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«Der One-fits-all-Ansatz ist längst überholt»
Immobilienbewirtschafter – Die Digitalisierung ist auf breiter Front in der Schweizer Immobilienwirtschaft angekommen, ergab eine Umfrage des SwissPropTech-Magazins bei vier ausgewiesenen Experten. Doch bei der Umsetzung der digitalen Transformation gibt es noch Optimierungspotenzial.
5 Fragen an Mitglieder des Swiss Circle zum Stand der Digitalisierung im Bereich der Immobilienbewirtschaftung
1
Welches sind die Erfolgsfaktoren einer modernen Immobilienbewirtschaftung?
2
Wie schätzen Sie den Digitalisierungsgrad der Schweizer Bewirtschafter ein?
3
Welches sind die Low Hanging Fruits in der Digitalisierung der Immobilienbewirtschaftung? Wie kann man innert kurzer Zeit viel erreichen?
4
Welche digitalen Themen fordern Ihre Unternehmung besonders?
5
Kann mit Digitalisierung die Marge im Bewirtschaftungsgeschäft gesteigert werden? Wenn ja, weshalb?
ANDREA CRISTUZZI Inhaberin und Geschäftsführerin Cristuzzi ImmobilienTreuhand AG
1. Erfolgsfaktoren. Die Immobilienbewirtschaftung lebt von der Fachkompetenz der Mitarbeitenden in einer Vielzahl von Bereichen: Mietrecht, baufachliche Themen, Verhandlungsgeschick, Menschenkenntnis und Freude am Kontakt. Letztlich haben der Eigentümer und der Mieter vor allem mit dem Menschen zu tun; er oder sie macht den Unterschied im Erleben eines positiven Kundennutzens. Dies, gepaart mit sehr effizienten Abläufen im Hintergrund, die es ermöglichen, eine grosse Anzahl von Mandaten zu betreuen, sind der Garant für ein erfolgreiches Geschäftsmodell in der Immobilienbewirtschaftung.
2. Digitalisierungsgrad Der Digitalisierungsgrad ist fortgeschritten, aber wir sind klar noch nicht so weit, wie ich es persönlich gerne sehen würde. Vor allem die mietrechtlichen Vorgaben im Zusammenhang mit postalischer Zustellung bestimmter Unterlagen sind ein Hemmschuh bei der Digitalisierung der kundenseitigen Prozesse. Weiter ist die Liegenschaft nun einmal ein Objekt mit physischen (= analogen) Herausforderungen und Problemen. Selbst die digitalisierteste Bewirtschaftung ist darauf angewiesen, dass vor Ort auf der Liegenschaft analoge Dienstleistungen von Unternehmern, Hauswarten etc. getätigt werden. Natürlich kann sich aber die Kommunikation mit diesen Anbietern noch weiter digitalisieren.
3. Low Hanging Fruits. In unserem Betrieb haben wir die Kreditorenverarbeitung gerade vollständig digitalisiert und stellen fest, dass sich viele Automatismen bei wiederkehrenden, einfa- chen Rechnungen direkt durch das System abwickeln lassen. Damit sparen wir Zeit unserer Mitarbeitenden. Digitale Wohnungsrundgänge zählen bei uns mittlerweile fast zum Standard – sie sparen viele Besichtigungstermine vor Ort ein.
4. Herausforderungen. Für mich ist die Anbindung der externen Dienstleister an unsere Systeme ein Dauerthema. Zwar gibt es sehr viele digitale Lösungen im PropTech-Bereich, die innovativ und gut sind, sich aber nur bedingt an die mächtigen Bewirtschaftungssysteme anbinden lassen. Wenn da ein Medienbruch entsteht, ist der gesamte Digitalisierungsgewinn leider nur eingeschränkt vorhanden.
5. Mehrwert. Die Marge kann definitiv gesteigert werden. Wir können mit der Digitalisierung von Backend-Prozessen die Effizienz erhöhen und damit mit gleichen Ressourcen mehr Mandate betreuen. Weiter können sich unsere Bewirtschafter eher um die wirklich wichtigen Themen im Kontakt mit Eigentümern und Mietern kümmern, statt wertvolle Zeit für administrative Arbeiten zu verbrauchen.
(MIS) zur Verfügung, die digitale Anbindung von Mietern, Eigentümern und diversen weiteren Anspruchsgruppen nimmt stetig zu und es kommen immer mehr digitale Instrumente und Produkte für einzelne Prozesse und Aufgaben der Immobilienbewirtschaftung zur Anwendung. Natürlich besteht noch Luft nach oben – etwa für Optimierungen bis hin zum komplett digital unterstützten Bewirtschaftungsansatz mit weitgehender Einbindung aller Anspruchsparteien.
