10 minute read

Die machen gemeinsame Sache

DIE MACHEN GEMEINSAME SACHE! DAS NEUE WIR IST DIE PROFESSIONELL ÜBERSETZTE RÜCKBESINNUNG AUF EINEN TEILWEISE WEGZIVILISIERTEN INSTINKT: ALLIANZEN SIND EBEN KEIN ANACHRONISTISCHES ERBE DER 1960ER- UND 1970ER-JAHRE, SONDERN HABEN SCHON DEM URMENSCHEN DAS ÜBERLEBEN GESICHERT. VORAUSGESETZT, SIE WERDEN MIT JEDER MENGE FINGERSPITZENGEFÜHL, VERTRAUEN UND INTELLEKT UMGESETZT.

DIE LOBBY

für Kooperationen ist klein wie eigentlich jede Lobby in der Modebranche. Aber in diesem Fall ist es noch bedauernswerter. Umso härter die Zeiten, umso mehr wird Darwins Evolutionstheorie The Survival of the Fittest – das Überleben der am besten angepassten Individuen – mit einzeln Handeln übersetzt. Markus Dielmann von der MK-Gruppe, Lars Braun vom Masculin Modekreis, Marc Kofler von der Adventure Fashion Agency GmbH und Gabriele Frantzen mit How to Market stellen vor, warum Allianzen gestern wie heute ihre Daseinsberechtigung haben. Ihre Konzepte lassen erahnen, wie viel Potenzial in dem Thema stecken würde und was es braucht, um sich auf Augenhöhe zu begegnen. How to Market hat gerade seine Premierenveranstaltung absolviert, der Masculin Modekreis feiert nächstes Jahr sein 45-Jahr-Jubiläum. Alle Konzepte zeigen, dass Allianzen eine klar geregelte Basis brauchen, um sinnvoll und langlebig zu sein. Ist eine Allianz doch immer ein gewisses Zugeständnis. Man weiß Details um die Stärken und Schwächen des anderen, sagt sich gegenseitig die Meinung – mit einem gemeinsamen Ziel: Erfolg.

DIE MK-GRUPPE

DIE NEUE

GENERATION

Wenn Markus Dielmann vom gleichnamigen Schuhhandelsfamilienunternehmen aus Darmstadt vom Konzept der MK-Gruppe erzählt, klingt das nach heiler Welt. „Aber wir sind keine Insel der Glückseeligen. Manche Entwicklungen treffen uns genauso brutal wie alle anderen im Markt.“ Das Prinzip ist allerdings genial: Niemand partizipiert nur am Erfolg des anderen, sondern jeder trägt durch seinen eigenen aktiv bei. Die MK-Gruppe kooperiert durch internen Wissenstransfer, bietet ihren Mitgliedern aber auch die Möglichkeit, gemeinsam Geschäft zu machen. Sie waren Pioniere mit ihrem losen, freundschaftlichen Verbund von inhabergeführten Schuheinzelhändlern in Deutschland und der Schweiz. Inzwischen gehören zehn namhafte Unternehmen zur MK-Gruppe, die über 180 Filialen an über 100 Standorten betreiben. Im Kollektiv nützen sie Synergien und bündeln ihre Kräfte, an erster Stelle steht aber vor allem der persönliche Erfahrungsaustausch. Dafür finden in regelmäßigen Abständen informelle Treffen statt, achtmal im Jahr eine eigene Hausmesse in Bad Dürkheim und gemeinsame Ordertermine. Viele deutsche Schuhhändler hatten für italienische Schuhe ein Beschaffungsproblem, das es zu lösen galt. Die MK-Gruppe wollte an neue Märkte und Kollektionen herankommen und auf Augenhöhe mit den Lieferanten verhandeln. Anfangs saßen drei Unternehmen mit am Tisch, inzwischen sind es zehn. „Unser Verbund wurde bereits von der Elterngeneration der meisten heute tätigen Inhaber gegründet“, erklärt Markus Dielmann. Er spricht damit auch eine der größten Herausforderungen an, der sich die Gruppe stellen muss: dem Generationswechsel und der Tatsache, dass zukünftig immer weniger Inhaber mit am Tisch sitzen werden, die auch Einkäufer sind. „Während es für die MK-Gruppe früher darum ging, überhaupt an Schuhe heranzukommen, geht es heute darum, sich im Wandel der Märkte, der Beschaffung und der Absatzsituation offen auszutauschen, damit jedes Unternehmen für sich wettbewerbsfähig bleibt.“

