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Tour de Suisse

Pörtner in Wetzikon

Surprise-Standorte: Bahnhof Einwohner*innen: 25 038 Sozialhilfequote in Prozent: 3,2 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 26,3 Grösste Kirchweih im Kanton Zürich: Wetziker Chilbi Ennet der Gleise steht ein funktionaler, flacher Betonbau, beschriftet als «Bahndienstgebäude», auf dem Schild hat es noch Platz – möglich, dass es früher «Bahnhofdienstgebäude» hiess. Oberhalb der Bäckerei gibt es eine Tanzschule, auch das eine Institution, die nicht mehr so häufig anzutreffen ist, trotz etwa im Zehnjahrestakt aufflammender Beschwörung des Paartanz-Revivals. Dieser sei bei jungen Menschen wieder beliebt, ist dann zu lesen, ohne dass der Wahrheitsgehalt der Meldung verifiziert werden könnte. Klassische Tanzlokale mit Orchestern werden keine eröffnet, bis vor Kurzem ohnehin nicht, da das Tanzen coronatechnisch zu den Risikosportarten gehörte, aber gerade darum Kandidat für eine postpandemische Wiederentdeckung ist.

Gänzlich unbeeinträchtigt von der Pandemie sind die Fahrschulen, eifrig werden von verschiedenen Anbieterinnen junge Menschen ein- und ausgeladen, die einen steigen direkt von der S-Bahn ins Lernfahrzeug. Ob sie das Autofahren erlernen, um das Bahnfahren in Zukunft zu vermeiden oder mit dem Autofahren im Sinne von Park&Ride zu kombinieren, ist nicht bekannt. Endlich, nach drei Zigarettenlängen, wird die Wartende von einem schwarzen Kleinwagen abgeholt, den schweren Rollkoffer muss sie selber einladen.

Der Bahnhof verfügt über ein Park&Ride, ein Konzept, in das einst grosse Hoffnungen gesetzt wurden, die sich aber nicht erfüllten. Das P&R-Haus in Zürich ist einer der wenigen Orte, an denen es immer freie Parkplätze gibt. In Wetzikon sind fast alle belegt, die Maximalparkzeit beträgt sieben Tage, man kann also auch von hier aus in die Sportferien fahren, bequem mit dem Auto und der ganzen Ausrüstung zum Bahnhof und dann weiter mit dem Zug. Etwa auf den Atzmännig, der an der Bäckerei mit einem riesigen Plakat für seine Familientageskarte wirbt. Es gibt sogar eine Variante, bei der das Mittagessen inbegriffen ist. Wer beim Kindermenü auf Chicken Nuggets tippt, dürfte richtig liegen.

Die zu beskifahrenden Schneeberge sind zwischen den Häusern knapp zu sehen, rot leuchten sie in der Abendsonne. Davor steht einer der vielen Kräne, die hier verteilt sind. Den alten, dreistöckigen Häusern geht es an den Kragen, es braucht neue Überbauungen, der Wohnraum ist knapp. Vor dem Bahnhof beherbergt eines dieser Häuser einen Saloon, komplett mit Wasserturm, Kaktus und Wagenrädern. Im Café selbst werden von zwei lokalen Handwerkern die Vor- und Nachteile aller umliegenden Gemeinden als Arbeits- und Wohnort diskutiert. Ein Autofahrer parkt trotz freier Parkplätze mitten auf dem Trottoir. Es geht ums Prinzip.

Die Sonne geht unter und der Saloon schaltet die Lichter an.

Tatsächlich werden Skiausrüstungen herumgetragen, vor dem Café wird rauchend gewartet. Da nützt das schönste Parkplatzangebot nichts, wenn die Abholer*in einen vergessen hat. Unerschrockene kommen trotz Kälte mit dem Velo, für das ein doppelstöckiger gedeckter Unterstand bereitsteht. Ersatzteile gibt es am Ende des Parkplatzes in einem Veloladen, für den einst selbst Grossstädter*innen nach Wetzikon gepilgert sind, unterdessen gibt es auch dort eine Filiale.

STEPHAN PÖRTNER

Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.

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