DR. BRUNO BÄCHI CEO H&B Real Estate AG
1. Erfolgsfaktoren Bei einer modernen Immobilienbewirtschaftung sind aus meiner Sicht ein lösungsorientierter Leistungsansatz, sprich Probleme lösen oder nicht entstehen lassen, die professionelle Beratung der Kunden in operativen Themen des Immobilienmanagements, kompetente Teams mit Kundenfokus sowie ein sich stetig entwickelnder Prozessansatz mit zunehmender Digitalisierung die wichtigsten Erfolgsfaktoren.
2. Digitalisierungsgrad. In der Bewirtschaftung werden viele Stammdaten, Prozesse und Informationen für ein erfolgreiches Immobilienmanagement geführt. Daher ist die Digitalisierung dieser Elemente ein Muss. Der Digitalisierungsgrad hat stark zugenommen. Digitale Daten aus der Bewirtschaftung stehen zunehmend auch für Managementinformationssysteme
3.
Low Hanging Fruits. Ein rascher Einstieg beginnt mit der Einführung von Einzellösungen. Digitale Tools für die Wiedervermietung, Elemente der Mieterbetreuung (elektronisches Abnahmeprotokoll, Meldeportal für Mieter), digitales Kreditorenmanagement sind einzelne erste Etappen der Digitalisierung. Sukzessive können auch einzelne Dokumente digital geführt werden. Dabei gilt es, als Firma erste wichtige Digitalisierungslösungen zu implementieren.
In einer nächsten Phase steht die Integration dieser Tools in ein Gesamtsystem an. Die Einführung eines umfassenden elektronischen Dokumentenmanagements ist die Basis für einen ganzheitlichen Ansatz, in welchem der Grossteil der Prozesse digitalisiert wird.
4. Herausforderungen. Uns fordern insbesondere zwei Themen: Erstens benötigt die Umstellung auf digitale Lösungsansätze hohe Ressourcen. Die zeitliche Beanspruchung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Phasen der Einführung von digitalen Lösungen ist enorm hoch. Zudem sind digitale Lösungen teuer und finanziell gilt es, eine ökonomisch tragbare Roadmap zu erstellen. Zweitens sind viele digitale Tools noch in einer Startphase und nicht ausgereift. Der Zeitpunkt der Einführung ist genau zu prüfen, nicht dass aufgrund der noch nicht optimal nutzbaren Tools bei den Anwendern grössere Unzufriedenheiten entstehen.
5.
Mehrwert. Es ist wie bei allen Systemeinführungen. In der Phase einer Systemumstellung kann kaum zusätzliche Rendite erwirtschaftet werden. Es geht viel mehr darum, die hohen Kosten der Digitalisierung zu decken, um die Rendite nicht weiter zu verwässern. In einer längeren Frist bietet die Digitalisierung sicherlich Möglichkeiten, dass die optimal digitalisierten Bewirtschaftungsfirmen Qualitäts-, Effizienz- und Kostenvorteile bringen und sie ihren Marktanteil und auch ihre Rendite verbessern können.
HANS-ERICH MEIER Inhaber und Geschäftsführer
EBV Immobilien AG
1. Erfolgsfaktoren. Entscheidend für den Erfolg sind vor allem gut ausgebildete Mitarbeitende mit der Bereitschaft, die Immobilie als Gesamtes zu sehen. Es braucht keine reinen Spezialisten, denn dadurch besteht die Gefahr der eingeschränkten Sicht auf die Zusammenhänge in der Bewirtschaftung, welche selbst durch Teambildung allein nicht wettgemacht werden können. Generalisten mögen im Rahmen von einfachen Bewirtschaftungsmandaten richtig sein, aber sobald die Bewirtschaftung aufgrund von gemischten Nutzungen, Grösse oder Komplexität der Liegenschaft umfassende Anforderungen stellt, sind sie schnell überfordert. Ein weiterer Faktor sind motivierte Mitarbeitende. Hier ist mit Blick auf die Digitalisierung entscheidend, dass sie nicht zu reinen Bedienern der digitalen Infrastruktur werden. Gut ausgebildete, aber vor allem motivierte und durch die Firma in Entscheidungen miteinbezogene und geforderte Mitarbeitende können eher mit den sich schnell verändernden Arbeitsprozessen umgehen.
2. Digitalisierungsgrad. Bei den Themen Finanzen, Buchhaltung, Mietverträge, Wohnungsvermarktung ist der Digitalisierungsgrad eher hoch, bei der Handhabung mit technischen Unterlagen der Liegenschaften eher klein.
3. Low Hanging Fruits. Die Herausforderung besteht darin, die Mitarbeitenden in den Prozess der Umstellung auf digitale Arbeitsprozesse miteinzubeziehen, sei es bei der Ausarbeitung der Digitalisierungsstrategie oder der Wahl der Systeme. Dazu zählt, die aktuellen Arbeitsprozesse zu analysieren, die zeitintensivsten auf ihre Digitalisierungstauglichkeit zu prüfen und zu eruieren, wie und mit welchen Mitteln diese Prozesse möglichst schnell umgesetzt werden können, und so nach und nach gemäss der Digitalisierungsstrategie die weiteren Prozesse umzusetzen.
4. Herausforderungen. Das Handhaben und das möglichst umfangreiche Erfassen der technischen Unterlagen, wie beispielsweise bearbeitbare Gebäudepläne und Haustechnikunterlagen, ist herausfordernd, ebenso die laufende Aktualisierung der Vermietungsunterlagen wie
Pläne und Schnittstellen bei kommerziell und gewerblich genutzten Liegenschaften. Dies ist für die Bewirtschaftung von gewerblich und kommerziell genutzten Liegenschaften von grosser Bedeutung. Die Organisation der digitalen Ablage ist wichtig, damit daraus auch ein wirklicher Mehrwert und Zeitersparnis für die Mitarbeitenden und somit für die Firma resultieren.
5.
Mehrwert. Durch das Eliminieren von physischer Datenerfassung mittels geeigneter Schnittstellen zwischen den Systemen und der physischen Archivierung entsteht ein Mehrwert. Mittels heutiger Technologie besteht die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten, im Rahmen der Berechtigungsmatrix, von überall her. Digitalisierung sollte nur dort erfolgen, wo sie sinnvoll und bedienungsfreundlich ist und nur in einem überschaubaren Umfang.
MARTIN FREI, Chief Digital Officer VERIT Immobilien
1. Erfolgsfaktoren. Eine moderne Immobilienbewirtschaftung muss heute sehr flexibel und anpassungsfähig sein. Der One-fits-all-Ansatz ist längst überholt. Es gilt, die verschiedenen Bedürfnisse der Kunden mit massgeschneiderten Lösungen zu erfüllen und dabei die Kosten für das «Customizing» möglichst gering zu halten. Dazu braucht es eine gut durchdachte und robuste IT-Landschaft, welche den gehobenen Ansprüchen der Kunden gerecht werden kann.
Immer wichtiger wird auch die digitale Zusammenarbeit aller involvierten Parteien. Medienbrüche und unstrukturierte Daten (z.B. E-Mail oder physische Post) sind Zeitfresser und Kostentreiber. Wir versuchen daher, eine integrative IT zur Verfügung zu stellen, bei der verschiedenste Plattformen und Tools über Schnittstellen miteinander kommunizieren und Daten in strukturierter Form möglichst automatisiert weiterverarbeitet werden können.
2. Digitalisierungsgrad Mitte der 2010er-Jahre starteten viele grössere Bewirtschaftungsfirmen mit ihren Digitalisierungsinitiativen. Mittlerweile haben sie erste Meilensteine erreicht und eine digitale Basis gelegt. Jedoch ist die digitale Transformation ein sehr umfassender und langwieriger Prozess und zudem sehr kostenintensiv. Kleinere und mittlere Bewirtschaftungsfirmen bedienen sich deshalb meist bei den Angeboten von PropTechs, welche gute Ende-zu-Ende-Lösungen für einzelne Teilbereiche in der Bewirtschaftung abdecken. PropTechs bieten hier eine gute Möglichkeit, wie firmenübergreifend skaliert und somit die Kosten für den Einzelnen verringert werden können. Die Kunst ist jedoch, diese Lösungen in die eigene IT-Landschaft zu integrieren, sodass keine Medienbrüche entstehen und Prozesse nahtlos ineinander übergehen.
PropTechs haben hier einen wertvollen Beitrag geleistet. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass noch sehr viel Potenzial in der Digitalisierung der Immobilienbewirtschaftung steckt und wir in den kommenden Jahren eine weitere Professionalisierung sehen werden. Es ist sehr hilfreich, wenn sich Standards herauskristallisieren und nicht jede Unternehmung das Rad selbst neu erfinden muss. Offene und standardisierte Schnittstellen sind dabei der Schlüssel. Das bringt die ganze Branche voran.
