11. Ausgabe
Magazin der United Supporters Luzern
6. Dezember 2009
Rote Karte für den Kunstrasen Der Duft nach frischem Rasen beim Betreten des Stadions, die dreckigen Trikots nach einem Regenspiel, die Furchen auf dem Platz nach einem Tackling – das alles gehört für uns genau so zum Fussball wie das runde Leder und die 22 Spieler. Fussball bedeutet Leidenschaft, Atmosphäre und Emotionen. Und nicht eine Plastikunterlage die sich in fünfzehn Jahren einmal amortisieren soll. Ein Pass kann auf Naturrasen in einer Pfütze hängenbleiben und ein Fünf-
meterraum auch einmal wie ein Kartoffelacker aussehen. Aber sind es nicht gerade diese Bilder, die ein letztes Stück Authentizität im kommerzialisierten Profifussball bieten? Kampf für Naturrasen Deswegen kämpfen die United Supporters auch für Naturrasen im neuen Luzerner Stadion. Mit der Abstimmungsaktion beim Heimspiel gegen Basel konnten wir ein klares Zeichen gegen
den Kunstrasen setzen, wenn auch leider nur in der Zone 2 und nicht wie geplant im ganzen Stadion. Wir danken allen Luzerner Fans für ihre Unterstützung. Beim Referendum gegen Polizeiwillkür hat die Luzerner Fanszene in diesem Jahr bewiesen, dass wir zusammen etwas erreichen können. Gemeinsam sind wir stark und können unseren Anliegen eine Stimme verleihen. Wir sind die Kurve – wir sind Luzern.
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Impressum
Stimmung auf den Rängen
Bilder von der ersten Saisonhälfte
Herausgeber Das vorliegende Magazin ist eine Publikation der United Supporters Luzern, 6000 Luzern. Online: www.us-luzern.ch Bildnachweis Bilder werden mit freundlicher Genehmigung von footballislife.ch.vu, amade.ch und fcl.fan-fotos.ch abgedruckt. Druck Auchli Druck Romantica 6106 Werthenstein Tel: 041 490 20 83 Fax: 041 490 22 83 auchli-druck@bluemail.ch
«Die Hierarchie ist wieder hergestellt!» Aarau unten, wir oben.
Kontakt Wir freuen uns über jedes Feedback! Mit einem E-Mail an unsere Adresse stelzbock@us-luzern.ch oder in unserem Fanlokal «Zone 5» am Bundesplatz kannst du mit uns Kontakt aufnehmen. Spenden Das Magazin wird in ehrenamtlicher Arbeit produziert und kostenlos verteilt. Beiträge zur Deckung unserer Aufwendungen sind jederzeit herzlich willkommen. Spenden nehmen wir gerne per Überweisung mit Stichwort «Stelzbock« an United Supporters 6000 Luzern, Raiffeisenbank Region Stans, Kontonummer 94453.59, Clearing 81223, Postkonto 60-7178-4, IBAN CH61 8122 3000 0094 4535 9 entgegen.
«Luzern City»: Für unsere Stadt in der Ostschweiz unterwegs.
Heimspiel gegen St. Gallen: Das Gersag in blau-weisser Hand.
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Inhaltsverzeichnis
Editorial
Zwei Jahre Fanarbeit Vor mehr als zwei Jahren nahmen Christian Wandeler und Stefan Parpan ihre Arbeit beim FCL auf. Höchste Zeit eine Bilanz zu ziehen und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Auf Seite 4 geht es los.
Liebe FCL-Fans, Ho, ho, ho – pünktlich mit dem Samichlaus wollen auch wir euch nochmals beschenken. Und zwar mit dem letzten Stelzbock in diesem Jahr. Sicherheitsrisiko Sitzplätze? Viel wurde geschrieben und in den Medien berichtet, Stehplätze seien ein Sicherheitsrisiko. Wir haben mit jemandem gesprochen, der ganz anderer Meinung ist. Das Gespräch mit Ueli Mäder auf den Seiten 10 und 11.
Stelzbock-Awards In unserer Rubrik ehren wir Leute, die sich rund um den FC Luzern mit ihrem Handeln einen Namen gemacht haben. Wer in diesem Jahr einen der beliebten Stelzböcke erhält, steht auf den Seiten 14 bis 16. Zone 5 Jubiläum Im November bekamen die Betreiber der Zone 5 die erste Geburtstagstorte überreicht. Es wurde viel getrunken, viel geliirt und noch viel mehr gefeiert. Ein kurzer Rückblick gibts auf Seite 17. Weitere Themen: Oldschool mit Maré: René van Ecks erstes Spiel Stadion Allmend: Ein Buch erinnert an die schöne Zeit Ausgesperrt: Eine fast ganz normale Auswärtsfahrt Im Block: SU TOWN stellt sich vor Groundhopping: Zu Gast beim Superclasico
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Wir können auf ein ereignisreiches Fussballjahr zurückschauen. Den legendären Cuphalbfinal gegen Sion, den Allmend-Abschied, das erste halbe Jahr im Exil in Emmenbrücke. Und auch auf den Rängen und in der Zone 5 war immer etwas los. Im Namen der USL möchte ich mich bei allen Luzerner Fans für eure Unterstützung in einem tollen Fussballjahr 2009 bedanken. Besonders mit der Anti-Kunstrasen-Aktion gegen Basel, die leider nur in der Zone 2 durchgeführt werden durfte, konnten wir nochmals ein eindrückliches Zeichen setzen und unsere Meinung kund tun. In der heutigen Ausgabe erwartet euch zudem eine neue Rubrik. In Zukunft werden Luzerner Groundhopper von ihren Reisen rund um den Globus berichten und für einen erweiterten Blick auf die Geschehnisse rund um die schönste Nebensache der Welt sorgen. Jetzt heisst es nochmals zwei Spiele Vollgas geben für unsere Farben und dann dürfen auch wir Fans uns in die wohlverdiente Winterpause verabschieden. Nun wünsche ich euch viel Spass mit dem letzten Stelzbock dieses Jahres. René Schwarzentruber Präsident USL
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Zwei Jahre Fanarbeit
Zwischen Büro und Gästeblock Seit nun schon mehr als zwei Jahren begleitet die Fanarbeit Luzern die Luzerner Fanszene. Höchste Zeit also, dass die beiden Fanarbeiter Stefan Parpan und Christian Wandeler und die Fans ein erstes Mal zurückblicken. Sommer 2007: Unser Fussballclub Luzern hat gerade die erste Saison nach dem Wiederaufstieg in die Nationalliga A hinter sich gebracht und mit dem achten Platz abgeschlossen. Derweil sich die Mannschaft auf die neue Saison vorbereitet, befindet sich im Umfeld ein neues Projekt in den Startlöchern: die Fanarbeit Luzern. Die brenzligen Situationen am Luzerner Bahnhof im Anschluss an Heimspiele hatten sich in der vorangehenden Saison gehäuft, und auch von Randaleakten in Bussen vernahm man in den Medien mehr als auch schon. Dies veranlasste Verein, Stadt und Kanton, per August 2007 gemeinsam die Fanarbeit ins Leben zu rufen. Schon ein paar wenige Tage nach dem Startschuss wurde in einem Interview für den Stelzbock (Ausgabe Nummer 5) den beiden Fanarbeitern auf den Zahn gefühlt und ihre Kenntnisse rund um den Luzerner Fussball schonungslos aufgedeckt. Der ein oder andere mag wohl nicht schlecht gestaunt haben, als Christian Wandeler vom 400-köpfigen ultraorientierten Kern der Fanszene gesprochen hatte. Doch auch heute mag
er keine komplett andere Zahl nennen - «denn wer definiert, was Ultras, Ultraorientierte, oder ‹normale› Fans sind und wo die Grenzen dazwischen verlaufen?», sagt Wandeler. So oder so hat sich in der Zwischenzeit einiges rund um die Luzerner Fanszene getan. Gelungener Einstand In den ersten Monaten ging es vor allem darum, die Anlaufzeit schnell über die Runden zu bringen und das Vertrauen der Fans zu gewinnen. Mit einer gewissen Skepsis ihnen gegenüber hatten sie gerechnet, doch
ein gutes Verhältnis zu den Fans ist schon bald einmal entstanden: «Ich hätte nicht erwartet, dass es gleich so schnell gehen würde», so Christian Wandeler. Einige hätten bereits früh den Kontakt zu ihnen gesucht, bei anderen Leuten und Gruppierungen habe es ein bisschen länger gedauert, aber alles in allem sei der Einstand gut gelungen. Auch René Schwarzentruber sieht das ähnlich: «Klar war anfänglich eine Skepsis vorhanden, aber diese habe ich relativ rasch überwunden. Als USL-Präsident bin ich mit den Fanarbeitern schnell in Kontakt
gekommen und habe sie schätzen gelernt». Dies nicht zuletzt auch dank eines Vorfalls, bei dem die Fanarbeit den Capo unterstützte: «Bei einem Auswärtsmatch in Basel musste der Capo vor dem Spiel das Megaphon abgeben, doch die Fanarbeiter schritten als Vermittler ein, so dass er schlussendlich im Stadion mithilfe des Megaphons die Kurve dirigieren konnte.» Geht es nach Wandeler, sind es zwei Punkte, die die breite Akzeptanz der Fanarbeit innerhalb der Fanszene massgeblich förderten. Zum einen ist das die Zone 5, das von allen lange ersehnte, eigene Fanlokal am Bundesplatz, das gemeinsam mit aktiven Fans, dem Verein und der Stadt auf die Beine gestellt werden konnte. «Als schwierigste Aufgabe erwies es sich, den Trägerverein um Jörg Häfeli von der Wichtigkeit eines Luzerner Fanlokals zu überzeugen.» Zudem musste der zentrale Standort den Sicherheitsbedenken der Polizei und der Stadt standhalten. Aber es sei sicher zu einem grossen Teil auch der Verdienst der Barbetreiber, dass die Zone 5 so zügig realisiert und anfangs November 2008 eröffnet werden konnte. Verteidigung der Fans Zum anderen sind es die Geschehnisse, die sich während und in den Tagen nach dem Auswärtsmatch bei den Young Boys abspielten. Nur gut eine Woche nach der Eröffnung der Zone 5 kam eine weitere grosse Aufgabe auf die Fanszene und im Besonderen auf die Fan-