GEMEINSAME MARKEN

Der wichtigste Synergieeffekt ist der Abstimmungs- und Orderprozess der inzwischen zehn Eigenmarken von vier Unternehmen. „Wir haben in der Gruppe gemeinsame Marken, die entwickelt werden müssen. Das ist einerseits eine Marketingaufgabe, die das jeweilige Mitglied übernimmt, dem die Marke gehört. Wenn es aber darum geht, die Kollektion weiterzuentwickeln und konkrete Produkte auszusuchen, wird die Gruppe von dem Moment an beteiligt, in dem jeder die Möglichkeit hat, sich mit einer Order anzuhängen.“ Besonders stark entwickeln sich die Eigenmarken Sommerkind, Helén Billkrantz, Van der Laan und Carrera Panamericana, mit ihnen werden rund 80 Prozent des gesamten Eigenmarkenumsatzes erzielt. „Durch das Wachstum, das wir in den letzten Jahren erreicht haben, ist der Abstimmungsaufwand zwischen den Mitgliedern sehr groß geworden. Zu diesem Zweck haben wir ein neues Onlineordertool eingeführt, weil es die Informationspolitik in der Gruppe automatisiert.“ Der Nebeneffekt ist, dass jedes Mitglied mitbekommt, wenn bei einem Kollegen ein Schuh besonders gut läuft, oder dass er im laufenden Betrieb einen Topseller nachzieht. Alles zirkuliert und jeder kann sich einer Nachbestellung anschließen. „Dadurch versprechen wir uns auch eine Beschleunigung in den Sorti

„WENN ICH MIT EINEM KOLLEGEN SPRECHE, DER EINE VÖLLIG ANDERE PHILOSOPHIE HAT UND VON DEM ICH WEISS, DASS ER DAMIT ERFOLGREICHER IST ALS ICH, GIBT MIR DAS WERTVOLLE DENK- ANSTÖSSE.“ MARKUS DIELMANN, MK-GRUPPE

menten und das Mitnehmen von hohen Dynamiken in der Nachfrage, da wir unsere Marken mit Lieferanten umsetzen, die schnell liefern. Für mich sind es die Herausforderungen der Zukunft, eine schnelle Wareneinsteuerung, eine verlässliche Anlieferung und weniger komplex behaftete Logistikkonzepte zu haben“, sagt Markus Dielmann.

„MANCHE SAGEN, SO EIN EINKAUFSVERBUND IST EIN ANACHRONISMUS. DAS IST ER ABER MEINER MEINUNG NACH NICHT, SONDERN EINE SEHR MODERNE FORM DER INDIVIDUELLEN KOOPERATION.“ LARS BRAUN, MASKULIN MODEKREIS

MASCULIN MODEKREIS EIN WUNDERBARES VEHIKEL

Um es bescheiden auf den Punkt zu bringen: Sie vereinen das Who-is-Who der Luxusretailer in Deutschland, Österreich und der Schweiz in ihren Reihen. Der Masculin Modekreis wurde 1971 gegründet und zählt inzwischen 15 Mitglieder mit 18 Standorten, darunter Firmen wie Braun, Lodenfrey, Sagmeister und Graenicher. Neben der Eigenmarke Simon Gray produziert die Gruppe drei Masculin Print-Journale pro Saison – es war damals auch der Gründungsgrund: „Man fühlte sich nicht mehr wohl damit, wie Designer Menswear und der damit verbundene Anspruch abgebildet wurde. So gründete man eine Werbegemeinschaft, nannte sich Masculin und fand das C besonders. Inzwischen ist daraus eine Unternehmergemeinschaft geworden, die sich über die Jahre hinweg immer wieder neu erfunden hat“, erklärt Lars Braun. Er wurde in die Gruppe buchstäblich hineingeboren. Sein Großvater erlebte noch, wie sich das Unternehmen 1980 unter Jean Braun, seinem Vater dem Masculin Modekreis anschloss. Er selbst übernahm schließlich die Geschäftsführung und kümmert sich heute um alle Belange der GmbH mit Sitz in Mainz. „Ich glaube sehr an das Thema Masculin. Es ist ein wunderbares Vehikel, um einen Teil der Baustellen, die heute jeder Händler zu lösen hat.“ Ein sehr transparenter Zahlenaustausch und Informationen beispielsweise darüber, wer wovon wieviel verkauft hat und was besonders gut oder schlecht lief, stehen im Vordergrund. Aber auch individuelle Trial-and-Error-Erfahrungen zu Steuer, Rabatten oder Events. Dafür finden viermal im Jahr Klausurtagungen statt.

