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Gallus Theater »Rotational Distance« Mousonturm: »Gootopia« Staatstheater Mainz: »Sphynx«
Fotos: © Maciej Rusinek
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Pandemische erfahrungen
Gallus Theater: Richard Oberscheven präsentiert »Rotational Distance«
Es geht um die Pandemie und ihre Auswirkungen auf das Verhalten in der neuen Arbeit des Tänzers, Choreografen und Musikmachers Richard Oberscheven. Entwickelt mit Amelia Eisen während einer künstlerischen Residenz am Staatstheater Darmstadt im vergangenen Herbst, folgt »Rotational Distance« dem Anliegen des Künstlers, seine Beobachtungen in der pandemisch geprägten Zeit der physischen und sozialen Distanzierung aus der tänzerischen Perspektive zu begreifen, anzusprechen und zu thematisieren. »Rotational Distance» ist eine Tanzperformance mit den drei Tänzerinnen Julie Carrère, Amelia Eisen und Selina Shida Hack, von Oberscheven geleitet und choreografiert auf der Basis neu erarbeiteter raumzeitlicher Gefüge der zwischenkörperlichen Distanz. Grundlage sind die in Anlehnung an ein Konzept von Edward T. Halls entwickelten »öffentlichen Distanzzonen«. Die neuen aus dem Zustand des »physical-/ social distancing« entwickelten Ideen zeigen zugleich einen Weg auf, mit den Einschränkungen und Auflagen der Pandemie umzugehen und beispielsweise die Abstandsregeln als Teil der Choreografie zu verstehen. Dem Publikum aber werden, so die Absicht, mit der Darbietung Raum, Zeit, Körper, Präsenz und Vergänglichkeit erfahrbar gemacht.
Termine: 13., 14., 15. Januar jeweils 20 Uhr www.gallustheater.de gt
Gleitzeit und rutschpartie
Mousonturm zeigt Doris uhlichs schleimige Performance »Gootopia«
Alles im Eimer, dessen die Performance »Gootopia« bedarf: Schleim, im Englischen »Goo«, steht auf offener Bühne sicher auch im Mousonturm kübelweise bereit für Doris Uhlichs wie gewohnt nackte Protagonisten. Demonstrieren will die österreichische Konzeptkünstlerin zusammen mit diesen – zwei Frauen, drei Männer – nicht nur, was man mit Schleim alles zu machen im Stande ist, sondern das grundsätzlich Fluide der menschlichen Existenz. »Jedes Leben startet feucht, wir kommen nicht trocken, nicht ›sauber‹ auf die Welt.«, kündigt der Mousonturm diesen glibberigen Abend an. Und weiter: »Schleim ist ein uns ursprünglich vertrauter Stoff, der den Organismus zusammenhält und Verbindungen herstellt. Zumeist aber verlieren wir im Laufe des Lebens den Bezug zu ihm: In der Science-Fiction (…) steht (er) für das Nichtmenschliche, das Unbekannte, das sich fließend ausbreitet; und auch in unserer pandemischen Gegenwart ist er mit Angst behaftet.« »Gootopia« ist als installative Performance angesagt, die das Publikum einlädt, eine vielschichtige und erweiterte Praxis von Tanz zu erfahren, die skulpturale, landschaftliche und halt auch installative Qualitäten umfasst. Schleim ekelt viele an, aber kann durchaus auch zu wohligen frühkindlichen Erfahrungen wach rufen. Schon deshalb steht es jedem Besucher frei, den für sich geeigneten Platz und Position zu finden. »Es flutscht«, resümiert eine Wiener Kritik das etwa anderthalbstündige pausenlose Event. Doris Uhlich setzt sich seit über zehn Jahren vom kritischen Blick auf das klassische Ballett geleitet mit Schönheitsidealen und Körperidealen auseinander.
21., Januar 20 Uhr; 22. Januar 16+20 Uhr www.mousonturm.de gt
Mit Ödipus an die Grenzen
Tanzmainz präsentiert Rafaele Giovanolas Choreografie »Sphynx«
Choreografische Handschriften lernen ist das A & O für tanzmainz, das über keinen festen Choreografen verfügt. Im Januar zeigt das Ensemble in der Arbeit »Sphynx«, was ihm Rafaele Giovanola beigebracht hat. Die Choreografin war mit ihrem eigenen Projekt »Cocoon Dance« schon mehrfach am Staatstheater Darmstadt, aber auch beim Tanzfestival in Mainz zu Gast, wo sie ihre mehrfach ausgezeichnete Choreografie »Vis Motrix« (siehe Strandgut April/2019) präsentierte, einer buchstäblich auf den Rücken von drei Tänzerinnen ausgetragenen Partie. Erst im Dezember (nach Redaktionsschluss) gastierte Cocoon Dance wieder in Darmstadt mit »Body Shots«. Grundlage der Arbeiten Giovanolas ist die künstlerische Auseinandersetzung mit den Grenzen des Menschseins. »Was macht uns eigentlich aus?«, fragt sich die Choreografin, um mit ihrem Personal zu spektakulären Antworten zu finden. Ihre neue Produktion in Mainz geht von dem berühmten Rätsel der Sphinx aus der Ödipus-Sage (»Was ist der Name dieses Wesens, es erscheint am Morgen auf vier, am Mittag auf zwei und am Abend auf drei Beinen?« ) aus und gelangt in künstlerischer Befragung der dort angesprochenen Fortbewegungsweisen zu überraschenden beweglichen Einsichten. Schließlich haben Gehen, Laufen, Staksen oder Taumeln auf den ersten Blick wenig mit unserer Vorstellung von der ästhetisch-harmonischen Kunstform Tanz zu tun. Dabei waren die Prototypen der Fortbewegung schon in den 60er Jahren Ausgangsmaterial für Theater- und Tanzschaffende wie Samuel Bekkett, Steve Paxton oder Trisha Brown. Giovanola führt diese Linie mit dem gesamten Ensemble von tanzmainz fort und verspricht ungewöhnliche Perspektiven und hohe Intensität.