2 minute read
Swiss Dance Days
«The Ecstatic» des Choreografen Jeremy Nedd baut auf dem Pantsula-Tanz auf (links). «Grand Écart» von Kiyan Khoshoie spielt mit Elementen der One-Man-Show (Mitte), Tabea Martins «Forever» hinterfragt die Idee des ewigen Lebens – für alle ab 8 Jahren (rechts).
Hiphop löst Dornröschen ab
Tanz Für die meisten von uns ist das Wort das erste Kommunikationsmittel. Aber auch der Körper kann eines sein. Die Swiss Dance Days zeigen: Er taugt sogar dazu, gesellschaftliche Debatten auf neue Art anzugehen.
TEXT DIANA FREI
Tanz ist bei Marc Oosterhoff auch ein bisschen Zirkus. Oder Theater. Oder Performance. Er hat unter anderem die Dimitri Theaterakademie abgeschlossen, er kann auch Parkour oder Martial Arts. Dass hier so viele Elemente aus anderen Sparten im aktuellen Tanzschaffen ineinandergreifen, steht für eine allgemeine Tendenz, die gerade an den Swiss Dance Days sehr schön zu beobachten ist: Hiphop hat in den letzten Jahren von der Strasse auf die Tanzbühne gefunden, artistische Elemente und Sprechtheater fügen sich ein, Narratives mischt sich mit KonzeptuellAbstraktem.
Zeitgenössischer Tanz hat nicht mehr viel mit einem Handlungsballett wie «Dornröschen» zu tun. Narrative Elemente sind zwar oft immer noch vorhanden, aber auch aktuelle gesellschaftliche Themen werden heute auf der Tanzbühne verhandelt: Diversität, Inklusion, Identität, Gleichberechtigung, Frauenthemen und Genderfragen. Das erstaunt auf den ersten Blick, denn es sind gesellschaftliche Themen, die oft stark polarisieren und zu Debatten Anlass geben – wenn sie in Worten diskutiert werden. Nun ist Tanz eine Kunst, die ohne Worte auskommt. «Diese Tatsache entzieht dem Konflikt den Boden, indem es kein Richtig und kein Falsch gibt», sagt die Dramaturgin Selina Beghetto, die in der fünfköpfigen Jury der Swiss Dance Days sitzt. «In unserer Gesellschaft ist generell das Wort das erste Medium, wir gehen mittels Ratio an die Sache heran und wollen Diskussionen intellektuell lösen. Wenn man aber ein Tanzstück anschaut, hat man danach keine Antworten parat. Es tut sich eine andere Ebene auf, auf der man sich neu austauschen kann.»
Wenn Beghetto Einführungen für Tanzvorstellungen macht, rät sie dem Publikum oft, den Kopf im Foyer zu lassen. Kindern fällt das leichter als Erwachsenen, und vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum der Tanz für ein junges Publikum stark am Aufkommen ist. «Kinder kann man fragen: Was hast du gesehen?, und sie sagen dir: Ah, da waren bunte Würmer», sagt Beghetto. «Erwachsene fragen sich als Erstes: Wie war das gemeint? Was bedeutet es?»
Der Körper als Kommunikationsmittel
Dabei stellen Mitteleuropäer*innen vielleicht etwas öfter solche Fragen als Menschen aus Kulturen, in denen Körperlichkeit an sich einen anderen Stellenwert hat. Dass das Wort in der Kommunikation an erster Stelle steht, finden wir selbstverständlich – zwingend ist es nicht. Das wird dort erkennbar, wo der Körper als natürliches Kommunikationsmittel eingesetzt wird. Zum Beispiel für den politischen Protest. Man nutzt, was man