IXYPSILONZETT Das Magazin für Kinder- und Jugendtheater
01.2019
Zur Ausbildungssituation in den Darstellenden Künsten für junges Publikum Rocken das Junge D’haus: Marie Jensen und Selin Dörtkardeş | Muss sein: Junges Theater im künstlerischen Studium | Hinschauen und Bewegen: ASSITEJ-Vorsitzende Brigitte Dethier | Autor*in werden? Schreiben und Schreiben studieren | Should I Stay? Publikumsgespräche des PAP Berlin
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SCHWERPUNKT AUSBILDUNG 4
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„WIR ROCKEN DAS JETZT HIER ZUSAMMEN“ Marion Troja im Gespräch mit Marie Jensen und Selin Dörtkardeş
DARSTELLENDE KÜNSTE FÜR JUNGES PUBLIKUM MÜSSEN VORKOMMEN! Von Barbara Kantel
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GENAU HINSCHAUEN UND ETWAS BEWEGEN Brigitte Dethier im Gespräch mit Birte Werner
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THEATER ALS KÜNSTLERISCH-SOZIALE PRAXIS Von Christoph Scheurle
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SCHREIBEN LERNEN Von Ingeborg von Zadow
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BERÜHRUNGSÄNGSTE ÜBERWINDEN! Von Claudius Lünstedt
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THEATER FÜR ALLE! ALLTAG IN HESSEN? Ilona Sauer und Ruth Kockelmann im Gespräch
UND WIE SIEHT ES IN DER WISSENSCHAFT AUS? Von Nikola Schellmann
WER IST EIGENTLICH UNSER PUBLIKUM? Petra Jeroma, Larissa Probst und Julia Speckmann im Gespräch
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EDITORIAL Von Birte Werner,
Die Darstellenden Künste für junges Publikum sind ein
tionen sehen (noch?) viel zu selten die Potentiale dieser
Meike Fechner,
relevantes künstlerisches Arbeitsfeld, in dem schon jetzt
Brückenschläge, verankern sie zu selten institutionell
Nikola Schellmann
alles möglich und noch mehr denkbar ist. Und doch
und dauerhaft.
hören und erleben wir, dass sie in der Ausbildung von
Der Arbeitstitel, den dieses Heft in der Vorbe-
Nachwuchskünstler*innen in den Theaterberufen keine
reitung hatte, „Ausbildung – Fortbildung – Einbildung?
oder eine randständige Rolle spielen. Viele Kolleg*innen,
Darstellende Künste für junges Publikum lernen und
die dies ändern möchten, pflegen und verstärken aktiv
lehren“, wird als Fragestellung nicht nur für IXYPSILON-
Kontakte zu Hochschulen und Studierenden. „Next Ge-
ZETT Bestand haben. Die hier versammelten Beiträge
neration“ ist ein Label für Nachwuchsprogramme bei
bieten erste Anregungen zur Auseinandersetzung mit
nationalen und internationalen Festivals, die längst
dem Thema.
mehr sind als Freikarten für Studierende und ein paar
Mit dieser Ausgabe haben wir – ein neues Team
Nachgespräche mit erfahrenen Künstler*innen. Szeni-
aus Herausgeberinnen und Redakteurin – die Verant-
sches Schreiben, Schauspiel, Theatermanagement,
wortung für IXYPSILONZETT übernommen. Wir wer-
Komposition, Dramaturgie, Regie, Choreographie – die
den weiter daran arbeiten, die Darstellenden Künste für
Macher*innen des Kinder- und Jugendtheaters schlagen
junges Publikum als zentralen Teil der Theaterland-
Brücken zwischen Theorie und Praxis, Ausbildung und
schaft sichtbar zu machen, ihr besonderes Potential vor
Beruf. Die Entscheider*innen an Ausbildungsinstitu-
Augen zu führen. Theaterarbeit an der Schnittstelle zwi-
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SHOULD I STAY OR SHOULD I GO? Von Swetlana Gorich und Nikola Schellmann
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NACHRUF 32
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EINE EVALUATION UND VIELE OFFENE FRAGEN Von Anne Schneider
ASSITEJ
SACHVERSTAND UND PASSION Ein Nachruf auf Prof. Dr. Geesche Wartemann Von Caroline Heinemann
REZENSION 33
EINFÜHLUNG UND DISTANZ – IDENTIFIKATION UND RECHERCHE Von Winfried Tobias
WEGE INS THEATER
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WISSENSWERT
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TERMINE | IMPRESSUM
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„DA STECKT VIEL HERZBLUT DRIN“ Volker D. Laturell im Gespräch mit Wolfgang Schneider
„NATÜRLICH SIND WIR GUT, DENN WIR SIND EIN TEAM Von Anne Tysiak
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schen Kultur-, Bildungs- und Jugendpolitik kann weg-
Verlag wollen wir von Ausgabe zu Ausgabe Gestaltung
Selin Dörtkardeş,
weisend für eine Gesellschaft sein, in der offene Orte
und Inhalt mit den Fragen und Wünschen der
Jonathan Gyles,
für Diskurs, Streit, Utopie und Aushandlungsprozesse
Leser*innen abgleichen. Und reagieren auf virulente
Marie Jensen,
fehlen.