GROSSE SCHNITTMENGE

Die wichtigste Schnittstelle der Gruppe ist aber das Masculin Journal. Darin stellen die Mitglieder Highlights aus ihrem Sortiment vor und geben den Kunden einen Ausblick auf die kommenden Themen und Trends. Fünf Mitglieder kümmern sich ehrenamtlich um die Auswahl des Sortiments für das Journal, aus dem sich jedes Mitglied dann wiederum seine ganz eigene Auswahl zurechtschneidern kann – im eigenen Interesse ist die Schnittmenge groß. Die Eigenmarke Simon Gray ist ein essenzieller Bestandteil des Sortiments, „doch wir haben damit noch viel Luft nach oben und diskutieren momentan sehr intensiv, in welche Richtung es gehen könnte“, sagt Lars Braun. Als größte Herausforderung für die Zukunft nennt Lars Braun neben dem Strukturwandel im Einzelhandel vor allem das Onlinegeschäft. „Das Onlinegeschäft ist uns sehr wichtig, daher sind natürlich die Onlinepräsenzen auch entsprechend groß – und ähnlich. Außerdem haben wir in unserem vermeintlich sehr homogenen Kreis einen hohen Grad an Heterogenität hinsichtlich Luxuspreislagen, Positionierung und Groß- und Kleinstadtlagen.“ Heterogen könnte man auch die Reaktionen des Handels auf den Einkaufsverbund bezeichnen, denn die Bandbreite reicht von Applaus bis zu Fragezeichen in den Augen. „Die Italiener haben dafür überhaupt kein Verständnis, sie können nur bedingt etwas damit anfangen. Manche Marken meckern, wenn sie nicht die gewünschten Volumina auf den Tisch bekommen, denn die Erwartungen sind entsprechend hoch – aber alle jubeln, wenn wir sie listen.“

ADVENTURE

FASHION

AGENCY GMBH

DAS AGENTUR

KONGLOMERAT

Das einzige, was sich Modeagenturen in der Regel teilen, ist ein vager Termin. Marc Kofler, Inhaber der Adventure Fashion Agency GmbH, hat in der letzten Orderrunde eine ganz neue Idee vorgestellt, die auf den ersten Blick nach einer Miniaturmesse in exklusivem Rahmen aussieht, den Kooperationsgedanken hinter den Kulissen aber noch viel weiter denkt. Drei befreundete Agenturen lud er ein, sich zu einem gemeinsamen Termin in der Villa Rheinperle in Düsseldorf zusammenzuschließen und dort eine gemeinsame Veranstaltung zu machen. „Die Idee ist eigentlich dadurch entstanden, dass ich einen Spezialisten für Menswear gesucht habe. Da ich Patrick Stalherm aus der Vergangenheit kenne, habe ich ihn angesprochen, ob er nicht Lust hat, für uns die HAKA zu verkaufen und als Gegenzug seine Kunden mitzubringen“, erklärt

„ICH SEHE IMMER NOCH DEN EINZELKAMPF IM EINZELHANDEL. HINTER DEN KULISSEN WIRD GEFIGHTET, UM LABELS UND UM MARKTANTEILE.“ MARC KOFLER, ADVENTURE FASHION AGENCY GMBH

Marc Kofler. Patrick Stalherm unterstützt bei Adventure die Marken Corneliani, Mitchumm und Invicta. Nach dem gleichen Prinzip kamen Gilda Mak und Rüdiger Matton mit hinzu, die ihre Marken mitbrachten und bei Adventure Kollektionen übernahmen.