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arbeiter zu. Gegen Ende der ersten Halbzeit stürmten die Protectas, die privaten Sicherheitskräfte des Berner Stadionbetreibers Stade de Suisse, den Gästeblock und versuchten in Vollmontur und mit Knüppeln das aufgehängte Banner gegen Polizeiwillkür zu entwenden. Dass die Aktion gründlich misslang, wurde zur Nebensache. Es gab mehrere Fans, die dermassen attackiert wurden, dass sie wegen ihrer Verletzungen mehrere Tage arbeitsunfähig waren. Die Geschichte wurde darauf in den Medien breitgetreten, bis schlussendlich von verschiedenen Seiten das völlig deplatzierte und absolut unverhältnismässige Vorgehen der Protectas arg kritisiert wurde. Die Fanarbeit nahm mittels Medienmitteilung als erste Partei öffentlich Stellung zu den Vorfällen und vertrat daraufhin die Fans in einer Art Anwaltsrolle gegenüber den Medien und dem Stade de Suisse. In Zusammenarbeit mit den USL und den betroffenen Fans setzten sie sich erfolgreich dafür ein, die fehlbaren Berner Parteien zu einem Eingeständnis zu bringen und sich bei den geschädigten Fans offiziell zu entschuldigen. Ein weiteres Ziel der Fanarbeit war, sich als unabhängige Par-
tei in Diskussionen rund um Fanangelegenheiten zu etablieren. Dieser Status ist bereits erreicht worden, «wir sind grundsätzlich unabhängig. Es kommt aber vor, dass die Politik, der Verein und vor allem die Fans versuchen, uns für ihre Anliegen zu gewinnen», sagt Wandeler. Erfreulich sei auch, dass ihre Meinung schnell bei allen Beteiligten Gewicht erhalten habe und auch oft eingeholt werde. Trugen sie zu Beginn ihre Anliegen noch zögerlich zum Verein, könnten sie in der heutigen Position Forderungen offen darlegen und darüber verhandeln. Wandeler: «Zum Verein haben wir vor allem dank Mike Hauser (Sicherheitsverantwortlicher im Vorstand des FCL, Anm. d. Red.) einen guten Draht. Davon profitieren auch die Fans, denn ohne Mike Hauser wäre beispielsweise das Fanlokal sicher nicht so schnell zustande gekommen.» Seit gut einem Jahr kümmert sich die Fanarbeit im Rahmen von «Ragazzi Lucerna» speziell um jugendliche Fans, die in der Fanszene aktiv tätig sein wollen. Jeweils am Mittwochnachmittag bietet sie den Jungen die Möglichkeit, im Fanlokal Fanutensilien zu basteln, sich auf andere Arten mit dem Thema Fussball zu beschäftigen oder gar mit Gleichgesinnten eine Gruppierung zu gründen. Dank dieser Unterstützung sind zum Beispiel die Addicts Blue-White (ABW) vor gut einem Jahr entstanden, die heute bereits zum aktiven Teil der Kurve zählen. «Wir sind froh darüber, dass es die Fanarbeit gibt», erzählen zwei Mitglieder der ABW. «Sie halfen uns beim Beschaffen des Materials für den Support im
5 Stadion und stellten uns für die Gestaltung die Räumlichkeiten zur Verfügung. Zudem konnten wir zu günstigen Preisen an den Auswärtsfahrten dabei sein.» Und erst kürzlich wäre drei Mitgliedern der ABW wegen eines Missverständnisses fast ein Stadionverbot aufgebrummt worden. Dank intensiver Bemühungen der Fanarbeiter und der objektiven Einschätzung durch den Verein konnte dieses aber glücklicherweise aus der Welt geschafft werden. Dazu die Addicts: «Wir haben bereits ein Transparent mit der Aufschrift Danke Fanarbeit! gemalt.»
Die Einführung der Fanarbeit Luzern war seitens der öffentlichen Instanzen sicher auch mit der Erwartung verbunden, dass sich langfristig das Gewaltpotenzial der Fans verringert. «Wir wollen und können den Fans, weder den jungen noch den älteren, nicht vorschreiben, was sie tun sollen und was nicht. Aber wir können ihnen aufzeigen, welches Verhalten welche Konsequenzen nach sich zieht. Es ist also schon so, dass den Jugendlichen etwas auf den Weg mitgegeben werden kann. Wir versuchen vor allem, ihre Energien auf eine aktiv-kreative Ebene umzuleiten», sagt Stefan Parpan. Im ersten Interview sprach er davon, dass
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Zwei Jahre Fanarbeit
Stefan Parpan (links) und Christian Wandeler werfen sich für spezielle Anlässe auch mal in Schale. Gewaltvorkommnisse unter Fussballfans als ein messbares Ziel ihrer Arbeit herhalten können. «Wenn man gerade die aktuelle Vorrunde anschaut, hat sich die Situation dank den Extrazügen der SBB und vor allem den FCL-Fans selber sehr verbessert.» Pyro als Gratwanderung Neben Gewalt ist auch Pyro ein alltägliches Thema für die Fanarbeiter. «Das ist für uns die grösste Gratwanderung zwischen Fans und ihrem Vertrauen einerseits und der Öffentlichkeit und dem Gesetz andererseits. Momentan ist die Diskussion festgefahren, und nach einem
konstruktiveren Dialog sieht es nicht aus. Ein grosses Problem dabei ist, dass sich die Positionen beidseitig radikalisieren», sagt Christian Wandeler. Und wenn es am Wochenende im Stadion wieder mal gebrannt hat, bekämen sie in der Woche danach gelegentlich zu hören, dass sie wieder versagt hätten. Die Fanarbeit nimmt sich seit Beginn der Thematik Stadionverbot an. Das damals durch USL-Vertreter bereits aufgegleiste Projekt «Gelbe Karte» gibt Fans mit ungerechtfertigten und fraglichen Stadionverboten die Möglichkeit, per Abmachung mit Fanarbeit und Verein die Heimspiele im Stadion zu schauen. Dazu Wandeler: «Ob-
wohl dieses Projekt gut läuft, wünschen wir uns vom Verein eine grössere Offenheit, was die Auswahl der aufnehmbaren Fälle betrifft. Auf der anderen Seite gibt es auch Fans, die die Toleranz schon überstrapaziert haben. Wir mussten klarstellen, dass wir auch nicht einfach nur die sind, die dafür schauen, dass sie unter allen Umständen im Stadion sein können.» Vertrauen ist vorhanden Auf Seite der Stadionverbötler wird dieses Projekt ebenfalls geschätzt. «Ich bin froh, dass ich trotz dem ungerechtfertigen Stadionverbot wenigstens zuhause mit dabei sein kann»,
Zwei Jahre Fanarbeit meint ein Ausgesperrter. «Und bei den Auswärtsspielen im Cup, die nicht im Fernsehen übertragen wurden, ermöglichten uns die Fanarbeiter in Absprache mit der örtlichen Polizei und den Sicherheitskräften, dass wir das Spiel als Zaungäste mitverfolgen konnten.» Ein anderer Unerwünschter erzählt, dass die Fanarbeit in seinem Fall nichts gegen sein Stadionverbot hat unternehmen können. Das beeinträchtigt sein Verhältnis zu den beiden Fanarbeitern aber nicht: «Sie sind Vertrauenspersonen geworden, mit denen ich über vieles offen sprechen kann. Und sie haben mir in Aussicht gestellt, dass ich nach Ablauf des ersten SVJahres ins Gelbe-Karte-Projekt einsteigen kann.» Liest man heute das Interview von damals noch einmal durch, stolpert man unweigerlich über die Frage, ob denn ein Stadionverbot für einen Bierbecherwurf eine verhältnismässige Strafe
darstellt. Parpan und Wandeler waren sich damals einig, dass man damit sicher grob über das Ziel hinausschiessen würde. Wir erinnern uns an den 26. Juli 2009: Beim Heimspiel gegen GC ging der Zürcher Enzo Ruiz zu Boden, schwer
getroffen von einem halbvollen Bierbecher aus den Zuschauerreihen. Gleich nach dem Spiel wurde der Becherschütze gebüsst und mit einem zweijährigen Stadionverbot belegt. «Vor ein paar Jahren wäre der Werfer sicher nicht gleich so drastisch sanktioniert worden, obwohl man sagen muss, dass der Spieler tatsächlich getroffen worden ist.» Wandeler sieht darin ein Resultat aus dem stark gewachsenen Druck der Öffentlichkeit und der voreingenommenen Berichterstattung der Medien. «Die Allmend war früher die Becherwurfstätte Nummer 1, trotzdem hat man von Stadionverboten für Becherwürfe nie etwas gehört.» Arbeit wird nicht ausgehen Der erst gerade von neuem entfachte Wirbel um die Erstellung von neuen Massnahmenpaketen zwecks Verbesserung der Sicherheit rund um Sportanlässe ist auch ein Verdienst der Medien. «Das Schüren von Angst und das undifferenzierte Informieren der Öffentlichkeit zeigt sich zum Beispiel wunderbar daran, dass immer wieder von ‹Gewalt im Stadion› berichtet wird. Dabei haben wir im Stadion nur wenig Gewalt! Wenn, dann spielt sie sich davor oder abseits ab», sagt Wandeler. Da seien die Fanarbeiter aller Vereine zukünftig immer mehr gefordert, wenn es ums Aushandeln und Durchsetzen solcher Massnahmenpakete und die gleichzeitige Wahrung der Faninteressen gehe. Und auch sonst werde ihnen die Arbeit in Zukunft nicht ausgehen, denn in allen Bereichen «kann man immer noch mehr machen», so Parpan. Er spricht das neue
7 Stadion an: «Es wird sicher eine gewisse Zeit brauchen, bis sich alle Parteien im neuen Stadion eingelebt und zurechtgefunden haben.»