Themen der Zeit, Vorschläge von Autor*innen, von Ma-
Paul Jumin Hoffmann
Mit einem „Weiter so! Und ändert Euch!“ hat
cher*innen und Ideen für eine Zukunft des – gedruck-
in Jugend ohne Gott
Wolfgang Schneider den Staffelstab Ende 2018 an uns
ten, digitalen, dialogischen – Fachdiskurses. Ändert
am Düsseldorfer
weitergeben. Diesen Wunsch hat er auch der Mitglie-
Euch! – kein Paukenschlag, sondern für uns ein Auftrag
Schauspielhaus
derversammlung und dem Vorstand der ASSITEJ – des
zur Kontinuität: immer wieder innehalten, genau hin-
(Vorabfoto). Foto:
Verbandes der Kinder- und Jugendtheater in Deutsch-
sehen, nachfragen, nachdenken.
Thomas Rabsch
land – im Dezember mit auf den Weg gegeben. Nach
Ändert Euch! ist eine Aufforderung, die unser
21 Jahren als Vorsitzender und nach 13 Jahren als He-
junges Publikum nicht braucht. Doch in unseren Insti-
rausgeber von IXYPSILONZETT. Das Magazin für Kin-
tutionen, Teams und Inszenierungen sollten wir sie
der- und Jugendtheater wurde er verabschiedet. Und auch
immer wieder laut aussprechen. Und den Ausbildungs-
Eckhard Mittelstädt, seit 2005 Redakteur des Magazins,
institutionen für Theaterberufe sei sie ebenso laut zu-
hat an eine neue Kollegin übergeben. Wir – das neue
gerufen.
Team – haben uns das „Ändert Euch!“ für die kommenden Ausgaben vorgenommen: Gemeinsam mit dem
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„WIR ROCKEN DAS JETZT HIER ZUSAMMEN“ Von Marion Troja
Marie Jensen und Selin Dörtkardeş gehören seit dieser Spielzeit zum Ensemble des Jungen Schauspiels Düsseldorf. Für beide ist es das erste feste Engagement. Im Interview berichten sie über ihre Erfahrungen an Schauspielschulen und darüber, wie die Ausbildung sie auf das Spielen vor jungem Publikum vorbereitet hat.
Fehlt euch das beim ersten festen Engagement nach dem Studium? Selin: Ich finde die Frage ganz falsch. Wir haben an der Schauspielschule das Handwerk gelernt und dabei ist es nicht wichtig, ob wir jetzt vor jungen oder erwachsenen Menschen spielen. Wird Kinder- und Jugendtheater an den Schulen berücksichtigt? Marie: Also es ist schon so, dass die an den Schauspielschulen erstmal sagen: „Kinder- und Jugendtheater. Was willst du denn da?“ Am Mozarteum habe ich das zwar nicht direkt gehört, aber trotzdem kennt jeder diese Geschichten. Wie war es denn bei dir? Marie: Der Jahrgang unter mir hatte ein Modul im Semester, in dem sie Das besondere Leben der Hilletje Jans vom niederländischen Autor
Die Frauen lümmeln sich auf dem Sofa in der Maske und liefern
Ad de Bont für junges Publikum gemacht haben. Inzwischen gehört
sich einen Schlagabtausch. Mit viel Schmäh in der Stimme grantelt
das zur Ausbildung. Es ist ja ein Unterschied zu sehen, wie es ist,
sich Marie Jensen in Stimmung, seziert morgendliche Routinen.
wenn Kinder ihren Impulsen folgen und sie die Schauspieler*innen
Selin Dörtkardeş schnauzt zurück, ihr Slang stammt aus Berlin-
entweder feiern oder sie hassen.
