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Mann-zipation
Da tut sich was im Männermarkt: Ein schönes Angebot, dazu mehr Modemut und neues Selbstbewusstsein, die Gründe, warum sich Männer zum Lieblingskunden entwickeln, sind vielfältig. style in progress über die Freuden, derzeit ein Männergeschäft zu betreiben. Text: Martina Müllner-Seybold. Illustration: Claudia Meitert@Caroline Seidler
„Die Männer sind die neuen Mädels, ganz klar“, bringt es Matthias Schwarte auf den Punkt. „Im Männermarkt erleben wir gerade, was vielleicht vor zehn, 15 Jahren bei den Damen stattfand. Interessierte Kunden, die sich bei entsprechender Beratung dem Neuen öffnen und gerne mal einen neuen Look oder eine neue Marke ausprobieren.“ Keine Albernheiten, gewiss, aber „Storys mit sofort sichtbarem Mehrwert, Dinge, die sich schnell erklären und die keine Fragen offen lassen“, so der Agenturinhaber. People of Shibuya ist so ein Beispiel. Funktionelle, aber anspruchsvoll designte Jacken, die neben vielen technischen Features fast überwiegend nach dem 2-in1-Prinzip funktionieren. „Da steigt dann auch mal der ganze Masculin Modekreis in der ersten Saison ein. Es geht den Einkäufern ja genau wie ihren Kunden: Auch sie suchen Produkte, die nicht kompliziert und innovativ sind“, findet Matthias Schwarte. Naturgemäß ist der Jubel aus dem Handel verhaltener, die Minuszahlen der ersten Herbstmonate gehen auch an den Männerläden nicht spurlos vorbei. Dennoch freut sich Clemens Sagmeister von Sagmeister Der Mann in Bregenz über seine Position. „Der Männerbereich ist bestimmt krisenresistenter, wir bekommen die Hochs und Tiefs nicht so stark zu spüren. Ein Businesskunde zum Beispiel, der pro Jahr seine zehn Hemden und zwei Anzüge braucht, der bleibt ja nicht zu Hause, nur weil das Konsumklima gerade getrübt ist. Einmal im Laden, lässt er sich auch verführen, wenn wir ihm neue Materialien schmackhaft machen oder neue Themen zeigen – wie den Sneaker zum Anzug.“ Verführung sei das Maß aller Dinge. „Selbst der Bedarfskunde will keine Ärmelparaden mehr sehen, das ist ein Dinosaurierkonzept. Unser Handwerkszeug ist die Überraschung und manchmal auch, hartnäckig zu sein. Vielleicht sagt der Kunde dreimal nein zu einem Look, beim vierten Mal aber ist er überzeugt. Diese Überzeugungsarbeit ist doch unsere Kompetenz.“
Hahn oder Ei? „Der Mann hat modisch bestimmt aufgeholt, da gibt es eine klare Entwicklung nach vorne“, bestätigt Lars Braun, Inhaber von Braun Hamburg und Betreiber des gleichnamigen Onlineshops. Doch was war der Auslöser? Gab es zuerst ein besseres Angebot oder zuerst die Nachfrage danach? Henne oder Ei? „Da sage ich ganz klar: Henne. Ohne Bedürfnis kein Angebot. Die Nachfrage nach einem entspannten, unkonformeren Look ist seit einiger Zeit zu spüren. Die Uniformität bricht auf und das tut der Männermode gut. Die Trennlinie zwischen Job und Freizeit ist
nicht mehr so scharf. Wir sehen, dass viele Themen sich viel freier und aufgelockert präsentieren. „Der Männerbereich ist krisenresistenter.“ Das bringt naturgemäß ein Clemens Sagmeister von Sagmeister Der Mann, Bregenz frisches Bild und macht Lust, verführt.“ Dass der Mann sich dieser Lust, Kleidung zu kaufen, jagen, um nur kein spannendes Lars Braun. „Egal ob Modeauch hingeben darf, ist ein verLabel zu verpassen. Da gibt schauen, die er sich online gleichsweise junges Phänomen: es die anderen, „die nur ihre ansieht, Magazine im Web oder „Der Mann ist eitler geworden, Stammlieferanten besuchen und Fashionblogs, dazu Instagram hedonistischer, in Stilfragen viel dort jeweils eine halbe Stunde und Co., diese Bildwelten aufgeklärter. Unsere Kunden quatschen, um sich danach zu sind wichtiger geworden und sind teilweise beeindruckend inbeschweren, dass sie nichts Neubeeinflussen viele Männer, sich formiert, was in Designhäusern es gesehen haben“, fasst Michael modisch Dinge zu trauen, die passiert – einen Wechsel des Brockmann von den Heritage sie früher schlicht nicht gekannt Designers oder ähnliches, davon Agents bewusst überspitzt hätten.“ Der stilvolle Gentlehätte doch früher außerhalb der zusammen. „Aber ehrlich, wer man, der jeden Tag seine Outfits Branche kaum jemand Notiz vom Pitti nach Hause kommt postet, ist Instagram sei Dank genommen.