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Luxus oder Qualität?

Wie definiert sich Luxus im Schuhsortiment? Ist es der Markenname oder doch die ausgezeichnete Produktqualität? Spätestens seit große Brands durch überhöhte Preise in die Kritik geraten sind, kommt so mancher Einkäufer ins Grübeln. Text: Ina Köhler. Illustration: Claudia Meitert @Caroline Seidler

Einkäufer müssen natürlich das auswählen, was ihre Kunden wollen. Letztere setzen ab einem gewissen Preis auf die vermeintliche Sicherheit, die ihnen eine Marke bietet. Gianni Klemera, italienischer Agent, erklärt es so: „Ich glaube, dass man das Thema trennen muss: Einmal ist Luxus durch hohe und höchste Qualität definiert – und dann durch die Story einer Marke. Parallel zu echten Luxusherstellern wie Giuseppe Zanotti, Louboutin oder Jimmy Choo hat sich im letzten Jahrzehnt ein Markt entwickelt, der sehr stark von Designernamen und vom Marketing geprägt ist. Beispiele wären für mich Prada, Ferragamo oder Gucci, noch stärker gilt dies für Luxussneakers. Diese werden teilweise zu Preisen angeboten, die lediglich das Image, aber nicht mehr die Qualität widerspiegeln. Im Markt haben sie dennoch eine hohe Relevanz durch Social-Media-Kampagnen.“ Ganz absurd wird die Exklusivitätsdebatte bei marketinggetriebenen Produkten wie Luxussneakers: So verkauften sich die limitierten Yeezy Sneakers, einer Kooperation zwischen Kanye West und Adidas, für 350 Euro – und waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Auf Ebay stiegen die Preise für die „exklusiven“ Sneakers made in China auf bis zu 3.000 US-Dollar.

Druck auf den Luxusmarkt Auch der Handel spürt den zunehmenden Druck: „Der Luxusmarkt ist in den vergangenen fünf Jahren zunehmend schwieriger geworden“, so Andrea und Franz Wunderl vom Schuhhaus Wunderl in Sollenau. Sie machen einerseits Faktoren wie die Finanzkrise und eine größere Nachdenklichkeit der Konsumenten verantwortlich. „Zum anderen ist die Luxusbranche durch sinkende Verkaufszahlen in einer Phase der kreativen Stagnation gefangen.“ In ihrem Sortiment führen sie Marken wie Prada, Miu Miu und Linea Rossa sowie Tod’s. Zudem ergänzen sie ihr Sortiment beispielsweise mit Modellen von Gianvito Rossi,

„Unsere Kunden kommen zu uns, weil sie sich Individualität wünschen.“ Henning Korb, Apropos

Chloé, Stuart Weitzman und anderen. Das Sortiment ändere sich von Saison zu Saison, wichtig sei jedoch die Qualität. „Die Marke ist für viele Kunden schon noch wichtig, aber eher als Qualitätsmerkmal als im Sinne von Must Haves oder sturer Markenfixiertheit“, meinen Franz und Andrea Wunderl. „Diese Zeiten sind beim mündigen Kunden vorbei.“ Beim Luxusstore Apropos setzt man auf den Mix aus bekannten Marken einerseits und Newcomern andererseits. „Unsere Kunden kommen zu uns, weil sie sich Individualität wünschen. Diese Individualität wird durch High-End-Kollektionen mit besonderem Design und einem hohen Grad an Exklusivität geboten“, erklärt Einkäufer Henning Korb. „Es gibt diverse Beispiele, in denen erfolgreiche Luxusmarken innerhalb von wenigen Saisons fast vom Markt verschwanden, weil sie überdistribuiert waren und somit für den Käufer immer uninteressanter wurden. Der Louboutin-Hype hält eben genau aus einem Grund dauerhaft an, nämlich durch die selektive Distribution. Natürlich sind die Kollektionen auch immer wieder traumhaft, dies sei unbestritten.“