Neukölln. Während die beiden um 10 Uhr darauf warten, sich vor
Selin: Wenn ich mir meine Klasse an der UdK vorstelle, dann wäre das
dem Spiegel in rechtsgesinnte Schülerinnen für Kristo Šagors In-
für sie hier schwierig. Du musst damit klarkommen, dass der Applaus
szenierung Jugend ohne Gott zu verwandeln, steigern sie miteinan-
(von Kindern oder Jugendlichen) kurz ist und du oft nicht das Gefühl
der ihr Energieniveau. Wenige Minuten später balancieren sie auf
vom Publikum bekommst: Ich bin auf einer großen Bühne, ich bin eine
einer kippeligen Bühne und spielen für 300 Jugendliche ab 13 Jahren
ernstzunehmende Schauspielerin und ich werde von allen gefeiert.
diese Geschichte aus dem Jahr 1936.
Ist die Schule eine Blase, in der man sich mehr als vier Jahre bewegt?
Mal gelingt das glänzend, mal ist es harte Arbeit. Die 1991 im
Marie: Bei zehn Menschen im Jahrgang übernimmt jede*r eine
Rheinland geborene Marie Jensen hat erlebt, wie sie ein Schüler im
Rolle und kommt da nicht so einfach raus. Alles wird so familiär.
Publikum während der Vorstellung übel beschimpft hat. Cool kam
Aber: Bei uns wurde schon auch jahrgangsübergreifend gearbeitet.
er sich vor. Die Schauspielerin war entsetzt. „Das ist ganz schön hef-
Die in den älteren Jahrgängen sitzen häufig auf dem hohen Ross ge-
tig, wenn verschwimmt, ob sich die Kritik gegen das richtet, was du
genüber den Anfänger*innen. Und das versuchen sie am Mozarte-
machst, oder gegen dich persönlich.“ Im Nachgespräch habe sie Klar-
um zu durchbrechen. Ich finde, die machen das ganz gut.
text mit ihm geredet und gesagt, dass er sie verletzt habe, dass er da-
Selin: Das entwickelt sich an der UdK auch langsam.
rauf achten solle, welche Kraft seine Worte haben. „Ich bin sicher, die
Wie empfindet ihr das Studium im Rückblick?
direkte Begegnung mit mir bleibt diesem Jungen in Erinnerung.“
Marie: Das war ein sehr individueller Prozess und ich bin da ganz
Im Kinder- und Jugendtheater reagieren Zuschauer*innen
schön durchgeschleudert worden. Jetzt mit ein bisschen Abstand
spontan und emotional. Sie bringen einen manchmal raus, rauben
bin ich ganz zufrieden mit der Ausbildung.
die Konzentration. Manchmal beflügelt die deutlich spürbare Reso-
Wie war dein Weg bis zur Aufnahme an der Schauspielschule?
nanz im Raum das eigene Spiel. Das sind praktische Erfahrungen,
Marie: Der war nicht so leicht, aber im Nachhinein perfekt. Das
auf die weder Marie Jensen bei ihrer Ausbildung am Mozarteum in
wusste ich währenddessen nur nicht. Nach dem Abitur habe ich
Salzburg noch die 1992 geborene Selin Dörtkardeş an der Univer-
zwei Jahre versucht, an einer Schule angenommen zu werden. Aber
sität der Künste in Berlin vorbereitet wurden.
eigentlich war ich da noch gar nicht ready.
links: Marie Jensen, geboren 1991, studierte Schauspiel am Thomas Bernhard Institut des Mozarteum Salzburg.
rechts: Selin Dörtkardeş, geboren 1992, studierte Schauspiel an der Universität der Künste Berlin.
Beide sind seit der Spielzeit 2018/19 Ensemblemitglieder des Jungen Schauspiels am Düsseldorfer Schauspielhaus. Fotos: Thomas Rabsch
Mit welchen Erwartungen bist du gestartet?
