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Kolumne

TEXT // PETER S. KASPAR

ABENTEUER AIRPORT

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Dem leider viel zu früh verstorbenen Autor Douglas Adams haben wir einige grundlegende Erkenntnisse zu verdanken, die bestenfalls noch mit Newtons Fallgesetzen oder Einsteins Relativitätstheorie zu vergleichen sind. Wir haben durch ihn gelernt, dass die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest 42 lautet oder dass es ganz einfach ist, zu fliegen: Man muss sich nur auf den Boden werfen und dann nicht treffen. Auch für chaotische Zustände auf Flughäfen hatte der Meister ein ehernes Gesetz parat. Fluggepäck, das verschwindet, landet immer in Murmansk, mit einer Ausnahme, wenn man nämlich nach Murmansk fliegt.

Nun leben wir gerade in Zeiten, in denen jeder Fluggast schon froh ist, wenn sein Gepäck überhaupt irgendwo ankommt, sei es in Murmansk oder in Ouagadougou (welches übrigens keine Erfindung von mir, sondern die Hauptstadt von Burkina Faso ist). Immer wieder finden sich erschütternde Berichte von Reisenden, die ratlos und verzweifelt in London-Heathrow oder Frankfurt vor riesigen Gepäckbergen stehen, zu Recht ahnend, dass der eigene Koffer oder die eigene Reisetasche dort irgendwo in dem Samsonite-Gebirge vergraben liegt.

Inzwischen längst ergraute Tauchveteranen können über die Reise-Larmoyanz, die da in den sozialen Netzwerken ausgebreitet wird, nur nachsichtig den Kopf schütteln. Ende der 80er, Anfang der 90er war es durchaus normal, dass man im damals noch nicht klimatisierten Flughafen von Hurghada vor eben solch einem Berg stand. Da half nichts anderes, als kräftig Hand anzulegen, um das Tauchgepäck zu befreien. Natürlich wäre damals niemand auf die Idee gekommen, das als Ungemach zu begreifen und sich später darüber in den sozialen Netzwerken zu beklagen. Zugegeben, das mag auch damit zu tun haben, dass es damals weder Facebook noch Twitter oder Instagram oder Ähnliches gab. Im Grunde genommen wurde solch eine Herausforderung eher als Bereicherung begriffen. Noch heute freue ich mich über die ungläubigen Gesichter, wenn ich von damals erzähle, als es in Hurghada weder Gepäckbänder noch Busse zum Flugzeug gab. Und beim Abflug wurde das Gepäck auf schnöden Personenwaagen abgewogen. Andere wussten von abenteuerlichen Reiserouten zu berichten. Wer nach 19 Stunden von Düsseldorf über Sofia und Bukarest endlich in Hurghada ankam, wurde nicht bedauert, sondern erreichte eine Art Heldenstatus. Schließlich hatte er große Strapazen auf sich genommen, nur um endlich am Riff seiner Träume ins Wasser steigen zu können. Wer ans Rote Meer reiste, wollte Abenteuer erleben und eine beschwerliche Anreise machte das Abenteuer nur größer.

Der Flughafen in Hurghada wuchs und wurde schließlich zu einem stattlichen Airport. Mit dem Bau des neuen Flughafens wurde etwa zu der Zeit begonnen, als südlich von Berlin der erste Spatenstich für den Flughafen BER gefeiert wurde. Überflüssig zu sagen, welcher der beiden Airports schneller fertig wurde. Mit der Zeit wurde das Reisen nach Ägypten so einfach wie U-Bahn fahren – und leider auch in etwa so bequem. Aus dem Abenteuer wurde langsam Routine. Wenn irgendetwas die Routine sprengte, dann wurde auch schnell gemeckert. Aber das liegt wohl im Wesen des Fortschritts begründet. Dafür war der Flug irgendwann sogar billiger als die Taxifahrt zum Flughafen. Mancher Fortschritt ist auch ein wenig fragwürdig. Reisen mit dem Flugzeug scheint heute wieder so eine Art Glücksspiel zu sein, niemand weiß, ob und wann er ankommt – und ob das Gepäck nicht vielleicht doch in Murmansk gelandet ist. Aber das ist kein Grund, zu heulen, und schon gar nicht, in aller Öffentlichkeit zu jammern. Es ändert ja nichts an der Tatsache. Das Einzige, was der Einzelne tatsächlich in so einer Situation in der eigenen Hand hat, ist die Einstellung zur Situation. Wer für sich selbst bestimmt, dass die Widrigkeiten einer Reise teil des Abenteuers sind, hat später viel zu erzählen und wenig zu jammern.

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