AUSGABE 01 2007
TE CHS O N Ä N DIE ERATI 01 G E N GABE AUS
STIJLROYAL DAS HEIMATMAGAZIN
TRÄUM WEITER
inhalte was drin ist in jener ausgabe.
004-005 | editorial
die herausgeber geben senf auf die worscht
006-007 | editorial
gieskanne auf pfahl. gründe für stijlroyal
008-013 | wiesbaden 014-015 | saison 016-021 | möbeldesign 022-023 | blogging 024-025 | modedesign 026-029 | styling 030-033 | gestaltung 034-035 | stijlinismus 036-037 | kolumne 038-041 | wiesbaden
eine straße | am römertor bonbonbombardement klassisches von lambert investigativ | der problembär auf stijlroyal.de die silberfischerei schönschräg kann auch anders instijl | michel rubner kauf dir den baron platipussy über silikon le schmuckstück | der platz der deutschen einheit
042-043 | collinarium
apulien, lamm und ein wein
044-045 | produktion
drucktechnisches von unseren seltersdruckern
046-047 | typografie 048-049 | grafikdesign
din-schrift und koenigsbrueck hüllengestaltung
050-051 | gedrucktes
getüme von lisa röper
052-053 | gestaltung
insekten | inox kapell
054-055 | lebensmittel
der große senftest
056-057 | kolumne
legendäre bahnstrecken
058-059 | märchen
die abenteuer des kleinen schlozz emil bienenschlau
060-61 | impressum 062 | zum schluss
und die lieferantenliste bis neulich
JØRG HAAS ROYALKOMM
Zum Wohle dieser Geschmacksveranstaltung setze ich gerne mal Ich und Über-Ich der gnädigen Kritik aus, dachte ich mir als ich mal wieder die Nacht zum helllichten Tage gemacht und durchgearbeitet habe. Gegen Ende eines Prozesses, kann man oft die Details nur noch schemenhaft erkennen und dann muss man Meinungen einholen. Doch befinden wir uns mit dem Magazin noch am Anfang und weil das so ist, schlachten wir hiermit unsere Ambitionen Ausgabe für Ausgabe aus, bis nur noch das blanke Gebein in der Sonne zum Bleichen darniederliegt. Aber bis es soweit ist, macht es Euch bequem und lest alles aufmerksam durch und bastelt Euch anschliessend Papierflugzeuge aus dem Produkt. Jørg Haas | ROYALKOMM.DESIGN***
CHRIS BÜRGER SCHÖNSCHRÄG
Na leck mich doch am Arsch, denke ich mir jeden Morgen, wenn ich die zahlreichen Magazine anschaue, die bei uns im Laden rumliegen. Das ist ja alles ganz schön, oft eher öde, aber das Problem, das ich mit all diesen Heftchen habe, ist, dass ich nicht dran teilnehme(n kann). Das Problem wäre hiermit gelöst, auch wenn ich feststelle, dass es gar nicht so einfach ist, einfach mal was Gutes zu machen für so ein Magazin. Huch! Und das Beste ist, die ganze Anzeigenkundenbeschaffungsrennerei haben wir uns gespart und das Ganze unter uns ausgemacht. Da hat man was von, weil man dann ungebremst seinen Senf dazu geben und mal so richtig Gas geben kann. HAR HAR HAR. dacht ich’s mir doch. Viel Spaß beim Lesen. Christian Bürger | SCHÖNSCHRÄG
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editorial die guten gründe der stijlinisten.
OSCAR FEUILLETON
Jeden Tag und jahrelang sich mit den gleichen Themen zu beschäftigen, jeden Tag über dieselben Themen nachzudenken, verschafft sicherlich großes Wissen und Professionalität, ist aber auf Dauer einseitig. Man verliert den Bezug zum Alltäglichen. Über neue Themen nachzudenken, sich damit zu befassen, darüber zu schreiben oder einfach darüber zu diskutieren, stellt den Menschen vor neue Herausforderungen, denn: die Welt ist nicht so, wie man denkt. Man denkt immer, es ist keine Zeit über Themen nachzudenken, mit denen man außerhalb des Berufslebens konfrontiert wird. Aber gerade sich mit Aufgaben, Thematiken befassen, sich anzunähern und zu vertiefen, das verschafft einem den Weg, die Zusammenhänge zu begreifen. Man sieht die Angelegenheiten von einem anderen Standpunkt, von einem anderen Standort. Die Gegebenheiten bekommen eine neue und andere Ästhetik. Man erhält das Gefühl, die Themen, die Gegenstände nie gesehen zu haben, man meint, sie gerade erst zu entdecken: die Schönheit, den Stijl neu zu erleben. Und wenn man diese Themen mit unterschiedlichen Personen mit verschiedenen Lebenshintergründen diskutieren und bearbeiten darf, ist das ein Glücksfall! Das ist für uns eine große Herausforderung und eine wunderbare Erfahrung, die Dinge anders zu sehen. Sabine Schulz | M. Seyed Mortazavi | Oscar FEUILLETON
STEFFEN LEHN SELTERSDRUCK
Das Leben eines Druckers mit einem guten Auftragsvolumen ist durchdrungen von zeitaufwendigen Arbeiten, Telefonaten, Stressereien und jeder Menge Alltagswahnsinn. Da dachte ich mir, warum schaffe ich mir einfach nicht noch mehr Arbeit und Alltagswahnsinn und werde Mitherausgeber eines Magazines, nämlich diesem hier. Nun haben wir mit dieser Plattform die Möglichkeit, einfach mal den Menschen neue oder interessante Druckverfahren zu präsentieren. Mal spektakulär oder mal, wie in dieser Ausgabe, einfach gut gemacht. Da können wir zeigen, dass wir ein solides Handwerk mit flexibler Dienstleistung gut verbinden. Ich bin gespannt, sollen es die Leserinnen und Leser auch sein. Steffen Lehn | SELTERSDRUCK
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gieskannenprinzip was man nicht alles macht, nur weil man es schon immer mal machen wollte.
TEXT VON JØRG HAAS
Ich liege mit jeder Menge schleimiger Substanzen im Bette und huste so vor mich hin. Und wenn die Finnin da ist, huste ich (aus Versehen) die Finnin an. Die Finnin sagt dazu nichts. Sie findet das normal. Sie sagt: "Trink diese chemische Aufbereitung, sie wird dir gut tun!" Ich gehorche ihr blind. So blind wie Stevie Wonder. Wenn die Finnin sagt, trink, dann trinke ich und wenn ich einen Strohhalm habe, dann entsteht zum Schluss sogar dieses krööötschende Geräusch, das man besonders vom Milchshaketrinken her kennt. Neulich habe ich erfahren, dass sich nur in seltenen Fällen Milch im Milchspeiseeis befindet. Das finde ich befremdlich, ist aber gut für die Laktoseallergiker, die immer zahlreicher werden. Das ist mein ganz besonderer Alltag. Wie ich also mit ausgestreckten Beinen aufrecht im Bett sitze, das Appleprodukt auf meinen Knien, ich im Schlafanzug aus Frottée mit bunten Elefanten drauf. So sieht's nun mal aus. Das kann man nicht ändern, ein anderes Bild abzugeben ich nicht im Stande bin. Sorry. Leider. Leider leider leider. Manchmal träume ich davon auf einem Klavier funky songs zu spielen. Auf einem Piano, welches auf dem Sonnendeck eines tuckernden (aber nicht zu laut tuckernden, sonst hört man das funky Piano nicht!) Schiffchens steht. Damit fahre ich durch die Lande. Durch eine Itzi Bitzi Fitzi Welt, wo die Rasenflächen noch begehbar sind und die Menschen noch Flusen im Kopf haben. Das Schlimme ist nur, das träume ich nicht nur manchmal, das träume ich immerzu. Jeden Tag und jede Nacht. Neulich wollte ich was über Tom Sawyer und Huckleberry Finn schreiben, aber ich konnte nicht, weil ich mich permanent am Piano sitzen sehe. In einer Welt aus ikebanaesquen Lilien und Affen, die sich in der Achselhöhle kratzen. Das ganze Programm. Und genau das ist auch der Grund, warum es nun STIJLROYAL gibt. Wir haben sie nicht mehr alle und ich zuerst.