“ und sagt, er hätte nichts Neues eine neue Größe. „Ich glaube, Rob Kriescher, Inhaber des gesehen, der hat entweder nicht dass Streetstyle und besonMännerladens Dreist in Aachen, geguckt oder nur im Colle ders die Blogs den Männern ergänzt: „Dieses Interesse an der Bereto gestanden. Wenn wir grünes Licht dafür gaben, sich Mode kommt ja nicht alleine, es über die Messe gehen, können für Mode zu interessieren und ist umrahmt von einem ganzen wir uns gar nicht einkriegen, so darüber zu sprechen“, sagte Lebensgefühl, das sich geändert viel geiles Zeug ist da. Das ist Nick Wooster im Interview mit hat. Ob Barber oder Grooming, unsere Champions League, da style in progress. Lars Braun: ob schöne Accessoires oder muss man wach und einge„In der Tat gibt es für Männer Schuhe und deren richtige Pfleschalten und aktiv sein, da muss Leitbilder, mit denen sie sich ge, in den letzten Jahren hat sich man das Neue zulassen und identifizieren. Anders als bei „Das Interesse an der und natürlicher. Das müssen auch nicht zwangsläufig lebende Mode kommt nicht alleine, Ikonen sein, man denke nur es ist umrahmt von einem daran, dass zum Beispiel Steve McQueen immer noch eine ganzen Lebensgefühl.“ Größe ist, an der sich Männer Rob Kriescher, Dreist, Aachen gerne orientieren.“
ein ganzer Kosmos entwickelt, der es dem Mann jetzt erlaubt, sich für die schönen Dinge des Lebens zu interessieren. Das Wichtigste ist, dass es eine gute Story gibt und dass man als Verkäufer nicht müde wird, diese Geschichte nochmal und nochmal und nochmal zu erzählen. Denn diese Geschichte wird weitererzählt, wenn unser Kunde dann mit seinen Kumpels bei einem Bier über seinen Einkauf spricht. Ein Mann sagt ja nicht: Kuck mal, was ich mir Schönes gekauft habe. Er will den Kauf viel stärker rational begründen können – und dafür müssen wir ihm die richtigen Argumente mitgeben.“
Eiersuche Jede Saison im Epizentrum der Männermode: Da gibt es die einen, die wie von der Tarantel gestochen über den Pitti Uomo wollen. Wenn mir ein Händler sagt, er brauche keine Messe, staune ich. Wie soll denn sonst die Innovation in den Laden kommen? Freilich, vielleicht braucht man nicht jede Saison neue Lieferanten, aber wenn man aufgehört hat, Spaß am Entdecken zu haben, dann wird man seinen Kunden bestimmt nicht gerecht.“ Zumal der Kunde heute auch ganz genau weiß, was ihm der Händler vorenthalten will. Medial und vor allem visuell ist ein Event wie Pitti Uomo stilprägend für eine ganze Saison. Stichwort Streetstyles aus Florenz, die heute in etablierten Medien genauso wie auf Blogs und Instagram eine bedeutsame Rolle spielen. „Es ist immer schwierig, so etwas zu pauschalieren, aber der Endverbraucher ist in meiner Wahrnehmung heute viel aufgeklärter“, sagt den Damen wirken diese echter
Was sagt die Henne? „Unsere Kunden erwarten im Stereo/Muc Vollbedienung. Sie wollen alles über das Produkt wissen und sind insbesondere interessiert, wie und wo das Produkt hergestellt wird und aus welchen Materialien es sich zusammensetzt. Die Marke spielt hierbei eher eine untergeordnete Rolle. Außerdem wollen sich die meisten Männer bei uns möglichst komplett einkleiden. Hier zählt eher der Outfit-Gedanke als Einzelteile. Somit versuchen wir möglichst viele Outfits im Laden darzustellen, um die Kunden immer wieder aufs Neue zu inspirieren“, erzählt Florian Ranft, Inhaber von Stereo/Muc,
gut.“ Lars Braun, Braun, Hamburg
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„Unsere Kunden erwarten im Stereo Vollbedienung.“ allen Kanälen, stationär, im Outlet und online, hat zu einer zwangsläufigen Ermüdung und Florian Ranft, Komet und Helden, Stereo/Muc Ignoranz bei vielen Männern braucht, das macht ihnen Spaß. geführt. Rarer than rare! Wer mehreren Woolrich-Stores und Legebatterie? Freilandunerwartete kleine Labels der Agentur Komet und Helden. haltung! miteinander mixt, unbekannte „Die meisten Männer kommen Ja, man könnte den Eindruck Manufakturlabels gekonnt inmittlerweile alleine zum Shopgewinnen, dass die Signale auf szeniert, auch Dinge protegiert, pen und vertrauen sich ihrem Expansion stehen: Das Kadie nicht online verfügbar sind, Lieblingsverkäufer voll und ganz DeWe befreit sich mit neuen gepaart mit einer anderen Aufan. Er übernimmt hier zum Teil Einkaufschefs vom Diktat der enthaltsqualität, Beratern, die die Rolle der Frauen, die früher Concession-Flächen, der Maßetwas zu sagen haben, vielleicht regelmäßig ihren Männern konfektionär Lanieri platziert die Kunst eines guten Cappucberatend zur Seite standen.