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Legenden
TEAM PLAYER im Sport und im Business
Er gehörte zu den festen Werten der Nationalmannschaft der Achtzigerjahre, die im Schweizer Skisport für alle Zeiten das Mass der Dinge bleibt. Sieben Mal in Serie gewann das damalige «Wunderteam» die Nationencup-Trophäe, zuletzt 1989. Immer dabei als konstanter Punktelieferant war Martin Hangl, der jenes Jahr persönlich noch mit Gold im Super-G an den alpinen Skiweltmeisterschaften in Vail krönte.
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Martin Hangl galt als Prototyp eines Athleten, der individuell Akzente setzte, dem aber auch die Mannschaft nicht gleichgültig war. «Wir sind für uns wie auch für die Nationenwertung aktiv um Punkte gefahren», blickt Hangl zurück. Der damalige Chef Karl Frehsner hätte sie mit seiner Überzeugungskraft motiviert. Hangl betrachtete sich immer als Teil eines Ganzen, ein Prinzip, das er später mit Erfolg auch im Geschäftsleben fortsetzte.
Höhepunkt am Weltcup-Finale
Den wertvollsten Beitrag leistete er beim Weltcup-Finale 1988 in Saalbach-Hinterglemm, wo er den Super-G UND den Riesenslalom gewann, «das Highlight in meiner Weltcup-Karriere. Binnen 24 Stunden in zwei verschiedenen Disziplinen zu gewinnen, war grandios.» Zumal das seine beiden ersten Weltcupsiege bedeuten, nachdem er vorher ein halbes Dutzend Mal aufs Podest und rund 30 Mal in die Top Ten gefahren war. Am Ende der Finalwoche lag die Schweiz winzige vier Pünktchen vor Österreich. Ein Teamerfolg fast im Alleingang, könnte man in der Fussballsprache sagen, wenn es nicht Hangls Philosophie diametral widerspräche: «Ich war immer ein Teamplayer – und bin es heute noch. Ich betrachtete mich als einen aus der 2. Reihe.»
Die Weltcupsieg-Sammler
Er drücke sich jeweils so aus, «weil mit Erika Hess, Vreni Schneider, Maria Walliser, Michela Figini, Pirmin Zurbriggen, Peter Müller und Franz Heinzer Kolleginnen und Kollegen in der 1. Reihe standen, mit denen ich mich nicht vergleichen möchte.» Sie alle feierten 20, 30, 40 oder, wie Vreni Schneider, gar 55 Weltcupsiege und sammelten WM- und Olympia-Medaillen am Fliessband – Dimensionen, die man sich heute kaum mehr vorstellen kann.
K(eine) Überraschung
Aber auch Hangl verrichtete an diesem Fliessband gekonnt sein Handwerk und dekorierte sich 1989 in Vail mit einer Medaille der edelsten Prägung. Dabei schienen die Voraussetzungen trotz eines vorangegangenen Erfolges in Laax, wo er als erster Bündner auf Bündner Boden ein Weltcuprennen gewann, suboptimal: «Ich hatte mich auf der Abfahrt am Lauberhorn am Knie verletzt und konnte zwei, drei Wochen nur Therapie machen.» Vermeintlich schlecht vorbereitet flog er in die USA: «Wir reisten ein paar Tage früher an, um uns zu akklimatisieren. In dieser Zeit fuhren wir vier Super-G-Trainingsläufe. In jedem stellte ich Bestzeit auf vor Zurbriggen. Das gab mir enormes Selbstvertrauen, denn Pirmin war keiner, der sich in Trainingsläufen zurückhielt. Er fuhr immer auf Tutti.»
Nummer 1: Hangl, Nummer 2: Zurbriggen
Der Zufall wollte es, dass bei der Auslosung Hangl die Nummer 1 und Zurbriggen, der Titelverteidiger, die Nummer 2 zog. «Die Nummer 1», so Hangl, «war damals noch kein Nachteil, weil die Gegner am Start noch nicht die Gelegenheit hatten, die Fahrten der vor ihnen gestarteten Konkurrenten an einem Monitor zu verfolgen. Mir glückte eine gute Fahrt, und als ich dann auf der Grossleinwand am Ziel Pirmin zuschauen konnte, wie er mit einer ebenfalls guten Fahrt langsamer war, wusste ich: Das ist wohl eine Medaille.» Es war Gold. Hangl war Super-G-Weltmeister, was seither bis auf Didier Cuche (2009) kein Schweizer mehr schaffte.