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FELIX GENZMER * 22. november 1856 in labes/pommern † 6. august 1929 in berlin-dahlem war ein deutscher baumeister und architekt, zudem ein bedeutender vertreter des späthistorismus und arbeitete vor allem in wiesbaden und berlin. als stadtbaumeister von wiesbaden war er in den jahren 1881 bis 1903 für große teile der damaligen stadtplanung verantwortlich (wie z.b. feldherrnviertel, rheingauviertel oder dichterviertel) er entwarf viele der gebäude selbst, darunter mehrere schulen, das foyer des hessischen staatstheaters (1902), das römertor (1902) sowie platzgestaltungen wie die marktunterkellerung (1899-1901) oder verschiedene versorgungsbauten. durch sein wirken prägte er wesentlich das stadtbild der heutigen hessischen landeshauptstadt.
AM RÖMERTOR Als Kind im zarten Alter dachte ich natürlich, das Römertor wäre von den Römern erbaut worden. Das Römertor an der Coulinstraße oder wie man hier sagt: Kuhlienstraße. Wie man auch Troddewah statt Trottoir sagt. Dort, knapp am Römertor schlängelt sich ein kleines Fleckchen alte Stadt den Hang hinunter und mündet in der Langgasse. Dort trutzen die Reste der ehemals ca. 15 km langen Heidenmauer seit dem 4. Jhdt. dem Zahn der Zeit. Der Name kommt daher, dass man lange glaubte, die Mauer sei zum Schutz gegen die Germanen angelegt worden. Jüngere Erkenntnisse deuten aber darauf hin, dass es sich dabei um Reste einer Wasserleitung handelt, die sowohl ein im 1. Jhdt nach Chr. erbautes Steinkastell auf dem Heidenberg (etwa in Höhe der heutigen Kastellstraße, am oberen Ende der Schwalbacher Straße), als auch in der Fortführung der Wasserleitung unter Kaiser Valentinian I das Castellum Mattiacorum (Mainz-Kastel) mit Wasser versorgte. 1902-1903 wurden die Reste der Heidenmauer aufgrund des Baus der Coulinstraße durchbrochen. Der Architekt Felix Genzmer ließ an dieser Stelle das Römertor errichten, eine überdachte Holzkonstruktion im romanisierenden Stil. Anfang der 1980er Jahre wurde durch einen Treppenaufgang auf der Talseite und einen neuen Steg auf der Bergseite das Römertor als Fußgängerüberquerung nutzbar gemacht, was zur Folge hatte, dass es von unmotivierten Filzstiftbesitzern bis zur Unkenntlichkeit vollgeschmiert wurde. Unterhalb des Römertores wurden Kopien von in Wiesbaden gefundenen Grab- und Gedenksteinen sowie Schrifttafeln aus der Römerzeit aufgestellt und so ein kleines Freilichtmuseum geschaffen.
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am römertor ein gutes altes stückchen wiesbaden.
BILDER VON CAROLINE LÖW
Am Römertor
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WIE SONDERBAR UND FREMD DU BIST DU ALTE STADT MATTHIAKER WIE WARM UND HEIMATLICH ERGEBEN, WIE ANDERS ALS DIE ANDEREN, DIE NAMENTLICH ERWÄHNTEN, HOHEITLICHEN ANSAMMLUNGEN VON STATEMENT, MODERNE UND KULTUR. EIN KLEINER SPINNER BIST DU. NIMMST MIT SCHWERE NUR DAS FREMDE AUF UND WÄREST DOCH SO GERNE DIE GELIEBTE DER GANZEN WELT. SEI EINEN MOMENT AM TAG DU SELBST.
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bonbon Helau. Es kommt, was kommen muss. Und es kündigt sich ja schließlich lange genug an. Seit dem 11.11. des jeweiligen Vorjahres sind die Damen und Herren aus den einschlägigen Kreisen außer Rand und Band. Da fragt sich der geneigte Fastnachtsmuffel natürlich: was machen die eigentlich die ganze Zeit? Und möcht‘s dann auch gleich gar nicht mehr wissen. In preussisch militaristischer Tradition wird jedenfalls gegrüßt, geschrien, getrommelt und der Marsch geblasen. Humba Humba Täterä. Die besten Lieder der Region stammen allesamt aus der Feder des legendären Dachdeckermeisters Ernst Neger, der allen politisch korrekt motivierten Ansinnen, seinen Namen in Schwarzer zu ändern, Widerstand leistete. Genau diese Mischung aus marschorientiertem Tammtamm und sinnentleerter Blödelei im Einklang mit strengsten Regeln, wie und wer wann und warum zu grüßen ist oder des Saales verwiesen werden muss, macht Fastnacht aus. Und genau das ist das Problem. Aufgesetzte Fröhlichkeit zu genau jenem Termin und danach wieder deutsch dröges Einerlei, als gäb‘s postaschermittwöchentlich nichts mehr zum Schenkelklopfen. Es ist diese eigenartige, steife Unfröhlichkeit, die mich schon immer am Ganzen gestört hat. Von weitem hört sich ein deutscher Fastnachtsumzug eher beängstigend an. Paukenschlagenes Gewummer und dazu unmotivierte Helaurufe, als wären die Zuschauer zwangsrekrutiert worden. Allenfalls bei übermäßigen Alkoholkonsum steigt die Stimmung an, dann aber Helau und Alaaf zu gleichen Teilen. Nähert man sich indes dem Umzugstreiben,
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fallen Kinder und Erwachsene auf, die sich gierig auf in die Menge gepfefferte Bonbons werfen und bereit sind jeden, der sich in den Weg stellt, umzubringen. Fröhlichkeit wird groß geschrieben. Vielleicht liegt das alles aber auch daran, dass Wiesbaden innerhalb und außerhalb der Fastnacht nicht gerade die Hochburg der Vergnügtheit ist. Man hat andere Qualitäten, die Ausgelassenheit ist es nicht. Und das ist auch gar nicht schlimm. Aus diesen Gründen wird man auch von den benachbarten Mainzern Jahr für Jahr als die ”Eebsch Seit‘” bezeichnet. Anderswo ist es jedoch auch kein Zuckerschlecken. Zwar ist es immer mit einigem Schmunzeln zu betrachten, wenn niederrheinische Jecken mit Jean-Pütz-Schnurrbart im altertümlichen rot/weiß geringelten Badeanzug sich um Kopf und Kragen benehmen. Das ist nicht die Neuerfindung des Humors, hat aber dann und wann was Wahrhaftiges. Da passt es auch hin. Die sind auch sonst so und warum sollten die ausgerechnet an Karneval anders sein. Wenn man jedoch Leuten schon am Gesichtsausdruck und der Faltenbildung
bombardement fastnacht - termingerecht fröhlich sein.