Qualität als oberste Maxime Die Qualität müsse zudem stimmen, das bestätigen alle: „Value for Money ist ein großes Thema, und dass Hersteller einfach so die Preise von Saison zu Saison erhöhen, fällt den Kunden natürlich auf und macht gewisse Labels daher auf Dauer unglaubwürdig“, glaubt Henning Korb von Apropos. Nicht einfach sei es jedoch für neue Brands, in den Markt zu kommen: Am ehesten gelingt das noch, wenn die Macher der neuen Brands schon über Erfahrung im Markt verfügen, wie Gianvito Rossi, Sohn von Sergio Rossi, der mit seiner Marke 2006 debütierte und von Beginn an Redaktionen und Einkäufer begeisterte. Die Marke seines Vaters Sergio Rossi

„Viele Kunden müssen erst überzeugt werden, dass sie einer neuen Marke in dieser Preislage vertrauen können.“ Jörg Remberg, Cheaney & Sons

war Jahre zuvor an die Gucci Gruppe verkauft worden. Auch die Inhaber von Wunderl hat Gianvito Rossi damals überzeugt: „Den Luxus, mit neuen Marken zu experimentieren, hat man heutzutage nicht mehr so sehr wie noch vor 15 bis 20 Jahren“, so Franz und Andrea Wunderl. „Im Falle von Gianvito Rossi war es so, dass wir noch vor der

ersten Kollektion von Gianvito, den wir von Sergio Rossi Zeiten schon kannten, eingeladen wurden, sein neues Projekt anzusehen. Wir waren gleich davon begeistert und sind seitdem treue Kunden.“ „Es ist ein beratungsintensives Geschäft“, bestätigt auch Jörg Remberg, der mit seiner Agentur die britische Herrenschuhmarke Cheaney & Sons vertreibt. „Viele Kunden müssen erst überzeugt werden, dass sie einer neuen Marke in dieser Preislage vertrauen können.“ Die Erfahrung einer bekannten Luxusmarke half den Cousins Jonathan und William Church, die Schuhmarke Cheaney & Sons zu etablieren. Nach dem Verkauf ihrer eigenen Marke Church an den Luxuskonzern Prada erwarben sie 2009 durch ein Management-Buy-out die traditionsreiche Firma Cheaney & Sons wieder, die jahrzehnte

„Die Marke ist für viele Kunden schon noch wichtig, aber eher als Qualitätsmerkmal.“ Franz und Andrea Wunderl

lang für Church produziert hatte. Heute stellt diese klassische Schuhe made in Great Britain unter eigenem Namen her. Joseph Cheaney & Sons wurde bereits 1886 in Northamptonshire gegründet, einem traditionellen Zentrum für britische Schuhmacherkunst. Doch erst das Engagement und Know-how der erfolgreichen Church-Macher weckte Cheaney aus dem Dornröschenschlaf. Viel Wert legt man auf die handwerkliche Tradition und das Know-how der 120-köpfigen Belegschaft, die auch individuelle Wünsche erfüllen kann. „Wichtig ist, dass man eine gleichbleibend gute Qualität zu einem vernünftigen Preis liefert“, so Remberg, „nur so ist es möglich, mit großen Marken zu konkurrieren.“

Angemessene Preislagen als Einstiegshilfe „Ich glaube, dass sich neue Brands über Qualität und ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis im Markt behaupten müssen, wenn sie kein entsprechendes Marketingbudget im Rücken haben“, bestätigt Gianni Klemera. „Der Konsument ist sehr gut informiert – gerade auch über Preise.“ Diese Ansicht teilt auch die junge Designerin Charline de Luca, die in diesem Jahr für das Projekt Design Trendsetter von der GDS ausgewählt wurde. „Es ist total wichtig, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis als Newcomer zu bieten, da man im Laden ja direkt neben den großen Marken steht. Der Eingangspreis ist wichtig, darüber kann man ins Geschäft kommen. Doch noch wichtiger ist es, im Design etwas Spezielles zu bieten, was wiedererkennbar ist und was keiner hat. Die großen Brands sind überall, allerdings habe ich den Eindruck, dass die Shops doch offen für Neues sind.“ Viele Stores führen luxuriöse Brands zwar noch als Eyecatcher, darunter allerdings gibt es Luft bei VK-Preisen von knapp unter 300 Euro. „Der Händler ist auf der Suche nach Marken, mit denen sich gute Margen realisieren lassen“, meint Gianni Klemera. „Wenn ein Produkt passt, ist es nicht schwer, vom Fleck weg viele Tophändler damit zu erreichen.“ Diese Erfahrung teilen auch die Newcomer von Ancient Greek Sandals, einer in Griechenland produzierten Marke von Christina Martina und Nikolas Minoglou. „Wir hatten das Glück, dass wir von Beginn an in mehr als 30 Ländern vertreten waren. Unsere Vertriebsagentur Rainbowwave Ltd. hat für uns einen großartigen Job gemacht.“ Die Wichtigkeit der richtigen Agentur sei nicht zu unterschätzen. „Letztlich weiß der Kunde, dass ich darüber nachgedacht habe, Produktion und Distribution sind garantiert“, so Klemera. Dennoch braucht es auch Offenheit auf Seiten der Einkäufer für ihre Flächen. Experimente sind gefragt, mutige Entscheidungen und Events, um Schuhe richtig zu präsentieren. So wie die Kooperation zwischen der GDS und der Düsseldorfer Filiale von Breuninger, die für drei Tage