«Eine geile, schöne Zeit»
Auch seine internationalen Gegner trugen klingende Namen: Ingemar Stenmark, Marc Girardelli, Alberto Tomba. Nie war die Konkurrenz härter. Wegen Stenmark habe er früher sogar die Schule geschwänzt, um ihn in den Duellen mit Gustav Thöni zu sehen, erzählt Hangl. «Und dann durfte ich gegen ihn fahren und konnte ihn sogar schlagen. Und als wir hofften, dass Stenmark endlich älter und langsamer würde, kam schon Tomba.» Man neige dazu, die Vergangenheit zu glorifizieren, sagt Hangl: «Aber es war eine geile, schöne Zeit.» Diese Zeit ging schneller zu Ende als geplant.
Der Höhepunkt mit dem WM-Titel in Vail bildete gewissermassen schon den Anfang vom Ende. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Verletzung, die er sich vor der WM am Lauberhorn zugezogen hatte, ein Kreuzbandriss war.
1991 kam der Rücktritt
Da er keine gröberen Beschwerden spürte, verzichtete er vorerst auf eine Operation. Doch dann stürzte er im Training in Zermatt. Bei knapper Schneelage flog er in die Steine und havarierte die ganze linke Körperseite. Es folgten Therapien und Operationen, zwischendurch auch wieder Rennen, «aber», so Hangl, «die Statik meines Körpers stimmte nicht mehr». Im Sommer 1991 erklärte er nach dem ersten Schneetraining seinen Rücktritt, im Alter von erst 29 Jahren, und begann im elterlichen Geschäft zu arbeiten. «Es war kein einfacher Übergang und ein harter Weg. Ich hatte mich 10, 15 Jahre lang auf den Sport fokussiert und die Ausbildung vernachlässigt. Als Sportler war für einen immer alles organisiert, praktisch funktionierte man fremdbestimmt. Und nun musste ich plötzlich selber eine Gruppe führen. Mir fehlte das Grundwissen, das ich mir in Fortbildungskursen aneignete. Aber ich hatte das Glück, dass ich in einem Bereich einsteigen konnte, der meinen Neigungen am meisten entsprach.»
Skischule und Sportgeschäft
Heute leitet er die Skischule und die Sportgeschäfte, zwei davon im benachbarten Ischgl, «und dank Lies, meiner Frau, sind wir auch im Fashion- und Lifestyle-Bereich stark». Der gesamte Betrieb der Hangl AG, an dem fünf Geschwister gleichwertig beteiligt sind, umfasst neben der Skischule und den Sportgeschäften Hotellerie, Gastronomie, Nacht- und AprèsSki-Lokale, alles was zu einer hippen Skistation mit der höchsten Shopping-Meile Europas (1846 m ü. M.) gehört. Vater Johannes Hangl hatte das Unternehmen aufgebaut und, unterteilt in vier Betriebszweige, im September 2007 seinen Kindern übergeben. «So konnten wir uns in den jeweiligen Bereichen spezialisieren und entfalten». Die Familien-Saga der Hangls könnte aus einem Rosamunde-Pilcher-Roman stammen. Am Anfang stand ein «Prinz», Landwirt Josef C. Prinz, der 1923 gemeinsam mit seiner Frau den Bauernhof sukzessive in ein Gasthaus und ein
Der Samnauner Martin Hangl gewann 1989 in Vail WM-Gold im Super-G.
Hotel um- und ausbaute. 30 Jahre später heuerte ein Tiroler namens Johannes Hangl bei der Familie Prinz als Knecht an und verliebte sich in die zweitjüngste Tochter, Caroline. Sie war die erste Skilehrerin im Unterengadin. 1959 heirateten die beiden und bekamen sieben Kinder.