Und im Nachhinein, hat dir das für deine Ausbildung an der Schauspiel-
Marie: Ich dachte, das ist jetzt der ganz heiße Scheiß. War es natür-
schule genützt?
lich nicht. Es ist eine Schule, also eine Institution. Für mich war es
Selin: Weiß nicht. Ich bin auf jeden Fall sehr dankbar, dass ich so
existenziell, und für die Dozent*innen ist es eben ein Beruf. Das hat
viel Unterricht haben konnte. Allein der ganze Bewegungsunter-
mir teilweise Angst gemacht.
richt, den man für wenig Geld oder sogar ganz ohne Kosten be-
Selin, du bist ja eher ein bisschen reingeschlittert in die Schauspielschule.
kommt. Das ist schon Wow. Mich hat am meisten gestört, wie die
Selin: Ja, ich habe zuerst Architektur studiert und mich dann, um es mal
Lehrer*innen mit einem umgegangen sind. Es ist irgendwie freund-
auszuprobieren, an den Berliner Schauspielschulen beworben. Es gab
lich und familiär, alle duzen sich und dann hat man in den Vermitt-
von beiden eine Zusage und ich habe mich für die UdK entschieden.
lungen voll einen reingewürgt bekommen.
Im Ernst? Warum das?
Was ist für euch eine wichtige Erfahrung aus der Zeit?
Selin: An der Busch hat man mich beim Vorsprechen zuerst abgelehnt.
Marie: Ich bin in eine Stadt gezogen, die wirklich crazy ist. Salzburg
Dann meinten sie, ich solle noch was singen. Daraufhin habe ich ein
eben. Klein, wunderschön und ziemlich psycho: so wie Thomas
türkisches Lied gesungen. Sie haben gesagt: „Wir würden es gerne mit
Bernhard es schreibt. Ich habe mir viel angezogen anfangs und habe
Ihnen probieren.“ Dafür sollte ich die Lena aus Leonce und Lena vorbe-
dann erst gelernt, zu entscheiden, was ich annehme und was nicht.
reiten. „Mit dem Thema Zwangsehe müssten sie sich ja auskennen“,
Selin: Das habe ich sicher auch gelernt: Man muss sich selbst treu
hieß es. Ich war in dem Moment so perplex und habe erst später rea-
bleiben. So lange ich hinter dem stehe, was ich auf der Bühne
lisiert, dass die das wirklich gesagt haben. Dann habe ich Lena in der
mache, ist es okay. Das schätze ich auch am Jungen Schauspiel in
zweiten Runde ein bisschen tougher gespielt. Die will ja lieber sterben
Düsseldorf: Wir arbeiten zusammen, meistens mit Spaß, können
als den Typen heiraten. Darauf die an der Busch: „Das ist ein liebes
aber auch Konflikte thematisieren.
Mädchen, wie können Sie die nur so spielen?“ In der letzten Runde
Jetzt habt ihr mit neuen Herausforderungen zu tun. Wie fühlt sich das an?
habe ich die Rolle so gezeigt, wie sie es wollten, und ich wurde genom-
Marie: Ich hätte nicht gedacht, dass es mir eine Kraft gibt, mit Ju-
men. An der UdK hatte ich von Anfang an das Gefühl, die nehmen
gendlichen im Theater zum Beispiel in Publikumsgesprächen zu
mich so, wie ich bin. Und das ist eben auch der Grund, warum ich mich
reden. Das ist anstrengend, aber ich freue mich, in eine Diskussion
für das Junge Schauspiel Düsseldorf entschieden habe.
einzusteigen, die Feuer ist.
Welche Erfahrungen hast du dann gemacht?
Selin: Ganz ehrlich, es ist egal, von welcher Uni du kommst. Wir
Selin: Ich komme vom Improtheater, was ja für viele erstmal bäh
sind ein Ensemble, wir spielen, fertig. Du bist hier, du bist fest und
ist. Überhaupt war ich vor dem Studium vielleicht zweimal im Thea-
sicher und es geht darum, dass man das hier zusammen rockt.
ter mit der Schulklasse. Mein Improlehrer hat immer gesagt: „Es
Marie: Es ist ja auch so, dass man erstmals richtig ins Berufsleben
gibt zwei Regeln, wenn du ein Angebot von jemandem bekommst.
einsteigt und Geld verdient. Das lässt einen wachsen. Im Vergleich
Erstens feierst du es und sagst ja. Und zweitens: Ich habe keine Ah-
zur Schauspielschule ging es noch nie so wenig um mich. Das ist
nung, was ich hier gerade mache, aber es ist vollkommen okay.“ In
auch mal schön.
der Schauspielschule wurden diese Regeln mehr als zerstört. Du machst eine Impro im Grundlagenunterricht und wirst ständig un-
Marion Troja ist Journalistin und arbeitet in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Düsseldorfer
terbrochen: nein, nein, falsch, falsch.
Schauspielhaus.
