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«Minas da Gulatsch» – ein Geheimtipp für Gross und Klein

bilde. Praktisch jedes Seitental weise komplett unterschiedliche Gesteinsvorkommen auf. «Vom grünen Ilanzer Verrucano über einheimischen Marmor bis zu Muschelgestein aus den Urmeeren ist alles vorhanden», weiss Aubry, der die Ausstellungsobjekte für die Kunstinstallation suchte und zusammentrug. Steine aus den entlegensten Tälern und Winkeln der Region fanden so den Weg nach Ilanz – jedoch nicht bevor für jeden einzelnen Fundstein ein Gesuch bei den betreffenden Gemeinden eingereicht wurde. «Steine darf man nämlich nicht einfach so mitnehmen», weiss Aubry. Die Gemeinden hätten jedoch eingewilligt und so einen grossen Beitrag zur Umsetzung der Kunstausstellung «Schichtwechsel – La Surselva» geleistet. Im Museum Regiunal Surselva wird die Thematik von Aubrys Kunstinstallation und die der steinreichen Surselva wieder aufgegriffen und eigenständig interpretiert. Das Museum arbeitet das Thema «Stein» facettenreich, spannend, teils sogar überraschend auf und nutzt dazu ein breites mediales Spektrum. Der Besucher, die Besucherin taucht ein in die stille Welt der Steine, wird von ihr fasziniert und lernt sie zu verstehen. «Schichtwechsel – La Surselva» ist eine Kunstausstellung, die mal donnert wie ein Felssturz, mal brodelt wie Magma und mal schmeichelt wie Marmor – sie ist ein Fels in der Brandung der Zeit.

Die Kunstausstellung «Schichtwechsel – La Surselva» findet vom Frühjahr 2022 bis Herbst 2025 statt und umfasst die Kunstinstallation «Steine in der Altstadt von Ilanz», die Ausstellung im Museum Regiunal Surselva und ein vielseitiges Rahmen- und Kulturprogramm. Die Ausstellung «Schichtwechsel – La Surselva» ist in enger Zusammenarbeit des Vereins «Schichtwechsel – La Surselva», der Anna Catrina AG, dem Museum Regiunal Surselva, Baukunst Graubünden mit der Arbeitsgruppe Kollektiv Umbruch, der Gemeinde Ilanz/Glion und den Gemeinden der Surselva, der Surselva Tourismus AG, des Kantons Graubünden, der IG Altstadt, der AMAS/mira!cultura, des Handel- und Gewerbevereins Ilanz und Umgebung, der UNESCOWelterbe Tektonikarena Sardona, der Lia Rumantscha und weiteren juristischen und privaten Personen entstanden.

www.surselva.info/Schichtwechsel-La-Surselva

Ab diesem Frühling ist die Region Surselva um eine Attraktion reicher. Ein Natur- und Themenweg oberhalb Rueun lässt alte Zeiten aufleben und vermittelt Naturerlebnisse der besonderen Art.

Es ist eng und steil in der Val Schmuér mit seiner tief eingeschnittenen Schlucht. Darum kann der gleichnamige Wildbach bei starkem Regen auch ganz gewaltig zwischen den Felswänden rauschen und donnern. Und in diesem unwegsamen und zerfurchten Gebiet auf der linken Rheinseite, oberhalb von Rueun, liegen gut versteckt alte Bergwerkstollen, die einst eine gewisse Bedeutung für die Region hatten und sinngemäss «Minas da Gulatsch» heissen. «Gula bedeutet ‹enge Stelle› und das romanische ‹atsch› ist eine Steigerungsform», erklärt Ursula Brändli vom Verein Rueun Viva, der sich um die Wiederbegehbarkeit dieser für Rueun faszinierenden Kulturstätte engagiert.