Angesprochen auf allfällige Fehler, die in den ersten zwei Jahren Fanarbeit passiert sein könnten, fällt weder den Fans noch den Fanarbeitern selbst etwas ein. Im Gegenteil: «Die Fanarbeit nimmt als Bindeglied zwischen uns und dem Verein eine wichtige Rolle ein - das ist uns mehrere Male zu Gute gekommen», sagt René Schwarzentruber. «Sei es das Ermöglichen vom Stelzbock-Verteilen in allen Zonen, die Vermittlung bei Schwierigkeiten mit dem Einlass von Choreo- und anderen Supportmaterialien oder das Organisieren von GratisMineral bei saharaähnlichen Temperaturen in Bellinzona, die Fanarbeiter haben uns schon ein paar Mal unter die Arme gegriffen.» Dem stimmt Christian Wandeler zu: «Hätten wir etwas Grobes verbockt, würde es uns schon unter die Nase gerieben werden, die Fans sind da nicht so vergesslich.» Aber etwas gibts dann doch noch auszusetzen: «Das erste Interview wäre das einzige, das ich rückgängig machen würde», schmunzelt Parpan.
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Oldschool mit Maré
René van Ecks erstes FCL-Spiel In dieser Kolumne erinnern sich Zeitzeugen, wie es in den goldenen Jahren wirklich war. Diesmal mit einer Geschichte aus dem Sommer 1990.
ner blonden Mähne, der schon im Training gerne mal einen Mitspieler ummähte. Gute Stürmer gab es ja immer noch reichlich zu dieser Zeit beim FCL: Johnny Eriksen, Atze Knup, Peter Nadig und Semir Tuce.
Bevor der geneigte Oldschool-Kolumnenleser bereits wieder den Kopf schüttelt, weil Maré ausgerechnet Verwandte in St. Gallen und in Sion hat: Ich habe in der halben Schweiz Verwandte! Aber drehen wir das Rad der Zeit rund 20 Jahre zurück. 1990 war das Fussballjahr, als Deutschland (BRD) nach der Wende Weltmeister wurde. Die Schweiz war meilenweit von einer WM-Qualifikation entfernt und an der Weltmeisterschaft in Italien wurde zum ersten Mal in der WM-Geschichte ein Alkoholverbot verordnet, da mit England, Holland und Irland drei berüchtigte Fangruppen in der gleichen Gruppe waren. Spielort war übrigens Palermo, Sizilien, auch das eine heisse Angelegenheit.
1000 FCL-Fans im Wallis
Berüchtigte blonde Mähne Der FCL spielte eine ordentliche Saison als Titelverteidiger und qualifizierte sich schon vor der letzten Spielrunde für den UefaCup, verlor aber mit Sigi Gretarsson, Roger Wehrli und Martin Müller drei wichtige Spieler auf die neue Saison. Es wurde ein neuer, ausländischer Spieler für die Verteidigung verpflichtet, dieser kam aus den Niederlanden, genauer vom FC Den Bosch, sein Name: René van Eck. Ein kräftiger Spieler mit ei-
Das erste Spiel der neuen Saison 1990/91 fand also im Wallis statt. Es war ein wunderbarer, sonniger Sommertag im Unterwallis, die Fahrt mit dem Vater und der Grossmutter (!) war kurzweilig, aber meine Nervosität von Minute zu Minute im Steigflug, war es doch mein erster Besuch im Tourbillion. Vor dem Spiel stand ein Besuch der Grossonkels auf dem Programm, diese konnten wir dann aber nicht besuchen, weil eine Tochter der alten Onkels behauptete, die lägen schon mit einer Vollrakete im Bett. Es war gerade 15.00 Uhr und ich konnte mir damals noch nicht vorstellen, wie man um diese Zeit schon weissweintrunken im Bett liegen konnte. Egal, so konnte man wenigstens ohne Hast zum Stadion spazieren. Es herrschte eine wunderbare Atmosphäre, denn damals reisten noch viele Oberwalliser zum FC Sitten, was ja heutzutage nur noch am Cupfinal der Fall ist. Rund 1‘000 FCL-Fans waren wie immer mit viel Schlagwerk zugegen und feuerten den FCL an. Wir sassen auf der Vortribüne mit den damals schon alten Holzbänken. Kaum war René van Eck entdeckt von den Einheimischen, wurde er mit Mademoiselle betitelt. Er spielte gut, hatte seinen Gegenspieler
im Griff, ehrlich, ich kann mich nicht mehr erinnern wer es war, eventuell sogar Jean Paul Brigger, der spätere FCL-Trainer. Es war klar zu erkennen, dass René kein Kind von Traurigkeit war und auch schon mal richtig kräftig austeilte. In einem Spiel danach gegen Aarau sollte der Stürmer Wassmer nach einem René-Tackling mit der Bahre weggetragen werden. Das Spiel endete mit einer 0:1-Niederlage, wieder mal hatte der FCL den Saisonstart gründlich verschlafen. Kloppereien gab es aus meiner Sicht keine. Erst später wurde mir mal im Vertrauen erzählt, dass eine Beiz in Sion von ein paar Luzernern übernommen wurde. Damals warteten die Medienschaffenden nicht hinter dem Polizeiauto, sondern konzentrierten sich auf das Geschehen im und ums Stadion. Budapest gebodigt Trotz des eher miesen Saisonstarts sollte aber die Saison 1990/91 in die Geschichte eingehen, schliesslich überstand der FCL zum ersten mal die 1. Runde im Uefa-Cup. Auswärts holte man dank einem Tor von Atze Knup ein gutes 1:1 gegen MTK Budapest, zu Hause siegte man unter anderem dank einem Weitschusstreffer von... ja von wem wohl, René van Eck mit 2:1. Der andere Torschütze hiess Peter Nadig vor über 10‘000 Fans auf der Allmend. Leider war etwas später gegen das doch eher biedere Team von Admira Wacker Wien Endstation in Runde 2.
Buch über das Stadion Allmend
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Trutzburg, Hexenkessel, Lotterbude...
Während 75 Jahren die Heimat des FC Luzern: Das Stadion Allmend.