6 | IXYPSILONZETT | 01.2019 | SCHWERPUNKT
DARSTELLENDE KÜNSTE FÜR JUNGES PUBLIKUM MÜSSEN VORKOMMEN! Eine Bestandsaufnahme der ausbildenden Institutionen Von Barbara Kantel Bezüge denken und herstellen, mit dem Theater Gesellschaft beschreiben: Studiengänge ‚mit Theater‘
Eine Forderung, die bereits 1993 erhoben wurde: Die Autor*innen der damaligen Untersuchung2 zum Stellenwert des Kinder- und Jugendtheaters im Rahmen der Ausbildung von Schau-
scheinen sich hier einig. Permanent Wege aushandeln,
spieler*innen konstatierten damals, dass die Sparte, trotz ihrer enor-
wie Theater auf seine Zuschauer*innen trifft: Wo
tiken, gefährdet sei, weil die Theaterschulen nicht recht für den
geschieht das, wenn nicht mit und für junge Men-
men Weiterentwicklung und Vielfältigkeit von Formen und Ästhekünstlerischen Nachwuchs sorgten. 2016, als Florian Fiedler als Intendant in Oberhausen vorge-
schen? Warum also nicht Darstellende Künste für
stellt wurde, war das Kinder- und Jugendtheater durchaus selbstbe-
junges Publikum in Ausbildungsgängen verankern?
und generationsübergreifende Theaterformen hatten sich etabliert.
wusster und noch vielfältiger geworden. Partizipatorische, genreDie Digital Natives sind als Macher*innen und erst recht als Zuschauer*innen in den Darstellenden Künsten für junges Publikum angekommen. Was aber war im selben Zeitraum seit 1993 in den Ausbildungsinstituten geschehen? Als Vorrecherche zu einem Arbeitstreffen von Kinder- und
„Florian Fiedler? Den gibt’s noch? Da war die Bewerberlage ja dünn,
Jugendtheatermacher*innen beim Norddeutschen Kinder- und Ju-
wenn man einen Kindertheaterleiter auswählt, der 2001 (!!!) in Basel
gendtheater-Festival Hart am Wind befragte ich erneut die Leitungen
inszenierte.“
der Ausbildungsinstitute3 und ergänzte deren Einschätzungen um
Dieser nachtkritik-Kommentar vom 07. Mai 2016 auf die No-
Einstellungen von Studierenden, die mir in meiner Tätigkeit als Do-
minierung des Regisseurs Florian Fiedler, der erfolgreich das Junge
zentin an der Theaterakademie Hamburg begegnen. Die Ergebnisse
Schauspiel Hannover von 2011 bis 2016 künstlerisch leitete, zum In-
der Umfrage sind ernüchternd und ermutigend zugleich. Die Angst
tendanten des Theater Oberhausen zeigt wie unter einer Lupe die
von 1993 um den künstlerischen Nachwuchs hat leider weiterhin
Haltung professioneller Theatermacher*innen gegenüber den Dar-
ihre Berechtigung, die Ausbildung läuft der Theaterpraxis hinterher,
stellenden Künsten für junges Publikum.
aber es gibt Anzeichen von Veränderung – hier und da.
In einer Stellungnahme des Deutschen Kulturrats zum
Nahezu in allen Antworten der Institutionsleitungen wird zu-
Stand der Darstellenden Künste für Junges Publikum vom 13. Feb-
nächst die Wichtigkeit, die den Darstellenden Künsten für junge Men-
ruar 20191 wird auf das Missverhältnis zwischen dem besonderen
schen zugemessen werden sollte, beschrieben. Das Eingeständnis,
Stellenwert der Künste für junges Publikums und der Professiona-
dass es an der eigenen Ausbildungsstätte an der Umsetzung mangelt,
lität der dort tätigen Künstler*innen einerseits und den vorhande-
folgt oft auf dem Fuße. Die Implementierung weiterer Inhalte in die
nen Infrastrukturen, den Förderinstrumenten und den finanziellen
Curricula sei aus Zeitgründen unmöglich, auch wären die Anforde-
Ressourcen andererseits hingewiesen. Es sei notwendig, endlich die
rungen der Prüfungsordnung, der ZAV und anderer Vermittlungs-
Darstellenden Künste für junges Publikum „in der Aus- und Wei-
agenturen zu berücksichtigen, die bestimmte Vorsprechrollen
terbildung der diversen Berufsfelder wie bspw. Choreographie, Dra-
erwarten und von solchen aus dem Repertoire des Kinder- und Ju-
maturgie, Figurenspiel, Regie, Schauspiel, Tanz, Theaterpädagogik“
gendtheaters als Karrierechancen mindernd abraten. Als wichtigstes
curricular zu verankern.