Enttäuschte Hoffnungen und Konflikte

Kaum vorstellbar, dass in dieser wilden Gegend wohl schon im Mittelalter verschiedene Erze abgebaut wurden. «Der letzte grössere Abbau hat Anfang des 19.Jahrhunderts stattgefunden», weiss Brändli und ergänzt, dass Bauern das aus den Stollen gebrochene Erz auf Holzschlitten über schlechte Wege oder auch auf Holzrutschen ins Tal zum Schmelzofen gebracht hätten. «Der Abbau war immer mit grossen Hoffnungen für die Einheimischen verbunden, denn die Gegend war bitterarm», so Brändli weiter. So gross die Hoffnung auf Arbeitsplätze und einen wirtschaftlichen Aufschwung waren, so gross waren aber auch die Enttäuschungen und Verluste der in-

vestierenden Bergwerk-Gesellschaften. «Der Misserfolg führte leider zu diversen Konflikten mit der damaligen Gemeinde Rueun und die Bergwerke gingen bald in Vergessenheit.»

Altes Erbe wieder aufleben lassen

In den letzten Jahrzehnten regte sich jedoch der Wunsch, diese für die Gemeinde sozio-kulturell bedeutende Geschichte aufzuarbeiten. Dank privater Initiative von Rest Plasch Dermont und Gion Paul Capaul, er hat ab 2004 den alten Zugang zur Schlucht freigelegt, wurden erste Schritte unternommen, das alte Erbe wieder aufleben zu lassen. Auch die Gründung des Vereins «Rueun Viva» 2013 gab dem Projekt «Minas da Gulatsch» neuen Schub.

Die Natur spielerisch erleben

Ab diesem Frühling ist es so weit und die Bevölkerung und die Gäste der Surselva können sich offiziell auf die Spuren von Erzbauern und geschützten Fledermäusen begeben – solche haben sich vereinzelt in den alten Bergwerksstollen eingerichtet (siehe dazu das Interview mit der Fledermausschutz-Beauftragten, Miriam Lutz Mühlethaler, auf der nächsten Seite). Beim alten Abzweiger auf dem Weg nach Andiast hält das Postauto (Station Minas da Gutatsch), um das erlebnis- und lehrreiche Abenteuer zu starten und in alte Zeiten einzutauchen. Hinweistafeln vermitteln zweisprachig wichtige Informationen zur Geschichte der Bergwerke sowie zu Flora und Fauna. «Ebenso sind Sicherheitshinweise für das steile Gelände angebracht», betont Brändli. Auch wenn die Wege sehr sicher ausgebaut seien, sei bei der Begehung der Route Vorsicht geboten. An mehreren spielerisch gestalteten Animations-Stationen kann man zudem sein Wissen testen und sinnliche Naturerfahrungen machen. Nicht fehlen wird auch ein gedeckter Rastplatz.

Interessanter Höhlenbesuch

Eine Attraktion des interaktiven Themenwegs durch eine intakte und abgeschiedene Naturlandschaft sind jedoch die beiden Bergwerkstollen, die rund 6 respektive 40 Meter begehbar sind (aber bis zu 80 Meter tief sind). Ab dem erwähnten Abzweiger sind sie in gut 40 bis 50 Minuten erreichbar. Brändli schlägt jedoch vor, einen halben Tag für die Erkundung der Gegend einzuplanen. Ein Erlebnis der be-

sonderen Art: die in den tiefen Gängen von der Decke hängenden Stalaktiten. «Pro Hundert Jahre wachsen sie nur rund einen Zentimeter», erklärt sie das Naturwunder und weist weiter auf bauliche Überreste der Bergbaugesellschaft sowie den Nachbau von historischen Gerätschaften aus der Zeit des Erzabbaus hin. Das ist beispielsweise der sogenannte Haspel mit Seil und Kessel, der beim Abbau der Erze ein technisches Hilfsmittel war. Die Minas da Gulatsch oberhalb Rueun: ein Geheimtipp.

Frau Lutz, die Minas da Gulatsch in Rueun sind von Fledermäusen besiedelt. Welche Art lebt dort?