Im August dieses Sommers fuhren auf der Luzerner Allmend die Abrissbagger auf, eine Ära ging zu Ende. Ein soeben erschienenes Buch lässt die Erinnerung an die Heimat des FC Luzern und seiner Fans wieder lebendig werden. Das Buch zeichnet ein umfassendes, facettenreiches Bild einer geschichtsträchtigen Sportstätte. Es erzählt anekdotenreich vom Werden, Wachsen und Vergehen eines Kultstadions. Und irgendwie ist es auch eine Liebeserklärung.
Sports. Es ist eine Hommage an eine Fussball-Ära, in der ein Fussballspiel noch nicht ein durch und durch kommerzieller Event war, sondern ein ehrliches Spektakel, dessen unbändige Kraft bisweilen kaum zu kontrollieren war. Der Inhalt des Buches präsentiert sich abwechslungsreich und spannend: Da wäre einmal die detaillierte, süffig geschilderte Chronologie der Ereignisse rund um das Stadion und den FCL: herrliche Reminiszenzen aus den Gründerjahren im letzten Jahrhundert, das Dasein zwischen Himmel und Hölle mit seltsamen Machenschaften in Verein und Umfeld aus der jüngeren Geschichte, die neue Aufbruchstimmung.
Amüsant bis pikant
Emotionale Achterbahnfahrten
Der grossformatige, 312 Seiten starke, fotografisch toll illustrierte Bildband ist jedoch mehr als ein melancholischer Nachruf auf ein dahingeschiedenes Stadion, mehr als ein nostalgischer Abgesang auf die wichtigste Bühne des Zentralschweizer
Darüber hinaus bietet das Allmend-Buch spannende Einblicke in eine faszinierende, aber auch umstrittene, sich stetig wandelnde Fankultur. Es schildert ihre schüchternen Gehversuche in längst vergangenen Tagen und beleuchtet die heuti-
ge Szene mit ihren Choreografien und den brisanten Themen rund um Feuerwerk und Stadionverbote. Persönliche Erinnerungen von Allmend-Legenden wie Paul Wolfisberg, Kudi Müller, Romano Simioni, Friedel Rausch, Jules Häfliger, René van Eck und Walter Stierli lassen emotionale Achterbahnfahrten noch einmal Wirklichkeit werden. Jetzt kaufen! Und schliesslich zieht die zum Buch gehörende DVD in bewegten und bewegenden Bildern in ihren Bann: Cuptriumphe, den Meistertitel, das dramatische letzte Spiel und über eineinhalb Stunden packende Extras. «Stadion Allmend – Trutzburg, Hexenkessel, Lotterbude»: eigentlich ein Buch, das in keinem (fussballinteressierten) Luzerner Haushalt fehlen sollte. Kaufen kann man das Allmend-Buch im Internet auf www.allmendbuch.ch, im Kudi Müller Sport, bei der Fanarbeit, auf der FCLGeschäftsstelle und in ausgewählten Buchhhandlungen.
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Ueli Mäder im Gespräch
«Aggressionen stauen sich in gebückter Haltung» Der Soziolge Ueli Mäder erklärt, warum die Abschaffung der Stehplätze keine Konflikte löst und wie er sich zukünftige Stadien vorstellt. Seit Jahren wird in der Schweiz immer wieder über ein Verbot von Stehplätzen in den Fussballstadien der höchsten Liga diskutiert. Nun fordert die KKJPD (Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und –Direktoren) in einem Massnahmenkatalog gegen Gewalt im Sport erneut die konsequente Abschaffung von Stehplätzen um die Stadionsicherheit zu erhöhen. Wir sprachen mit Ueli Mäder, Soziologieprofessor an der Universität Basel und der Hochschule für Sozialarbeit über das Sicherheitsrisiko Stehplätze. Mäder ist selber begeisterter Fussballer und kennt sich als Experte für Konfliktanalysen und Konfliktbewältigung mit der Thematik bestens aus. «Sitzplätze sind nicht sicherer» Das oft zitierte Argument, dass Stehplätze grundsätzlich gefährlicher seien, vertritt Mäder nicht: «Sitzplätze sind nicht prinzipiell sicherer als Stehplätze. Weitere Faktoren kommen hinzu. Wichtig ist zum Beispiel, ob ein Stadion als kesselartige Arena angelegt ist, in der sich Emotionen stauen. Auch der Kommerz und die forcierte Konkurrenz spielen mit. Stehplätze fördern die Beweglichkeit. Das hat sich früher meistens positiv ausgewirkt.» Durch die Umfunktionierung
Ueli Mäder: «Stehende und Sitzende sind andere Typen.»
Bild Ruedi Suter, OnlineReports.ch
von Fankurven zu Hochsicherheitstrakten hat sich die Situation in den letzten Jahren aber auch ins Negative gewandelt: «Heute reizt dieser Freiraum mehr dazu, sich auszutoben. Das ist auch deshalb der Fall, weil er so eingepfercht ist.» «Geschütze Plätze für Pyro» Aus soziologischer Sicht liesse sich keine konkrete Aussage über das Aggressionspotential ausmachen, meint Mäder. «Wer sitzt, ruht. Wer steht, geht schon fast. Also stimmt das Argument. Aber umgekehrt gibt es auch Gefahren. Denn in gebückter Haltung stauen sich eher Aggressionen an als beim aufrechten Gang.» Eine stimmige Vergleichssituation ist für den ehemaligen Nationalliga-Handballer aber ohnehin nicht konstruierbar. Denn es müsse zwischen den verschiedenen Fancharak-
teren auf Steh- und Sitzplätzen unterschieden werden: «Der konkrete Vergleich im Stadion hinkt. Auch deshalb, weil die Stehenden und Sitzenden andere Typen sind.» Mit Sitzplätzen will die Polizei durch eine bessere Übersicht des Geschehens auf den Rängen auch dem Abbrennen von Pyrotechnik Einhalt gebieten, das von Medien, Politikern und Funktionären oft als Gewaltdelikt dargestellt wird. Für den Basler Soziologen ist diese Argumentation unbrauchbar und striktes Pyroverbot kein geeigneter Lösungsansatz. «Ich bin kein Pyrofan. Aber offenbar ist diese fetischisierte Show für Einzelne sehr wichtig. Auch als Spiel mit dem Glühenden und Verbotenen. Drum würde ich das offiziell zulassen und im Stadion geschützte Plätze dafür einrichten.»
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Ueli Mäder im Gespräch «Bin für Stadien ohne Sektoren» Mäder kritisiert zudem die heutige Baustruktur der Stadien mit vielen Zäunen und der straffen Unterteilung in Heim- und Gästesektoren. «Die Sektoren bilden eine Kampfformation ab. Sie schüren räumlich die Zwietracht. Und die hoch gerüstete Polizei provoziert in dieser Montur. Sie wirkt auch wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Ich bin für offene Stadien, ohne Sektoren und Zäune, mit gut durchmischten Rängen, freiem Zugang aufs Feld und gemütlich herum spazierenden Ordnungskräften - im Polohemd und ohne Knüppel.» Tatsächlich erinnern besonders die Gästesektoren immer mehr an Hochsicherheitstrakte, Auswärtsfans beklagen sich über aggressive Ordnungsdienste und übertriebene Polizeieinsätze, voyeuristische Massenmedien heizen die Stimmung zusätzlich an und als Spiegel der Gesellschaft zeigt sich schon bei ganz jungen Auswärtsfahrern
oft ein starker Alkoholkonsum. In diesem aufgeheizten und aggressiven Klima werden auch immer wieder Plastikklappsitze von Gästefans demoliert und als Wurfgeschosse zweckentfremdet, so letztens geschehen beim Cup-Achtelfinal zwischen Basel und Zürich. Können Plastikklappsitze geradezu als eine Einladung für Vandalismus dienen, wenn die Fans im Gästesektor ohnehin ein Ventil für Spannungsabbau suchen? «Das kann situativ so sein», antwortet Mäder, «ist für mich aber ein heikles Argument. Denn wenn wir alle möglichen Ventile und Stolpersteine ausräumen, führt das zu einer klinisch rigiden Ordnung. Und dann stolpern wir über immer kleinere Steine. Dann wird jede Nagelschere zu einer Mordwaffe.» Selbstkontrolle fördern Viele Fans beklagen neben dem Problem des Stehplatzabbaus zudem mangelndes
Mitbestimmungsrecht, wenn es um fanrelevante Themen geht. Könnte durch den besseren Einbezug der meist jugendlichen Fans in solchen Fragen das Verantwortungsbewusstsein und die Selbstkontrolle innerhalb der Fankurve gefördert werden? «Ja, ganz klar. Die Selbstorganisation ist eine grosse Chance. Sie wird fahrlässig vertan. Nicht nur im Fussball. Auch in der Wirtschaft und Gesellschaft. Wer gewohnt ist, Verantwortung zu übernehmen, handelt verantwortlicher.» Neben den Veränderungen bei den Stadien selber, wünscht sich Mäder auf den Rängen witzige Fankulturen, «wohl wissend, dass wir auch beim Verlieren gewinnen können.»
