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Das Schwert, die Angst, das Mikrofon

»Macbeth« in der Regie von Timofei Kuljabin am Schauspiel Frankfurt

In der Theaterlandschaft wird kaum ein anderes Stück von William Shakespeare so häufig inszeniert wie der dunkeldüstere »Macbeth«, die Parabel auf einen machtlüsternen Feldherrn, der um sich herum alles mordet, was sich ihm in den Weg stellt, angetrieben von den Weissagungen alter Hexen, befeuert durch den Ehrgeiz seiner eigenen Frau. Es wurzelt in einer nebligen Historie aus dem frühen 17. Jahrhundert, dem Mittelalter halb entrungen, einer Epoche, in dem Macht sich aus dem festem und vielfältigen Gewebe dynastischer Interessen erzwingen ließ; Mord war dabei kein falsches Mittel.

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Als der russische Regisseur Timofej Kuljabin mit seinem Team 2021 den »Macbeth« für das Schauspiel Frankfurt entwarf, waren es nur ein paar Monate bis zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, und dies hat seine Perspektive geformt, aber keinesfalls verengt: Wie hat – und wie konnte – Tyrannei überleben, bis in die heutigen Zeiten?

Der historische Kontext entfällt, stattdessen legt Kuljabin die Mechanismen der Macht bloß. Die Bilderfindungen beziehen sich eindeutig auf Putin und Russland, aber es ist so viel mehr darin zu sehen.

Oleg Golovko hat sich der Größe der Frankfurter Bühne bedient und sie als eine Art Bunker mit kathedralenhaft großen, mit Tarnfarbe gefleckten Fenstern ausgestattet, durch die spärliches Licht fällt. Auf ihr hat viel Platz: ein lässiges Picknick-Vergnügen zu Beginn beispielsweise, bei dem nur Macbeth übel gelaunt herumstreift. Er gehört hier nicht dazu, ist ein anzugsgekleideter Fremdkörper in dieser Freizeit- Gesellschaft, doch dann: sind es nicht die Kinder von Banquo und Macduff, die auf einem Trampolin herumtobend die Hexenweissagungen wie Kinderreime herunterrattern? Das Grauen zieht ein. Macbeth stopft die PicknickGerätschaften in einen schwarzen Müllsack – und plötzlich: ohrenbetäubendes Getöse leitet den Szenenwechsel ein. Nummerierte schwarze Leichensäcke lagern im Bühnenhintergrund, provozieren Bilder vom Leichenfeld im Kiewer Vorort Butscha. Es folgt eine hell herausgeleuchtete Pressekonferenz: Der greise König Duncan (ein wunderbar feiner Gegenpol: Peter Schröder) spricht; für den erfolgreichen Schlachtengewinnler Macbeth, der als nächster sprechen soll, ist das Mikrophon jedoch viel zu hoch eingestellt, kein Satz kommt heraus, dann wird es schon abgebaut.

Das Schwert, hier ist es das Mikrophon, welches das Schwert aber braucht, um Angst auszulösen. Und so merkwürdig man das finden mag: diese riesige Bühne strahlt etwas zutiefst Klaustrophobisches, ja tatsächlich Angsteinflößendes aus, hier ist kein Platz für Intimes. Nur eine hinter einem Vorhang verborgene Dusche dient Macbeth und Lady Macbeth als Rückzugsort, der Platz, an dem sie übereinander herfallen, die Mordpläne hervorkeuchen.

Moritz Kienemann lässt keine Gelegenheit aus, Macbeth als Monster zu stilisieren, dessen Spielfeld Sadismus und Verrat ist, und schon in der zweiten Szene kuschen wahrhaft alle. Seine Exaltiertheit trägt die fast zweieinhalb Stunden währende Inszenierung mühelos. Das hündische Hecheln, das kindhafte Greinen, das ekelhafte Fressen ist ihm ebenso wenig fremd wie ein tatsächlich grandios gesungenes »Blueberry Hill« auf dem Bankett, auf dem ihm der ermordete Banquo (Mark Tumba) erscheint.

Kuljabin hat das Personal gestrafft und aus Duncan, Banquo, Macbeth und Macduff eine Familie geformt, um die Bezüge – und den Verrat –noch stärker zu akzentuieren und die Gesellschaft buchstäblich in Angst umkommen zu lassen. Wer Macht erlangt hat, kann beliebig mit den Untertanen spielen, sie umbringen, sie umbringen lassen, sie zum Umbringen anstacheln. Lady Macbeth (Lotte Schubert) ist hier weniger eine Einflüsterin als eine Gespielin in ihrer gewalterfüllten Beziehung, bis sie das Jackett abstreift und im Unterkleid zur rührenden Ophelia wird.

Aber nein, diesem Sog, diesem Strudel in das immer Unmöglichere, immer Tödlichere kann man sich nicht entziehen. Es gibt überhaupt keinen Halt in dieser Inszenierung außer der Vernichtung. Wer sich heute noch Macbeth angedient hat wie Lennox (Michael Schütz), wird im nächsten Moment selbst sterben. Am Schluss füllt sich die Bühne mit lebenden durchnummerierten Leichen. Auch Macduff, der eigentlich im Exil in London überlebt hat und den siegreichen Angriff auf Macbeths Schloss Dunsinane führt, stirbt in Kubalbins Interpretation. Das ist als gesellschaftlicher Befund zutiefst verstörend, doch er führt auch eine interpretatorische Parallelspur: er zeigt einen Psychopathen, dessen Sadismus sich aus Unterlegenheitsgefühlen nährt. Sein Wahnsinn wird ihm nicht durch Hexenwesen eingepflanzt, sondern durch die Gesellschaft, die ihn duldet – die finalen Weissagungen spricht die am Bankett-Tisch wie beim letzten Abendmahl versammelte – bereits tote – Gesellschaft gemeinsam. Und ist dies nicht doch ein Ausweg?

Susanne Asal

Termine: 4., 8., 10., 27. Mai, 19.30 Uhr; 21. Mai, 18 Uhr www.schauspielfrankfurt.de

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