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Emmanuel Libert konnte in seiner Wahlheimat viel bewirken

Fotos: Stephan Boegli

DAS VEREINSLEBEN IM BLUT

Emmanuel Libert, gebürtiger Belgier, lebt seit fast 40 Jahren in der Schweiz, im Kanton Neuenburg, und ist eingebürgert. Der Präsident des Neuenburger Kantonal-Turnverbandes (ACNG) hat sich durchs Turnen bestens integriert und bietet dabei nun anderen Hand.

Emmanuel Libert war nie Turner. Trotzdem ist er seit 2017 Präsident des Neuenburger Kantonal-Turnverbandes (ACNG). Dies ist bereits seine zweite Amtszeit, welche noch bis 2023 dauert. Eine anspruchsvolle und vielseitige Aufgabe, für die sich der Neuenburger jedoch mit viel Freude engagiert: «Da wir ein Kanton mit einer Uhrentradition sind, vergleiche ich den Verband mit den vielen sich drehenden Rädchen einer Uhr. Der Präsident ist der Drehknopf, der alles in Bewegung setzt.» Obwohl das ACNG-Präsidium viel Einsatz erfordert, gibt es ihm auch viel zurück. «Ich habe das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, besonders für die Jugend und die Gesundheit.» Aber wie kommt es, dass sich ein nicht turnender Belgier so stark für den Schweizer Turnsport engagiert?

DER TURNVEREIN IST EIN GUTER WEG, UM SICH ZU INTEGRIEREN.

Emmanuel Libert Verbundenheit zur Schweiz

Der 60-Jährige hatte schon immer eine besondere Beziehung zu Vereinen und der Schweiz: «Die Geschichte zwischen meiner Familie und der Schweiz liegt mir besonders am Herzen. Diese beginnt mit meinem Grossvater, der 1917, während des Krieges, in dieses Land kam. Er wurde aus einem Gefangenenlager in Deutschland geholt, um in Sion zu arbeiten. Auch meine Eltern, die aus zwei verschiedenen belgischen Regionen kamen, begegneten sich in der Schweiz. Danach kam meine ganze Familie regelmässig hierher.

Ich wusste immer, dass ich eines Tages hier leben würde», erklärt Libert. 1984, nach Abschluss seines Physiotherapie-Studiums, kam er in die Schweiz. Mit seiner Frau, selbst Physiotherapeutin, arbeitete er einige Jahre in einem Krankenhaus, bevor die beiden in den 90er-Jahren eine eigene Praxis eröffnen und sich damit richtig im Dorfleben integrieren.

Integration durchs Turnen

Erst 1999, als er das Präsidium von Gym Chézard, dem Turnverein seines Dorfes, übernahm, begann Emmanuel Liberts Turnlaufbahn. Zu diesem Zeitpunkt war er schon gut in das Leben seiner Wahlheimat integriert. «Ich war Mitglied und Ausbilder bei der Feuerwehr sowie Mitglied der Kirchgemeinde. Als ich gebeten wurde, Präsident des Turnvereins zu werden, zögerte ich, weil ich nicht aus

DER NEUENBURGER AUS BELGIEN

Emmanuel Libert

Geburtsdatum: 11. März 1961 Zuhause: Chézard-Saint-Martin (Neuenburg) Familie: Seit 36 Jahren mit Véronique verheiratet. Drei Buben (Gaëtan, Quentin und Thibault), drei Enkelkinder Beruf: Physiotherapeut Verein: Gym Chézard Freizeit: Vereinsaktivitäten, Zeit mit der Familie verbringen, Radfahren, Wandern und Motorrad Mein Traumberuf als Kind: «Ich wollte Polizist werden, schliesslich entschied ich mich für Physiotherapie. Später möchte ich mich noch als Schreiner ausbilden.»

Meine erste Turnerinnerung:

«In Belgien meine Akademieprüfung an der PhysiotherapieSchule. Es war ein Pflichtfach, aber bei Weitem nicht mein Favorit. Ich habe mich nicht schlecht geschlagen. In der Schweiz meine Wahl zum Präsidenten von Gym Chézard 1999.»

der Turnwelt kam.» Am Ende erklärte er sich aber bereit dazu, da seine Verbundenheit zu den Vereinen überwog. Dieses Engagement markierte den Beginn von vielen abenteuerlichen Jahren in der Welt des Turnens. «Es hat mir den Ärmel reingezogen», schmunzelt Libert.

Alle diese Aktivitäten und Begegnungen in den darauffolgenden Jahren ermöglichten es dem 60-Jährigen und seiner Familie, sich weiter einzuleben. Libert sagt, das Turnen sei immer noch ein sehr guter Weg, sich zu integrieren. «Der Schweizerische Turnverband ist diesbezüglich offen und hatte es vor einigen Jahren an einer Verbands-

Emmanuel Libert holte die Eurogym 2022 in die Schweiz.

leiterkonferenz zum zentralen Thema gemacht.» Im Anschluss an diese Konferenz keimte in Liberts Kopf die Idee auf, dies aufzugreifen. Ihm schien es wichtig, die Öffentlichkeit – insbesondere Ausländer und Flüchtlinge – darüber zu informieren, dass Turnvereine kostengünstigen Sport bieten und gleichzeitig die Integration erleichtern. «Im Allgemeinen kommen Menschen von selbst, aber man kann immer mehr tun und denen die Hand reichen, welche sich nicht trauen, den ersten Schritt zu machen.» Sein Engagement in Sachen Integration hört aber nicht beim Turnen auf. Vor etwa zehn Jahren gründete Libert eine kleine Organisation, die «Lessiverie». Diese bietet Aktivitäten und Veranstaltungen, um sein Dorf zu beleben und die Menschen zusammenzubringen.

Diverse Projekte

Auch nach all den Jahren im Turnen bleibt der 60-Jährige motiviert und freut sich auf das nächste grosse Ereignis, das auf Neuenburger Boden stattfinden wird – die Eurogym 2022, ein aussergewöhnliches Schaufenster für den Kanton. Libert gehört zu den Initiatoren der Schweizer Kandidatur für diese Veranstaltung. «Nach der Eurogym 2018 in meiner Heimatstadt Lüttich rief ich zusammen mit zwei weiteren Personen die Idee zur Organisation dieses Anlasses in der Schweiz ins Leben. Neben diesem Grossprojekt setzt die ACNG auch auf Parkour, um mit der Zeit zu gehen. Und nicht zu vergessen das Wichtigste: die Unterstützung der kleinen Vereine, welche die Dörfer am Leben erhalten.»

2023 enden Emmanuel Liberts zweite Amtszeit an der ACNG-Spitze sowie auch das Eurogym-Abenteuer. Dann möchte der Neuenburger auch in der Physiotherapie-Praxis kürzertreten: «Ganz aufhören werde ich nicht. Aber ich möchte meiner Familie und meinen Enkelkindern mehr Zeit widmen. Das hat Priorität.»

ES HAT MIR DEN ÄRMEL REINGEZOGEN.

Emmanuel Libert

Text: Emilie Lambiel / ahv

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