Ueli Mäder ist Professor für Soziologie an der Universität Basel und der Hochschule für Soziale Arbeit. Er leitet das Nachdiplomstudium in Konfliktanalysen und Konfliktbewältigung.
Werden wir FCL-Fans im neuen Stadion in den Genuss von Stehplätzen kommen?
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Ausgesperrt!
Ein fast ganz normales Auswärtsspiel Ein Ausgesperrter berichtet, wie er ein Auswärtsspiel erlebt. «Nach dem Spiel ist vor dem Spiel», meinte bereits Sepp Herberger. Das stimmt für Spieler wie Fans gleichermassen. Bereits am Morgen nach dem vergangenen Spieltag wacht man auf und einer der ersten Gedanken, welcher einem durch den Kopf schiesst, ist, wie geil oder scheisse der gestrige Spieltag war. Die ganze Woche hindurch sucht man die Sportrubriken der Tageszeitungen nach Berichten über die eigene Mannschaft ab, um, wenn wir mal ehrlich sind, eigentlich immer wieder das Gleiche zu lesen. Das Ganze hat eher rituellen als informativen Charakter. Man durchläuft diesen Prozess immer wieder, um mit dem letzten Abschneiden seines Teams abzuschliessen und sich auf die anstehende Partie vorzubereiten. Je näher das Spiel rückt, um so euphorischer wird man. Den Höhepunkt durchläuft diese Euphorie am Spieltag selbst. Meist trifft man sich lange vor dem Anpfiff irgendwo mit Freunden, mit denen man dann zusammen ans Spiel geht. Man lacht, die Stimmen werden lauter und man kann es kaum erwarten, bis der grelle Pfeifton aus der Schiedsrichterpfeife endlich ertönt. Irgendwann macht man sich also auf, um sich auf dem Perron zu versammeln. Früher oder später erfährt man von irgendjemandem, dass der Zug bald in den Bahnhof einfährt. Fast zeitgleich bereiten sich die
Leute im Zug vor, um aus dem Zug auszusteigen. Gemeinsam läuft die Meute in Richtung Stadion, und mit jedem Schritt, dem man ihm näherkommt, wirkt die Atmosphäre, die ein solches ausübt, immer mehr. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um eine Hyper-Multifunktionalarena oder eine einzelne Holztribüne handelt. Es ist einfach überwältigend und mit nichts anderem auf dieser Welt vergleichbar. Doch mit jedem Schritt, mit dem ich näher komme, weicht ein kleines Stück Lächeln aus meinem Gesicht. Der Platz vor dem Stadion wird unmerklich leerer und hilflos muss ich zusehen, wie sich die Matchbesucher durch die Eingänge schleppen. Denn ich habe Stadionverbot! Bittere Minuten vor dem Spiel Selbst an Testspielen, bei irgendwelchen Dorfvereinen türmen sich simple Zäune zu riesigen unüberwindbaren Mauern auf. Denn auch dort wird man wie ein Verbrecher behandelt, als hätte man die «DorfKuh» auf dem Gewissen oder die Kirche in Brand gesteckt. Bevor die Letzten im Stadion sind, teilen wir Stadionverbötler uns auf, um keinen Ärger zu kriegen. Weder mit der Polizei, die meist versucht uns irgendwo hin zu drängen, noch mit Fans des Heimklubs. Kurz vor Spielbeginn trifft man sich dann in einem Spunten, um sich das Spiel im Fernsehen anzuschauen. An dieser Stelle ein «Hoch» auf den modernen Fussball! Früher hätte man ganz aufs Spiel verzichten müssen.
Auch wenn es oftmals laut zu und her geht, hat man meist nichts gegen unsere Anwesenheit. Manchmal werden wir beim Eintreten darauf aufmerksam gemacht, dass wir keinen Ärger machen sollen. Dies ist eigentlich auch immer der Fall. Die Minuten, die wir alleine verbringen müssen bis zum Spielbeginn, sind die schlimmsten und gleichzeitig die längsten. Oft kehre ich in dieser Zeit in mich und denke nach. Da überlege ich mir, ob es das wert war und ich durchlaufe Gefühlsschwankungen. Zuerst traurig, dass es überhaupt so weit gekommen ist und später wütend darüber, dass man von der Gesellschaft nicht verstanden wird, aber auch deswegen, weil im Restaurant meist andere Fussballbegeisterte sind, die eigentlich ins Stadion dürften. Wenn das Spiel dann endlich losgeht, sind all diese Sorgen vergessen. Minuten vor Spielende gehen wir dann alle gemeinsam vor den Gästesektor und warten auf unseren Haufen, der ins Stadion durfte. Mit Umarmungen und Handschlägen heisst man uns zurück. Kurz zuvor gings einem noch miserabel und auf einen Augenblick kehrt das Lachen zurück. Zweifelsohne ist das das Schönste für uns Unerwünschte. Es gibt dir eine Bestätigung dessen, worüber du dir vorhin noch den Kopf zerbrochen hast, ob man damals richtig gehandelt hat. Denn was man nur als Fussballfan findet, nebst Stolz und gelebten Emotionen, sind Freunde, die immer für dich da sind und dich unterstützen, auch wenn es dir mies geht!
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Im Block
Von der Provinz in die Hauptstadt
In dieser Rubrik stellen sich abwechselnd Gruppen aus dem Luzerner Fanblock selbst vor. «Seit beinahe zwei Jahren hängt bei jedem Pflicht-Auswärtsspiel die Zaunfahne mit den Lettern «SU TOWN» im Gästeblock. Nicht zuletzt aufgrund ihrer stolzen Grösse ist sie bestimmt schon jedem FCL-Supporter aufgefallen. Mancher wird sich gefragt haben, welche Köpfe denn dahinter stecken. Die fehlende Bekanntheit unserer Gruppierung liegt wohl hauptsächlich daran, dass wir nicht aus der Stadt oder Agglo Luzern stammen. Da unser Beitrag zur farbigen Fankultur in Luzern jedoch nicht mehr wegzudenken ist, ist es nun vielleicht doch mal an der Zeit, uns einmal vorzustellen. Nun, um zuerst mal das Geheimnis des Namens «SU TOWN» zu lüften: Natürlich gibt es in unserem Kanton nur eine City und für diese stehen unsere Farben. Etwas nördlicher der Hauptstadt befindet sich aber bekanntlich die zweitschönste Stadt des Kantons. Sursee hat uns unseren Namen gegeben, denn unsere Mitglieder stammen aus dieser Region. Die Silhouette von Sursee zeigt sich auf unserer Fahne und im gemütlichen «Städtli» trifft man uns meistens am Wochenende auch an.
Okay, der Verdacht liegt nicht fern, da «kommt nun schon wieder so ne neue Gruppierung mit jungen pubertierenden Schnöseln, die auftauchen und nach Kürze auch wieder verschwinden.» Da können wir Euch aber beruhigen, denn «SU TOWN» ist eine etwas atypische Gruppierung und doch wahrscheinlich gerade typisch für die gesamte Luzerner Fangemeinde: Wir sind weder eine «Ultra»-Gruppierung (obwohl sich unser optische Auftritt absolut sehen lässt), noch sind wir Hüetlis (obwohl wir es im Stöbli locker mit Ihnen aufnehmen konnten) und ganz bestimmt werden wir nie dem VFFC beitreten. Und trotzdem sind wir wohl von allen ein wenig und wird unsere Einstellung zum Fussball von der Grossmehrheit in Luzern geteilt. Der harte Kern von «SU TOWN» setzt sich aus gut 10 Leuten zusammen, die dafür sorgen, dass die Leute in den Stadien dieser Schweiz unsere schönen Fahnen zu sehen und unseren Support zu hören bekommen. Darunter gibt es gut ein halbes Dutzend Leute, die bereits seit Mitte der 90er Jahre jedes Wochenende das Kleingeld zusammen kratzten und per Zug an die Enden der Schweiz fuhren. Man wurde belächelt, für nicht ganz bekloppt erklärt, aber die Liebe zu Luzern war trotz aller Misserfolge und Konkursgeschichten nicht zu erlöschen. Der opti-
sche Support war damals noch eher Nebensache und für den akustischen Support brauchten wir keinen Namen. So kam es, dass auch die aufkommende Ultra-Mentalität langsam aber sicher zu uns rüber schwappte und Ideen ausgetauscht wurden, sich selber ein bisschen zu formieren und den optischen Support mit zu gestalten. Mit der jüngeren Generation kam dann auch noch die bastlerische Komponente hinzu und nachdem man geschlossen mit Fahnen durch die Berns und Güllens dieser Schweiz zog, war auch der Schritt zum eigenen Namen nicht mehr weit. Im April 2008 wars dann soweit: Welcher Ort hätte sich besser geeignet als wochentags den dürftigen Aufmarsch im Wallis ein wenig aufzupeppen und «SU TOWN» offiziell dieser Fussballwelt zu offenbaren? Inzwischen besteht «SU TOWN» aus mehr oder weniger 50 FCL-Supportern aus der Region Sursee, welche alle im Besitz unseres Woll- und Seidenschals – natürlich in unseren Farben blau-weiss-gelb - sind. Ob jünger oder älter, LUMAG oder Zone 2, Studi(abgänger), Bürolist oder Handwerker, bei uns kommt alles zusammen und kann sich jeder einbringen, wies ihm gefällt. Im Vordergrund steht dabei immer unser FCL, obwohl viele unserer Aktivsten weiterhin auch selber dem Ball nachrennen.»
