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Ver)folgungsjagd

(Ver)folgungsjagd Die Modebranche hat ein neues Lieblingsmedium: Instagram-Follower sind die Social-Media-Währung der Stunde. Die Mischung aus privaten Einblicken, globaler Inspiration und visueller Information hat besonders die auf den Geschmack gebracht, die immer schneller als die anderen sein wollen. Text: Martina Müllner. Sarah Rutson, President of Global Vice Buying Illustration: Claudia Meitert@Caroline Fotos: Gesprächspartner Seidler. bei net-a-porter.com ist also gerade auf Ibiza. Riccardo Tisci, Chefdesigner von Givenchy auch. Und wie es der Zufall will, postet Elina Halimi, Inhaberin des Luxusstores Kabuki in Paris, den gleichen Sonnenuntergang wie die beiden – nur von einer anderen Ecke der Baleareninsel aus fotografiert. Was das alles Edelflohmarkt Marché aux Puces Bunte. mit Mode zu tun hat? Sehr viel. de Saint-Ouen Inspiration finInstagrams Eigentümer freut’s: Denn ein bisschen Ibiza-Vibes det. „Wer heute anderen Leuten Das New Yorker Office wurde nehmen alle drei (und es sind Mode verkaufen will, muss selbst prominent besetzt, so hat zum nur die einflussreichsten der auf der Bühne stehen“, titelt die Beispiel Eva Chen, Anna Windiesjähigen Ibiza-Urlauber) mit FAZ in einem Artikel über Leila tour-Intima, ehemalige Chefrein ihre Arbeit. Der pittoreske Yavari. Ob es Zufall ist, dass die dakteurin des Lucky Magazines Sonnenuntergang, die GeburtsA-List der Buyer heute athletisch und Selfmade-Instagram-Star, stunde eines weiteren Microtrainiert (die Männer) oder zero seit Juli den schönen Titel „Head trends? dürr (die Frauen) ist? Dass die of Fashion Partnerships“ inne. Prä-Social-Media (Wie war das Modeindustrie ein für EitelkeiEine Milliarde will eben auch damals eigentlich?) wäre eine ten so prädestiniertes Selbstdarirgendwann wieder reingeholt solche Kohärenz noch nicht einstellungsmedium wie Instagram werden. Und so sind Geschäftsmal aufgefallen. Gut, vielleicht zu nutzen weiß, darf jedenfalls modelle, die heute maßgeblich hätte ein hochbezahlter Trendniemanden wundern. auf Gratistraffic aus Instagram scout Interviews mit allen dreien bauen, auf wackeligen Beinen geführt, hätte Ibiza-Eindrücke When it’s in Bunte, it’s gebaut. Oder eben auf der in eine Farbkarte übersetzt und #commonsense realistischen Aussicht, dass wohl in einem Trendbuch feilgeboten. Nein, Instagram ist längst kein künftig ein „share of check-out“ Wie alt klingt dieses GeschäftsInsidermedium mehr. Dagegen an Instagram bzw. Facebook modell heute in unseren Ohren? sprechen 400 Millionen aktive abzugeben sein wird. In welcher Wer 2015 etwas auf sich hält, hat Nutzer weltweit (Stand SeptemForm auch immer. ein dickes „k“ hinter der Zahl ber), der Kaufpreis von einer Der Blick durchs Schlüsselseiner Follower. Justin O’Shea, Milliarde Dollar, den Facebook loch der Designer, Kreativen, Buying Director von mytheresa. 2012 für Instagram bezahlt hat, Buyer und Agenten jedoch, der com, bringt es auf knapp 65.000 und die deutsche Yellowpressbleibt allen offen. Gerade sind Follower (Stand September), ikone Die Bunte, die in ihrer Marc Jacobs und sein Pitbull Sarah Rutson 34,4 k, Stylebops Berichterstattung über Events Neville schlafen gegangen. Ein Fashion Director Leila Yavari auf wie den MTV Video Music Gute-Nacht-Selfie an 289 k 25,9 k. Award neuerdings die Prominenz Follower. Suzy Menkes wird’s Jeden Tag ist man ein bisschen der abgebildeten Twentysomefreuen: Die Grand Dame der mit dabei: Wenn Justin in things in Instagram-Followern Modeberichterstattung liebt Mailand Miu Miu ordert, Sarah veranschaulicht. When it’s in Instagram zur persönlichen mit Gwyneth Paltrow in die fashion, it’s in Vogue – und Inspiration und um von den Hamptons einlädt, Leila am when it’s massenfähig, it’s in vielen Events, Ausstellungen und Shops zu berichten, die es nicht in ihre Vogue-Kolumne schaffen. Marc Jacobs hat sie anlässlich eines Interviews von Instagram vorgeschwärmt – und prompt ist auch er zum Addict geworden. Geschichten wie diese finden in klassischen Medien kaum Platz – genau deshalb sind sie so faszinierend. Zumal diese „psssst-Insider-Storys“ ja nicht nur von Menschen handeln, sondern vielfach von Marken.

