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Landungsbrücken: »Serverland«
Alles wird eins
Das Theater Landungsbrücken bringt Josefine Rieks‘ »Serverland« auf die Bühne
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Internet, das war einmal. Und trotzdem scheint das gar nicht so lange her zu sein. Wir brauchen kein StarWars-Technikkompendium, um uns in die Zeit von Josefine Rieks‘ dystopischem Roman »Serverland« zu versetzen. Es gibt Eckkneipen, McDonalds, Coca Cola sowie VW und Fruchtgummis von Haribo. Aber auch das Boulevardblatt BZ mit Kreuzworträtseln. Letzteres wohl als Retro-Trend im Postinternetzeitalter. Erzählt wird, wie Reiner, ein Bier trinkenden Postbote und TechnoNerd mit alten Laptops bastelt und so zum ungewollten Initiator einer neuen Bewegung wird. Weil es dem Tüftler gelingt, auf seinem Server alte YouTube-Videos zu reaktiviere, wird er zum Hero einer völlig heterogenen Rotte jugendlicher Aussteiger in einer abgelegenen holländischen Computer-Lagerhalle. Wandhoch gepfropft mit Servern und Terminals wird dieser Ort zum Memorial einer besseren Zeit. Und natürlich wird Reiner bald zum Spielball von Aktivisten und ihrer Communities, in denen sich die subversivsten Träume von Freiheit bald in Bahnen ergießen, die uns recht bekannt vorkommen sollten. Die Geschichte der Befreiung durch das Internet wiederholt sich im Schnelldurchlauf – natürlich als Farce. Felix Bieske und Linus Koenig haben diesen Showdown mit allem realisiert, was in der Freien Szene Frankfurts zu kriegen war: Angetrieben vom groben Drive der Darmstädter Messer-Brüder (Julia Rothfuchs, Thomas Blumenauer) und ZehnerHiphop-Klängen aus der Röhre geben Jochen Döring und Léa Zahef, Julius Ohlemann und Randi Rettel, Marlene-Sophie Haagen und Andreas Jahncke einen wilden Haufen von schrägen Leuten, denen das Video zum Hebel weltweiter Befreiung und Binge-Watching zur bewusstseinserweiternden Droge wird. Es ist laut, es ist grell, es ist bunt im Rund. Ob Robbie Williams oder Mitschnitte der 9/11-Katastrophe, ob amerikanische Talkshows, Dokus von Treblinka, SplatterMovies oder Kampfspiele (Die Links zum Nachschauen werden von den Darstellern an das Publikum verteilt) – alles wird geteilt, alles wird im Bilderrausch eins. Bis das Stück irgendwann in sich zusammenfällt und einfach nicht mehr weiter geht. Wie im wirklichen Leben. Wow mit Sternchen!
The OhOhOhs in der Katharinenkirche
Geteiltes Leid ist halbes Leid? Mit seinem Programm »Pandemia« laden die Frankfurter OhOhOhs zu einer konzertanten (und kompetent moderierten) Reise durch die Musik der Pandemien ein: Vom Bild des »Totentanzes« der großen Pestepidemie im 14.Jahrhundert über die spanische Grippe bis zur heutigen Corona-Pandemie. Es ist eine Reise durch die europäische Musikgeschichte, auf der die Musik als verbindendes Element Schicksale von heute und damals vereint – nicht zuletzt in der Verbindung von klassischer Musik mit zeitgenössischer Clubmusik. Neben den Werken vergangener Krisenzeiten präsentieren The OHOHOHS an diesem Abend zudem ihre Eigenkompositionen als Zeitzeugnis der aktuellen Pandemie, darunter alle 3 Sätze ihrer Sinfonie N° 1 – »Coronasinfonie«. Ein Ausblick nach vorne, der für die Folgegenerationen Vergangenheit bedeuten wird.
Winnie Geipert
Termine: 6. November, 18 Uhr; 24. November und 4. Dezember, 20 Uhr www.landungsbruecken.org