Stelzbockausgabe 4

Page 1

4. Ausgabe

Magazin der United Supporters Luzern

gratis

Niederlage oder Spielabbruch?

Eine eigenartige, sportlich betrachtet gar fragwürdige Partie erwartet uns heute. Pikanterweise könnte ein Erfolg der Gäste nämlich dazu beitragen, dass wir uns – ohne den Cupfinal gewinnen zu «müssen» – auf die langersehnte Europareise freuen dürften… Trotzdem, ein Auswärtssieg oder gar eine vorzei-

tige Basler Meisterfeier auf der Allmend? Ein unangenehmer, um nicht zu sagen widerlicher Gedanke. Und da Schadenfreude bekanntlich die schönste Freude ist, kann die Devise für uns nur heissen: Heute versauen wir RotBlau die Meisterschaft! Und zur Krönung wird im Cupfinal nachgedoppelt.

Aufwärmen für Bern Dazu sind wir auch auf den Rängen aufgefordert, unser Bestes zu geben. Hand aufs blau-weisse Herz: Gibts eine noch bessere Möglichkeit, um uns für den Ernstfall im Cupfinal warmsingen zu können? Richtig: Auch Feiern will geprobt sein.


2

Impressum Herausgeber Das vorliegende Magazin ist eine Publikation der United Supporters Luzern, 6000 Luzern. Die United Supporters im Internet: www.us-luzern.ch Redaktion Daniel Britschgi, Patrick Leisibach, Diego Stocker, Gregor Anderhub (alle Text), Emanuel Thaler (Layout). Choreo-Bilder werden mit freundlicher Genehmigung von footballislife.ch.vu, fcl.schesl.ch und amade.ch abgedruckt. Kontakt Wir freuen uns über jedes Feedback! Mit einem E-Mail an unsere Adresse stelzbock@us-luzern.ch, oder an einem Heimspiel des FC Luzerns am USLStand beim Eingang zur Zone 2 kannst du mit uns Kontakt aufnehmen. Spenden Das Magazin wird in ehrenamtlicher Arbeit produziert und kostenlos verteilt. Beiträge zur Deckung unserer Aufwendungen sind jederzeit herzlich willkommen. Spenden nehmen wir gerne am USL-Stand beim Eingang zur Zone 2 oder per Überweisung an United Supporters 6000 Luzern, Raiffeisenbank Region Stans, Kontonummer 94453.19, Clearing 81223, Postkonto 60-6536-8, IBAN CH74 8122 3000 0094 4531 9 entgegen.

Cup-Halbfinale

Zürich: Knocked out!


3

Inhaltsverzeichnis

Editorial

Gute alte Zeiten

Mit Wehmut erinnert sich die ältere Luzerner Generation an die grossen Duelle der 90er, als sich Luzern und Basel noch auf Augenhöhe gegenüberstanden. Ab Seite 4: Ein Rückblick auf die packendsten Duelle.

Liebe FCL-Fans Die Saison neigt sich langsam dem Ende zu, der Cupfinal rückt immer näher.

Bewilligungspflicht

Anfangs nächster Saison werden die Vorschriften für Choreos drastisch verschärft. Am Schlimmsten: Es droht Vorzensur. Maulkörbe, die USL in dieser Form nicht akzeptiert. Alle Details zu diesen Richtlinien ab Seite 10.

Für immer Luzern

Dass Kinder trotz Spielbesuchen in den ach soberüchtigten Fankurven ganz normal aufwachsen können, mag besorgte Eltern erstaunen. Und: Was Frauen über den Catwalk Allmend denken, erfährst du auf Seite 16.

Die Fansicht

Eine neue Initiative kämpft gegen Willkür und will die Medienberichterstattung über Fussballfans kritisch unter die Lupe nehmen. Welche Ziele das Projekt genau verfolgt und warum USL auch dahinter steht, liest du auf Seite 17.

Weitere Themen:

Was USL von anderen Fankurven fordert Kolumne Oldschool Der USL-Präsident tritt ab Cupfinal-Artikel im USL-Shop

Seite Seite Seite Seite

8 9 14 20

Auf Seiten der Fans und leider auch auf Seiten der Spieler konnte man gut sehen, dass die Meisterschaft aufgrund der fehlenden Aussichten nach oben und/oder Ängsten nach unten zur Nebensache wurde und alle bereits an den Cupfinal gegen Basel denken. Wird dieser FC Basel, gegen den wir heute antreten, Schweizermeister, wäre der FCL bereits vor dem Cupfinal im internationalen Geschäft. Viele Fans träumen schon länger von einem Ausflug nach Europa - aber dafür dem FC Basel die Daumen drücken oder ihn gar gewinnen lassen…? Mit dem Saisonabschluss geht auch meine Amtszeit als Präsident der United Supporters zu Ende. Es war eine sehr schöne, zuweilen auch intensive Zeit und es macht Spass zu sehen, wie sich die Kurve in Sachen Choreografien entwickelt hat. Ich danke euch allen recht herzlich für die Unterstützung und hoffe, dass mein Nachfolger Orlando Willi ebenso auf euch wird zählen dürfen. Bleibt mir noch, viel Vergnügen mit dem letzten Stelzbock dieser Saison zu wünschen.

Jan Müller Präsident USL


4

Hintergrund FCL - Basel

Die Lunte brennt wieder!

Die harten Jungs der 90er prägten die stets heissen Duelle zwischen Luzern und Basel.