EMPFUNDEN VON CARL FREUDENBERGER
in den Mundwinkel ansieht, dass sie es sonst mit der Lässigkeit auch nicht so genau nehmen, dann wirkt der Frohsinn gestelzt. Außerdem sehen ältere Männer im Anzug mit Narrenkappe und junge Frauen in preussischer Militärkluft nicht lustig aus. Aber vielleicht habe ich ja auch keine Ahnung, vielleicht weiß ich einfach nicht Bescheid. Seufz! Mit dem festen Vorsatz einen positiven Aufsatz über Fastnacht zu schreiben, wurde an die Sache herangegangen, doch dann kamen die Erinnerungen hoch. Vollgesoffene Herrschaften mit Erbrochenem am eigenen Leib und bar jeden Bewusstseins in Mainz und als Kind in Wiesbaden einem fiesen Bonbonbombardement mit Bonbons aus konzentriertem Zucker mit Ananasgeschmack ausgesetzt. Da konnten die hundesohnmäßigen Tage in Kiedrich auch nichts mehr ausrichten. Denn Kiedrich, zwar nicht berühmt als Karnevalshochburg, ist etwas ganz Besonderes. Dort wird der Zuschauer nämlich nicht mit Bonbons beworfen, sondern er bekommt von beschwipsten Karnevalisten bei Tiefsttemperaturen kühlen Wein in den Ärmel gegossen. Und wenn man Glück hat, ist man am Ende stockbesoffen und wird von anderen Stockbesoffenen verprügelt oder wenigstens angepöbelt. Man kann aber auch Pech haben. So! Genug geflennt. Man sagt mir, ich solle nicht zu düster und abwertend berichten, es sei ja schließlich
Fastnacht. Es ist ja auch nicht böse gemeint, vielleicht könnten mich fanatische Spaßfraktionsanhänger fürs nächste Jahr überzeugen. Die mir ureigene Seele, eine Mischung aus Altersstarrsinn und Neugierde, will überzeugt werden. Doch meistens erntet man Hass und Verachtung, weil man ES nicht begriffen hat. Und trotz aller Unkenrufe abschaffen sollte man das Fest auch nicht. Immerhin ist im Kern ja Frohsinn angesagt. Früher war die Vorfreude kaum auszuhalten, bis man endlich im Indianerkostüm und mit dem Ruf „Kreppel raus, Kreppel raus oder wir schießen ein Loch ins Haus!“ losziehen durfte, um frühmorgens die von Feierlichkeiten gezeichneten Menschen aus dem Bett zu bimmeln. Warum man da nicht mindestens jedes zweite Mal nach Strich und Faden versohlt wurde, ist mir bis heute ein Rätsel. Vielleicht liegt‘s am Ereignis an sich oder am Restalkohol oder (ja... ist ja schon gut...) an der Freundlichkeit und Güte der Fastnachter. Eigenschaften, die für einen Räsonierer wie mich natürlich einer gewissen Fremdworthaftigkeit nicht entbehren. Ein alter Freund von mir hat erzählt, er habe angesichts seiner selbst im Cowboy-Kostüm, schon mal vor lauter Aufregung in die Hosen gemacht. Da muss also was dran sein an Fastnacht, Fasching, Karneval. Ich überlege noch. Helau!
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pracht und
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grandezza die lambert klassiker.
TEXT VON SABINE SCHULZ
Das Lebensgefühl steht heute im Mittelpunkt. Individualität zählt und das Interieur ist ihr Ausdruck. Das war nicht immer so. Als Gunther Lambert in den sechziger Jahren damit begann, eine Kollektion aufzubauen, in der sich Stile und Kulturen mischten, war die Welt noch fest in der Hand von Schrankwand-Propheten und Verfechtern der Einbauküche. Funktionalität hieß das Zauberwort und die Hausfrau verschwand zum Kochen in einer anonymen Schaltzentrale.
Mittlerweile sind diese Produkte selbst ein Teil der Wohngeschichte. Heute hat sich die gestalterische Offenheit durchgesetzt, genauso wie eine bewusste Wertschätzung für alles Handwerkliche. Viele Menschen sammeln auf Reisen lebendige Eindrücke und haben das Fremde längst in ihr Weltbild integriert. Dabei können aktuelle Begriffe wie „Cross-Over“ und „East meets West“ nur eine Ahnung von der Vielfalt vermitteln, die sich aus dem Zusammenspiel persönlicher Einzelstücke ergibt.
Im Wohnraum wurde die Anziehungskraft des Virtuellen entdeckt und der Fernseher ersetzte bald den Kamin als magischen Brennpunkt. Fast hatte man die Zeiten vergessen, als sich die Familie am liebsten in der Wohnküche traf und man Möbel und Accessoires noch mit den Händen schuf.
Ethno und klassische Moderne; der Charme frühindustrieller Entwürfe, gepaart mit modernem Minimalismus und neuer Pracht und Grandezza; es scheint, als hätten die überraschenden Harmonien zwischen Materialien, formalen Traditionen und den unterschiedlichen Vorstellungen vom Wohnen die schnellen Moden endgültig abgelöst. Denn bei allen Fragen von Stil und Geschmack geht es mehr denn je um ein ganz menschliches Bedürfnis: sich im eigenen Umfeld einfach wohl zu fühlen.
Die Verwunderung war deshalb groß, als Lambert moderne Sessel und Sofas auf den Markt brachte, die man in Asien, am anderen Ende der Welt, aus naturbelassenem Rattan geflochten hatte. Er setzte wieder auf große Tische aus massivem Holz, an denen viele Gäste Platz fanden und warb für Gebrauchsgläser aus der Manufaktur, deren Form an der traditionellen Glaspfeife entstand.
Mit Neugierde, Toleranz und einem Sinn für die Stimmigkeit des handwerklichen Originals wird man dieses Ziel erreichen; diese Überzeugung bleibt ein fester Bestandteil der Lambert-Philosophie.
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VASEN CAMBODIA Die starken und dickwandigen Tongefäße der Khmer sind Lamberts Vorbild gewesen zu dieser Serie von Vasen, Töpfen und Schalen mit Objektcharakter. Wie ihre traditionellen Vorgänger werden diese Tonwaren noch von Hand auf der Drehscheibe getöpfert. Besondere Sorgfalt erfordert die Gestaltung der seidigmatten Oberflächen mit ihren erdigen Farbtönen. Die ölhaltige Glasur wird von Hand aufgestrichen und nach dem Brennen mit Lack veredelt. Die niedrigen Töpfe von Cambodia eignen sich als Vasen und Übertöpfe; die höheren Formen lassen sich als Bodenvasen und auch als Schirmständer gebrauchen. Unregelmäßigkeiten in der Lasur und Farbe sind möglich. Cambodia ist nicht frostfest und bedingt wasserfest.
SESSEL LOBBY Ein kleiner Clubsessel als elegante Verbindung aus Holz und Korb. Seine schlichte, kompakte Form erinnert an die zwanziger Jahre. Biegsames Rattan Core wird doppelwandig in den umlaufenden Rahmen aus Teakholz eingeflochten und mit einer Zierleiste verblendet. Das Geflecht ist lackiert. Auf seinen kegelförmigen Holzfüßchen steht Lobby gut im Salon, in Empfangsräumen und natürlich vor dem Kamin..
STEHLAMPE SWITCH-ON Diese Stehleuchte aus einer spanischen Kunstschmiede folgt in Form und Technik einem frühindustriellen Vorbild. Bis ins Detail werden nun wieder die alten Gelenkverbindungen hergestellt, die Switch on so wendig machen. Purismus auch beim Material: Stahl für das Gestänge, Eisen für den Fuß und Aluminium als Reflektor erinnern an die Zeiten, als der Strom noch nicht bei allen aus der Steckdose kam.
INDUSTRIE-HOCKER Dieser Drehhocker stand früher im Kontor und in Werkstätten, wo sich die Sitzhöhe schnell einer bestimmten Tätigkeit anpassen musste. Auch das Gestell aus feuerpatiniertem Eisenrohr ist ergonomisch gestaltet: Ein breiter Ring sorgt für den Halt der Eisenfüße und dient zum Abstützen. Die leicht gemuldete Sitzfläche wird aus Buche gedreht. Den Industrie-Hocker gibt es in zwei Höhen. Er eignet sich als moderner Klassiker für Wohn- und Arbeitsräume. Durch seinen sicheren Stand ist er nicht nur AushilfsObjekt, sondern überzeugt funktional und ästhetisch als vollwertiges Sitzmöbel, auch in der Gastronomie.
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LA FENICE – HÄNGELEUCHTE Der Lüster La Fenice, ein außergewöhnlicher Kronleuchter aus handgefertigten Glasfragmenten. Ihren poetischen Charme verdankt die neue Leuchte einem geordneten Chaos von frei geformtem Floatglas. In einem aufwendigen Brennverfahren und nur durch die perfekte Beherrschung des Schmelzvorganges entsteht die gewünschte surreale Form und hohe Transparenz des Glases. Durch den handwerklichen Zuschnitt fällt jedes Stück individuell aus; La Fenice erhält auf diese Weise einen unverwechselbaren Unikat- und Avantgarde-Charakter.
MARAKESH – VASE, DOSE MIT KERZE Getrieben und gehämmert: Nur durch handwerkliche Bearbeitung erhalten die melonenförmigen Marakesh Gefäße ihre unregelmäßige Form und edle HammerschlagOptik. Sie lassen sich als Vasen oder Kerzenhalter verwenden. Der Kerzeneinsatz ist nachfüll- und herausnehmbar.