Marken früher finden „Briston Watches haben wir auf Instagram entdeckt“, sagt Tommy Wieler, der gemeinsam mit seiner Frau, der Schmuckdesignerin Vanessa Baroni-Wieler, die Agentur Another Souvenir betreibt. Schnell war der Kontakt etabliert, wenige Wochen später die Uhrenmarke im Sortiment der Vertriebsprofis und – viel wichtiger – in den ersten Läden. Engelhorn, The Listener, Apropos The Concept Store, Lodenfrey, Bungalow – die Türen waren im Nu geöffnet. „Wenn man sich eine Weile durch diesen Instagram-Urwald klickt, schult man sein Auge. In diesem Format ist das Image eines Labels einfach echt gut darstellbar, man sieht schnell, ob es Stil hat oder nicht.“ Als Agent sei man „immer auf der Suche, das hört nie auf, das ist ja auch unser Anspruch, etwas Spannendes, was dem Stil unserer Accessoireagentur entspricht, zu finden.“ Weil Messen eben von allen anderen auch abgegrast werden, sei Instagram ihr derzeitiger Geheimtipp, so die Wielers. Auch Theresa Steinbacher von Warm-Me nützt das Medium „null privat, ausschließlich für unsere Marke Warm-Me und natürlich mit einem Auge auf die Agentur room with a view. Anine Bing, Sincerely Jules, Cecilie Copenhagen, Ateline Pauline, das sind alles Marken, die über Instagram gekommen sind. Schlaue Einkäufer, die auf Instagram suchen, haben diese Marken dann eben oft ein halbes Jahr früher als die anderen. Damit tritt das Medium natürlich in eine gewisse Konkurrenz zum klassischen Agenturgeschäft – denn der Tophändler, der wirklich früh dran ist, versucht natürlich die Agenturen bei seiner Recherche zu überholen.“ Ein Wettrennen, weiß auch Uwe

Nicole Doleh, Inhaberin Inked: „Scouting und Sourcing sind bei mir komplett offline.“ Uwe Maier, Bungalow und Bungalow Gallery: „Ich bin überzeugt, dass Instagram eine große Chance für kleine Marken ist.“

Maier von Bungalow in Stuttgart: „Klar freut man sich, wenn man eine Marke schon führt, noch lange bevor sie in Deutschland vertreten ist. Auf Instagram entdeckt man auch mal Brands, wo man denkt: Oh, hübsch, da geh ich mal vorbei, wenn ich in Paris bin. Wenngleich ich dann auch schwäbisch bin und mir eine neue Brand auch gerne mal zwei Saisons ansehe, ehe ich eine Order platziere.“