Spiel-Doubletten gegen den FC Basel haben Tradition. In Erinnerung bleiben packende Spiele, überschäumende Emotionen und tief empfundene Gefühle gegenseitiger Abneigung. Gleich zweimal trifft der FC Luzern zum Saisonende auf den FC Basel. In beiden Partien geht es um viel. Meistertitel, Cupsieg und Europacupteilnahme stehen auf dem Spiel. Für sportlichen Zündstoff ist also gesorgt. Ob der Funke auch auf die Ränge überspringt? Noch vor zehn Jahren hätte sich diese Frage von selbst beantwortet. In den 90er-Jahren waren die Spiele zwischen Luzern und Basel Garanten

für eine höchst explosive Stimmung. Keine andere Begegnung vermochte damals mehr Emotionen freizusetzen, bei keiner anderen Begegnung ging es auf den Rängen ähnlich fanatisch zur Sache. Denn ohne zu übertreiben darf man behaupten: Zu jener Zeit hassten sich Luzerner und Basler Fans abgrundtief. Wie kam es dazu? Die Ursprünge der Rivalität reichen zurück in die späten 80er-Jahre. Vorher waren Begegnungen zwischen den beiden Vereinen nichts Besonderes. Im Gegenteil: Viele Basler begegneten Luzern mit Sympathie, spielten Anfang der 80er doch zahlreiche Bebbies in den Reihen der Blauweissen. Am Rheinknie nannte man den FCL

liebevoll «Basler Filiale». Mitte der 80ger stürzte der FCB in eine sportliche Krise gewaltigen Ausmasses. Die beschämende Talfahrt des Traditionsvereins führte auf direktem Weg in die NLB. Zur gleichen Zeit begannen die goldenen Jahre von Luzern. Der FCL machte sich daran, Schweizer Meister zu werden und auch auf den Rängen war Luzern unbestritten die Nummer 1. Luzern war zu Hause eine Macht, die Heimstärke war legendär. Luzern war in aller Munde, selbst internationale Medien berichteten über das Phänomen Allmend. Was für eine Demütigung für den schlafenden Riesen Basel und seine stolzen Fans, die sich zur gleichen Zeit abseits des öffentlichen Interesses zu Châtel St. Denis


Hintergrund FCL - Basel oder Urania Genf quälen mussten. Die geschundene Basler Seele, die gegen aussen gern vorgibt, dass sie das Urteil anderer nicht kümmert, die aber wie keine zweite empfindlich auf Kritik reagiert, sehnte sich den Tag der Rache herbei. Den Tag, an dem sich Basel den Platz zurückerobern würde, der von den «Bauern aus der Zentralschweiz» unverschämterweise okkupiert wurde: Der Platz an der Spitze! Luzern musste absteigen, damit es endlich zum lang ersehnten direkten Duell kam. In der legendären Auf-/Abstiegsrunde 92/93, spielten nicht nur Luzern und Basel in der gleichen Gruppe, sondern auch das verhasste GC. Was für eine dramatische Konstellation! In Luzerner Fankreisen war die Aufregung vor den Spielen gegen Basel mit den Händen greifbar. Schliesslich galt es die Krone der besten Fans zu verteidigen. Aus Erzählungen wusste man von der Euphorie, die in Basel möglich ist, hatte sie aber noch nie selbst erlebt. Man ahnte, dass in Basel Zuschauerzahlen möglich sein würden, welche die Luzerner Zahlen weit hinter sich lassen würden. Das wurde dann auch eindrücklich bestätigt. 34’000 Zuschauer bildeten die grandiose Kulisse für das Hinspiel in Basel. Noch nie wurde ein Spiel zweier BMannschaften von so vielen Zuschauern besucht. Gleichzeitig vermochte

Bulle in der NLA 450 Zuschauer zu mobilisieren, Chiasso schaffte es auf 1200. Verkehrte Schweizer Fussballwelt! Mit mehreren Extrazügen fuhren die Luzerner in Basel ein. Selbstverständlich liess man es sich nicht nehmen, geschlossen und lautstark durch die Stadt zum Joggeli zu marschieren. Man dachte damals nicht im Traum daran, sich zu verstecken. Wie sich die Zeiten doch ändern! Am Schluss fanden sich gegen 10’000 Luzerner im Joggeli ein. Grosse Teile des Bahn-

5 damms waren in Blauweiss gehüllt. Das Spiel war wie eine Offenbarung. Vor der prall gefüllten und absolut feindlich gestimmten Muttenzer Kurve hing ein riesiges schwarzes Transparent: «Willkommen in der Hölle!» So etwas kannte man aus anderen Schweizer Stadien nicht. Endlich hatte man einen Feind gefunden, der einem würdig war. Das Spiel endete 1:1. Das Rückspiel zwei Wochen später gewann Luzern vor 26’200 Zuschauern 4:1. Nie sollten auf der Allmend mehr Fans gezählt werden. Möglicherweise war auch

Käfighaltung: Eingepfercht im Gästesektor stauten sich 1995 die Aggressionen auf - um sich dann voll zu entladen.


6

Hintergrund FCL - Basel

Es geht auch friedlich: Längst nicht alle Kontakte zwischen Luzern und Basel sind von Gewalt geprägt. die Stimmung die beste, die man je in Luzern erlebte. Am Ende der Saison stieg Luzern auf. Basel musste noch ein Jahr nachsitzen, bevor man sich ebenfalls im Kreis der Elite zurückmeldete. Und dann kam der 8. April 1995. Der Tag, an dem aus Rivalität grenzenloser Hass wurde. Der FC Basel war auf der Luzerner Allmend zu Gast. Während des hitzigen Spiels in einer höchst aggressiven Atmosphäre sollte es zu Krawallen kommen, wie sie die Fussballschweiz bisher noch nicht erlebte. Leuchtstifte, Knallpetarden, Metallstangen und Steine flogen vom Basler Sektor in den Luzerner Block und wieder zurück. Es gab Ver-

letzte, die vor laufender TV-Kamera auf Bahren abtransportiert werden mussten. Damals befanden sich sowohl Heim- wie auch Gästesektor auf der überdachten Stehplatztribüne,

Basler Zuschauer verteilten vor den Eingängen Läggerli, Luzern gewann, Basel lag am Boden und die Welt für Blauweiss war wieder einigermassen im Lot. ein riesiges Polizeiaufgebot konnte die beiden Fanlager nur mit äusserster Not voneinander trennen. Die «Krawallnacht von Luzern» sollte nicht nur ein riesiges Medienecho aus-

lösen (vergleichbar mit der Berichterstattung nach dem 13. Mai 2007), sondern auch indirekt zu einer Zäsur innerhalb der Basler Fanszene führen. Wichtige Mitglieder des damals in der Muttenzer Kurve führenden «Commando Ultra» büssten für die Gewaltorgie mit einem Stadionverbot. Es wurde Platz geschaffen für neue Leaderfiguren. Der Zufall wollte es, dass die beiden Vereine nur eine Woche später im Cup auf der Allmend erneut aufeinander trafen. Über 20’000 Zuschauer wollten sich das Spektakel nicht entgehen lassen. Entgegen vieler Befürchtungen blieb jedoch alles ruhig. Basler Zuschauer verteilten vor den Eingängen Läggerli,