EINE HAND WÄSCHT DIE ANDERE

„Indem wir den Agenturinhabern zusätzlich eine Verantwortung für eigene Marken geben, macht die Kooperation noch mehr Sinn, weil wir auch professionelle Unterstützung für das eigene Angebot bekommen.“ Die übrigen Vorteile liegen auf der Hand: Der Kunde bekommt ein gebündeltes, umfangreiches Angebot wie in einem Departmentstore präsentiert und steigert damit die Effizienz seines Termins. Gleichzeitig kommen neue Kontakte zustande. „Dadurch, dass wir alle Menschen sind, haben wir unterschiedliche Arten des Ansprechens und Verkaufens. Der eine hat zu diesem Kunden einen besseren Zugang, der andere zu einem anderen. Jeder profitiert von der Professionalität des anderen, von dessen Kontakten und Erfahrungswerten.“ Marc Kofler möchte mit seiner Veranstaltung auch den Standort Düsseldorf stärken. Denn von Messen, auf denen sich kleine Agenturen für viel Geld eine logistische Plattform anmieten, um sich dann Bazar-ähnlich um die Händler zu scharen, hält er wenig. „Bei uns merkt der Händler nicht, dass er eigentlich von verschiedenen Profitcentern bedient wird. Wir achten sehr darauf, dass sich alle Marken optimal ergänzen.“ Selbstredend, dass, was in Düsseldorf erfolgreich war, auch in München umgesetzt wurde.

HOW TO MARKET

DER MOBILE

POP-UP-STORE

Ob Allianzen im Einzelhandel letztendlich über Eitelkeit, Gebietsschutz oder schlichtweg den Mangel an guten Ideen stolpern? Warum nicht einen kompetenten Partner mit einem stimmigen Konzept ins Haus holen, der Dinge umsetzt, für die einem selbst schlichtweg die Zeit fehlt? Wer Gabriele Frantzen, Inhaberin der Agentur Best of 19 und Schmuckdesignerin aus München kennt, weiß, dass sie sich von Grenzdenken nicht abhalten lässt. Gemeinsam mit der Journalistin Sabine Spieler hat sie in diesem Sommer eine Idee umgesetzt, die ihr in New York kam. „Ich nahm an vielen Trunk Shows teil. Mich hat das überzeugt, diese Flexibilität, das Unerwartete hat mich inspiriert. Trunk Shows sind immer situativ und unexpected. Dem Einzelhändler, der eben nicht die Zeit dafür hat, sich neben dem Tagesgeschäft auch noch um eine Sortimentserweiterung zu kümmern, bieten wir diesen Effekt des Unerwarteten. Wir machen seinen Retail Space zum Happening Space.“ So entstand ihr Consulting-Package für einen mobilen Pop-up-Store. Auf Anhieb überzeugte sie namhafte Händler – im September fand bei Odeeh während der Vogue’s Fashion Night Out die erste Veranstaltung statt und im November folgen weitere bei Sagmeister und Engelhorn.

FREQUENZ DURCH KOMPETENZ

Gabriele Frantzen kennt beide Seiten der Medaille und weiß nur zu gut, wie viel Arbeit hinter der Zusammenstellung und Pflege eines besonderen, kleinteiligen Sortiments steckt. Daher bietet sie das Gesamtpaket inklusive allen Produkten, einem professionellen Verkaufsteam und der Kernkompetenz der

„ES GEHT HEUTE MEHR DENN JE UM KURATIERTE ANGEBOTE, UM EMOTIONALE ANSPRACHE UND HANDVERLESENE SORTIMENTE MIT STARKEN EINZEL- STÜCKEN.“ GABRIELE FRANTZEN, HOW TO MARKET

beiden Initiatorinnen in Sachen Einkauf, Verkauf und Kommunikation an. „Der Einzelhändler per se hat heute kaum noch die Zeit, sich um kleinteilige Dinge zu kümmern. Da kommen wir mit How to Market ins Spiel. Wenn der Einzelhändler unser Konzept einkauft, installieren wir für ihn einen temporären Pop-up-Store in seinem Laden“, erklärt Gabriele Frantzen. Das Produktportfolio von How to Market präsentiert Highlights aus den Kategorien Beauty, Food, Lifestyle, Dekoration, Mode und Accessoires. „Frequenz durch Kompetenz ist unser Slogan. Indem wir neue Produkte in die Läden bringen, setzen wir die Schwellenangst

der Laufkundschaft herunter, wir bringen Individualität mit und es ist ein neuer Weg, Verkauf zu machen. Wir nehmen dem Handel sozusagen die Party ab! Das geht von der Gestaltung des Sortiments bis hin zum Design und Layout der Einladungen, von Social Media bis zur Pressearbeit. Unser Ziel ist es, das Sortiment des Händlers zu kuratieren, daher gibt es spezielle Aktionen wie täglich den Look of the Day, der sich aus dem Gesamtsortiment zusammensetzt.“ Der Einzelhandel profitiert von mehr Frequenz und neuen Kunden. Und die teilnehmenden Marken erhalten die Chance, sich in ReferenzStores zu präsentieren.

This article is from: