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Wenn auch nur im kleinen Rahmen – Hauptsache, es wird wieder geturnt

TEUFEN TURNT TROTZDEM

Perfekte Wettkampfkulisse (mit dem Säntis im Hintergrund) am Appenzeller Kantonalturnfest trotz redimensioniertem Konzept. Fotos: Thomas Ditzler

Es war ein trister Turnsommer. Ein erneuter Sommer ohne Turnfeste. Nicht ganz. Während schweizweit alle geplanten Turnfeste für 2021 abgesagt wurden, hat man im Appenzellerland an einer Mini-Variante festgehalten. Hat sich der Aufwand gelohnt? «GYMlive» hat in Teufen Mitte Juni Turnfest-Luft geschnuppert.

UNSERER JUGEND WOLLTEN WIR DIESE WETTKAMPFMÖGLICHKEIT BIETEN.

Bruno Höhener, OK-Präsident

Ständig wechselnde Massnahmen und laufende Anpassungen der Schutzkonzepte. Die Planung eines Wettkampfs hat in den vergangenen Wochen die verschiedenen Organisationskomitees vor grosse Herausforderungen gestellt. Für manche waren diese derart gross, dass man sich gezwungen sah, klein beizugeben. Nicht aber im Appenzellerland. Das OK des Appenzeller Kantonalturnfestes in Teufen hielt nach der Verschiebung von 2020 auf 2021 an seinem Plan fest und wurde für den Durchhaltewillen Ende Juni 2021 mit dem einzigen durchgeführten Turnfest in der Schweiz belohnt – wenn auch letztlich nur mit einer Mini-Variante.

Der Schein trügt

Auf den ersten Blick scheint am Wochenende vom 19. und 20. Juni in Teufen alles wie an einem gewöhnlichen Turnfest. Zwischen den verschiedenen Wettkampfanlagen tummeln sich zahlreiche Turnende. Da und dort weht eine Vereinsfahne im Wind. Durch die Lautsprecheranlagen ertönen die Bestresultate, während im Verpflegungszelt der Duft von frischen Pommes und Bratwürsten das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Dank den kräftigen Sonnenstrahlen wähnt man sich zurückversetzt an vergangene Turnfest-Zeiten.

Bei genauerem Betrachten fallen jedoch Dinge auf, die einen auf den Boden der derzeitigen Realität zurückholen. Das Stopp-Schild vor der Sportanlage macht beispielsweise deutlich, dass das Betreten der Anlage nur einem ausgewählten Kreis gewährt wird – Publikum ist nicht erlaubt. Auf dem ganzen Gelände herrscht Maskenpflicht, sofern man nicht direkt in den Wettkampf involviert ist. Die zahlreichen Desinfektionsspender machen aufmerksam, dass die Hände von Zeit zu Zeit gereinigt werden sollten. So sieht Turnfest-Stimmung in Zeiten von Corona aus.

Lange an normales Fest geglaubt

Dass man in Teufen nach der Verschiebung und der Redimensionierung des Angebots auf nur noch NachwuchsWettkämpfe dennoch am Turnfest festgehalten hat, habe mitunter mit dem Turnfest-Zyklus zu tun gehabt, sagt Bruno Höhener, OK-Präsident und Präsident des TV Teufen. Im Appenzellerland findet nur alle sechs Jahre ein Turnfest statt. «Eine erneute Verschiebung wäre wegen des Schulhaus-Neubaus in Teufen zudem nicht möglich gewesen», so Höhener weiter. Im Kern-OK sei man deshalb bestrebt gewesen, wenn immer machbar ein Turnfest zu organisieren. «Wir sind auch lange davon ausgegangen, dass ein ‹normales Fest› 2021 möglich wäre», sagt Höhener. Als im März aber Öffnungsschritte erst für mögliche Jugendwettkämpfe bekannt gegeben wurden, habe man sich schon die Frage gestellt «Wie weiter?» «Der Entscheid, wenigstens an der Mini-Turnfest-Variante für den Nachwuchs festzuhalten, fiel aber praktisch einstimmig», blickt der OK-Präsident zurück.

Ohne Zuschauerinnen und Zuschauer sind die eigenen Turnkameraden die einzige Unterstützung während des Wettkampfs.

Jetzt oder nie

Doch wie erklärt sich Höhener, dass seine Appenzeller die Einzigen sind, die in diesem Sommer an einer Turnfest-Variante festgehalten haben? «Wir waren im vergangenen Jahr vielleicht etwas stur, dass wir bis zuletzt an eine Durchführung geglaubt hatten und dann in die Knie gezwungen wurden», sagt er.

WIR TRAUERN KEINESWEGS JENEM NACH, WAS NICHT MÖGLICH WAR.

Bruno Höhener, OK-Präsident

Im Gegenzug habe man in diesem Jahr als erste Organisatoren mit einer Redimensionierung geplant. Später wurden alle anderen Turnfeste 2021 abgesagt. «Wir sind ein kleiner Verband. Bei uns findet nur alle sechs Jahre ein Turnfest statt, und da wollten wir gerade unserer Jugend eine Plattform bieten», sagt Bruno Höhener. Während andere TurnfestOKs die Möglichkeit der Verschiebung hätten, wäre dies in Teufen wegen des angetönten Schulhaus-Baus nicht mehr möglich gewesen. Es stellte sich zudem die Frage «Wieso alles streichen, wenn ein Teil dennoch organisierbar wäre?» Letztlich sei es auch ein «Jetzt oder nie»Entscheid gewesen, ergänzt Höhener.

Den Entscheid, am Mini-Fest festzuhalten und dieses durchzuführen, hat Höhener keineswegs bereut. Auch wenn mit den fehlenden Zuschauerinnen und Zuschauern nicht nur die Stimmung, sondern auch die Kasse leidet. «Natürlich schmerzt es, dass wir kein Publikum haben», sagt er und blickt etwas wehmütig Richtung Rundbahn, auf der sich gerade die 800-Meter-Läuferinnen für ihren Start bereit machen. «Aber», so Höhener, «ob sich der Aufwand mit Publikum auch tatsächlich gelohnt hätte, ist schwer abschätzbar.» Zumal es unter den geltenden Richtlinien eine zusätzliche Herausforderung gewesen wäre, die Festbesuchenden im Griff zu haben.

Freude an dem, was man hat

Doch wie fällt sein Fazit bezüglich Turnfest-Stimmung aus? «Das eigentliche Turnfest war bei uns seit der Redimensionierung im März eigentlich Geschich-

te», sagt er. Auch wenn das OK mehrheitlich noch dasselbe sei und man sich wettkampfmässig einzig auf das erste Wochenende, einfach ohne Aktive, konzentriert habe. «Ein Turnfest, so wie man es sich gewohnt ist, wäre nicht möglich gewesen», relativiert der OK-Präsident und ergänzt vielmehr: «Wir freuen uns an dem, was wir den Turnenden bieten konnten, und trauern keineswegs jenem nach, was nicht möglich war.»

Und dass dies doch einiges ist, zeigen am Wochenende die zahlreichen strahlenden Kinderaugen, welche einerseits ihren Jugend-, Turn- oder Leichtathletik-Mehrkampf oder im Geräteturnen auf den verschiedenen Anlagen rund um die Sporthalle Landhaus ihren Wettkampf absolvieren. An beiden Tagen kämpfen rund 800 Nachwuchsturnende in Teufen um eine Bestnote, während rund 140 Helferinnen und Helfer sowie 70 Kampfrichterinnen und Kampfrichter dafür sorgen, dass alles reibungslos abläuft.

Schaden in Grenzen halten

Dass in der jetzigen Situation eine Organisation aus finanzieller Sicht keineswegs rentabel ist, ist verständlich, denn «den Aufwand hatten wir ja sowieso», sagt Höhener. Dank dem Covid-Fonds habe man wenigstens eine gewisse Sicherheit, dass kein grosser finanzieller Schaden entstehe. Das ständige Reduzieren sei für die Planung im Vorfeld aber nicht einfach gewesen. «Wir mussten uns einfach immer wieder bewusst werden, dass wir nicht mehr mit dem grossen Turnfest planen können», sagt Höhener und ergänzt: «Dass wir uns eine mögliche Gewinnausschüttung ans Bein streichen können, war früh klar.» Darum sei es dem Organisationskomitee aber auch gar nicht primär gegangen: «Wenn ich über die Wettkampfanlagen schaue, bin ich zufrieden, dass wir uns für das Turnfest ausgesprochen haben. Die Stimmung ist gut, das Wetter spielt auch mit und die Leute sind zufrieden.» Jenem nachtrauern, was man nicht hatte, wäre an diesem Wochenende völlig fehl am Platz gewesen. Zu gross war in Teufen letztlich die Freude darüber, was man in dieser schwierigen Situation realisieren konnte. So durfte wenigstens ein kleiner Teil der Turnschweiz 2021 einen Turnfest-Sommer erleben.

