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Martina Caluori
zu Monika ins Zimmer schlüpfte, hat sie auch geduftet. Aber eben nach mir. Nach meinem Aftershave. «Denim», falls Sie das interessiert. Für Männer, denen alles – nun ja. Und nun seien Sie ehrlich, Frau Richterin. Frau Obermüller als duftender Gobetween. Das ist doch ein schönes Bild, das müssen Sie doch einfach neidlos und strafmildernd anerkennen, das ist doch romantisch, ich bitte Sie, das geht doch ans Herz. Nun also, von da an Nacht für Nacht das gleiche Spiel. Frau Obermüller bei Monika, ich quasi live dabei, zuhause auf dem Sofa. Und was die Frau da mit mir angestellt hat, in diesem Zweiminutentakt, mir fehlen die Worte. Klar, mit dem Vornamen als Anhaltspunkt hätte ich sie ja vielleicht finden können, aber ganz ehrlich, das Spiel hat mir gefallen, meine Güte, wir sind erwachsen, Frau Obermüller erst recht, was soll schon dabei sein, das Leben ist zurzeit ja wahrlich langweilig genug. In der dreizehnten Nacht, nochmal so eine Zahlenmagie, eigentlich sollte ich für diese ganze Geschichte die Filmrechte verkaufen, in der dreizehnten Nacht kam Frau Obermüller dann mit einer zweiten Cat-cam um den Hals nach Hause, und jetzt schlug quasi meine Stunde. Und ach, es hätte immer so weitergehen mögen, aber eben, das Pech klebt an meinen Schuhen. In der neununddreissigsten Nacht bleibt Frau Obermüller mit ihren Halsbändern an einem Strauch hängen, jemand findet sie, hat nichts Besseres zu tun, als sie zum nächsten Polizeiposten zu bringen, dort haben sie nichts Besseres zu tun, als die Catcams zu knacken, nur weil sie zu viel «CSI Miami» schauen, und jetzt sitze ich hier wegen, wie heisst es nochmal, Anstiftung zu Unzucht mit Tieren, was zum Teufel, Frau Richterin, das Tier hat nicht mitgemacht, das Tier hat fotografiert, und nicht einmal vorsätzlich, sondern automatisch, und wenn das Unzucht war, was es da gesehen hat, dann möchte ich gerne von Ihnen wissen, was Zucht ist, und überhaupt, wobei schauen wir bitteschön den Tieren zu, genüsslich und leicht frivol grinsend, in jedem zweiten Tierfilm? So. Nennen Sie meine Verteidigung rustikal, nennen Sie sie, wie Sie wollen, aber ich bitte Sie inständig, lassen Sie Güte walten, lassen Sie die Liebe gewinnen und drücken Sie um Himmels willen ein Auge zu.»
Der Text ist Ende April im Magazin der «NZZ am Sonntag» erstmals erschienen.
RALF SCHLATTER lebt als Autor und Kabarettist in Zürich. Im September erscheint sein neuer Roman «Muttertag» im Limbus Verlag. Auf Radio SRF 1 erzählt er «Morgengeschichten». Kabarett mit Anna-Katharina Rickert im Duo «schön&gut». Mehrere Preise, darunter der Schweizer Kleinkunstpreis 2017.
Visibel
TEXT MARTINA CALUORI
Das Leben schleppt sich dahin. Reihenhäuser. Sichtbar anders. Die Zikaden singen. Jedes Echo verschluckt. Ich koche ein Ei. Zu feige für die Einsamkeit.
Kneifen. Paul bellt nicht mehr. Ich denke an eine schwarze Kuh. Eine Flöte. Kein Lastwagenfahrer. Die Zeit ist eingewebt.
MARTINA CALUORI ist in Chur aufgewachsen und lebt seit ihrem Studium der Publizistik- und Filmwissenschaften als Texterin und Autorin in Zürich und Chur. Ihr Lyrik-Debüt «Frag den Moment» erschien im Frühling 2019.
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Frei nach dem Jahrhundertroman von ALFRED DÖBLIN
WELKET BUNGU É JELLA HAASE ALBRECHT SCHUCH JOACHIM K R Ó L
Neu interpretiert von BURHAN QURBANI