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Ralf Schlatter
Das Plädoyer
TEXT RALF SCHLATTER
«Sie haben ganz richtig gehört, hochverehrte Frau Richterin, ich Hat sich meine Katze parfümiert, damit mal wieder der Duft ei verteidige mich gerne selbst. Weil erstens halte ich wenig von ner Frau durch die Wohnung geht? Wie macht Al Pacino doch Verteidigern, vielleicht mal abgesehen von Ricardo Rodriguez gleich, in «Scent of a Woman»? Hu-aah! Nun ja. Als Nächstes und weiland Charly In-Albon, aber auch nur darum, weil ich mich dann die Frage: Wo hat sie sich diesen Duft geholt. Und übrigens: dann immer wieder fragen kann, was das genau sein soll, ein Es war ein guter Duft. Ein verführerischer Duft. Keiner dieser rustikaler Verteidiger, aber wie gesagt, am liebsten gar keiner, billigen. Woher also. Tja, und so kam ich auf die Idee mit der Catund zweitens frage ich Sie, verehrte Frau Richterin: Braucht Liebe cam. Also die Kamera, die man der Katze um den Hals hängt. Und einen Anwalt? Nun gut, das kam so. In Liebesdingen bin ich, um die dann Bilder überträgt, auf mein Handy. Also hab ich die bees einmal vorsichtig auszudrücken, eine nicht gerade mit Glück stellt und Frau Obermüller um den Hals gehängt. Und dann die gesegnete Person. Mit anderen Worten, mit Frauen hatte ich ein ganze Nacht vor dem Handy verbracht. Alle zwei Minuten ein Scheisspech. Ich erspare Ihnen gerne einen umfassenden Rück Bild. Ich sage Ihnen, dagegen ist jeder «Tatort» ein Kirchenlied. blick, obwohl, lange würde es ja nicht dauern, das kann man an Na ja, wobei die Bilder jetzt nicht der Hammer waren, also rein einer Hand abzählen, ach was, an einem Finger, also einem hal inhaltlich. Technisch natürlich einwandfrei. Aber ja, was eine ben, um genau zu sein, denn das mit Sabine war ja vorbei, kaum Katze halt so sieht. Wobei die Katze ja sieht, in der Nacht. Ich sah hatte es angefangen, aber bitte, was kann ich dafür, dass Frau vor allem schwarze Umrisse. Organischer Natur. Also Wiesen, Obermüller just im quasi entscheidenden Baumstämme, Büsche. Ich muss dann Moment mit einer kleinen Blaumeise im Maul ins Schlafzimmer gelaufen kommt, Ich bin nicht so einer, kurz eingenickt sein. Als ich wieder auf den Bildschirm schaue – Ach, Frau Richund Sabine entpuppt sich als Ornithologin ersten Grades, und erlauben Sie mir den das können Sie terin, ich erröte noch immer, wenn ich daran denke, ich habe mir das wirklich nicht Kalauer, Frau Richterin, das mit dem Vö geln war natürlich gelaufen. Ja, das Pech mir glauben, was kann ausgesucht, ich bin nicht so einer, das können Sie mir glauben, was kann ich daklebt mir wahrlich an den Schuhen. Und kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit der ich dafür, wo es für, wo es meine Katze hinzieht. Als ich also auf den Bildschirm schaue, sehe ich Kindheit. Ja, meine Eltern trennten sich, als ich sieben war, ja, mein Vater war ein meine Katze hinzieht. wieder Umrisse. Organischer Natur. Aber heller. Und wie soll ich sagen, weiblicher. Taugenichts, nein, meine Mutter hat es Schenkel. Bauch. Brüste. Meine Güte. Und nicht geschafft, mir meine Schuldgefühle dann natürlich wieder warten. Die längszu nehmen, ja, sie hat mich stattdessen ten zwei Minuten meines Lebens. Das mit Liebe und Zucker überhäuft, nein, die nächste Bild: Ein Unterkinn. Das nächste meisten meiner Zähne sind nicht mehr original, ja, glauben Sie Bild: Unterkinn, unverändert. Das nächste Bild auch. Frau Obermir, ich kenne, wie sagt man, den Kanon, den Sermon, die Pap müller schläft auf ihrem Bauch! Auf ihrem nackten Bauch! Frau penheimer. Also. Nun zum eigentlichen Kern dieser ganzen VerRichterin. Wie wir alle hier bin auch ich nur ein Mensch. Das anstaltung. Warum meine Katze Frau Obermüller heisst, das ist heisst, nur ein Mann. Ein heterosexueller, alleinstehender Mann. eine längere Geschichte, die erzähle ich Ihnen gerne mal bei ei Eine Stunde später kam Frau Obermüller nach Hause. Duftend. nem Bier, so unter uns, ganz ungezwungen, nach meinem FreiAufgrund der Bilder war die Frau nicht zu lokalisieren, glauben spruch. Frau Obermüller also, für ihre reifen elf Jahre immer noch Sie mir, ich bin stundenlang mit meinem Handy in gebückter gut im Schuss, und wäre sie ein Mensch, sie wäre so eine dieser Haltung durchs Quartier geschlichen. Also in der kommenden fitten Mittfünfzigerinnen mit eigener Modeboutique und frechem Nacht wieder auf dem Sofa. Morgens um zwei wieder Schenkel, Kurzhaarschnitt, allwöchentlicher Nordic-Walking-Gruppe und Bauch, Brüste. Und dann plötzlich ein Gesicht. Ansatzweise. Und engen Jeans mit so Strass-Steinchen dran, wenn Sie verstehen, na ja, nicht sehr vorteilhaft. Wie man halt aussieht, wenn man was ich meine. Und Dixieland. Am liebsten hört sie Dixieland. liegend den Kopf hebt und die Katze auf seinem Bauch ansieht. Frau Obermüller also. Kommt eines Abends nach Hause, wie imUnterkinn, Halsfalten, Nasenlöcher. Aber der Mund! Und die Aumer, frisst ihre Portion Trockenfutter, und auf einmal liegt so ein gen! Ach je. In der dritten Nacht, das ist jetzt ein wenig wie im Duft in der Küche, und ich frage mich, woher dieser Duft kommt, Märchen, da passiert’s doch auch immer beim dritten Mal, in der ich schaue zum Fenster hinaus, aber von dort kommt er nicht, dritten Nacht also, wieder meine gute Frau Obermüller auf dem ich gehe wie ein Depp mit der Nase schnüffelnd durch die ganze Bauch der Unbekannten. Dann wieder der Kopf, leicht angehoWohnung, wo kommt dieser verfluchte Duft her, Frau Obermülben. Zwei Minuten später: Das Gesicht, von vorn, ganz nah an der ler geht an mir vorüber in Richtung ihres Körbchens und die Kamera. Wunderschön. Und lächelnd. Irgendwie vielsagend. Und Duftnote schwillt an, und tatsächlich: Es ist Frau Obermüller, die wieder zwei Minuten später: ein Zettelchen im Bild. Darauf geduftet. Aber nicht nach Katzenminze oder frischer Luft. Nein, schrieben: Monika. Meine Güte. Also ich kann es mir nur so ernach Eau de Toilette. Zuerst war ich irgendwie spontan gerührt. klären: Wenn Frau Obermüller, auf welchem Weg auch immer,