Hintergrund FCL - Basel Luzern gewann, Basel lag am Boden und die Welt für Blauweiss war wieder einigermassen im Lot. Der Hass zwischen den beiden Fanszenen wurde danach noch ein paar Jahre leidenschaftlich gepflegt. In bester Erinnerung bleibt die legendäre «NO LUZERN»Website, auf welcher feinfühlige Basler FussballPoeten in philosophischer Manier ihrer glühenden Antipathie gegenüber «Juden-Luzern» Ausdruck verliehen.

Millionen machten den FCB zum finanziellen Krösus der Liga und mit der Eröffnung des schicken St. Jakob Parks hielt der

In den späten 90ern entwickelten sich die beiden Vereine immer mehr auseinander. Gigi Oeris

moderne Fussball endgültig in Basel Einzug. Tolle Champions League Erfolge führten dazu, dass aus

Die Schweizer Cervelatprominenz hielt sich in den Logen des St. Jakob Parks am Cüpli fest und drückte den Mannen in Rotblau die Daumen.

7 den ehemals bösen Buben plötzlich die Liebkinder der Fussballnation wurden. Die Schweizer Cervelatprominenz hielt sich in den Logen des St. Jakob Parks am Cüpli fest und drückte den Mannen in Rotblau die Daumen. Parallel dazu kam es in der Basler Fanszene zu massiven Umwälzungen. Während den Exiljahren auf der Schützenmatte und erst Recht mit dem Umzug ins neue Stadion übernahmen junge ultraorientierte Gruppierungen in der Kurve das Kommando, die mit ihrem leidenschaftlichen Support und einer notorischen Schwäche für pyromanische Ein-

Auch auf fremden Plätzen ganz schön zahlreich: Die Basler Fans beim Spiel in Luzern.


8

Appell an andere Fanszenen

lagen so gar nicht in die neue heile Basler FussballEntertainment-Welt passen wollten. Während Basel zum Höhenflug ansetzte, stürzte Luzern ins Bodenlose. Der Verein wurde von unfähigen Clubfunktionären an den Rand des Ruins missgewirtschaftet. Ein Skandal jagte den andern, was dazu führte, dass der FCL in der Bevölkerung sämtlichen Goodwill verlor. Eine ganze Fan-Generation brach weg, die praktisch nicht ersetzt wurde. Lediglich ein kleines Grüppchen ultraorientierter Fans versuchte den Widerwärtigkeiten zu trotzen und dem Support im Stadion

neue Impulse zu verleihen, biss mit ihren innovativen Ideen auf den steinigen Stufen der altehrwürdigen Allmend jedoch auf Granit.

Der Verein wurde von unfähigen Clubfunktionären an den Rand des Ruins missgewirtschaftet. Ein Skandal jagte den andern.

Diese Entwicklungen führten dazu, dass die Duelle zwischen Luzern und Basel mehr und mehr an Brisanz verloren. Einerseits kannten die treiben-

den Kräfte in den Kurven die Ereignisse aus den 90er-Jahren zum Teil nur noch vom Hörensagen, andererseits war das schwächelnde Luzern für Basel kein ernstzunehmender Gegner mehr. So bitter der Abstieg im Jahr 2003 aus sportlicher Hinsicht war, für die Luzerner Fanszene erwies er sich als Segen. Motivierte Leute wagten in den Niederungen der NLB den Neuanfang, die zerstrittene Anhängerschaft wurde wieder zur Einheit. Die Kräfte wurden gebündelt und es wurden wirkungsvolle Strukturen geschaffen, die es der Szene Luzern erlaubten, in nur wenigen Jahren zu neuer Stärke zurück zu finden.

Übernehmt endlich Verantwortung! Eigentlich sollte an dieser Stelle die Sicht aus dem Gästeblock stehen, geschrieben - natürlich - von einem Basler. “Die Muttenzerkurve spricht nicht mit Medien”, “Basel schreibt nichts öffentlich”. Solche Sätze kriegte unser Redaktionsteam nicht nur einmal zu hören. Wir sind deswegen nicht beleidigt: Die Geschichte der Beziehung zwischen uns und Rot-Blau können wir auch selbst aufrollen (Seite 4). Uns geht es um anderes, wichtigeres. Bestens vertraut mit solchen Aus- respektive Absagen sind auch Vollzeit-Journalisten: Die Muttenzerkurve äussert sich

nicht - und ist damit in guter Gesellschaft, denn auch die Zürcher Südkurve hält dicht. Die zwei grössten und bedeutendsten Vertreter der Schweizer Fankultur bleiben stumm in der öffentlich stattfindenden Fan-Debatte. Und spielen damit denjenigen in die Hände, die unsere Fankultur auslöschen und begraben wollen (Seite 10). Denn wo erst gar kein Gegenwind vorhanden ist und niemand widerspricht, entstehen weder ausgewogene Medienberichte noch brauchbare Lösungen. Ein kleiner Lichtblick ist die frisch ins Leben gerufene Organisation fansicht. ch (Seite 17). Sie hat sich

zum Ziel gesetzt, gegen Repression anzukämpfen, Aufklärungsarbeit zu leisten und oftmals pauschale Medienberichterstattung zu hinterfragen. Neben USL und anderen Dachorganisationen stehen auch die Basler Muttenzerkurve und die Zürcher Südkurve hinter diesem Projekt. Doch dies alleine reicht noch nicht: Die grossen Kurven dieses Landes müssen auch ausserhalb der Stadien eine führende Rolle spielen, wenn die unabhängige Fankultur auf lange Sicht eine Chance haben und nicht von der Event- und Marketingmaschinerie des Schweizer Fussballs an die Wand gefahren werden soll!