Text: Thomas Ditzler

Weitere Informationen zum Appenzeller Kantonalturnfest:

aktf2021.ch

MÖGLICH GEMACHT

Christian Giger

Präsident Appenzellischer Turnverband

Foto: Lorenz Reifler

Christian Giger, mit dem Appenzeller Kantonalturnfest ist ein Stück Turnalltag zurückgekehrt. Wie lautet dein Fazit?

Christian Giger: Wenn wir auf den Sportanlagen herumgeschaut haben, bestätigt es den OK-Entscheid, aus dem eigentlichen Turnfest einen Nachwuchs-Wettkampf zu machen. Während des Wochenendes entdeckte ich viele lachende Kindergesichter. Es war richtig, dass bis zum Schluss am Plan festgehalten und jene Wettkämpfe durchgeführt wurden, die möglich waren.

Dennoch war es ein Turnfest ohne Zuschauer. Überwiegt die Freude, dass der Wettkampf hat stattfinden können, oder das Nachtrauern der gewohnten Stimmung?

Das OK hat das Möglichste möglich gemacht. Allein das ist schon eine grosse Leistung von allen Beteiligten. Viele Hürden wurden überwunden. Aus diesem Grund muss die Freude überwiegen.

Wie wichtig war die Durchführung des Turnfestes aus Sicht des Appenzellischen Turnverbandes?

Sehr wichtig. So konnten wir zeigen, dass der Sport unter sicheren Umständen durchgeführt werden kann. Wir haben den richtigen Weg eingeschlagen. Ich hoffe, dass es uns viele Organisatoren gleichtun.

KINDER BRAUCHTEN EINEN WETTKAMPF

Keine Zuschauer und strikte Maskenpflicht. Das Schutzkonzept am Turnfest in Teufen hatte Auswirkungen auf alle. «GYMlive» hat mit Mario Müller, Jugileiter des TV Waldstatt, über seine Eindrücke gesprochen.

TURNFEST SOMMER 2022

10.–12. und 17.–19. Juni

VD Waadtländer Kantonalturnfest

Yverdon-les-Bains, fcvg2022.ch

«Im Leiterteam war die Freude extrem gross, dass endlich wieder ein Turnfest stattfinden konnte. Vor allem, weil wir so unseren Kindern wieder Wettkämpfe ermöglichen konnten», sagt Mario Müller. Das Turnfest in Teufen habe für ihn und «seine» Kinder nach der langen turnfestfreien Zeit vor allem als Standortbestimmung gegolten. «Natürlich zählt auch die Leistung, aber der Spass steht sicher im Vordergrund», so Mario Müller. Es sei denn auch schön gewesen, wieder ein Turnfest erleben zu dürfen. Damit seine Jugi die gewohnte Turnfest-Atmosphäre geniessen konnte, seien sie bewusst gemeinsam mit dem Zug von Waldstatt angereist: «So, wie wir es immer machen, wenn wir an ein Turnfest reisen.»

Auch während der Pandemie sei die Stimmung im Training sehr gut gewesen, erzählt Müller. «Die Trainings wurden meistens sogar noch besser besucht als vor der Pandemie», so der Jugi-Leiter. «Weil sonst fast nichts mehr möglich war, brauchten die Kinder während dieser Zeit den Ausgleich zur Schule noch mehr als sonst», glaubt Müller einen Grund für die gute Trainingspräsenz zu wissen. Er habe den Kindern angemerkt, dass sie sich wieder nach einem Wettkampf gesehnt hätten. «Umso schöner, dass das Turnfest in Teufen stattfinden konnte», meint Mario Müller. Trotz all den geltenden Auflagen auf den Sportanlagen fiel Müllers Eindruck vom Turnfest durchwegs positiv aus. «Der Wettkampf fand für uns im gewohnten Umfeld statt.» Erfreulich endete für Müllers TV Waldstatt auch der sportliche Teil am Appenzeller Kantonalturnfest. Gleich sechs Podestplätze durften die Waldstätter im Jugendwettkampf vom Samstag, 19. Juni, feiern. So konnte man wohl auch in dieser Hinsicht die gewohnte Heimreise mit dem Zug erfreut antreten.

