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Literaturbetrieb

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«Privilegierte haben immer eine Wahl»

Kino In seinem Spielfilmdebüt «Spagat» regt Regisseur Christian Johannes Koch zum Nachdenken darüber an, wie wir als Gesellschaft mit Sans-Papiers umgehen.

TEXT MONIKA BETTSCHEN

Das einfühlsame Drama «Spagat» taucht ein in das Familienleben der Lehrerin Marina, die eine Affäre mit Artem, dem Vater ihrer Schülerin Ulyana, hat. Das Vater-Tochter-Gespann hat keine Aufenthaltsbewilligung. Als Ulyana bei einem Diebstahl erwischt wird, werden alle Beteiligten auf eine Zerreissprobe gestellt. Der Film halte uns einen Spiegel vor, sagt der Schweizer Regisseur Christian Johannes Koch im Telefongespräch.

Herr Koch, Ihr Spielfilm-Erstling «Spagat» handelt vom Alltag zweier Sans-Papiers und von einer durchschnittlichen Schweizer Familie. Weshalb haben Sie diesen beiden Lebensrealitäten gleich viel Raum gegeben?

Vor einigen Jahren bin ich auf Gesetzestexte zum Thema Sans-Papiers gestossen, die mich nicht mehr losgelassen haben. Demnach gibt es für ein Kind etwa die Pflicht, zur Schule zu gehen, aber gleichzeitig dürfte es gar nicht im Land sein. Ich erkannte, wie scheinheilig unser Rechtssystem diese Menschen behandelt. In diesem Widerspruch liegt der Kern von «Spagat». Als sich die Idee für einen Spielfilm verdichtete, war für mich deshalb klar, dass dies kein Migrationsfilm über «die anderen» werden sollte, sondern einer über uns. Die Art, wie das Schweizer Umfeld im Film agiert, hält uns allen einen Spiegel vor.

Was war Ihnen bei der Recherche wichtig?

Als Filmemacher möchte ich mich politisch äussern können, ohne dass eine Geschichte schon auf den ersten Blick als politisches Statement daherkommt. Vielmehr möchte ich zeigen, wie das Leben einzelner Menschen konkret von einer jeweiligen Politik beeinflusst wird. Zusammenhänge können durch Filme sichtbar gemacht werden, gerade deshalb Der Regisseur halte ich die Recherche für zwingend notwendig: Sie war auch essenziell in der Entwicklung von «Spagat». Mir wurde klar, dass ich eine grosse Verantwortung trage, sowohl im Umgang mit jenen, die mir Einblick in ihren Alltag im Verborgenen gewährten, als auch in Bezug auf die Perspektivenwahl, wie ich ihre Lebensumstände zeige.

Die Lehrerin Marina verheddert sich durch ihre Affäre mit Artem in einem Lügengeflecht. Und als Artem sich bei der Arbeit in einer Kiesgrube verletzt, übernimmt sie heimlich die Behandlungskosten. Womit sie aber

Der Filmemacher Christian die Loyalität zu ihrer Familie gefährdet … Johannes Koch, 35, hat an der Und mehr noch! Als Lehrerin hat Marina – aus Filmuniversität Babelsberg gesellschaftlicher Perspektive – die Pflicht, soFilmregie studiert. «Spagat» ist wohl im Klassenzimmer als auch im Privatleben nach mehreren Kurzfilmen sein eine Vorbildfunktion zu erfüllen. Durch ihre prierster Langspielfilm. vaten Verstrickungen überschreitet sie aber Grenzen und bricht Gesetze. Zum Beispiel, als

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