatsächliche Qualität der Lebensmittel nicht oder wenig über den gesetzlichen Mindest-

standard hinaus. Dies zeigt auch der von der Wiener Tierschutzombudsstelle veröffentlichte Einkaufsführer7 vom Jänner 2022 auf: Gütesiegel und Qualitätspickerl versprechen beim Geflügelkauf oft mehr als sie halten.

Es braucht ein Gütezeichengesetz, das

• grundsätzliche Anforderungen an Gütezeichen für Lebensmittel festlegt und vorgibt, dass die jeweiligen Kriterien klar über den gesetzlichen Mindeststandards liegen müssen, • ein transparentes Verfahren der Anerkennung von Gütezeichen etabliert, • unabhängige regelmäßige Kontrollen für anerkannte staatliche Gütezeichen festlegt, • Transparenz hinsichtlich Kriterien,

Vergabe und Kontrollen gewährleistet.

Auch bei behördlich anerkannten Gütezeichen wie dem AMA-Gütesiegel muss die Frage erlaubt sein, ob es der Verbrauchererwartung tatsächlich entspricht, wenn es Schweinehaltung auf Vollspaltenböden erlaubt. Herkunft bzw. Regionalität alleine ist noch kein Qualitätsmerkmal. Dies wäre erst dann gegeben, wenn etwa die Tierhaltungsbedingungen gekennzeichnet sind. Es braucht viele Maßnahmen, um Konsumentinnen und Konsumenten beim nachhaltigen Konsum zu unterstützen. Strengere Regeln zu Greenwashing und Gütesiegeln sind ein Puzzlestein im Rahmen des Green Deal, der Farm to Fork-Strategie, der Circular Economy-Strategie, des EU-Lieferkettengesetzes u. v. m. Die EU legt hierzu ein beachtliches Tempo vor.

Mag. Gabriele Zgubic Abteilungsleiterin Konsumentenpolitik Arbeiterkammer Wien

Literatur

[1] Johanna Bürger, Gerhard Paulinger,

Nachhaltiger Konsum – Potenziale und

Hürden österreichischer Haushalte,

Wien 2022 Studie_Nachhaltiger_Konsum_2022.pdf (Abruf 3.4.2022) [2] Jungschweinrücken, Angebot im Netto

Online-Prospekt | Lebensmittelklarheit (Abruf 5.4.2022) [3] Bekanntmachung der Kommission –

Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG des

Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (Text von Bedeutung für den EWR) – Publications

Office of the EU (europa.eu) (Abruf 3.4.2022) [4] Sweep on misleading sustainability claims – Screening of websites (europa. eu) (Abruf 3.4.2022) [5] Vorschlag für eine RL zur Änderung der

RL 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Information 1_1_186774_ prop_em_co_de.pdf (europa.eu) (Abruf 3.4.2022) [6] AK Wien, Marken- und Gütezeichen – ein Leitfaden durch den Zeichendschungel bei Lebensmitteln, 2020 [7] TOW_Gefl ü gelfleisch_Tabelle_

A6_105x148.indd (tieranwalt.at) (Abruf 4.4.2022)

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