STANHOPE - SESSEL, SOFA Lackleder steht für leicht verwegene Eleganz: Glänzend weich, kühl und platt bestimmt es den auffälligen Auftritt von Stanhope. Und wenn es altert, wird Lackleder besonders schön und erhält die Wertigkeit eines Cadillacs. Sein kubischer Korpus wird von dunkel gebeizten Füßen getragen. Die gepolsterte Rückenlehne schwingt bei Benutzung leicht nach hinten mit und erhöht die Bequemlichkeit für den „Besitzer“, da sie sich so optimal an die jeweilige Sitzposition anpasst. Durch die fast zierliche Gestalt schwankt die Funktion dieses Ledermöbels zwischen einem breiten Sessel und einem schmalen Sofa und ist auch für kleine Räume geeignet. Lackleder, glänzend beige, bordeauxrot, schokoladenbraun oder schwarz. Füße und Rahmen: Massivholz gebeizt, dunkelbraun.
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vom problemb채r der problemb채r berichtet: auf stijlroyal.de
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GEBLOGGT VON JØRG HAAS
AUS DEN BLOGS
ein auszug vom donnerstag, 29. september 2005. nachzulesen ist das komplette gedankengut fast täglich neu unter www.stijlroyal.de/ blogroyal und miniblog emil knipst platipussy
FREILICH KÖNNTE ICH MIR VORSTELLEN IN DER ZUKUNFT MIT EINEM GALLERARTIGEM ANZUG BEKLEIDET ÜBER DIGITALE PARKANLAGEN ZU FLANIEREN UND MICH ÜBER ALTMODISCHE DINGE WIE ASTRONAUTENNAHRUNG, LASERSCHWERTER UND DER PILLE FÜR DEN MANN ZU UNTERHALTEN, DOCH WO BLEIBT DA DER FUN? LIEBER STÜNDE ICH MIT EINEM STRAUSS ROTER ROSEN AN DER ROTEN TELEFONZELLE, ANGETAN MIT EINEM ROTEN TWEED-ANZUG UND WARTE AUF DIE FEUERWEHR. SCHNELL SÄHE MAN ROT, WENN MAN MICH SO ERBLICKTE. AUCH DA FEHLT MIR DER FUN, DOCH WAS DANN? ICH DENKE DRÜBER NACH. HEUTE WERDE ICH ALSO EHER IN DAS KLEINE DICKE SEDANLAND SCHLENDERN UM MICH ÜBER DIE NICHT WENIGER WERDENDE ARBEIT ZU BEUGEN. BESTIMMT SITZT UNSER ARTIGER UND BIS ZUR UNKENNTLICHKEIT HÖFLICHER PRAKTIKUS MR. SHREK WIEDER AM PLATZE UND KAUT AUF GETROCKNETEN SCHWERTFISCHEN HERUM, WIE ER DAS JEDEN MORGEN MACHT. KURZ DARAUF STÜRMT R.K. HINEIN UND RUFT, LACHT, GLUCKST UND WÄLZT SICH AUF DEM FUSSBODEN, DENN ER IST EIN TAUSENDSASSA, SOWIE EINE FROHLOCKE UND EBENSO EIN FIDELIUS IN PERSONALER UNION. DA KANN MAN SICH AUF WAS GEFASST MACHEN. MIT DEM KANN MAN ACHTERBAHN FAHREN. ICH LEGE IHM GERNE DIE MODERATION DER SENDUNG „EIN KESSEL BUNTES“ NAHE, DOCH UNBEIRRT LEHNT ER DAS GROSSZÜGIGE ANGEBOT AB. ER FÜHRT ETWAS ANDERES IM SCHILDE. MIR SCHWANT, DASS ER DAS AUFGEBOT FÜR DIE HOCHZEIT MIT FRAU GLÜCK SCHON AUFGEGEBEN HAT. BALD KLINGELN DIE HOCHZEITSGLÖCKCHEN, ICH BIN MIR SICHER. MAN KANN ES JEDEN TAG SEHEN. LIEBE SCHWEBT DURCH DEN RAUM UND LEGT SICH WIE EIN ROSAFARBENER SCHLEIER ÜBER DIE WURSTBRÖTCHEN DER ANGESTELLTEN. FRANZ BECKENBAUER GIBT GERADE ZU, DASS ER IN ERSTER LINIE EIN MENSCH IST. NOCH VOR ALLEM ANDEREN (BAYER, KAISER, WERBETRÄGER). DAS PASST JA WIE DIE FAUST AUFS AUGE. ES IST 3:50 UHR IN DER NACHT. GERADE HABEN DER FLEISSIGE HERR B. UND ICH NOCH SCHNELL EINE ARBEIT ZU ENDE GEFÜHRT. EIN KLEINES ABER FEINES REISEBÜRO WURDE MIT UNSEREN DIENSTLEISTUNGEN UMSCHLUNGEN. DORT KANN MAN SICH ZWISCHEN 999.000 REISEN EINE AUSSUCHEN. ZUM BLEISTIFT EINE LUSTFAHRT MIT DER SCHWEDISCHEN EISENBAHN AUF DEN GROSSGLOCKNER, DEM HÖCHSTEN BERG DER LIGURISCHEN SCHWEIZ. ZUSAMMEN MIT ZWANZIGTAUSEND HEIRATSWÜTIGEN JAPANISCHEN VERSICHERUNGSANGESTELLTEN GEHT ES HINAUF IN 6.700 METER HÖHE, WO SIE DANN VON EINHEIMISCHEN EINEN ORIGINAL BAYERISCHEN HUNGERAST GESCHNITZT BEKOMMEN. AUFGEPASST: HUNGERÄSTE SIND AM ZOLL STETS UNTER DEM WAMS ZU TRAGEN, SONST WIRD’S TEUER. ZÖLLNER SIND PHARISÄISCHE GEIZKRÄGEN. MAN SOLLTE SIE KEINE SEKUNDE AUS DEN AUGEN LASSEN. UND WÄHREND ICH DAS BEHAUPTE, SCHLÄGT R.K. EINEN FLIC-FLAC DURCHS GESCHLOSSENE FENSTER. RESPEKT.
silberfischerei gesticktes von den berliner silberfischern.
silberfischer elke riethmüller andré riethmüller fischen nach urbanen grafischen inspirationen fernab des mainstreams. im besitz einer computerstickmaschine sowie eines stickereigewerbe gegründet. ungewöhnliche applikationen aus staubtüchern oder asiatischen wachstuchtischdecken finden sich ebenfalls in der neuen kollektion wieder. besonders beliebt sind die bestickten buttons und seit neuestem verschiedene exklusive t-shirts, die mit einem speziellen fluoreszierendem garn bestickt wurden und dadurch im dunklen leuchten. lesen sie auch auf www.silberfischer.com
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Gibs zu, Du träumst auch davon im Besitz einer Stickmaschine zu sein. Gibs zu, da säßest Du dann des nächstens und sticktest Deine Welt und Dich um Kopf und Kragen. Denn das ist die Grundform dessen, was Du Dir unter einer gerechten und feinsinnigen Welt vorstellst. Gesticktes zu betrachten, ist wie am Kaminfeuer zu sitzen oder zu baden oder an einem lauen Sommerabend am Waldrand zu sitzen und den Grillen beim zirpen zuzuhören. Schade ist nur, dass Du keine Stickmaschine hast. Drum fische im Silber. Lass Dir was sticken.
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haargenau nicht alles ist so schräg wie es scheint.
schnittchen von christian bürger adiam araia chiara fischer makeup von yasmina neu! bilder von daniel roos kopf hingehalten zafer önder jessy frank anna dietz steffi georg jojo mensing simone sudhidhanakul marc klaesius und anouk klaesius (alias käse)
Der Eindruck, der persönliche Geschmack des Friseurs sich selbst zu gestalten, würde immer auch 1:1 auf den Kunden übertragen, dieser Eindruck täuscht. Das Schönschräg zeigt wie’s geht. Von den Ansagen einiger Kunden irritiert, sie seien sicher nicht crazy genug für das Schönschräg, hat sich der Meister Christian Bürger entschlossen, mal einfach zu zeigen was ganz normale Menschen, aber zugleich auch entzückende Kunden und Kundinnen so auf dem Kopf mit sich herumtragen, wenn sie den Friseursalon verlassen. Mit der Sichel frisierte und von Crazy Colors getönte Haarprachten sucht man da vergebens.
text von jørg haas
Adiam Araia seite 026
Nicht, dass man das nicht auch haben kann, wenn man das will und nicht, dass sowas dem Meister und seinen El Sympaticas auch großen Spaß machen würde. Aber das ist ein anderes Thema, womit wir uns später einmal an dieser Stelle beschäftigen werden. Die Laienmodels haben kurzentschlossen, sich von dem Fotografen Daniel Roos abschießen zu lassen. Ihnen allen gebührt unser Dank und unser Lob. Wir könnten sie alle knuddeln. Wenn sie das wollen. Und weil es gerade passt, hier eine der Macherinnen und dann auf den folgenden Seiten, die gemachten Frauen und Männer plus Kind.