Und ihr so? „Wenn ich dann wieder auf dem Selfridges-Account die Schaufenster sehe, dann fühle ich mich so gut informiert, als ob ich gerade selbst in London wäre“, schwärmt Theresa Steinbacher. Colette, Beams, The Store, Luisa Via Roma – ein Instagram-Round-up durch die führenden Läden der Welt frei Haus. „Klar schaut man, was die anderen machen“, bestätigt Uwe Maier. „Ich recherchiere nicht auf Instagram, nein“, sagt Nicole Doleh von Inked in Wien. „Genau aus diesem Grund: Wenn etwas im Internet zu finden ist, kann es ja doch wieder jeder finden, der einigermaßen affin und ehrgeizig ist und die entsprechende Muße mitbringt. Das ist mir zu wenig. Scouting und Sourcing sind bei mir komplett offline, da muss ich weg, muss vor Ort in Städten wie New York oder L. A. sein, aber dann eben auch nicht dort, wo alle sind. Letztes Jahr habe ich zum Beispiel durch Zufall beim Trekking in den Hills den Besitzer einer Sportswearmarke kennen gelernt, die spannend ist. Oder ich fotografiere mal einen Tag lang vor einem Wholefoods Market in Brooklyn die Leute, um dann im Nachgang zu schauen: Ist da ein neuer Look, entsteht da gerade etwas Neues? Das ist mein Anspruch an Recherche, nicht einfach auf Instagram schauen. Das ist, als würde ich eine Boulevardzeitung als Quelle für Geheimtipps lesen.“ Für ihren Laden ist Doleh Social-Media-Heavyuserin: Instagram, Facebook, sowie der Inkedology-Blog tragen viel zur Identität des Ladens bei. „Wir transportieren hier unseren Lifestyle, das hat erst mal wenig mit Verkauf und Akquise zu tun. So heißt unser Newsletter zum Beispiel gang tabloid, weil wir uns als genau das fühlen: Als eine Gang, im positiven Sinne, eine Community, die sich für ehrliche, wertvolle, gehaltvolle Geschichten interessiert – und für ebensolche Marken.“ Klar, dass sich daraus auch Verkäufe generieren. „Wir bekommen Anfragen aus aller Welt, das ist natürlich ein schönes Echo.“

Dafür gibt’s Herzchen Alessandro Squarzi, Inhaber der gleichnamigen Agentur in Mailand, Bologna, Florenz und Ancona, nützt seinen persönlichen Instagram-Account und den der Agentur, „um mich selbst und meine Marke Fortela, die ich täglich trage, zu promoten“. Wie gut, wenn Macher und Marke so deckungsgleich sind. Seine langjährige Erfahrung im Modebusiness hat die Gründung der eigenen Brand geradezu aufgedrängt. Der Stil: Modern Gipsy für Männer, wie er selbst das beste Rolemodel ist, italienisch durch und durch. „Ich lerne so viel durch Instagram. Bisher habe ich noch keine neue Marke für unsere Agentur entdeckt, nein, aber viele Endkonsumenten kontaktieren mich.“ Eine ganz neue Facette des Austauschs für jemanden, der bisher eigentlich hinter den Kulissen der Mode gewirkt hat. Klar, dass auch dieses Feedback überzeugt, einfließt, anregt. „Instagram ist eine tolle Art, seine Arbeit darzustellen. Neue Menschen können auf einen aufmerksam werden und bestehende Kunden können dir folgen.“ „Instagram und Co haben die Art, wie neue Marken aufkommen, komplett verändert. Der große Vorteil ist, dass man von heute auf morgen Alessandro Squarzi, Showroom Alessandro Squarzi und Inhaber von Fortela: „Ich lerne so viel durch Instagram.“

mit Endverbrauchern direkt in Kontakt kommt, sofort Feedback bekommt, schnell eine Fangemeinde aufbauen kann“, berichtet Theresa Steinbacher. Und weiter: „Das Tempo in Social Media macht den klassischen Saisonrhythmus, eigentlich jeden Rhythmus, absolut obsolet. Trends kommen so schnell hoch – und viele sind ebenso schnell auch wieder weg. Für Start-ups wie unsere Marke Warm-Me bedeutet das ein großes Investment: Bildmaterial das ganze Jahr über, aber vor allem Ideen und Storytelling, es ist eine Challenge, diesen Content zu bekommen.“ „Ich bin überzeugt, dass Instagram eine große Chance für kleine Marken ist“, sagt Uwe Maier. „Für uns im Handel allerdings heißt es: Geht’s um Follower oder geht’s um Käufer? Am Ende interessiert mich wie bei allem die Qualität. Sind da Leute unter meinen Followern, die sagen: Ja, echt gut, das Teil will ich kaufen!“

Theresa Steinbacher, Brand Manager Warm-Me: „Der Tophändler versucht natürlich die Agenturen bei seiner Recherche zu überholen.“ Tommy Wieler, Inhaber der Agentur Another Souvenir: „Wenn man sich durch diesen Instagram-Urwald klickt, schult man sein Auge.“

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