3. Low Hanging Fruits. Leider gibt es so etwas wie Low Hanging Fruits in der Digitalisierung nicht. Das ist harte Arbeit, die viele Jahre Zeit und Ausdauer sowie viel Geld und Ressourcen benötigt. Es ist vor allem wichtig, dass eine digitale Gesamtstrategie erarbeitet wird, welche das Big Picture im Fokus behält. Eine Abkürzung oder Beschleunigung der digitalen Transformation kann nur dann erzielt werden, wenn man fertige Lösungen, die jemand anderes bereits entwickelt hat, selbst im eigenen Unternehmen einführt. Meist sind dies Lösungen von etablierten Softwareunternehmen (oder eben auch von PropTechs), welche einen Teilaspekt der Prozesse in der Immobilienbewirtschaftung digital abbilden und somit eine schnellere Einführung gewährleisten können. Das bedeutet auch, dass man eine gewisse Prozesshoheit abgibt respektive auslagert und Abhängigkeiten zu Softwareherstellern und PropTechs aufbaut. Manchmal ist das zweckdienlich, manchmal aber auch aus strategischen Gründen nicht erwünscht. Jede Bewirtschaftungsunternehmung muss für sich selbst den besten Kompromiss finden.
4. Herausforderungen. Wir sind in der Immobilienbewirtschaftung immer mehr mit Splitmandaten konfrontiert. Das bedeutet, dass mehrere Bewirtschaftungsfirmen ein Portfolio eines Eigentümers bewirtschaften. Dabei stellt eine Bewirtschaftungsfirma (administrativer
Partner) die ERP-Software zur Verfügung, sodass alle weiteren Bewirtschafter ebenfalls auf dem gleichen ERP arbeiten müssen (technische Bewirtschaftung). Dies hat zur Folge, dass digitale Prozesse komplett auseinandergerissen werden und nun firmenübergreifend mitunter auf Fremdsystemen Daten und Dokumente ausgetauscht werden müssten. Diese Prozesse digital und firmenübergreifend umzusetzen und zu koordinieren, ist sehr aufwendig und mit grossen IT-Kosten verbunden. Das ist vermutlich der Grund, warum die Branche in diesem Bereich der Digitalisierung etwas hinterherhinkt. Wir sind dabei, digitale Lösungen aufzubauen, die es ermöglichen, auch Splitmandate komplett digital zu führen (auch wenn ein fremdes ERP verwendet wird). Dies ist ein Novum in der Branche –aber wir sind überzeugt davon, dass dies der richtige Weg ist.
5.
Mehrwert. Die Digitalisierung hat mehrere Grundpfeiler. Ein essenzieller Fokus besteht darin, durch Automatisierung eine Effizienzsteigerung zu erzielen. Isoliert betrachtet wäre die Aussage vermutlich richtig, dass durch effizientere und schlankere digitale Prozesse in der Bewirtschaftung mehr Marge erwirtschaftet werden könnte. Wenn man jedoch die Projektkosten für digitale Initiativen, die hochqualifizierten Fachkräfte für Projekte und den Unterhalt sowie die neuen Lizenz- und Wartungskosten für digitale Lösungen mit einrechnet, so entsteht eine differenziertere Sicht, die auch zu einem anderen Resultat kommt. Im Moment, da die gesamte Branche mitten in der digitalen Erneuerung steckt, sind die Kosten für die digitale Transformation eher überproportional gross, sodass – vorübergehend – weniger Marge beim Bewirtschaftungsunternehmen verbleibt.
Hinzu kommt, dass mit steigendem Digitalisierungsfaktor auch Begehrlichkeiten seitens der Eigentümerschaft geweckt werden. Die Anforderungen von z.B. institutionellen Eigentümern haben in den letzten Jahren stark zugenommen, wobei die Honorare gleichzeitig tendenziell eher abgenommen haben. Die Marge bei den Bewirtschaftungsfirmen kann positiv beeinflusst werden, wenn neue digitale Leistungen – im Kundeninteresse – auch entsprechend zusätzlich vergütet werden. Wenn das Leistungspaket der Bewirtschaftung stetig vergrössert wird, ohne dass das Honorar mitwächst, nimmt der Margendruck zwangsläufig weiter zu.
Am Ende des Tages müssen die Gesamtkosten für eine Leistung «Bewirtschaftung» kalkuliert und marktfähig gehalten werden. ∙
Mehr über die Digitalisierung der Immobilienbewirtschaftung erfahren Sie am Kongress The Big Handshake.