Zafer Önder seite 027
Jojo Mensing
MACH AUS MIR NOCH VOM ALLTAGSGRAU GEZEICHNET EIN WUNDERSAMES WESEN. WIE PFAU UND LÖWIN STOLZ UND SCHÖN. DANN BIST DU EIN FÜR IMMER LIEBER FREUND UND WEGBEGLEITER. ICH KOMME WIEDER ZÄHL AUF DICH. HALT DIR DEN KOPF HIN UND VERTRAUE DIR. ZÄHL JEDE STUNDE BIS ZUM NÄCHSTEN MAL, WENN KALTER STAHL MEIN HAUPTHAAR SANFT IN EINEN TRAUM VERWANDELT. seite 028
Anna Dietz
Chiara F ischer
Steffi Georg
Simone Sudhidhanakul
Mark Klaesius und Annuk
eyewing 66 der grafische stijl von michel rubner.
GRAFIKEN VON MICHEL RUBNER
michél ”rub“ rubner im laufe der zeit. stijlist, designer, innenarchitekt und ex-deejay der legendären attakke royal radioshow. wo das wort fehlt, sprechen bilder bände. www.eyewing66.de
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stijlinismus kaufen sie sich einen hund und h채ngen sie ihn auf.
plakat le baron limited (10 stk.) 4-farb druck auf leinwand 100cm x 160cm 400,00 euro seite 034
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platipussy die filmkolumne
AUTORIN BINI KAHLENBERG
wenn mich meine Eltern besuchen kommen: Der Anblick des unrenovierten Ostberliner Treppenhauses versetzt sie
dort Natürlichkeit nachzuahmen, wo es nie ein ideales Surrogat geben wird. Im echten Leben sind Silikonbrüste
offenbar zurück in die traumatisierende Zeit nach dem Krieg, als es nur Kartoffelschalen zu essen gab und das Bett mit einer Kompanie Wanzen geteilt wurde. Mir macht das Treppenhaus nach zehn Jahren täglichen Anblickens überhaupt nichts mehr aus, außer wenn ich die jährliche Nachzahlung meines Gasverbrauchs begleichen muss, die in unmittelbaren Zusammenhang mit dem nichtisolierten Zustand des Treppenaufgangs steht.
mit äußerste strenger Kritik zu beurteilen – in der Kunst hingegen funktionieren sie wunderbar. Thomsens breast job ist ziemlich gut gemacht worden; man sieht die bollenartige, verrutschte Verdickung des Kochsalzimplantats - berüchtigt und gefürchtet für seine Wellenbildung unter dünner Haut - nur, wenn sie nackig wilde Verrenkungen macht.
Doch zurück zu den Titten. Brüsten. Milchfabriken. Silikonierten Dékolletées. Von der allgegenwärtigen Präsenz von Brüsten fühle ich mich schier erschlagen. Damit meine ich nicht nur die mediale Präsenz, auch im echten Leben begegnen sie mir andauernd. Alle Frauen, die ich kenne, sind schwanger, haben gerade geboren oder möchten es gerne. Sind mit zwei gewaltigen, weichen Beuteln ausgestattet. Brustentzündungen und Milchpumpen geben sich quasi die Klinke in die Hand. Bei den Männern bilden sich bunte psychedelische Kreisel in den Augen, als comic-haftes Anzeichen, dass sie hypnotisiert sind ob dieses fleischigen, voluminösen Anblicks. Ich bin inzwischen sehr daran gewöhnt, große Brüste anzukucken. Im medialen Zusammenhang beobachte ich das gleiche Phänomen. Es gehört mittlerweile zur Mindestausstattung jedes halbwegs ambitionierten Hollywoodfilms, mit großbrüstigen Aktricen aufzuwarten, seien es echte oder operierte Vorbauten. Die Gewohnheit, durch permanente Wiederholung generiert, lässt uns auch hier glauben, die plastikinduzierte Tiefe eines Blusenausschnitts sei doch eigentlich ganz normal. Erstaunlicherweise verhält sich die Bedeutung einer künstlichen Brust in der Kunst diametral zu ihrer Bedeutung in der Realität. Da schaue ich mir doch lieber Anna Thomson an, wie sie als Fiona verkleidet in HighHeels-bewehrten Streichholzbeinchen durch NYC stakst. Anna Thomsen ist die fleischgewordene Antithese zur Mainstream-Perfektionsbrust, die in der Regel versucht,
Fiona von Amos Kollek lief 1999 u.a. auf der Berlinale, das heißt, dem Film ist damit ein intellektueller Anspruch bescheinigt. Zu entdecken gibt es demnach nichts mehr – alles Relevante wurde über diese Frauenfigur schon geschrieben und gesagt – bis auf die Tatsache, dass es speziell auf Frau Thomsens Implantate hinausläuft, wenn es um die Darstellung dieser schönen, abgetakelten Nutte geht. In diesem Fall – und nur in diesem – erzählt die Kunstbrust etwas über die Filmfigur Fiona: Sie macht als Stilikone mit ihren Plastikballons an ihrem ausgemergelten und dennoch elegantem Körperchen Sinn - auf eine bestimmte Weise und in einen bestimmten medialen Kontext gesetzt. Die künstliche Brust ist hier ein Zitat, ein Verweis auf den überdimensionierten Hollywoodkörper, gekreuzt zu einer Chimäre aus der Pornoindustrie. Mit dieser Idee eines perfekten sexuellen Körpers im Hinterkopf ist der Abstieg dieser einsamen Frau in die Gosse New Yorks um so schmerzhafter anzuschauen. Kolleks Trilogie Fiona, Sue und Bridget wurden jedes Mal von der Kritik mehr oder weniger abgefeiert. Ich erinnere mich vor allem an Texte über Fiona, Autoren philosophierten über den Glamour des Untergangs, über die Körperlichkeit dieser verelendenden Diva. Fasziniert starren Frauen wie Männer auf diesen absurden Körper. Und ich starre mit. Geht gar nichts anders. Es ist so abstoßend und schmerzhaft, diese schöne, dürre, silikonbehängte Frau in einem Crackhaus mit anderen, echten Junkies zu sehen, dass man starren MUSS. Wir starren aus der Mittelschicht hinab in die Gosse. So lyrisch, so traurig, so echt. Echter jedenfalls als die Brüste in den Nachmittagstalkshows auf RTL2.
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le schmuckstück kein platz der deutschen einheit.
AUTORIN BINI KAHLENBERG
Es würde der Stadt gut tun, eine Zukunftsvision für diesen Bereich der Stadt zu entwickeln; dieser Weg könnte durch einen offenen Architekturwettbewerb weiter verfolgt und präzisiert werden. Und hoffentlich verlässt sich Wiesbaden nicht auf eine Skizze eines bekannten Frankfurter Architekten – wie vor einigen Monaten im Hessischen Rundfunk gezeigt. Ein offener Wettbewerb hingegen würde dagegen nicht nur facettenreich sein, sondern vielmehr auch eine konstruktive Diskussion der Wiesbadener Architekturszene in Gang setzen. Dessen bin ich mir sicher.
il vino ed il paese italienisches vom sommelier und weinhändler claus harff / la vinaria
AUTOR CLAUS HARFF
REISE NACH APULIEN An dieser Stelle stellt der Sommelier und Weinhändler Claus Harff vom Weinladen La Vinaria Landstriche, Speisen und natürlich Weine aus verschiedenen Regionen Italiens vor.