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Stelzbock-Verleihung
And the Stelzbock goes to... Willkommen zur dritten Stelzbock-Verleihung. Zum Ende des Jahres wollen wir Persönlichkeiten, die sich in besonderem Ausmass um die Luzerner Fussballszene verdient gemacht haben, mit einem Stelzbock-Award ehren. Nominierte gab es zur Genüge, doch nur wenige kommen in den illustren Kreis der diesjährigen Gewinner.
«3 Wetter Taft»-Award an Michel Renggli
«Fredy Hunkeler Gedächtnis»-Award an Radio 3fach
Eigentlich müssten wir Michel ja gar keinen Award mehr verleihen, nachdem er diese Saison bereits mit einer viel wichtigeren Auszeichnung versehen wurde: Der Dritte Platz bei den «Mister Axpo Super League»-Wahlen 2009! Doch wir kommen einfach nicht umher, den Hundeliebhaber auch noch mit einem Stelzbock Award zu beglücken. Denn gleich konstant wie der Innerschweizer seine Eckbälle jeweils gezielt dem Gegner halbhoch auf den ersten Pfosten serviert, so konstant hält sich seine blonde Föhnfrisur bei jeder Witterung in den Schweizer Fussballstadien. Ob Schneetreiben, Wind oder Regen, Michels Frisur hält. Jederzeit perfekt gestylt schafft es der Frauenschwarm so auch von technischen Unzulänglichkeiten auf dem Rasen abzulenken. Denn solange seine stolze Haarpracht von seinen Gegnern nicht zerstört werden kann, wird auch der FCL nicht bezwingbar sein. Es sei denn Renggli benutzt Alpecin Coffein Shampoo und gerät deswegen ins Fadenkreuz der Dopingkontrolleure, auch wenn die Alpecin-Werbung klar verspricht: Doping: Nur für die Haare. So hoffen wir, dass auch heute gilt: Gersag, 16.00 Uhr, die Frisur hält.
Nachdem die Zone 5 ursprünglich für den Toro EmboladoAward 2008 des Luzerner Schülerradios 3fach nominiert werden sollte, können wir gar nicht anders als die auf den Spuren von Radiolegende Fredy Hunkeler wandelnden Jungspunde ebenfalls mit einer Auszeichnung zu beglücken und uns für die Nomination zu revanchieren und erachten es als Ehre, dass die Zone 5, obwohl sie erst im November 2008 eröffnet wurde, bereits für dasselbe Jahr eine Nomination für den ruhmreichen Toro Rosso, eh, Lamborgini-Embolo-Irgendwas Award erhielt. Die Redaktion erkannte sofort, dass sich hinter den Milchglasscheiben des neuen Chaotentreffpunktes gewalttätige Nazihorden und traktorfahrendes Bauerngesindel versteckt, die ein solches Lokal in bester Lage nicht verdient haben. Wir können die Hobby-Radio-Truppe indes beruhigen, dass von der „visuell beleidigenden Einrichtung“ zumindest der alte Teppich schon einmal weichen musste. Warum die Moderatoren am Schluss andere Kandidaten nominierten ist uns bis heute ein Rätsel. War die Angst am Ende zu gross, dass ein vermummter Schlägertrupp persönlich
den Preis abholen kommen könnte? Wir wollen uns indes nicht nur mit einer Nomination begnügen und überreichen Radio 3fach stolz ihren wohl verdienten Stelzbock-Award. Schliesslich haben wir ja Humor.
Stelzbock-Verleihung Friedensnobelpreis an Dani Ryter «Der wahre Krieger sucht den Frieden» – mit diesen Worten stellte sich der damals neue Luzerner Sicherheitschef Dani Ryter in der ersten Stelzbockausgabe vor. Der Berner Samurai konnte sich zu Beginn seiner Amtszeit mit seinem Einsatz auch Respekt bei den Fans erarbeiten. Wie bei vielen Hollywood-Grössen stieg aber auch Dänu der Erfolg zu Kopf. Von Paranoia heimgesucht glaubte Ryter schon von harmlosen Fans mit Flaschen angegriffen zu werden. «Der Krieger» scheute zunehmend die Öffentlichkeit und war an den Spielen teilweise sogar für die Fanarbeit unauffindbar. Auch mit den Ehrbekundungen der Fans auf Doppelhaltern konnte er kaum mehr umgehen und liess diese deshalb wortlos verschwinden. Aber auch sein Selbstvertrauen scheint Dani zum Glück nicht verloren zu haben, denn wenn es um die Sicherheit der von Papierfötzeli bedrohten Zuschauermengen geht, scheut er auch nicht davor zurück, Initiative zu übernehmen und sich notfalls über seinen Chef hinwegzusetzen: «Esch mer glich was de Mike seit!» Und auch beim schönen Geschlecht versucht Dani wieder zu punkten und nimmt deswegen junge weibliche Fans gerne mal nach Spielende zum Fotoshooting mit hinter die Sichtschutzplanen. Auch übt er bereits im Alltag für seine nächste Rolle und gibt sich deswegen gerne bei Fans als Polizist aus. Der wahre Krieger sucht eben doch immer den Frieden, weswegen Dani sich den Friedensnobelpreis redlich verdient hat.
«Günther Jauch»-Anerkennungspreis an Daniel Frank Daniel Frank hat es mit einer beeindruckend virtuosen Formulierkunst geschafft, die Webseite des FC Luzern in einen literarischen Lustgarten zu verwandeln. Dem Grossmeister der Interpunktion und Grammatik gelingt es durch die simple Aneinanderreihung einzelner Buchstaben Wirkungen zu erzielen, von denen selbst Al-Kaida-Kämpfer in einem gekidnappten Jumbojet nur träumen können. Im Prinzip wäre Daniel Frank schon jetzt reif für sein Lebenswerk geadelt zu werden. Wenn da nur nicht die frohe Gewissheit wäre, dass seine bedeutendsten Werke noch nicht geschrieben sind, dass seine Schaffenskraft den Zenit ihrer Genialität noch lange nicht erreicht hat. Darf man einen Künstler ehren, dessen literarische Sackhaare – metaphorisch gesprochen – noch am spriessen sind? Nein, man darf nicht! Das wäre ein Verrat an seinen künftigen Werken, eine Beschmutzung des Ruhms, der mit Sicherheit noch kommen wird. Deshalb gibt’s vorerst «nur» den «Günther Jauch»-Anerkennungspreis für die höchst amüsante und unlösbare Quizfrage auf der FCL-Homepage: «Wer holte Natistar Diego Benaglio in die Bundesliga: Schiriakko Unfairza oder Felix Magath?» Wie sich hier feingeistige Wortspielerei mit lässigem Humor verbindet ist in der Schweizerischen Fussballlandschaft einzigartig und zeugt eindrucksvoll von dem, was die FCL-Homepage dank Daniel Franks herausragendem Wirken auszeichnet: Professionalität und Klasse!
15 «Demokratie-Award» an Walter Stierli Wie kein zweiter Präsident im Schweizer Fussball versteht es FCL-Patron Walter Stierli den Puls des Volkes zu spüren. Das zeigt sich besonders eindrücklich in seinem jahrelangen Kampf für ein modernes Stadion. Es ist bewundernswert, wie der Vater der Swisspor-Arena bei der Ausgestaltung des neuen Stadions die Interessen der FCL-Anhänger nie aus den Augen verlor. Wie sehr er sich immer bewusst war, dass es letztlich die Fans sind, die dem zukunftsweisenden Stadion-Schmuckkästchen Leben einhauchen werden. So war Walter Stierli denn auch hoch erfreut, als er erfuhr, dass die Fans anlässlich eines FCLHeimspiels eine Abstimmung über die Frage «Kunstrasen oder nicht?» planten. Der kurssichere, allseits beliebte FCLSteuermann versprach sich davon eine wertvolle Orientierungshilfe. Doch dann erfuhr er, dass die Abstimmung mittels Hochhalten eines roten Blattes (aus gefährlichem Papier!) hätte stattfinden sollen. Wie gross muss der Schock für den verantwortungsbewussten FCLOberhirten gewesen sein, dem nichts so wichtig ist, wie die Sicherheit seiner Schäfchen. Die grossen Luzerner Brandkatastrophen vor Augen (Bahnhof 1971, Kapellbrücke 1993) musste Walter Stierli die geplante Abstimmung schweren Herzens verbieten. «Die Brandgefahr wäre einfach zu gross gewesen», erklärte der sichtlich geknickte FCL-Präsident den anwesenden Medien. Als Trost gibt’s einen garantiert feuersicheren Stelzbock-Award.
