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Ariane von Graffenried

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Sunil Mann

Sunil Mann

Laure

TEXT ARIANE VON GRAFFENRIED

Die Frau im Hintergrund auf Édouard Manets Bild «Olympia», eines der wenigen Schwarzen Modelle in der europäischen Malerei les siècles passent

Dunkel die Farbe der Wand, dunkel deine Haut, Laure, du stehst im Hintergrund,

ums Haar einen Turban, rosa Gewand, in der Hand ein Bouquet.

Eine Katze schnurrt durchs Atelier. Hinter der Staffelei siehst du den Maler,

der versinkt in Wahrheiten von Licht und Schatten, im Skript der Kontraste Dunkel die Farbe der Wand, dunkel deine Haut.

auf seiner Palette, in den Farbflächen einer Welt als Bordell ohne Tiefe: Das Pariser Leben, wie ein Maler versinkt, in Wahrheiten

die Poesie der Wirklichkeit, wie er sie sieht, während du dir die Beine in den Leib stehst. Sein Name ist Manet, er malt eine Kurtisane

O Laure, ça fait des heures que tu poses là, Menschenversand 2019.

les siècles passent hinter Olympia.

Längst wärst du reif für ein déjeuner im café an der rue de Richelieu

mit Baudelaire, Zola und der Aktrice Duval, der «Vénus Noire» aus den «Fleurs du Mal».

Bourgeois, Bohemien und Knecht, Leute ohne Namen, Halbweltdamen.

Tür an Tür in der capitale, Kolonialherrschaft, Leben in Komplizenschaft.

Vielleicht wäschst du die Strümpfe von Dumas, vielleicht die Unterhosen von Napoléon trois

oder die Hemden deines Malers, dem du drei Mal Modell stehst: ARIANE VON GRAFFENRIED ist Autorin und promovierte Theaterwissenschaftlerin. Sie ist

Wie du als nounou mit blassen Kindern der Hautevolee spazieren gehst Musiker und Klangkünstler Robert Aeberhard

oder eine Perle trägst im schwarzen Ohr, Vielleicht bist du Pianistin im 9ème und schreibst Gedichte

zwischen den Schichten als Elefantendresseur in den Folies Bergère.

O Laure, ça fait des heures que tu poses là, hinter Olympia.

Laure, du stehst im Hintergrund und siehst,

von Licht und Schatten.

mit Katze. Sie streckt den Körper,

weiss und nackt, auf dem Diwan und blickt spöttisch, wie eine Königin, direkt in die Augen der Republik.

Du schaust vertraut, reichst ihr das blühende Präsent eines Kunden

und hörst schon den Hohn unter Zylindern im Salon, die Klientel im Frack,

die mit Schirm und Stock die Olympierin bedroht. Du siehst, das Bild wird gut,

ein Meisterwerk. Und du weisst, ohne dich wäre es das nicht.

Der Text ist erstmals erschienen in Fitzgerald & Rimini: «50 Hertz», CD mit Gedichtband, Verlag Der gesunde

Mitglied der Autor*innengruppe Bern ist überall und tritt als Spoken-Word-Performerin mit dem wie das Mädchen von Vermeer.

im Duo «Fitzgerald & Rimini» auf. Für ihre Texte wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

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