Apulien ist der „Stiefelabsatz“ Italiens, der sich im Norden von der Provinz Foggia (Daunia) bis zur Peninsula Salento im Süden erstreckt. Diese Gegenden Italiens sind nicht gerade das Ziel des gemeinen Italienurlaubers, der lange Strände, Partys und Discos sucht und für den das Essen nur der lebensnotwendigen Nahrungsaufnahme dient. Hier geht es schon wegen des Klimas viel ruhiger zu: im Sommer ist es sehr heiß, Niederschläge gibt es überwiegend im Herbst und Winter. Es stehen eher Kultur, Natur und Genuss im Vordergrund. Kulturell sehenswert sind zum Beispiel der imposante achteckige Bau „Castel del Monte“ des Hohenstaufenkaisers Friedrich II., die bekannten Trulli in der Gegend um Martina Franca, oder die alte griechische Stadt Lecce, heute die Perle des Barock in Süditalien. Überall stößt man auf Spuren der früheren Kolonisatoren – erst Phönizier, dann Griechen, Römer, Araber, bis hin zu Normannen und Bourbonen. Was den Genuss betrifft: In Apulien werden nicht nur Obst, Gemüse und Weizen angebaut, sondern auch gut die Hälfte des italienischen Olivenöls stammt von hier. Und beim Wein wird es erst richtig spannend: Liebhaber autochthoner Rebsorten (die nur in einem speziellen Gebiet angebaut werden) wie z.B. Primitivo, Negro Amaro, Malvasia Nera, Uva di Troia, Sussumaniello oder Ottavianello (alle rot) und Fiano und Falanghina (beide weiß) kommen hier auf ihre Kosten. Besonders interessant sind außerdem die Rosatos aus Uva di Troia, Montepulciano und Sangiovese, die in der Region um San Severo im Norden und Castel del Monte in Mittel-Apulien erzeugt werden. Sollten Sie jetzt schon beim Kofferpacken sein – hier noch ein kleiner Tipp: Zu entdecken ist der Süd-Osten Italiens am Besten mit dem Auto. Hartgesottene fahren die Strecke komplett. Alternativ fliegt man von Frankfurt/Main über Rom, Mailand oder Bologna nach Bari oder Brindisi und mietet sich vor Ort einen Wagen. Die Preise einer Vorausbuchung für ein Auto unterscheiden sich kaum zur Anmietung vor Ort (außerdem weiß man, was man hat!).
AGNELLO AL´ OLIVE | LAMMBRATEN MIT OLIVEN Das Lammfleisch dünn mit Mehl bestäuben und im Schmortopf in Olivenöl rundum anbraten. Salzen und pfeffern. Mit dem Zitronensaft und der Hälfte der Fleischbrühe angießen. Zugedeckt bei kleiner Hitze 30 Min. schmoren. 100g Oliven entsteinen, Peperonischoten entkernen. Beides fein hacken und nach 30 Min. zum Lamm geben. Mit Oregano würzen und den Rest der Fleischbrühe nachgießen. Zugedeckt ca. 1,5 Std. fertig schmoren lassen. Die restlichen Oliven unterrühren. Sauce mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft abschmecken – fertig! Fleisch in dünne Scheiben schneiden und mit Sauce übergießen. Wer mag, kann auch 30 Min. vor Ende der Garzeit frische Waldpilze zugeben oder das Lamm durch Zicklein ersetzen. Dazu passt Weißbrot, Backkartoffel oder Orecchiette (Öhrchennudeln). Zutaten für 4-6 Personen: 1kg Lammfleisch aus der Keule 150g schwarze Oliven Saft von 1-2 Bio-Zitronen Oregano 1l Fleischbrühe 1-2 getrocknete Peperonischoten (je nach Schärfe) Mehl Olivenöl Salz, Pfeffer
WEINEMPFEHLUNG 2000 „Morgano“ Rosso I.G.T. Salento Cooperativa agricola salentina Tenuta Palese Affinato in Barriques 100% Negro Amaro. Intensives Granatrot inspiriert das Auge und der konzentrierte Duft nach Frucht und Gewürzen betört die Nase. Dieser gut strukturierte und ehrliche Wein mit kräftigem Körper besticht durch seine solide Einbindung in das Tannin. Und schließlich rundet seine weiche Note den gesamt Eindruck ab. Sehr zu empfehlen. Preis: 11,90 EUR (0,75l)
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die schnittstelle gib nicht auf, es gibt den dienstleister, der gerne mit dir arbeitet.
MAGAZINDRUCK UND VEREDLUNG SELTERSDRUCK
HOT HOT HOT: DIE HEISSFOLIENPRÄGUNG Das Heftchen wollte sich nicht lumpen lassen und weil es sich mit stolzgeschwellter Brust vor dem Spiegel gefallen wollte, fügen wir dem Inhalt stets eine augenscheinliche Drucktechnik hinzu. Mal mehr mal weniger einen auf dicke Hose machen. Dem Heftchen solls ja gut gehen. Ein der Blindprägung ähnliches Verfahren ist die Heißfolienprägung. Der Unterschied ist, dass der Prägestempel erhitzt und auf eine Folie gepresst wird. Jene löst sich durch die Wärme und bleibt auf dem Bedruckstoff kleben. Ein spezielles Druckverfahren, das sich gerne auf Urkunden oder Buchcovern wiederfindet. So bietet die Heißfolientechnik endlich auch die adäquate Umsetzung eines langgehegten Traumes: weisser Adler auf weissem Grund. So kann beispielsweise eine dünne weisse Hochglanzfolie mittels Druck und Wärme auf einen weissen Druckbogen übertragen werden. Aber auch pompöse oder generöse Gestaltungsmerkmale lassen sich so realisieren. Gold-, Silber- oder Chromglanz (so wie bei diesem Heft auf dem Umschlag) lassen sich genauso erzeugen, wie schwülstige Metalleffekte und bonbonfarbene Glanzpunkte.
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Nun kann man mit diversen und exorbitanten Wünschen zum Drucker in der Nachbarschaft laufen und sagen: “Hey Drucker aus der Nachbarschaft, mach mal! Wann ist es fertig?” Da ist es nicht selten, dass der Drucker die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und so tut, als habe er von Tuten & Blasen keine Ahnung. Was ja auch gut sein kann, aber so kommen wir keinen Schritt weiter. Weil das dem Heftchen nicht auch zustoßen sollte, ist das Heftchen nach Niederselters gelaufen, schüttete sich dort ein Fläschchen Selterswasser hinter die Bindung und ließ sich vom Seltersdrucker ein Silberschäfchen verpassen, dass es eine wahre Freude ist. Der Seltersdrucker sagt: “Mit mir kann man es ja machen, denn ich liebe meine Kundschaft und möchte sie gerne mit den ausgefeiltesten Drucktechniken bekannt machen.” Und da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Seltersdrucker hat dem Heftchen nämlich noch ganz andere Schmankerl versprochen. Da ist das Heftchen ganz aufgeregt und freut sich schon auf die nächste Ausgabe.
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typomonster über din & displayschriftenfirlefanz.
royalkomm ist seit 2002 ein königlicher hort mit menschen, schafen und schwelgerisch ganz nah an unserer eigentlichen idee, dass firma nicht nur geldmaschine ist, weil alle zeit und aller geist den projekten und den lieben menschen auch eine heimat bieten kann. du bist nicht allein.
Schriften sprechen eine eigene Sprache. Sind ungezogen, präzise, verwegen, schnöd und erleben steten Wandel. STIJLROYAL will in jeder Ausgabe mit Schriften spielen. Mal mehr, mal weniger. Es will sich unkenntlich machen und keine Linie erkennen lassen, um so deutlich sichtbar eine Haltung zu zeigen. Nicht immer wird sich das Magazin selbst erklären. Hier aber schon. Was wollen die Schriften, wo kommen sie her? Haben wir uns etwas bei der Auswahl gedacht oder schweifen wir fahrlässig in Gefühlsduselei ab? Mal so und dann wieder so.
