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Aus der Welt gefallen

Kino In «Réveil sur Mars» porträtiert Dea Gjinovci eine geflüchteten RomaFamilie. Und zeigt, wie Kinder resignieren.

TEXT GIULIA BERNARDI

Die beiden Mädchen liegen auf dem Bett, in rötlich warmes Licht gehüllt. «Ich glaube, dass sie mich hören», sagt ihr jüngerer Bruder Furkan. Er klingt kindlich und hoffnungsvoll, während ein Lichtspiel aus grünen und violetten Farben über die regungslosen Gesichter schweift. «Ich bin nicht sicher, aber ich denke schon.»

In ihrem Dokumentarfilm führt uns Dea Gjinovci die Lebensrealität der Familie Demiri vor Augen. 2007 flüchtete das Ehepaar mit ihren vier Kindern nach Schweden; Im Kosovo gehören Roma zu einer verfolgten und diskriminierten gesellschaftlichen Minderheit. Drei Jahre später wurde die Familie ausgeschafft, was eine strukturelle Problematik des Migrationsregimes offenbart: In vielen europäischen Ländern wird der Kosovo als sicheres Herkunftsland deklariert, auch für Roma. 2014 flüchteten die Demiris erneut nach Schweden. Als die Regisseurin Dea Gjinovci sie zum ersten Mal traf, war der Antrag auf Asyl schon zweimal abgelehnt worden, ein letzter Versuch stand noch aus.

Bewusstlos vor Angst

Gjinovcis Film zeigt die psychischen und physischen Folgen, die durchlebte Traumata oder die Angst einer bevorstehenden Ausschaffung haben können. Wie tief sich diese Erfahrungen in den Körper einschreiben, wird anhand der beiden Töchter offenbar: Sie befinden sich seit mehreren Jahren in einem komaähnlichen Zustand, der in den frühen Nullerjahren als «Resignationssyndrom» diagnostiziert wurde. Tochter Djeneta wurde nach einem traumatischen Erlebnis bereits im Kosovo bewusstlos, ihre Schwester Ibadeta dann in Schweden, als der Asylantrag ihrer Familie abgelehnt wurde.

Dass das Syndrom als Form des Selbstschutzes bezeichnet wird und davon mehrheitlich Kinder aus geflüchteten Familien betroffen sind, legt nahe, dass es sich nicht um ein rein medizinisches Problem handelt. Sondern um ein gesellschaftliches und politisches. So beschrieb es auch Elisabeth Hultcrantz, eine jener Ärzt*innen, die geflüchtete Familien in Schweden betreuen. In «The Trauma of Facing Deportation», einer umfangreichen Reportage, die 2017 im Magazin New Yorker veröffentlicht wurde, schilderte sie die Situation verschiedener Familien, deren Kinder am Resignationssyndrom leiden. Darunter jene von Djeneta und Ibadeta. Als Dea Gjinovci den Artikel las, kontaktierte sie Elisabeth Hultcrantz, die sie schliesslich an die Familie vermittelte. «Ich

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