16 «Anarchie-Award» an Reto Mattmann Als der Auswärtssektor des Gersag-Stadions (wie schon derjenige auf der Allmend) mit einem imposanten Guantánamo-Stacheldraht verschönert werden sollte, obwohl die Swiss Football League solche Massnahmen verbietet, hatte man beim FCL eine Erklärung für das nicht ganz reglementskonforme Vorgehen schnell parat. Reto Mattmann, Projektleiter des Gersag-Umbaus, fasste in wenigen starken Worten zusammen, worüber Anarchie-Theoretiker ganze Bücher schreiben und erklärte kühn: «Manchmal muss man halt auch eigene Wege gehen, vor allem wenn Reglementstheorie und Realität weit auseinander liegen!» Ein Satz, so wuchtig wie ein Pflasterstein an einer 1.Mai-Demo, der seine Wirkung prompt nicht verfehlte. Nicht nur Feuerwerksliebende Ultras identifizierten sich mit Mattmanns revolutionärer Losung, sondern auch FCL-Sicherheitschef Dani Ryter, der sich bei Personenkontrollen im Stadion fortan frech als Polizist ausgab. Mattmanns erfrischend lockerer Umgang mit verbindlichen Reglementen machte auch verdientermassen ausserhalb Luzerns Schule. Als FCZ-Boss Ancillo Canepa kürzlich in bester SchildbürgerManier beschloss, in Zukunft bei Hochrisiko-Spielen keine Tickets mehr an Auswärtsfans zu verkaufen, kümmerte es ihn wenig, dass ihn die SFLReglemente ausdrücklich dazu verpflichten. Mit einem Lächeln prostete er in Gedanken Reto «Che Guevara» Mattmann zu: «Manchmal muss man halt auch eigene Wege gehen...»
Stelzbock-Verleihung «Knigge-Award» an Beat Hensler Dass sich knallharte, investigative Polizeiarbeit und höflicher Anstand gegenseitig nicht ausschliessen, beweist Beat Hensler auf bewundernswerte Art und Weise. Als Luzerns höchster Polizist von seinen szenenkundigen Beamten ermuntert wurde, sich zwecks gut getarnter V-Mann-Tätigkeit den USL-Newsletter zu abonnieren, war der smarte Polizeiluchs, ähm pardon: Polizeifuchs hellauf begeistert. Endlich sah der hochintelligente Voralpen-Sherlock-Holmes eine Möglichkeit, ins Innere dieser halbkriminellen «Fan»-Organisation einzudringen und in den Besitz von brisanten, streng geheimen Informationen zu gelangen. Wo und wann sich auch immer in Zukunft marodierende Hooliganbanden zu gewalttätigen Saubanner-Zügen verabreden sollten – Luzerns Polizeikommandant wäre ihnen einen Schritt voraus. Bei aller (berechtigter!) Begeisterung über die eigene Genialität vergass Luzerns wohlerzogenster Freund und Helfer die Grundprinzipien menschlichen Anstands nicht und aktivierte vorbildlich in seinem Mail-Programm die automatische Abwesenheitsnotiz. So werden die United Supporters nun freundlicherweise regelmässig informiert, wenn Luzerns Polizeikommandant gerade wieder einmal «ferienhalber abwesend ist und das eingegangene Schreiben erst in ein paar Tagen beantwortet werden kann.» Als Dank dafür überreicht die Redaktion Beat Hensler in aller Höflichkeit einen der begehehrten Awards. Herzlichen Glückwunsch!
«Präventions-Award» an Willy Eicher Ein blutiger Amoklauf an einer Schule – kaum etwas schreckt mehr auf, als wenn dieser zivilisatorische Albtraum Wirklichkeit wird. Wenn marginale Verhaltensauffälligkeiten plötzlich in blinde, zerstörerische Wut umschlagen, stösst unsere Gesellschaft an ihre Grenzen. So komplex sich das Thema in seiner ganzen tödlichen Tragweite präsentiert, so schwierig ist eine wirkungsvolle Prävention. Im ehrlichen Bemühen, das Bestmögliche zur Verhinderung einer solchen Tragödie zu tun, lud das BBZN Sursee diesen Herbst zu einer internen Infoveranstaltung. Als Gastreferent wurde Willy Eicher eingeladen, ohne zu übertreiben DIE Innerschweizer Koryphäe in Sachen professioneller «Amok-Prävention». Der Hauptmann der Luzerner Polizei kennt sich durch seine jahrelange Front-Erfahrung an FCL-Spielen bestens aus mit (fremd-)zerstörerischem Verhalten, mit psychosozialen Aussenseitern und von Gewaltfantasien heimgesuchten, zu zwischenmenschlichen Bindungen unfähigen, in ihrer Persönlichkeitsentwicklung schwer retardierten, krankhaft narzistischen Borderlinern. Auf die besorgte Frage nach einer möglichen Früherkennung potentieller Täter wusste Eicher denn auch beruhigenden Rat: Auf junge Leute mit 1901-Utensilien sei besonderes Augenmerk zu legen. Wir sind froh, dass unsere Sicherheit (und die Sicherheit der Luzerner Schulkinder) in derart kompetenten Händen liegt und wissen, dass ein Stelzbock-Award als Dank dafür viel zu wenig ist.
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1 Jahr Zone 5
Jassobig, Bingo und Party, Party, Party
Für das erfolgreiche erste Jahr durfte die Crew der Zone 5 eine Torte entgegen nehmen.
Im November konnte die Zone 5 die erste Geburtstagstorte anschneiden. Einer der Barbetreiber zieht ein Fazit nach dem ersten Jahr. «Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich noch bestens an diesen kalten 7. November im Jahr 2008. Nachdem wir die letzten Tage praktisch Tag und Nacht gewerkelt haben, gelang es uns praktisch in letzter Sekunde, das Lokal für die grosse Eröffnungsparty einigermassen fertigzustellen. Erst als der überwältigende Ansturm unter Kontrolle gebracht werden konnte und Friedli & Fränz zum ersten Mal tüchtig in die Saiten griffen, realisierten wir, mit welchem Kraftakt wir da innert kürzester Zeit alles auf die Beine gestellt hatten. Eine grosse Befriedigung machte sich breit und das so langersehnte Fanlokal wurde mit einer geilen Party eingeweiht. Neben unzähligen Kleinigkeiten mussten im ersten Betriebsjahr
auch diverse grössere Investitionen gestemmt werden. So kostete uns zum Beispiel alleine der gesetzeskonforme Notausgang annähernd 10‘000 Franken. Ebenso durfte im Herbst der stinkige, abgelebte Teppich einer schmucken Kunststoffunterlage weichen. Ganz ohne Proteste der Fanszene übrigens. Obwohl aus dem alten, verstaubten Gourmet-Tempel mittlerweile ein gemütliches Fanlokal entstanden ist, wird uns auch im zweiten Betriebsjahr die Arbeit nicht ausgehen. So ist neben dem Austausch der Bestuhlung auch ein erneuertes Lichtkonzept Thema. Namhafte Gäste Obwohl mit dem Eröffnungsevent die Latte bedrohlich hoch gesetzt wurde, folgten viele weitere legendäre Anlässe unter der genialen Anleitung unserer Kreativabteilung um LUzifer und SBS. Unvergessen bleiben das urige Oktoberfest mit der schrillen Band aus Ost-St.Gallen, die fetten Hip-Hop-Konzerte, die extasischen Technopartys mit
DJ Don Casual und die diversen Live-Acts mit so namhaften Akteueren wie Mothers Pride, Henrik Belden, Johnny Burn oder dem Lokalmatador EMM. Es gab aber durchaus auch etwas gemächlichere Anlässe, welche auf grosses Echo stiessen. So etwa das Bingo mit den etwas aussergewöhnlichen Preisen rund um den FCL und anderen Millieus, der Jassobig mit dem Ländlerduo Britschgi oder die kultigen Auftritte von Pascal Claude. Das aktuellste Highlight war nun, genau ein Jahr nach der Eröffnung, die grosse Geburtstagsparty mit dem DJ-Battle um Wiesel, Frizzel, SBS und Don Casual. Ebenfalls möchten wir von der Betriebsgruppe den Anlass nutzen um unseren Gästen zu danken. Neben kleineren, vor allem alkoholbedingten Auswüchsen hatten wir dank dem disziplinierten Verhalten der Szene keinerlei nennenswerte Zwischenfälle und bekommen von der Vermieterin, den Anwohnern und der Polizei durchwegs gute bis sehr gute Noten ausgestellt.»