TYPISCHES VON JØRG HAAS
DIN-SCHRIFT
Die Deutsche Industrie Norm hat uns fest im Griff und oft ist das sogar ganz praktisch, denn für die Schrift der Deutschen Industrienorm 1451 bedeutet dies, dem Zwecke der praktischen Anwendung und hoher Lesbarkeit zu dienen. Als die DIN im Jahre 1936 für die Bereiche Technologie und Verkehr festgelegt wurde, stand eine besondere Ästhetik der DIN nicht im Vordergrund. Dafür lungerte sie als Schrift für Verkehrs-, Orts und Hinweisschilder am Wegesrande herum und wollte nichts sein. Die DIN-Schrift in ihrer heutigen Form wurde auf Vorschlag des Typodesigners Erik Spiekermann vom niederländischen Schriftengestalter Alber-Jan Pool überarbeitet und wurde als FF-DIN fortan über FontShop International vertrieben. Inzwischen ist die DIN im Bereich des Grafikdesigns angekommen und nimmt dort epidemische Ausmaße der Verwendung an. Doch die DIN ist nicht kaputt zu gestalten. Als wir ihren Einsatz als Hausschrift diskutiert haben, gefiel uns vor allen Dingen der aufrichtige, reduzierte Aspekt dieses Fonts, der scheinbar zeitlos all seine Kritiker überlebt. Das hat seine guten Gründe, denn Albert-Jan Pool wußte natürlich, dass vermeintlich konstruierte Schriften einen Hauch Kontrast aufweisen müssen. Dazu muss der Schriftenentwerfer eine gute Arbeit abgeben. So wurde die Schrift ganz neu gezeichnet und parallel zu den Schnitten Mittelschrift und Engschrift, entstanden nun fünf Strichstärken, die zusammen mit den Alternativ-Schnitten nun 10 Fonts ergeben. Später kamen noch die weniger bekannten Versionen FF DIN IItalic und FF DIN Condensed hinzu. Aufgrund der klaren und unaufgeregten Eigenschaften der DIN wurde zu Beginn von royalkomm das Logo in der DIN Mittelschrift entworfen und in Minuskeln gesetzt. Bei einem Relaunch der Schriftmarke im Jahre 2006 wurde die Mittelschrift durch die DIN Engschrift ersetzt und nun als Versalschrift auch in den Headlines eingesetzt. Im Magazin wird als Laufschrift die FF DIN Regular in einer Schriftgröße von 8pt eingesetzt. Für Begleittexte wurde eine Schriftgröße von 6pt festgelegt. Textheadlines erscheinen in der DIN Engschrift. Alle weiteren Typomerkmale sind von Ausgabe zu Ausgabe variabel. So sehen wir die DIN als einziges immer wiederkehrendes Merkmal vor. Und das hat sie sich, allen Kritikern zum Trotz, auch verdient.
Koenigsbrueck
Koenigsbrueck durch Stefan Claudius Chank Armeemitglied Stefan Claudius von phantomphonts fand Inspiration für diesen freien Schriftkegel in einer fleamarket Postkarte vom frühen Teil des 20. Jahrhunderts. Der Name an des Schriftkegels kommt von Königsbrück, eine Stadt aufgestellt im ehemaligen Deutsche Demokratische Republik, dem die Postkarte adressiert wurde. „Ich wurde durch die merkwürdige Logik der Handschrift der Frau fasziniert,“ sagt Stefan, „und ich fand sie fast unleserlich. Das ist das Problem mit dem Schriftkegel.“ Aber es ist auch Teil des Charmes. Es ist ein echter menschlicher Handschrift Schriftkegel, führt mit den Unregelmäßigkeiten und dem messiness durch, das Handschrift jeder Person einzigartig bildet. Und es sieht wie es wurde geschrieben von deiner Großmutter aus. Es ist nicht der hübschste Schriftkegel in der Welt, aber andererseits, bist du nicht die hübschste Person in der Welt, irgendeine. Text übersetzt von Google Sprachtool. Die CA Koenigsbrueck wurde gestaltet von Stefan Claudius.
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neue tรถne
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GETÜME VON LISA RÖPER
lisa röper 1982 in kassel geboren, studiert seit 2002 visuelle kommunikation auf der kunst und designschule kassel und ist seit 2004 mitglied des kreativ kollektives rueneuf.
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Da liegst du nachts in deinem Bettchen und bist traurig, weil dir der Papa fehlt oder weils Kleinsein manchmal nicht so einfach ist. Dann kannst du von Glück sagen, dass dein Papa wunderbare und liebevolle Geschichten schreibt und sie dir zusendet. Das ungefähr ist ein Teil der Geschichte von Lisa Röper. Und einige Jahre später hat sie das in einem Buch verarbeitet und uns den gerührten und entzückten Lesern zugänglich gemacht hat. Es gibt also eine schöne Alternative zu den wilden Kerlen von Maurice Sendak. Das war zwar nicht unbedingt nötig, weil der Sendak eine zeitlose Legende ist, aber die Welt verändert sich ja stetig und die Monster mit ihr. Aber jetzt wissen wir wie sie aussehen, die Getüme, die freundlichen.
getĂźmliches von der schĂśnen tradition seine kinder lieb zu haben.
inox kapell inoxiรถses aus wespaden und berlin.
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ich bin gegen FIES, REICH und im GELD baden! ich bin f端r second-hand-buying! ich bin gegen image-dackel ich bin f端r mehr stadt-insekten ich baue mir mein eigenes 1,5 ltr raps-auto ich bin f端r ALL TOGETHER ich liebe orgon! ich mag alte menschen! ich mag wespbaden! das war der erste stich! inox
BILDER & TEXT INOX KAPELL
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legendäre VON CARL FREUDENBERGER
DIE TRANSSIBIRISCHE EISENBAHN Los geht‘s in Moskau und nach einigen Tagen endet die legendäre Route in Wladiwostok in der Südsee. Im Hintergrund das mondäne, gewaltige Bahnhofsgebäude des Jaroslawler Bahnhofs in Moskau. Mit elegantem Geschnaufe saust der von einer alten russischen Dampflok (Abb.) gezogene Zug durch die Weiten der sibirischen Steppe, wo man alle nase lang auf Indianer, Cowboys und illegale Whiskybrennereien trifft. Der Preis für eine Fahrt mit der Transsibirischen entspricht ungefähr 878 Monatslöhnen eines russischen Kommunalpolitikers (12 rubel), ein preiswertes wie ebenso lohnendes Unterfangen. Inkl. korrupter Schaffner und tagelangem Aufenthalt 17 km östlich von Gorochowez wegen einer Reifenpanne.
THE CALIFORNIA ZEPHYR Seit 1949 durchquert der California Zephyr die Vereinigten Staaten von Chicago bis nach San Francisco. Er ist der Nachfahre der berühmten Stahlrösser, die einst dampfend von Küste zu Küste gefaucht sind, die von den Hobos besungen wurden und die in keinem Western fehlen dürfen. Der Zug wurde bislang mehr als 80 Millionen mal überfallen, dabei wurden nicht weniger als 80 Millionen tonnen Diamanten, Goldbarren, Chicken Mc Nuggets und Bisonfelle geraubt und genau das macht eine Fahrt mit dem Zephyr so interessant. Ein besonderes Erlebnis auch für die Kleinen, wenn der Vater bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von sage und schreibe 80 Millionen Stundenkilometern aus dem fahrenden Zug geworfen wird.
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bahnstrecken eisenbahnromantisches von stijlroyalistischem empfinden
DER ORIENT EXPRESS Gerade Bagdad hat nach den zahlreichen Sanierungsarbeiten inbesondere amerikanischer soldaten seinen Reiz nicht etwa verloren, nein, die Hauptstadt des Zweistromlandes zählt nach wie vor zu den Top Attraktionen im mittleren Osten. Doch leider fährt der Zug dort gar nicht hin. von Paris und Calais über Wien nach Budapest und Warna in Bulgarien und schließlich bis Konstantinopel (das heutige Byzanz), geht die Fahrt in weniger als anderthalb Stunden über Stock und Stein. Besonders Belgier behaupten, seltsame Geräusche aus dem jeweiligen Nachbarabteil zu hören. Am nächsten Morgen liegt dort meistens ein Toter, ermordet durch zwölf Messerstiche. Es steht fest, dass der Mörder noch im Zug sein muss. Es wird also nie langweilig.