9

Oldschool Mittlerweile hat sich in der Leuchtenstadt eine der engagiertesten, lebendigsten und kreativsten Fanszenen

des Landes etabliert. Zeit ist gekommen, den Erzfeinden aus Chemiestadt erneut

Die um der auf

Augenhöhe gegenüber zu treten. Gute Voraussetzungen für zwei explosive Spiele!

Oldschool: Mit Wiesel am Hallenturnier in Hamburg Früher war alles besser, wollen uns Nostalgiker oft weismachen. Aber wieviel davon stimmt? In dieser Kolumne erinnert sich ein Zeitzeuge, wie es wirklich war in den goldenen Jahren. «Wir

schreiben das Jahr 1989. Der FCL wurde erstmals Schweizermeister und erhielt eine Einladung ans Hamburger Hallenturnier. Das Teilnehmerfeld war mit mit St.Pauli, Osnabrück, Lok Leipzig und Widzew Lodz eher zweitklassig. Da der eiserne Vorhang noch nicht offen war konnten auch keine Fans aus der damaligen DDR und Polen anreisen. Der Grossteil der Zuschauer hielt natürlich dem Heimclub St.Pauli die Stange. Angereist waren auch etwa 50 Fans aus Osnabrück und mit ihnen etliche Krawallmacher die sonst dem HSV die Daumen drücken. Zu dieser Zeit bestand zwischen den HSV-Fans und zumindest Teilen von Osnabrück eine Freundschaft. So ging es den HSV-ern auch vor allem darum ge-

gen St.Pauli zu pöbeln. Aus Luzern waren von der aktiven Fanszene neben unserem kleinen Reisgrüppchen von fünf Personen noch drei etwas ältere Fans angereist. Sie waren mit einer Kuhglocke unterwegs... Dies blieb auch dem Kicker-Reporter nicht verborgen. So stand in der darauffolgenden Woche im Kicker: Vom

Für mich sind solche Spiele seit jeher ein Anreiz wo man sicher gehen kann dass nicht Hinz und Kunz anreisen. Vierwaldstättersee waren auch 10 Leute angereist, die mit Kuhglocken Stimmung machten.... Da das ganze schon relativ lange zurückliegt weiss ich die Resultate natürlich nicht mehr genau, aber der FCL war schon relativ früh ausgeschieden. Man machte sich auch ein paar Mal mit «Hopp Lozärn»-Rufen bemerkbar, aber ob das die Spieler auch gehört haben?

Während des ganzen Turniers bepöbelten sich die Osnabrücker und St.Paulianer. Nach etwas Rabatz stellte sich eine Polizistenkette zwischen die Fangruppen. Am zweiten Spieltag waren dann keine Osnabrücker mehr in der Halle und die Braun Weissen hatten die Halle wieder mehr oder weniger für sich. Der Abend wurde dann natürlich auf der Reeperbahn begossen. Ich denke, wenn in der heutigen Zeit so ein Turnier stattfinden würde, hätte es sicher einiges mehr an Luzernern gehabt. Aber früher war man halt in der Fanszene noch nicht so reisefreudig und zudem hielten die meisten das Teilnehmerfeld als wenig attraktiv. Für mich sind solche Spiele seit jeher ein Anreiz wo man sicher gehen kann dass nicht Hinz und Kunz anreisen.» Wiesel war langjähriger FCL-Fan. Heute besucht er regelmässig Spiele im Ausland, beim FCL trifft man ihn nur noch ab und zu. Dafür schreibt er jetzt exklusiv Kolumnen im Stelzbock.


10

Choreo-Bewilligungen

Das Ende aller Choreos? Ab nächster Saison will die Swiss Football League ein neues, inakzeptables ChoreoBewilligungsverfahren einführen. Ob in Zukunft eine Choreo durchgeführt werden darf, soll nicht zuletzt von deren Inhalt abhängen. Alle Jahre wieder fühlt sich die übereifrige Sicherheitskommission der Swiss Football League berufen, zu Saisonbeginn den aktiven Fans vors Schienbein zu treten. Im letzten Jahr schaufelte sich Thomas

Helbling mit der geplanten Registrationspflicht für Auswärtsfans das eigene Grab. Dieses Jahr nehmen Peter Landolt, Christian Schöttli und Co die Choreos ins Visier und lassen dabei das Rohr krepieren. Wer in Zukunft eine Choreo durchführen will, muss auf der Website der Swiss Football League ein neu geschaffenes Bewilligungsformular runterladen und wahrheitsgetreu ausfüllen. Verlangt werden nicht nur Angaben zu den verwendeten Materialien, sondern auch zu Motiv und Botschaft der geplanten

Kurvenshow. Das Formular soll zwingend bei allen Heim- und Auswärtschoreos zum Einsatz kommen. Es muss von einem Choreoverantwortlichen aus der Fanszene unterzeichnet werden, nicht nur mit Namen und Adresse, sondern auch mit Angabe von Pass- oder ID-Nummer. Der Choreoverantwortliche riskiert bei unvollständigen oder unkorrekten Angaben nicht nur Stadionverbot, er wird auch für alle von der Choreo direkt oder indirekt verursachten Schäden haftbar gemacht. Die USL wehren sich mit


Choreo-Bewilligungen

aller Kraft gegen dieses unsinnige neue Verfahren. Vor allem die Tatsache, dass der Inhalt einer Choreo entscheidend für deren Bewilligung sein wird, ist unzumutbar. Durch das völlige Fehlen verbindlicher Richtlinien scheint uns in Zukunft einer willkürlichen Zensur Tür und Tor geöffnet. Wenn man bedenkt, dass uns beispielsweise in Basel bei der Aktion für den aussortierten FCL-Spieler Genc Mehmeti bereits das harmlose Spruchband «Weiterkämpfen Hooligenc» wegen Gewaltverherrlichung zensiert wurde, kann man sich vorstellen, mit was für hanebüchenen und welt-

fremden Entscheiden sich die aktiven Fanszenen in Zukunft konfrontiert sehen werden. Die USL betrachten Stadion-Choreografien als eine Form von Kunst, mit welcher wir unser kreatives Selbstverständnis zum Ausdruck bringen. Eine Einmischung Dritter in Motivwahl und Art der Gestaltung kann nicht akzeptiert werden. Hinter dem neuen Bewilligungsverfahren erkennen wir den gezielten Versuch der SFL, die Fanszenen in der Schweiz zu domestizieren und handzahm zu machen. Man will auf Choreografien zwar nicht verzichten, weil man

