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Verkäufer*innenkolumne
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Familiengeschichten
Es wird einem nicht nur Gefreutes in die Wiege gelegt bei der Geburt. Mein Vater starb mit nicht einmal 49 Jahren an Herzversagen. Damals war ich 15 Jahre alt, und in der Zeit zeigte ein junger Bursche keine Emotionen, obwohl ich sehr am Vater gehangen habe. So habe ich die Trauer und den Schmerz hinuntergeschluckt. Wir waren sechs Kinder, ich bin der Zweitälteste und hatte drei Brüder und zwei Schwestern. Der älteste Bruder war ein Jahr älter als ich. Er verstarb 2010, er hatte Diabetes. Über viele Jahre musste er dreimal wöchentlich an die Nierenwaschanlage.
Mein jüngster Bruder Werner, Jahrgang 1958, verstarb am 1. Februar 2014, dem 80. Geburtstag meiner Mutter. Werner hatte um die Jahrtausendwende einen Schlaganfall erlitten, sich dann allerdings wieder erholt. Er bekam einen elektrischen Rollstuhl bekommen und war im Fridlihuus in Glarus soweit aufgehoben.
Für die Mutter war das natürlich schlimm, als die Kinder vor ihr starben. Dass ich heute meine Mutter betreuen kann und regelmässig vorbeigehe, ist für mich eine Freude, keine Pflicht. Ich habe offenbar die besseren Gene bekommen als meine Brüder, ich habe also Glück gehabt. So liegen Glück und Unglück oft nahe beieinander. Dabei habe ich lange Zeit alles andere als gesund gelebt, es hätte mich auch erwischen können. Seit 14 Jahren schaue ich auf mich, weiss es zu schätzen, dass ich soweit gesund bin. Ich habe auch Freunde, die gesundheitliche Probleme haben und im Heim leben. Auch da ist es mir wichtig, dass ich sie besuche – weil ich es will, nicht weil ich das Gefühl habe, ich müsse das tun. Wäre es anders, wäre es für beide Seiten nur eine Pflichtübung. Ich glaube aber, das merkt man, wenn so etwas nicht von Herzen kommt.
HANS RHYNER, 68, ist Surprise Stadtführer in Zürich und verkauft Surprise in Schaffhausen und in Zug. Er schaut zu seinem Kollegen Peter, der seit einer Hirnblutung im Rollstuhl sitzt. Peter war der erste Surprise-Verkäufer in Schaffhausen, jetzt begleitet er Hans beim Verkauf.
Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.