DER GLACIER EXPRESS Mit einem Schneckentempo von einem Kilometer in der Stunde bummelt der blitzblank geputzte Zug durch eine ebenso blitzblank geputzte Bergwelt, in der kein Auge trocken bleibt. Bei einer Fahrt von Zermatt nach Sankt Moritz kann sich der Reisende davon überzeugen, dass die Langsamkeit ihren Reiz auch im 21. Jahrhundert nicht verloren hat. Interessantes Detail: bei der Strecke von Oberalp-Passhöhe nach Reichenau entwickeln die Bremsbacken des Zuges eine Hitze, 20 mal heißer als im Inneren einer Atombombenexplosion. Mit der Energie, die in einer Stunde entwickelt wird, können alle 184 millionen Schweizer Haushalte so gut wie nichts anfangen.
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das sind die abenteuer des kleinen schlozz emil bienenschlau, der sich aufmachte von seiner schnöden heimat ins gelobte land buljan sankorask wo er auf allerhand komische typen traf. dort am fuße des laburischen quarzes lebte das kiköhnchen, welches von der typischen sankoraskischen anmut durchflochten war und ein leben in saus und auch braus anstrebte. da war der schreck, der mal todesmutig und mal angsthasengleich sein dasein als barkeeper in der wirtschaft “zum gruseligen esel” führte und da gab es pello osarios martius pankratio anderson von tschakoski zirmoweir genannt pompatz, der sich in der kunst der speisenvertilgung trefflich verstand und im besitz gleich mehrerer neurosen war. und es gab den kapellmeister böbelsund, der für jede stimmung das passende marschlied parat hatte und den anderen mit seiner außergewöhnlich guten laune gefiel. dort also, am fuße des laburischen quarzes, tragen sich die aufregenden abenteuer des kleinen schlozz emil bienenschlau zu, der seine heimat verlassen hat, um sein heil in der ausflucht zu finden.
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Zart und flauschig rauscht der Wind durch die Wipfel der Birken auf dem Kirchplatz im kleinen Dorfe Apfelberg am Fuße des Apfelberges im Lande der Boogles. Seit Tagen liegt das feine Mäntelchen sachter Beschneiung über dem ganzen Land. Die Zicklein schmiegen sich in den Ställen aneinander, Kerzlein flackern in den Stuben der Citoyen, denen lange Eiszapfen von der Nasenspitze wachsen, weshalb sie so vorbildlich drollig aussehen. Eines Tages wachte der junge Schlozz Emil Bienenschlau vom Stamme der Boogles auf, schaute aus dem Fenster und sprach zu sich und zu dem kleinen Apfelkuchen, der auf der Fensterbank vor sich hin dampfte: „Schau doch nur kleiner Apfelkuchen wie schön’s hier ist. Wie wunderbar und fümelig, doch wo sind die leichten Mädchen, der Schnaps und die arabischen Imbissstuben? Wo die lässigen Hunde m i t d e n ü b e r te u e r te n M P 3 - P l a ye r n , d i e m i t jazzmusikalischer Beschallung die vier- bis sechsspurigen Alleen entlang schlendern? Ich muss hier weg. Kommste mit?“ Der Apfelkuchen verneinte und schlief ein. Ich will nicht länger drunten bei Vater in der Kutschbockzapferei arbeiten, sprach der Schlozz nun zu sich selbst. Ich will raus. Will nur noch weg. Man muss wissen, dass der Vater seit jeher einen Meisterbetrieb der Kutschbockzapferei führte, der auf eine 8.000-jährige apfelbergische K u t s c h b o c k z a p f e r - Tr a d i t i o n z u r ü c k b l i c k t e . Kutschbockzapfer werd ich nimmermehr, schwor der junge Bienenschlau, packte sein 15 Zoll Bauern-Büchelchen mit schlauen Bauernregeln ein und stapfte durch den Schnee davon. Eines lieben Tages, also nach ca. 20 Minuten unserer Zeitempfindung, wurde der Weg durch den Schlagbaum des sagenhaften Landes Buljan Sankorask abgeschnitten. Der Schlagbaum war über und über von Tapiren besetzt und ward gefertigt aus reinem Chrom-Molybdän. An seiner Seite saß ein betrunkener Zöllner und schlief. Da kletterte der kleine Schlozz mit müh und ach über den Schlagbaum,
eine wahre geschichte aus der zeit, als der quarz noch laburisch und die alarmstufe noch rot war.
MÄRCHENONKEL JØRG HAAS
dem er locker aufrecht durchspazieren hätte können und stand mit einem mal im Lande der Sankorasken. „Wir hamm Besuch!“, schrie das Kiköhn und „Alarmstufe Rot!“, rief der Schreck und kletterte schutzsuchend unter seinen Leiterwagen. Das Kiköhn aber kniete vor dem Schlozz nieder, betete zum drobigen Herrn im Himmel und bedankte sich. Denn sie wusste als einer der ersten: „Uns ist der Heiland erschienen und wie schön er ist. Schaut nur seine Beine bilden ein anmutiges o und seine Wimpern sind wie Fauenpfedern. Und wie er riechen tut. Nach Zitronenpuder und Zimtenglut. Nach Rosensaft und Amselgrein. Nach Sauertopf und Knickebein. Und einer Spur Apfelkuchen. Woher das wohl kommt?“, sprach sie mit tränenerstickter Stimme. Der Schreck runzelte die Stirn und zückte sein Schwert. Dieses Aroma kam ihm bekannt vor. Er nahm das Schwert aus der Scheide und reichte es dem verblüfften Schlozz. "Köpft mich, ich bin es nicht wert.", sprach der Schreck zum Schlozz. Da verdunkelte sich der Himmel und auch sonst alles und aus einem Seitental der großen Laburischen Senkung, kam der mehr als 47 Meter große Pello Osarios Martius Pankratio Anderson von Tschakoski Zirmoweir auf der Suche nach Nahrung und Hirnstürm. Als er sah, wie Emil Bienenschlau dastand, mit dem Schwert in der einen Hand und mit dem Bauern-Büchelchen in der anderen, vor ihm kniend der Schreck zum Sterben bereit, da streckte er seine zierlichen Pianistenhände aus, hielt sie schützend über den Schreck, wandt sich zum Schlozz und sprach mit hoher, fast quietschender Fistelstimme: „Schau nur kleiner Schlozz, da knien sie, aber sie machen nur Spaß, denn das Schwert besteht aus Gummibärenteig und wurde seinerzeit vom Schmied Hans Riegel in Bonn am Rhein gefertigt.“ Der Schlozz blickte verdutzt in die Luft, die schier überall zu sein schien und pfiff aufgeregt ein Lied, während der Schreck aufstand und ihn willkommen hieß. „Komm!“ rief
der Schreck „Ich zeig Dir Deinen Arbeitsplatz. Und das hier ist dein Arbeitsvertrag. Unterschreib bitte hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. Und beachte nicht das Kleingedruckte, das hat keine Bedeutung.“ Bevor noch der Schlozz was sagen konnte, stopfte ihm das Kiköhnchen einen Hirschhornmuffin in den Mund und lenkte ihn mit trapezartistischen Kunststücken ab. Im Hintergrund spielte die sedanländische Marschkapelle unter der Leitung des schwedischen Kapellmeister Gjoern Boebelsund die sedanländische Hymne „Bezirz mich nicht, ich bin immun, Humba Humba Humba“. Der Pompatz und der Schreck tanzten dazu gemeinsam Polka und das Kiköhn jonglierte mit Alltagsgegenständen, zudem hatte sie den original laburischen Ulknudelauflauf mit einer Soße von Kolibrifreudentränen zubereitet. Der Schlozz hatte Hunger und ein neues Zuhause.
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bis neulich zum schluss & was kommt
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Gruselig nicht?! Das Heft ist um und alle. Die nächste Ausgabe wird ganz frühlingshaft zwitscher zwutscher wie ein kleines Vögelein auf einer grünen Aue daherkommen. So wird es dann dereinst sein am 21. März 2007, wenn die zweite Ausgabe wieder in ausgewählten Läden und an besonders wuscheligen Stellen ausliegt zum Mitnehmen und darin lesen und staunenpopaunen. Genug geschwafelt. Tschö mit ö und bis neulich.
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