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Groundhopping-Bericht
Gefälschte Tickets und brennende Schals
Statt der zugelassenen 42‘000 verfolgten mehr als 60‘000 das «Superclasico» im Stadion.
Matula kennt die schönsten Stadien der Welt, besuchte die faszinierendsten Derbys und schreibt exklusiv für den Stelzbock. RIVER PLATE - BOCA JUNIORS 1:4 30.1.1997, Estadio Mundialista Malvinas, Mendoza/ ARG Wenn River Plate und die Boca Juniors aufeinander treffen, herrscht in Argentinien jeweils so etwas wie Ausnahmezustand, denn das Spiel der ewigen Rivalen ist nicht nur
eines der grössten Derbys, das der Fussball weltweit zu bieten hat, sondern auch ein Kampf zwischen arm und reich. Auf der einen Seite die Juniors aus dem eher ärmlichen Hafenviertel La Boca gegen die sogenannten Millionarios von River Plate, welche vor allem Leute aus der Mittel- und Oberschicht zu ihren Fans zählen dürfen. Leider kommt es beim Superclasico, wie das Derby von den Argentiniern respektvoll genannt wird, auch immer wieder zu Gewaltexzessen. Trauriger Höhepunkt sicherlich der 23. Juni 1968, als BocaFans brennende Zeitungen in den River-Block warfen und bei der anschliessenden Massen-
panik 74 Menschen ums Leben kamen. Auch danach kam es immer wieder zu Morden zwischen den verfeindeten Banden. Zuletzt im Jahr 2002, als ein 14-Jähriger am Rande eines Derbys erschossen wurde. Obwohl es sich bei der diesmal anstehenden Begegnung nur um ein Spiel des Copa del Verano, einem prestigeträchtigen Vorbereitungsturnier auf die bald beginnende Meisterschaft handelte, waren Tickets natürlich längst vergriffen und auch die Zeitungen berichteten schon Tage im Voraus auf bis zu zehn Seiten über den bevorstehenden Superklassiker. Am Spieltag machten wir uns dann
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Groundhopping-Bericht schon früh los Richtung Zentrum der Weinmetropole Mendoza, welche am Fuss der Anden und etwa 14 Busstunden von der Hauptstadt Buenos Aires entfernt liegt, um doch noch irgendwo eines der begehrten Tickets zu ergattern. Relativ schnell wurden wir dann auch fündig und erhielten auf der Strasse Karten zu einem fairen Preis. Ein Zivilpolizist, der unseren Deal mit dem zwielichtigen Strassenhändlern mitverfolgte, wollte dann mal unsere soeben erstandenen Karten sehen und meinte nach kurzem Betrachten, dass wir uns gefälschte Billetos haben andrehen lassen. Da wurde uns natürlich auch klar, weshalb wir für die Tickets «nur» knapp mehr als den Originalpreis zahlen mussten. Auf dem Weg zum Stadion die Karten noch dem Taxifahrer gezeigt und als auch dieser zu Fälschungen tendierte, kam doch langsam ein mulmiges Gefühl auf. Trotz des eher peinlichen Anfängerfehlers versuchten wir mit unseren Karten das Stadion zu betreten, was dann auch problemlos klappte. Lieder mit mehreren Strophen Das Stadion, welches bis 1982 noch Estadio Ciudad de Mendoza hiess und extra für die Weltmeisterschaft 1978 erbaut wurde, war dann schon eine Stunde vor Anpfiff masslos überfüllt. Auch wir standen pünktlich zum Ankick in der Kurve, wo sich auch die Anhänger von River Plate befanden und das Stadion mit ihren Gesängen von der ersten Minute an in einen wahren Hexenkessel verwandelten. Kannte man aus europäischen Ligen vor allem kurze Schlachtru-
fe, so waren es hier Lieder über mehrere Strophen die, begleitet von Pauken, Trompeten und allen möglichen Instrumenten, teilweise bis zu zehn Minuten lauthals von der ganzen Kurve intoniert wurden. Ziemlich beeindruckend das Ganze, auch weil man sich zu jener Zeit die Stimmung aus den argentinischen Kurven noch nicht per YouTube in die heimische Stube holen konnte. Auch die schwache Vorstellung ihres Teams sowie die glühende Sonne, die direkt über dem ausser der Haupttribüne undedeckten Runds stand, taten der fanatischen Stimmung keinen Abbruch. Chipspackung als Pissoir Weil der Block dermassen überfüllt war, war es praktisch unmöglich, nicht mitzuhüpfen wenn der ganze Mob im Kollektiv durchdrehte. Sowas hatte man noch nie erlebt, aber leider hat auch alles seine Schattenseite und so war ein Gang auf die Toilette oder zu den kleinen Getränkestand im Bauch der Tribüne ein Ding der Unmöglichkeit. Wie die Einheimischen das handhaben, erfuhr ich, als einer neben mir in eine leere Chipspackung urinierte und diese mit einer gekonnten Wurfbewegung über die Köpfe hinweg in den Hintertorbereich beförderte. In der zweiten Halbzeit konnte es dann auch mal vorkommen, dass sich eine solche Packung samt Inhalt in den Strafraum des Boca-Torhüters verirrte. Nicht gerade die feine Art. Trotz der sich anbahnenden Niederlage blieb das Stimmungsbarometer bis zum Schluss konstant hoch, aber zu mehr als einem Ehrentreffer
reichte es gegen ein diesmal zu starkes Boca nicht. Als dann der Ref das Spiel abpfiff, ging es möglichst schnell raus aus dieser Sardinendose, um irgendwo das Erlebte bei einem kühlen Quilmes zu verarbeiten. Dazu hätten wir aber besser unsere neu erstandenen RiverSchals abgezogen, denn die Strassen waren jetzt nur noch gefüllt mit feiernden Boca-Barras und ehe wir uns versahen tanzte auch schon ein recht übler Haufen um uns drei Gringos und entledigte uns sofort dieser Schals. Diese haben dann auch relativ gut gebrannt, während die johlende Meute um das Feuerchen hüpfte und uns ein paar Hassgesänge entgegenbrachte. Eine Gruppe Polizisten, die an fast jeder Ecke standen und das Ganze zuerst noch desinteressiert mitverfolgte, befreite uns dann schliesslich aus unserer misslichen Lage. Denn als einer der Bocas auch noch mit einem Messer rumfuchtelte, wurde es schon langsam ungemütlich, aber die gut bewaffneten Ordnungshüter vertrieben dann die Pöbler und wir verzogen uns dann auch mal in das sichere Hotel. Das war dann wohl Anfängerfehler Nummer zwei. Fantastische Atmosphäre Tags darauf war dann noch zu erfahren, dass statt der zugelassenen 42‘000 Zuschauer fast 60‘000 im Stadion gewesen sein sollen. Da haben sich wohl noch andere gefälschte Karten andrehen lassen. Dies war mein bislang einziger Superclasico, doch habe ich viele Spiele in Argentinien gesehen, die es in Sachen Atmosphäre und Brisanz locker mit der Mutter aller Derbys aufnehmen können.
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Postkarte aus Como
Un grande saluto aus Como Die Como-Kolumne ist wieder auferstanden. Nachdem wir längere Zeit nichts mehr von unseren Freunden aus Italien gehört haben, hat uns Ricky eine Postkarte gesendet.
«Un grande saluto an unsere Freunde aus Luzern. Ihr seid diese Saison sehr stark gestartet und das freut mich sehr. Unser Team hat im Moment noch etwas Mühe, aber ich hoffe, dass wir bald den Anschluss finden können.
Sehr bald kommen wir euch wieder besuchen. Denn bei euch herrscht immer gute Stimmung und eure Freundschaft ist uns sehr wichtig. Bis bald, Ricky»
Stelzbock-Bar am Barstreet-Festival 2009 Auch an der diesjährigen Ausgabe sind die USL mit der Stelzbock-Bar wiederum prominent vertreten. Du findest uns am altbewährten Standplatz im hinteren Teil der Halle. Auch bei der vierten Teilnahme verkaufen wir verbilligte Tickets à 16 Franken an unsere Mitglieder. Die Tickets erhältst Du wie gewohnt am Tresen der Zone 5 sowie an der Stelzbock-Bar direkt. Komm vorbei und gönn Dir einen kühlen Drink, denn wiederum fliesst jeder verdiente Franken direkt in die USL-Kasse. Das detaillierte Programm findest Du unter www.barstreet.ch.