In den Minas da Gulatsch wurde die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) beobachtet. Diese Fledermausart gehört mit einer Spannweite von etwa 22 cm zu unseren kleinen Fledermausarten. Sie lässt sich aufgrund ihrer geringen Grösse leicht von der Grossen Hufeisennase, der zweiten einheimischen Vertreterin der Familie der Hufeisennasen, unterscheiden. Die Minas da Gulatsch dienen dieser und weiteren Fledermausarten als Winterquartier und im Sommerhalbjahr als Tagesquartier. Das kann aufgrund der vorhandenen Kotspuren bestätigt werden.

Welche Rahmenbedingungen brauchen Fledermäuse, um sich heimisch zu fühlen?

Die Fledermäuse brauchen Quartiere für die Tagesruhe, in welchen sie vor Störungen und Feinden geschützt sind. Ebenso brauchen sie Jagdgebiete mit einem genügenden Angebot an Insekten. Weiter sind sie auf Flugkorridore für den Wechsel zwischen dem Quartier und dem Jagdgebiet angewiesen. Viele Fledermausarten reagieren empfindlich auf Lichtemissionen. Daher ist es wichtig, dass die Umgebung der Quartiere wie auch die Flugkorridore und Jagdgebiete nachtdunkel sind.

Ist diese besondere Fledermausart in Graubünden weit verbreitet?

In Graubünden sind rund 30 Kolonien der Kleinen Hufeisennase bekannt. Diese verteilen sich auf fünf Regionen des Kantons: Val Lumnezia/Valsertal, Surselva, Domleschg, Schanfigg und Raum Chur. Der Wochenstubenbestand dieser Kolonien besteht aus 1700 bis 1900 erwachsenen Weibchen. Hinzu kommen die ausserhalb der Wochenstubenquartiere lebenden Männchen der Population, die aber zahlenmässig nicht erfassbar sind. In der Schweiz kommen grössere Populationen dieser einst weit verbreiteten Fledermausart nur noch in den Kantonen Graubünden, Bern und Obwalden vor.

Demnach sind die Kleinen Hufeisennasen vom Aussterben bedroht?

Die Kleine Hufeisennase gilt gemäss Roter Liste der Fledermäuse (Stand 2011) als stark gefährdet. Jedes Quartier dieser Fledermausart ist daher von grosser Bedeutung. Da die Kleinen Hufeisennasen und weitere Fledermausarten auf Störungen im Quartier empfindlich reagieren, vereinbarte der Fledermausschutz mit den Verantwortlichen des Projekts Minas da Gulatsch die Verschliessung der wichtigen Bereiche durch ein Gittertor. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die sich in den Minas da Gulatsch aufhaltenden Fledermäuse nicht gestört werden. Störungen während der Tagesruhe oder insbesondere während des Winterschlafs wirken sich negativ auf die Tiere aus.

Eintauchen in alte Zeiten

Der Themenweg «Minas da Gulatsch», der Ende Juni 2022 eröffnet wird, ist ein Puzzleteil des Weitwanderwegs «Via Glion», der die Dörfer und Landschaften rund um Ilanz vernetzt. Der attraktive Themenweg mit einem Rastplatz soll das touristische Sommerangebot rund um die erste Stadt am Rhein stärken und lokale Wertschöpfung generieren. Das Gebiet ist eine erlebnisreiche Kulturlandschaft mit eindrücklichen Burgen als Zeugen aus früheren Zeiten. Initiiert hat das Projekt «Minas da Gulatsch» der Verein Rueun Viva in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Ilanz/Glion und Surselva Tourismus AG. Es wird auch die Regionalentwicklung unterstützt. Angeboten werden Führungen für Gruppen, und Schulklassen sowie Führungen im Gästeprogramm von Surselva Tourismus, welche etwas über den Bergbau und den soziokulturellen Hintergrund der Region erfahren möchten. Betriebszeiten sind ab Juni bis Ende Oktober. www.surselva.info/Minas-da-Gulatsch

Miriam Lutz Mühlethaler ist Fledermausschutz-Beauftragte des Kantons Graubünden, dies im Auftrag des Amts für

Natur und Umwelt, Abteilung Natur und Landschaft.

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