38 | SWISSPROP TECH-MAGA ZIN 2021
Der «Papa» der denkenden Maschinen KI – Das Tessin ist weltweit führend bei der Entwicklung der künstlichen Intelligenz. Dahinter stehen renommierte Wissenschaftler und ein Philanthrop, der ein Vermögen mit Schnaps gemacht hat. Von Richard Haimann – Fotos: zVg, flikr.com, Idsia
Die New York Times hat ihn mit einem prägnanten Satz geadelt: «Wenn Künstliche Intelligenz erwachsen ist, wird sie Jürgen Schmidhuber ‹Papa› nennen.» Kaum ein Informatiker hat das maschinelle Lernen und die Automatisierung intelligenten Verhaltens in Rechnern in den vergangenen Jahrzehnten so weit vorangetrieben wie der 58-Jährige, der seit 1995 wissenschaftlicher Direktor des Dalle-Molle-Forschungsinstituts für künstliche Intelligenz in Manno «Künstliche Intelli- bei Lugano ist. genz wird nicht nur Seit er 15 Jahre alt gewesen sei, habe er die virtuelle Welt das Ziel verfolgt, «eine selbstlernende künstliche Intelligenz zu entwickeln, die durchdringen, schlauer ist als ich», sagt Schmidhuber. sondern auch die Wäre dieses Ziel erreicht, «könnte ich in physische.» Ruhe in Rente gehen». Mit dem Ruhestand wird es so schnell nichts werden. Künstliche Intelligenz, in Wissenschaftskreisen als KI oder AI für artifizielle Intelligenz abgekürzt, ist längst noch nicht so schlau wie der Mensch. Doch die bereits erreichten Fortschritte sind enorm und werden Wirtschaft und Gesellschaft in Zukunft massiv verändern. «Künstliche Intelligenz wird nicht nur die virtuelle Welt durchdringen, sondern auch die physische», sagt Schmidhuber. «Die Technologie wird alles in Industrie, Produktion und Automatisierung verändern.» Und massgebliche Impulse dazu kommen aus der Sonnenstube der Schweiz. Manno – KI-Schmiede von Weltrang Kaum jemand wisse, dass grundlegende Technologien, die IT-Giganten wie Apple, Google und Microsoft verwenden, in Manno entwickelt wurden, befand 2019 die Jury des Swiss ICT Awards – und
zeichnete Schmidhuber und Professor Luca Gambardella, Vizerektor für Innovation und Corporate Relations an der USI Università della Svizerra italiana, der Universität Lugano, mit dem höchsten Schweizer Preis für Leistungen in der Informations- und Kommunikationstechnik aus. «Diese Forschung ist ein wesentlicher Treiber für den Erfolg der Tessiner Unternehmen des Werkplatzes Schweiz», applaudierte der damalige Vizedirektor von Swissmechanic, Roland Frick, bei der Verleihung. Nach einer Umfrage der Credit Suisse unter 2.000 kleinen und mittleren Unternehmen der Schweiz messen Tessiner KMU den wissenschaftlichen Arbeiten in Lugano einen sehr hohen Stellenwert bei, weil sie dadurch grenzüberschreitende Synergien mit ausländischen Unternehmen gewinnen. Likör-Unternehmer legt den Grundstein ... Initiiert wurde die KI-Schmiede im Tessin von Angelo Dalle Molle, einem erfolgreichen italienischen Geschäftsmann, der zum Philanthropen wurde. Der Unternehmer aus Mestre, einer Industriestadt an der Lagune von Venedig, hat ein Vermögen mit einem Getränk gemacht, welches hilft, die Folgen übermässiger Gaumenfreuden zu bewältigen. Der 1952 von ihm erfundene und patentierte Artischockenlikör Cynar galt jahrzehntelang
Jürgen Schmidhuber, Istituto Dalle Molle