11

weiss, dass sie wichtig für die Stimmung in den Stadien sind und von den übrigen Zuschauern gern gesehen werden. Auch potente Geldgeber auf den Logenplätzen finden Gefallen daran. Gleichzeitig will man die farbigen Aktionen aber unter Kontrolle kriegen. Das wird nicht funktionieren, denn Choreomacher sind keine Pausenclowns. Choreografien motivieren die Spieler zu Höchstleistungen und heizen die Atmosphäre im Stadion an. Gleichzeitig geben sie den Fanszenen Gelegenheit, sich miteinander zu messen. Nicht auf der Strasse


12 mit den Fäusten, sondern auf den Rängen mit fantasievollen Aktionen. Die USL halten es für höchst bedauerlich, dass nun auch diese faszinierende und durch und durch positive Ausprägung lebendiger Fankultur der blind um sich greifenden Repressions-Maschinerie zum Opfer fällt. Warum muss beim Bewilligungsverfahren die IDNummer angegeben werden, fragt man sich. Weil man sonst einen falschen Namen angeben könnte, kriegt man zur Antwort. Diese Argumentation scheint uns exemplarisch für die Denkweise der Verbandsoberen zu sein. Man sieht in aktiven Fans immer zuerst einen potentiellen Übeltäter und nicht einen Partner, der Positives im Stadion bewirken will und dem man vertrauen kann. Ein weiteres Detail

Choreo-Bewilligungen zeigt, wie realitätsfern die neue Regelung ist: So ist es die Pflicht der Klubs bis zwei Tage vor dem Spiel positiven oder negativen Bescheid zu geben. Als ob man nicht genau wüsste, dass Choreos einen wochenlangen Vorlauf brauchen und es unmöglich ist, in nur zwei Tagen noch Entscheidendes an den geplanten Aktionen zu ändern. Die USL erachten es als Skandal, dass die Sicherheitskommission der SFL mutwillig und grob fahrlässig in die erfolgreiche Fanarbeit der einzelnen Klubs eingreift. In Luzern hat man in den letzten beiden Jahren in Sachen Choreo einen viel versprechenden Weg einer für Fans und Verein gleichermassen zufriedenstellenden Zusammenarbeit gefunden, dessen Erfolgsrezept ge-

Dieses Spruchband ist beim Auswärtsspiel im März vom Sicherheitsdienst gekürzt worden.

genseitiges Vertrauen ist. Diese Errungenschaft wird durch die von oben diktierte neue Regelung mit einem Schlag zunichte gemacht. Triebfedern hinter dem neuen Bewilligungsverfahren sind Peter Landolt und Christian Schöttli, die ihre Idee gegen den Willen einzelner Klubvertreter in der Sicherheitskommission durchboxten. Dass unabhängigen Fanarbeitern, die sich während der Sitzung kritisch zur neuen Regelung äusserten, beschieden wurde, ihre Anwesenheit sei an zukünftigen Meetings unerwünscht, spricht Bände. Auslöser für das neue Bewilligungsverfahren war die Feuer-Choreo der Basler im Hardturm, die für die beiden Zürcher Sicherheits«Experten» eine persönliche Niederlage darstellte. Jetzt mögen Landolt und Schöttli einen kurzfristigen Sieg davon getragen haben. Am Schluss aber werden alle verlieren, die an einer farbigen Fankultur interessiert sind. Für die USL ist deshalb klar, dass sie sich den neuen Bestimmungen nicht beugen werden. Ohne kreativen Freiraum keine Choreos – alles andere wäre ein Verrat an unseren Überzeugungen!


13

Choreo-Bewilligungen

2:0-Heimsieg in der Vorrunde gegen den FC Basel - auch dank dieser Choreo?

Wunderwaffe Choreo Dienen Choreos nur der Selbstinszenierung selbstverliebter Fans? Mitnichten! Die folgende kleine Statistik zeigt, wer tatsächlich für den zeitweiligen Höhenflug des FC Luzerns in der Rückrunde verantwortlich ist. Verstärkungen, die in der Winterpause geholt wurden? Unwichtig! Ciriaco Sforzas ausgeklügelte Taktik? Vergesst es! Die wahren Erfolgsgaranten sind an ganz anderer Stelle zu suchen... Choreospiele: FC Luzern - Sion 2:0 FC Luzern - Zürich 2:0

(Fahnenmeer) St.Gallen - FC Luzern 0:0 FC Luzern - Young Boys 1:1 FC Luzern - Grasshoppers 3:1 FC Luzern - Aarau 1:0 Zürich - FC Luzern 2:3

FC Luzern - Grasshoppers 1:6 FC Luzern - St. Gallen 1:1

Partien ohne Choreo: Basel - FC Luzern 1:0 (Spruchband-Zensur) Grasshoppers - FC Luzern 5:0 FC Luzern - Schaffhausen 0:0 Aarau - FC Luzern 4:1 FC Luzern - Thun 1:2 Thun - FC Luzern 2:1 Schaffhausen - FC Luzern 0:0

Augenfällig ist: Nie hat der FC Luzern verloren, wenn eine Choreografie plangemäss und ohne Einschränkungen durchgeführt werden konnte. Nie ging der FC Luzern als Sieger vom Platz, wenn die Fans keine Choreografie gezeigt haben.

Das Auswärtsspiel gegen den FC Zürich hat nach Redaktionsschluss stattgefunden.

Alles Zufall? Mitnichten!