Text: Thomas Ditzler 10.–12. Juni

SO Regionalturnfest RTVSU

Subingen, sotv.ch

11./12. und 17.–19. Juni

ZH Regionalturnfest WTU

Wiesendangen, rtf22.ch

10.–12. und 17.–19. Juni

BE Berner Kantonalturnfest

Lyss/Aarberg, ktf2022.ch

11./12. und 17.–19. Juni

SH Schaffhauser Kantonalturnfest

Beringen, turnfest22.ch

15.–26. Juni

AG Aargauer Kantonalturnfest

Wettingen, wettingen2022.ch

18.–26. Juni

SG Rheintaler Turnfest

Balgach, balgach2022.ch

24.–26. Juni

GR Glarner Bündner Kantonalturnfest

Näfels, glabue2022.ch

1.–3. Juli

BE Oberländisches Turnfest

Frutigen, otf2021.ch

Die Angaben sind ohne Gewähr (Stand: 24. Juni 2021).

Mario Müller (links, TV Waldstatt) freut sich, dass seine Jugi-Kinder wieder einen Ernstkampf erleben durften. Foto: Thomas Ditzler

VEREINSLEBEN WIEDER AKTIVIEREN

Gewöhnungsbedürftiges Bild: Die Gymnastikriege des DTV Zihlschlacht turnt am «Chläggi-Cup» wie alle Vereine mit Maske. Foto: zvg

Nach Monaten ohne Wettkämpfe hat der «Chläggi-Cup» Wilchingen den ersten Schritt gewagt. Die Risikobereitschaft wurde belohnt. Statt «möglichst erfolgreich», lautete das Credo der Turnenden «endlich wieder turnen».

Im Frühsommer wurden endlich auch wieder vereinzelte Turnwettkämpfe durchgeführt. Neben diversen Einzel-Geräteturnwettkämpfen war der «ChläggiCup» in Wilchingen einer der ersten Anlässe, an dem Aktivturnende als Verein starten konnten. Dies, obwohl die Ungewissheit bei den Organisatoren rund um Präsident Christian Heiss gross war. Die Unsicherheit, welche Schutzregeln am Tag X, dem 22. Mai 2021, gelten würden, sei die grösste Schwierigkeit bei der Planung gewesen, sagt Heiss rückblickend.

22 Vereine nutzten Startmöglichkeit

Schliesslich folgten der Einladung des TV Wilchingen 22 Vereine mit rund 450 Turnenden. «Wir wollten für die Riegen und auch für uns als Organisator das Vereinsleben wieder aktiveren», sagt Heiss. Deswegen habe man trotz der damals unsicheren Lage stets an der Durchführung festgehalten. «Weil wir den Anlass ohne grosse Sponsoren oder Festwirtschaft geplant haben, war das Risiko kalkulierbar, falls dennoch kurzfristig eine Absage nötig gewesen wäre», so der OK-Präsident weiter.

So weit kam es aber nicht. Und dennoch mussten wegen des Schutzkonzepts Anpassungen beim Wettkampf-Ablauf im Vergleich zu den Vorjahren vorgenommen werden. So turnten die Vereine in fixen Zeitblöcken. «Nach ihrem Wettkampf mussten sie das Gelände gleich wieder verlassen», erklärt Heiss. Dadurch habe natürlich die Stimmung etwas gefehlt.

Mit Maske turnen

«Die Turnenden haben sich aber viel Mühe gegeben, die Regeln einzuhalten.» Auch wenn die Turnenden ihren Wettkampf ungewohnt mit Maske absolvieren mussten, schätzten es alle, dass wieder ein Wettkampf stattfand. «Die Vereine waren sehr dankbar», sagt Heiss. Dementsprechend positiv fällt auch sein Fazit über den «Chläggi-Cup» 2021 aus. Für viele Vereine sei es auch darum gegangen, nach langer Wettkampfpause wieder eine Standortbestimmung zu erhalten. Egal ob Gymnastik-, Aerobic- oder Geräteturnriege, der Tenor habe bei allen gelautet «Endlich wieder turnen».

Auch wenn der Wettkampf aus finanzieller Sicht ein Nullsummenspiel war. «Wir haben die Durchführung aber vor allem zugunsten des Sports gemacht», sagt Christian Heiss.

Text: Thomas Ditzler

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