Der «falsche Österreicher»
«Liebe ohne Grenzen» schien das Familienleben zu prägen. Martin Hangl erklärt es: «Meine Grossmutter war Österreicherin und heiratete einen Samnauner namens Prinz. Dann hat meine Mutter, geborene Prinz, eine Samnaunerin, den Tiroler Johannes Hangl geheiratet. Und ich, Martin, habe eine Scheiber Elisabeth aus dem Tirol geheiratet.» Deshalb bezeichneten die TV-Kommentatoren am ORF Martin Hangl oft als Österreicher, «aber nur», so Martin, «wenn ich gut fuhr». Samnaun war früher nur über Österreich erreichbar und galt als Schmuggler-Eldorado. Es ist immer noch Zollfreigebiet, die zweite Touristenattraktion neben dem Wintersport. Mit der Silvretta-Arena, die Samnaun mit Ischgl verbindet, verfügt der nur 780 Einwohner umfassende Ort über ein Skigebiet, das höchsten Ansprüchen genügt. Wiederholt wurde es vom Ski-Portal Snowplaza in einer europaweiten Umfrage zum Skigebiet Nummer 1 erkoren. Schneesicherheit ist bis in den Mai hinein garantiert.
Der «Sonderfall»
Im Normalfall – bis das Coronavirus kam und vieles veränderte. Auf behördliche Anordnung musste Mitte März das Skigebiet geschlossen und der Betrieb eingestellt werden – eine gewaltige Herausforderung für ein Unternehmen mit 200 Angestellten. In einer solchen Situation empfindet Hangl die Stress-Erfahrungen aus der Aktivzeit als hilfreich: «Im Extrembereich des Spitzensports lernt man mit Niederlagen und Enttäuschungen umzugehen, Druck auszuhalten und in der Stunde X Leistung abzurufen. Dabei eignet man sich innere Ruhe und Stärke an.» Er spüre, wie er in der Firma als ruhender Pol wahrgenommen werde. «Mir hat gefallen, wie der Bundesrat im Kampf gegen das Coronavirus aufgetreten ist, wie er die gesundheitlichen und sozialen Aspekte ins Zentrum stellte. Mein Vater ist 88, mein Schwiegervater 92. Wenn es ihnen und andern älteren Leuten gut geht, hat sich die Schliessung der Betriebe mehr als gelohnt», sagt der Teamplayer, dem auch Sozialkompetenz kein Fremdwort ist. RICHARD HEGGLIN
«KOMPLIMENT AN VERANTWORTLICHE POLITIKER»
Corona-bedingt haben wir diese Geschichte über einen Hero der Achtzigerjahre vom Frühling auf den Herbst geschoben. Martin Hangl zählte damals in der Nationenwertung, die 2019/20 erstmals seit 31 Jahren wieder von der Schweiz gewonnen wurde, zu den Keyplayern. Als Geschäftsmann in der Tourismusbranche war er selber massiv vom Coronavirus betroffen. Wir bringen den Text unverändert, lediglich mit einer Zusatzbemerkung von Hangl, mit der er seine damaligen Worte bestätigt: «Ich bin dankbar, in der Schweiz Unternehmer sein zu dürfen. Die verantwortlichen Politiker haben die richtigen Entscheidungen gefällt. Man darf ihnen, und auch den Banken, ein gutes Zeugnis ausstellen. Im internationalen Vergleich sind wir gut durch die Krise gekommen. Weil die Schweizer sehr heimatverbunden sind, konnten wir in der Alpenregion im Sommer überdurchschnittlich profitieren. Unglaublich viele junge Familien kamen erstmals nach Samnaun, sogar aus den Kantonen Freiburg, Waadt oder Genf. Wir wissen nicht, wie es weitergeht, aber ich bin zuversichtlich.»
Mit Blick in die Zukunft
2020 geht für den Zentralschweizer Schneesport Verband (ZSSV) in die Geschichte ein. Er feiert dieses Jahr sein 100-Jahr-Jubiläum. Wie so vieles andere musste in der Agenda aus bekannten Gründen einiges geändert werden. Die Mitgliederversammlung konnte im September stattfinden – im kleinen Kreis und zu Gast im neuen Spitzensportzentrum OYM in Cham. Die im Juni geplante Jubiläumsveranstaltung wurde bereits vorher um ein Jahr verschoben und findet am 12. Juni 2021 statt. Die Zusammenkunft im September wurde trotz aller Umstände zu einem gemütlichen und würdigen Anlass. Bruno Arnold erhielt zudem die Auszeichnung «Träger Goldener Ski».