14

In eigener Sache

Jan Müller: «Lucerne till I die» Nach eineinhalb Jahren als USL-Präsident hat Jan Müller seinen Rücktritt bekanntgegeben. Im Stelzbock zieht der 25-Jährige seine ganz persönliche Bilanz. Viel hat sich rund um den FCL und die Fanszene Luzern getan. Was war dein persönliches Highlight als USL-Oberhaupt? Sportlich bleiben vor allem der Aufstieg und der kürzlich gewonnene Cuphalbfinal in Zürich positiv in Erinnerung. Aus Sicht der USL denke ich gerne an das Cupspiel in Chiasso zurück, wo wir mit 10 Cars eingefahren sind. Die grösste Freude bereitet mir aber die Entwicklung unserer Choreographien. Quasi von Null auf Hundert realisierten wir 2005 die Cupfinalcho-

reo. Seither haben wir uns stetig weiterentwickelt. Die Details wurden von mal zu mal verbessert und mittlerweile dürfen wir sicher von uns behaupten, regelmässig Akzente in den Schweizer Stadien zu setzen. Das klingt ganz nach Friede, Freude, Eierkuchen. Was waren die negativen Höhepunkte? Die 0:3-Niederlage in Kriens war sicherlich einer der ganz tristen Momente. Im ersten Jahr meiner Amtszeit mussten die USL leider häufig dagegen ankämpfen, als Fanvertreter nicht ernst genommen zu werden. Sowohl der FC Luzern wie auch die weiteren Parteien haben uns erst nicht als seriösen Gesprächspartner betrachtet. Die mittlerweile gewonnene Akzeptanz mussten wir uns hart erarbeiten.

Jan Müller im Berner Wankdorf.

Wurdest Du auch persönlich enttäuscht? Ja. Wir mussten wochenlang negative, undifferenzierte Berichterstattung in der Öffentlichkeit über die Ausschreitungen über uns ergehen lassen. Wann auch immer ich in Interviews explizit auf gewisse Schwerpunkte hingewiesen habe, am Ende wurde es doch nur so zurechtgelegt, wie es den Medienleuten gerade passte. Das war oftmals frustrierend. Du sprichst die Öffentlichkeitsarbeit an. In jüngster Zeit war sehr viel über dich zu lesen und hören. Macht es dir nicht auch durchaus Spass, im Rampenlicht zu stehen? Man muss einfach sehen, wie sich das ganze entwickelt hat. Anfangs Saison führten wir 43 Mitglieder, mittlerweile aber sind es 238! Das bedeutet eine Menge Verantwortung, einerseits gegenüber den Mitgliedern und der Fanszene, aber auch gegen aussen. Als grösste Fanorganisation und Sprachrohr für die aktiven FCL-Fans kann man nicht einfach schweigen, wenn man gerade keine Lust hat zu reden. Äussern wir uns nicht, werden irgendwelche andere gefragt. Und das hat auch schon genug für Ärger gesorgt... Wir wollen transparent und offen informieren. Das heisst allerdings nicht, dass wir


15

Fan-Kurven zu jedem Käse Stellung nehmen. Wir melden uns immer dann, wenn wichtige Anliegen von uns im Spiel sind.

tig, klarzustellen, dass ich sicher nicht mehr Freizeit opfere, als die Leute, die sich um die Choreografien kümmern!

Wie hoch ist der Aufwand für den Mann an der USL-Spitze? Ist der überhaupt zu beziffern? Nicht wirklich, das ist total unterschiedlich. Manchmal kann das ein Telefon pro Tag sein, manchmal zwanzig. Dann gibt es die eine oder andere abendliche Sitzung, Round Table usw. Es ist mir aber wich-

Bleibst Du dem FCL und der Fanszene erhalten? Und wenn ja: In welcher Form? Soviel ändert sich gar nicht, wenn man mal von der Öffentlichkeitsarbeit, die nun dem nachfolgenden Präsidenten übergeben wird, absieht. Stellvertretend für USL werde ich den uns zustehenden Sitz im Trä-

gerverein des Fanprojekts Luzern einnehmen. Du bleibst also Luzerner... …‘till we die. Oder ‘till I die… Darf ich noch ein paar Worte an die Luzerner Fans richten? Selbstverständlich... Ich hoffe, dass alle Leute ihre Kräfte ins Stadion legen und nicht ausserhalb. Und ich möchte mich bei der gesamten Szene bedanken für die Unterstützung!

„Lozärn för emmer“ «Mit

gesänge als Kinderlieder singend hat nun auch sie bereits fast jeden Ground der aktuellen Super League besucht.

Auch die Tatsache, als 12Jährige keine Kollegin zu haben, die mich an Auswärtsfahrten begleiten würde, hielt mich nicht davon ab, durch die Stadien der Schweiz zu hoppen. Dazumal wurden die Carfahrten noch vom FCL selber organisiert und hochoffiziell per Brief bestätigt!

Sich als Frau in die Szene einzubringen und da-

Je medienpräsenter der Gegner, umso mehr wird das Stadion zum Catwalk des weiblichen Geschlechts.

Heute, einige Jahre älter geworden, ist bereits die eigene nächste Generation am Start. Seit dem zweiten Auswärtsspiel der Vorrunde im Berner Wankdorf ist meine Tochter – umgangssprachlich Maus genannt – regelmässig mit von der Partie. Lieber Fan-

bei ernst genommen zu werden, braucht viel Interesse an der Sache. Je medienpräsenter der Gegner, umso mehr wird das Stadion zum Catwalk des weiblichen Geschlechts. Sich jedoch nur durch Auffallen oder Trunkenheit zu

zwölf wurde ich vom FCL-Fieber angesteckt, bis heute bin ich infiziert.

profilieren, wird von der Männerwelt fei belächelt und von den Szenenkennerinnen verachtet. Daher sind gute Freundschaften und gegenseitiger Respekt wichtig. Diesen verdient man sich unter anderem durch Mithilfe beim Erstellen der Choreos. Da geht es nicht darum, sich selber zu profilieren, sondern darum, mit Willen und viel Arbeit und Zeitaufwand gemeinsam etwas Grossartiges zu schaffen. So wird schon mal die Tochter ins «Malergwändli» gesteckt, um die Choreos mit ihren Eigenkreationen unsicher zu machen. Kreativität sei Dank ist auch meine Tochter zu einem entsprechendem optischen Auftritt gekommen. Angefangen mit einem


16

«Aufsteigerjungs»-Shirt hängen nun bereits einige selbstgenähte 1901-Unikate in ihrem Kasten. Die werden nicht nur zu den jeweiligen Auswärtspielen, sondern auch stolz im Kindergarten getragen. Zu den Auswärtsspielen geht’s wenn immer möglich zu zweit. Kommt meine Tochter mal nicht mit, werde ich sofort mit Fragen überhäuft, WO sie denn bleibe. Die Fahrten an die Spiele sind zum Kult geworden und erzählen jedes Mal eine eigene Geschichte. So kommt es vor, dass Maus regelrecht mit Süssigkeiten überhäuft wird und der eine oder andere Mitreisende wurde schon mal zum spontanen Reise-Spielgefährten.