„Die Branche muss ihre kreativen Köpfe unterstützen.“ Kirstin Deutelmoser, Director GDS

im April eine Pop-up-Fläche mit individuellen Designern wie Alain Tondowski, Charline de Luca, Laurence Dacade und Ancient Greek Sandals inszenierte – die Inspiration kam von der Initiative Design Trendsetter, die zur GDS erstmals im Frühling vorgestellt worden war. „Wir hatten schon lange mit der Messe über Kooperationen gesprochen und freuen uns jetzt über dieses Event“, so Andreas Rebbelmund, Geschäftsführer von Breuninger Düsseldorf. „Die Designer können ihre Produkte auf der Fläche

„Es ist total wichtig, als Newcomer ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten.“ Charline de Luca

präsentieren und wir können mit dem Pop-up-Store in den drei Tagen unseren Kunden ein ganz besonderes Sortiment zeigen – letztlich eine Win-win-Situation für alle.“ Das bestätigt auch Annalisa Damico, Sales Manager von Alain Tondowski: „Events wie diese sind total wichtig für die Schuhbranche. Der Schuhhandel muss offener werden für neue Produkte.“ Prinzipiell ist das der Handel schon, allerdings gelten für die Stores eigene Kriterien: So führt Apropos neben Loboutin und andere aus dem Luxussegment auch neue Namen wie den Gewinner des CFDA-Awards Paul Andrew oder Labels wie Tory Burch und Slip-ons von Bloggerin Chiara Ferragni. „Die Kollektion muss zuerst einmal zu unserer Ästhetik passen, das ist das Wichtigste überhaupt“, so Einkäufer Henning Korb. „Wenn dieses Kriterium erfüllt ist, spielen neben Exklusivität auch Qualität und Passform eine wichtige Rolle. Marketingaktivitäten sind auf unserem Markt häufig ausschlaggebend, wenn ein Label von einer tollen Kampagne begleitet wird, steigert das die Attraktivität des Produktes.“

Design Trendsetter Mit der Design Trendsetter Area hat die GDS seit Frühjahr 2015 eine neue Plattform für innovative Schuhe und Accessoires geschaffen. Auf der separaten Fläche innerhalb des Studio Segments stellen insgesamt 20 internationale Designer ihre Produkte vor. An der Auswahl waren neben GDS-Chefin Kirstin Deutelmoser Experten wie Giuseppe Baiardo, Onward Luxury Group, die Designer Ernesto Esposito und Veronique Branquinho beteiligt. Kriterien waren vor allem kreatives Potenzial und Qualität der Produkte. Auf der Fläche stellten Designer und Brands wie Laurence Dacade, Alain Tondowski, Charline de Luca, Casamadre, Ancient Greek Sandals oder Finsk aus. Ihre Produkte werden teilweise schon weltweit bei Topeinzelhändlern wie Colette, 10 Corso Como, Selfridges, Joseph, Bergdorf Goodman oder Saks verkauft. Das Projekt ist zunächst für zwei Saisons geplant. Die Branche müsse ihre kreativen Köpfe unterstützen, so GDS Director Kirstin Deutelmoser. „Darüber hinaus wollen wir einen realen Mehrwert für unsere Besucher schaffen.“ www.designtrendsetter.com

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