Snowactive November 2020 | DE

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Menschen // Legenden // Martin Hangl

TEAM PLAYER im Sport und im Business

Er gehörte zu den festen Werten der Nationalmannschaft der Achtzigerjahre, die im Schweizer Skisport für alle Zeiten das Mass der Dinge bleibt. Sieben Mal in Serie gewann das damalige «Wunderteam» die Nationencup-Trophäe, zuletzt 1989. Immer dabei als konstanter Punktelieferant war Martin Hangl, der jenes Jahr persönlich noch mit Gold im Super-G an den alpinen Skiweltmeisterschaften in Vail krönte.

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artin Hangl galt als Prototyp eines Athleten, der individuell Akzente setzte, dem aber auch die Mannschaft nicht gleichgültig war. «Wir sind für uns wie auch für die Nationenwertung aktiv um Punkte gefahren», blickt Hangl zurück. Der damalige Chef Karl Frehsner hätte sie mit seiner Überzeugungskraft motiviert. Hangl betrachtete sich immer als Teil eines Ganzen, ein Prinzip, das er später mit Erfolg auch im Geschäftsleben fortsetzte. Höhepunkt am Weltcup-Finale Den wertvollsten Beitrag leistete er beim Weltcup-Finale 1988 in Saalbach-Hinterglemm, wo er den Super-G UND den Riesenslalom gewann, «das Highlight in meiner Weltcup-Karriere. Binnen 24 Stunden in zwei verschiedenen Disziplinen zu gewinnen, war grandios.» Zumal das seine beiden ersten Weltcupsiege bedeuten, nachdem er vorher ein halbes Dutzend Mal aufs Podest und rund 30 Mal in die Top Ten gefahren war.

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Am Ende der Finalwoche lag die Schweiz winzige vier Pünktchen vor Österreich. Ein Teamerfolg fast im Alleingang, könnte man in der Fussballsprache sagen, wenn es nicht Hangls Philosophie diametral widerspräche: «Ich war immer ein Teamplayer – und bin es heute noch. Ich betrachtete mich als einen aus der 2. Reihe.» Die Weltcupsieg-Sammler Er drücke sich jeweils so aus, «weil mit Erika Hess, Vreni Schneider, Maria Walliser, Michela Figini, Pirmin Zurbriggen, Peter Müller und Franz Heinzer Kolleginnen und Kollegen in der 1. Reihe standen, mit denen ich mich nicht vergleichen möchte.» Sie alle feierten 20, 30, 40 oder, wie Vreni Schneider, gar 55 Weltcupsiege und sammelten WM- und Olympia-Medaillen am Fliessband – Dimensionen, die man sich heute kaum mehr vorstellen kann. K(eine) Überraschung Aber auch Hangl verrichtete an diesem Fliessband gekonnt sein Handwerk und dekorierte sich 1989 in Vail mit einer Medaille der edelsten Prägung. Dabei schienen die Voraussetzungen trotz eines vorangegangenen Erfolges in Laax, wo er als erster Bündner auf Bündner Boden ein Weltcuprennen gewann, suboptimal: «Ich hatte mich auf der Abfahrt am Lauberhorn am Knie verletzt und konnte zwei, drei Wochen nur Therapie machen.» Vermeintlich schlecht vorbereitet flog er in die USA: «Wir reisten ein paar Tage früher an, um uns zu akklimatisieren. In dieser Zeit fuhren wir vier Super-G-Trainingsläufe. In jedem stell-

te ich Bestzeit auf vor Zurbriggen. Das gab mir enormes Selbstvertrauen, denn Pirmin war keiner, der sich in Trainingsläufen zurückhielt. Er fuhr immer auf Tutti.» Nummer 1: Hangl, Nummer 2: Zurbriggen Der Zufall wollte es, dass bei der Auslosung Hangl die Nummer 1 und Zurbriggen, der Titelverteidiger, die Nummer 2 zog. «Die Nummer 1», so Hangl, «war damals noch kein Nachteil, weil die Gegner am Start noch nicht die Gelegenheit hatten, die Fahrten der vor ihnen gestarteten Konkurrenten an einem Monitor zu verfolgen. Mir glückte eine gute Fahrt, und als ich dann auf der Grossleinwand am Ziel Pirmin zuschauen konnte, wie er mit einer ebenfalls guten Fahrt langsamer war, wusste ich: Das ist wohl eine Medaille.» Es war Gold. Hangl war Super-G-Weltmeister, was seither bis auf Didier Cuche (2009) kein Schweizer mehr schaffte. «Eine geile, schöne Zeit» Auch seine internationalen Gegner trugen klingende Namen: Ingemar Stenmark, Marc Girardelli, Alberto Tomba. Nie war die Konkurrenz härter. Wegen Stenmark habe er früher sogar die Schule geschwänzt, um ihn in den Duellen mit Gustav Thöni zu sehen, erzählt Hangl. «Und dann durfte ich gegen ihn fahren und konnte ihn sogar schlagen. Und als wir hofften, dass Stenmark endlich älter und langsamer würde, kam schon Tomba.» Man neige dazu, die Vergangenheit zu glorifizieren, sagt Hangl: «Aber es war eine geile, schöne Zeit.» Diese Zeit ging schneller zu Ende als geplant.


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