Fan-Kurven

Ob ich nicht Angst habe, mit einem Kind die Spiele zu besuchen, wurde ich schon oft gefragt. Ich gehe an jedes Spiel mit dem nötigen Respekt, aber Angst hatte ich bis heute noch nie. Durch das Besuchen der Spiele kennt man sich in der Kurve und somit auch meine Tochter. Supportet wird immer ganz vorne, und so wird schon mal, ohne grosse Worte, der Tochter Platz gemacht. Bei gewissen Partien mit grossen Emotionen ist vor allem an die Vernunft der Eltern zu appellieren. Bis heute wurden wir in keine Ausschreitung involviert, obwohl wir an den besagten Spieltagen immer anwesend waren. Jeder, der Gewalt sucht, wird sie finden. Aus meinen Erlebnissen her kann ich jedoch

berichten, dass man nicht Teil des gewalttätigen Geschehens wird, wenn man nicht schaulustig stehen bleibt oder mit Sprüchen provoziert. «Lozärn för emmer», dieses Motto wird sich nun wohl auch durch das Leben meiner Tochter ziehen. In einigen Jahren wird klein Maus von ihren unvergesslichen Erlebnissen und den unzähligen (Cup)-Siegen zu erzählen wissen. Wie bei mir dazumal die Meisterfeier, das Spiel anno 93, als Basel zuhause 4:1 geschlagen wurde oder das sicherheitsmässig beeindruckende Spiel 1992 auf der Allmend gegen Feyenoord im UEFA Cup, das 1:0 gewonnen wurde. Lunic & Maus


17

Fansicht

Fansicht deckt auf

«Ohne ID in der Hauptstadt - König Helbling steht Schachmatt!»

Den Medien auf die Finger schauen und willkürlichen Stadionverboten auf den Grund gehen - das will fansicht. ch. Doch wie sieht sie aus, die FanSicht? Und wer steht hinter dieser Aktion? Spätestens seit der Vergabe der EURO 08 an die Schweiz und Österreich hat sich der Fussball zu einem hochkommerziell vermarktbaren Produkt gewandelt. Gespielt soll nicht mehr in zwar veralteten, dafür umso charmanteren Stadien werden, sondern in hoch modernen, nach Marketingstrategien konzipierten Arenen, wo sich plötzlich auch Bankmanager und andere langjährige, treue Fussballfans zum Business-Lunch in den Businesslounges treffen. Der Vorbildfan von

heute ist nicht mehr laut, wild und positiv fanatisch, sondern ein sitzender, brav klatschender, SponsorenFähnchen schwingender Kunde eines Fussballunternehmens. Für die Stimmung sorgt nach den Vorstellungen der Eventplaner mittlerweile die wunderbar laute Stadionmusik. Pauschalisierung Durch diese negative Entwicklung des modernen Fussballs verwundert es nicht, dass von Verband, Vereinen und Medien ein bis dato unbekanntes Feindbild geschaffen wurde: «Hooligans. Ultras. Gewalttäter. Chaoten.» Oder einfach Fussballfans. In der Wahl der Bezeichnung ist man hier völlig frei, für viele Medien und deren Leser sind diese frei austauschbar. Denn schliesslich ist eh alles dasselbe. Aktive, kritische

Fussballfans, die an einer lautstarken, kreativen und unabhängigen Kurve interessiert sind, werden ausgesperrt. Stadionverbote, egal ob in Zürich, Basel, St. Gallen oder - allerdings deutlich seltener - bei uns in Luzern. Teils geringe Regelverstösse werden zum Anlass genommen, die Repressionsschraube anzuziehen, die Stadionverbotspraxis noch härter anzuwenden. Viele mit Stadionverbot belegte Fans wurden Opfer einer Verwechslung, einem kollektiv oder willkürlich verhängten Verbot. Ein Stadionverbot, gestützt auf das Hausrecht ausgesprochen von einem privaten Veranstalter, wird von keiner juristischen Stelle überprüft. Wer zu Unrecht ausgesperrt wird, kann dagegen kaum vorgehen. Die von Pascal Claude* anfangs Jahr ins Leben ge-


18

Fansicht

rufene Initiative Fansicht hat zum Hauptziel, offensichtlich willkürliche Stadionverbote aufzudecken und zu veröffentlichen, eine faire Anhörung und natürlich eine Auflösung des Stadionverbotes zu erzielen. Auch sammelt Fansicht Presseartikel und hinterfragt die von (fast) allen Medien pauschal transportierte Meinung «Fussballfans = Verbrecher» sehr kritisch. Dass Fansicht eine in den Szenen breit abgestütze Plattform ist, zeigt die Tatsache, dass neben den United Supporters auch die Dachverbände 1879 (FC St. Gallen), Ostkurve (Young Boys), Muttenzerkurve (FC Basel), Südkurve (FC Zürich) und Blue Side (Grasshoppers) sowie seit kurzem auch die Winterthurer Bierkurve als Träger auftreten und der