“ Mit in München seinen Flagshipcinos beherrscht, dem fällt die jedem erfolgreichen Beratungsstore, Apropos The Concept neue Aufmerksamkeit zu, der gespräch ist ein loyaler Kunde Store eröffnet in Hamburg hat die Chance, das Phlegma gewonnen, diese Milchmädeinen Männerladen, Marco zu durchbrechen.“ Hesterbergs chenrechnung geht auch in Burresi widmet den Herren Prinzip ist eine Mischung aus Zeiten von Onlinekonkurrenz in Frankfurt einen Shop, in Begeistern und Dinge knapp und Vertikalen auf. „Frauen sind vielen kleinen und mittleren halten: „Jeder Mann liebt wie Schmetterlinge, fliegen von Städten trauen sich Händler spielen. Dieser Spieltrieb und Blume zu Blume und suchen an das ungenützte Potenzial die Jagdlust nach Dingen, die sich das Beste raus. Männer sind der modisch interessierten nicht jeder hat, wollen befrieviel entscheidungsfreudiger“, Männer. Dazu noch Namen, schildert Michaela Schirlbauer ihre Erfahrung. Auch Clemens die bisher nur mit Damensortimenten von sich hören „Wenn wir über den Pitti Sagmeister, selbst mit einem Gutteil seines Angebots via Farfetch im Onlinehandel ließen – myclassico.com Men zum Beispiel geht in die dritte Saison, seit Juli auch mit einem gehen, können wir uns gar nicht einkriegen, so viel präsent, bestätigt die These der hohen Loyalität bei Männern. „Das ist auch irgendwie logisch: stationären Laden auf Hamburgs Großen Bleichen. „Wir sind die Antithese zum Hergeiles Zeug ist da.“ Michael Brockmann, Heritage Agents Je hochwertiger ein Mann renausstatter, denn Männer kauft, umso nötiger ist es, dass kaufen heute viel modischer und digt werden.“ Denn: „Mode hat es in der Schneiderei genau auf selbstbewusster, da sehe ich ganz nichts mit frieren oder schwitzen ihn angepasst wird. Sich einen klar einen Umbruch im Markt“, zu tun! Begehrlichkeit kommt Anzug online zu bestellen und so Lennart Heldmann, der bei von haben wollen und nicht ihn dann selbst zum Schneider Classico für das Männerprojekt von hinterhergeworfen bekomzu tragen, das tut sich doch kein verantwortlich zeichnet. Klar men. Auf den Bedarf wird zur Mann an. Da muss er also ins ist: Ein Aufschwung oder Boom heutigen Zeit mit dem Best Fachgeschäft seines Vertrauens ist das nicht, vielmehr eine – Price reagiert. Ein Trugschluss! gehen.“ Wo die Nähmaschinen statistisch wahrscheinlich vollWenn der Mann merkt, das brummen wie selten zuvor: „In kommen vernachlässigenswerte am Preis nichts zu machen ist, unserer hauseigenen Schneiderei – Verschiebung der Umsätze. dann konzentriert er sich auf das haben wir so viel Änderungen „Die ganzen Marken, die mit wesentliche, nämlich den Inhalt. wie noch nie. Auch hier hat eigenem Retail und Flächen bei Und siehe da, plötzlich ist er das Bewusstsein zugenommen, den Großen daherkommen, das bereit, ganz anderes Geld dafür wenn ein Mann etwas kauft, sieht doch alles gleich aus. Da ist zu zahlen, weil es entweder ‚rare‘ dann will er, dass alles perfekt Langeweile vorprogrammiert“, ist, oder weil es ihm wert ist. passt. Zusätzlich haben wir findet Matthias Schwarte. Harm Ein Überangebot hat noch nie Maßkonfektion in unser AngeHesterberg, ehemals Stiesing in Träume hervorgebracht!“ bot aufgenommen, ursprünglich Bremen, seit kurzem mit Sailor gedacht für wichtige Anlässe & Harbour in Bremerhaven wie Hochzeiten. Jetzt sehen wir, aktiv, drückt es so aus: „Das dass es für viele Männer erst gar Überangebot an Mode, auch keinen so bedeutsamen Anlass im hochwertigen Bereich, auf dieses Thema bedienen kann, Ich vergleiche das gerne mit dem Konfigurieren eines Autos – der „Begehrlichkeit kommt von Mann hat Spaß daran, das Leder und die Farbe des Interieurs auszusuchen. Und wir begleiten haben wollen und nicht von hinterhergeworfen bekommen.“ ihn dabei.“ Harm Hesterberg, Sailor & Harbor, Bremerhaven