Initiative dadurch Gewicht verleihen. Der direkte Kontakt in die Kurven ist ein für Pascal Claude sehr wichtiger Punkt: «Bei Willkür und Repression, aber auch bei undifferenzierten Presseberichten ist Fansicht für eine Veröffentlichung oder Richtigstellung zur Stelle.» Ganz wichtig sei aber, dass Betroffene immer zuerst eine vereinsinterne Lösung suchen. «Sucht das Gespräch mit den Sicherheitsverantwortlichen, holt euch Hilfe und Tipps bei der lokalen Dachorganisation USL.» Erst wenn man auf taube Ohren stosse, sei der Kontakt mit Fansicht angezeigt, «Denn man kann viele kommunikationswillige Sicherheitschefs verärgern, wenn ein Fall voreilig publik gemacht wird», warnt Pascal Claude. Den Mut haben,

sich gegen ein willkürlich ausgesprochenes Stadionverbot oder übertriebene Polizeigewalt zu wehren, sei wichtig. Sich nicht einschüchtern zu lassen durch den für viele Fans unbekannten Umgang mit der Polizei. Wer sich über die Rechte eines Fussballfans informieren will, findet detailierte Informationen auf www.fansicht.ch. Besserer Umgang Seit die Initiative im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, habe sich der Umgang mit Sicherheitsverantwortlichen der Vereine positiv verändert, bemerkt Pascal Claude. Die Kommunikation sei «anständiger» geworden, Anfragen würden schneller und weniger schoddrig beantwortet.

Konfliktpotenzial schon vor dem Anpfiff: Die Vorschriften, was ins Stadion darf und was draussen bleiben muss, sind äusserst rigide.


Fansicht Deshalb existiert berechtigte Hoffnung, dass in Zukunft Fanangelegenheiten sauberer und ernster bearbeitet werden. Leider ist speziell von Seiten der Medien das Interesse, die Entwicklungen des modernen Fussballs kritisch zu hinterfragen und Meldungen über angebliche «Gewaltexzesse» differenziert zu betrachten, immer noch sehr minim.

wurde, als alle Szenen schweizweit gegen die undurchdachte und praxisferne Auswärtsregistration protestierten und damit im Herbst 2006 «König» Helblings Kopf ins Rollen brachten. Darum heisst es, kämpfen für eine Fankultur, die nicht sterben darf. Für Pascal Claude ist der Weg, der in Zukunft eingeschlagen werden muss, klar: «Der Knüppel, sprich

Lobby fehlt

«Der Knüppel, sprich Null-Toleranz-Strategien haben nichts gebracht. Die Vereine müssen einen grossen Schritt auf die Kurven zumachen, in die Fanarbeit investieren.»

Diese Umstände prangert Pascal Claude stark an: «Aktiven Fussballfans fehlt die Lobby. Es wird versucht, eine EM-Euphorie zu initiieren, alle in dieselbe Richtung zu lenken und stellt dabei Fussballfans, die an einer „wilden“ Kurve interessiert sind, durch Pauschalisierungen und Gewalterfindung ins Abseits.» Gerade mit dem neuen Hooligangesetz «Hoogan» und den Bauprojekten wird die Repressionswelle auch in Zukunft, über den von aktiven Fans mittlerweile fast schon verhassten Grossevent vom nächsten Sommer hinaus nicht abnehmen. Die grosse Chance aktiver Fussballfans liegt darin, dass der Fussball in der Schweiz zu wenig Bedeutung hat. Es gibt keine grossen Spieler, die Eventfans und Fussballkonsumenten ins Stadion zu locken vermögen. Bei gross angelegten Boykottaktionen bleiben Kurven und damit auch die Stadien leer, wie im letzten Sommer bewiesen

Null-Toleranz-Strategien haben nichts gebracht. Deshalb geht es in Zukunft nur über verstärkte Fanarbeit. Die Vereine müssen einen grossen Schritt auf die Kurven zumachen, in die Fanarbeit investieren, damit sich Kurven mit dem Verein voll und ganz identifizieren können.» * Pascal Claude ist der Mann, der fansicht.ch koordiniert und ins Leben gerufen hat. Er schreibt zudem die lesenswerte Fussball-Kolumne «Knapp daneben». Diese erscheint wöchentlich in der WoZ.

19

Dafür steht fansicht.ch Die Aktion Fansicht verlangt ein Schiedsgericht für Stadionverbote. Dieses stellt sicher, dass bei der Erteilung von Stadionverboten sorgfältig vorgegangen wird und Willkür keine Chance mehr hat. Fansicht sammelt zudem Beispielfälle, macht diese öffentlich und vermittelt zwischen den beteiligten Parteien. Das Endziel ist dabei immer, eine faire Neubeurteilung der Angelegenheit zu erwirken. Fansicht informiert auf ihrer Website zudem ausführlich und kompetent über die Rechte der Fussballfans. Erläutert wird, wie ein Stadionverbot rechtlich zu qualifizieren ist und wofür welche Stellen von Vereinen und Liga zuständig sind. Der gesamte Ablauf ist so transparent und leicht nachzuvollziehen. Weiter hat Fansicht den ganzen Themenkomplex «Datenschutz» übersichtlich aufbereitet. Fansicht versteht sich jedoch klar nicht als Organisation, welche Stadionverbote pauschal bekämpfen oder die Sicherheit in den Fussballstadien untergraben will. Deshalb lehnt das Projekt Gewalt, Rassismus und Vandalismus entschieden ab. Weitere Infos: www.fansicht.ch


20

Shopinfos

Cupfinal: Schal und Shirt

Cupfinal-Schal mit Choreomotiven, CHF 20 (CHF 5 Rabatt für Mitglieder).

Cupfinal-Shirt mit Choreomotiven, CHF 25 (CHF 5 Rabatt für Mitglieder).

Weitere Artikel

NEU: Baseball-Caps

T-Shirt «Zibung - Luzern lebenslänglich» Seidenschal «Luzern 1901» Oldschool-Shirt

Normal- / Memberpreis CHF CHF CHF CHF

30 25 20 60

/ / / /

CHF CHF CHF CHF

25 20 15 50

Alle Artikel sind erhältlich im USL-Shop beim Stadioneingang zur Zone 2.

Anzeige

Du hast Video- oder Bildmaterial von den FCL-Spielen? Du filmst Choreografien, Ambiance und unsere Fans? Dann melde dich bitte! Der User «Filmcrew» im FCL-Forum (erreichbar unter www.fclforum.ch) freut sich auf deine Privatnachricht.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.