Argument gegen eine notwendige Berücksichtigung der Darstellen-
Barbara Kantel. Foto: Schauspiel Hannover
den Künste für junges Publikum wird die „umfassende Ausbildung“
Der unglückselige argumentative Kreislauf kann durchbro-
der Studierenden ins Feld geführt, die sie befähige, sich selbstständig
chen werden, indem das Arbeitsfeld in die Curricula integriert und von
künstlerisch auszurichten und sie in die Lage versetze, jede Art von
Fachleuten unterrichtet wird – wenn also Studierende bereits in Rol-
Theater zu spielen. Und nicht zu Unrecht wird in diesem Zusammen-
len- und Szenenstudium, Dramaturgie und Theatergeschichte Stoffe,
hang die Frage gestellt, was denn eigentlich das Spezifische wäre, das
Spielweisen und Ästhetiken der Darstellenden Künste für junges
für das Kinder- und Jugendtheater unterrichtet werden sollte?
Publikum kennenlernen können und nicht durch Prüfungsrichtlinien
Es gibt auch Gegenstimmen, die jedoch zum allergrößten
der Ausbildungsinstitutionen und Anforderungen und Empfehlungen
Teil noch in der Möglichkeitsform sprechen: Sollen wichtig sein!
von Vermittlungsagenturen abgeschreckt werden. Mehr Praxis in der
Müssten unbedingt integriert werden! Im Kollegium müssen noch
Begegnung mit Publikum (gilt generell für jedes Publikum), Austausch
heftige Debatten geführt werden! Es darf nicht unerwähnt bleiben,
und Kollaborationen – auch in den Studienprojekten. Die Anregung
dass es Schulen gibt, in denen das Thema – curricular oder extra-
einer Ausbilderin, Darstellende Künste für junges Publikum zum
curricular – durch ein regelmäßiges Seminarangebot oder Blockse-
Thema eines der bundesweiten Schauspielschul- und Theaterakade-
minare insbesondere in die Regie- und Dramaturgie-Ausbildung be-
mietreffens zu machen, gilt es aufzugreifen und zu realisieren.
reits implementiert ist. Auch kooperieren einige Schulen seit
Insbesondere in den Dramaturgie-Studiengängen, in denen es
längerem mit Häusern mit Kinder- und Jugendtheatersparten; Fach-
darum geht, ein Geflecht von Bezügen zu denken und herzustellen –
Dozent*innen für Darstellende Künste für junges Publikum sind
zwischen verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen, zwischen
jedoch eher die Ausnahme an den Instituten.
verschiedenen Wegen, wie Theater auf seine Zuschauer*innen tref-
Die Studierenden interessieren sich nicht a priori für die
fen kann – und um den aktiven Versuch, mit dem Theater Gesell-
Darstellenden Künste für junges Publikum – weil sie sie nicht ken-
schaft zu beschreiben und als Theatermacher*in eine Haltung zur
nen. Insbesondere für Schauspielstudierende ist es zunächst wich-
Gesellschaft zu beziehen, sollten die Darstellenden Künste für jun-
tig, sogenannte maßgebliche Rollen mit sogenannten maßgeblichen
ges Publikum mit ihrem Repertoire und ihren Ausdrucksformen
Regisseur*innen an entsprechend maßgeblichen Theatern zu spie-
verankert werden. Das hätte auch zur Folge, dass der Mär von ‚zu
len. Die Studierenden haben Angst, festgelegt zu werden und nicht
einfachen Stoffen und Rollen‘ etwas entgegengesetzt würde: Wissen.
mehr herauszukommen aus der Falle Darstellende Künste für
Ein systemimmanenter Präferenzblick, der ‚ernsthaftes Thea-
junges Publikum (und werden durch ZAV-Reglementierungen und
ter‘ nach wie vor mit der Vorliebe für die Sprache verbindet, ist in die-
Dozent*innen darin bestärkt). Sie haben Bedenken gegenüber dem
sem Zusammenhang besonders zu hinterfragen. Ein Blick über den
angeblich überschaubaren, anspruchslosen und eher wirkungs-
deutschen Tellerrand z.B. auf das britische Theater könnte an dieser
ästhetisch ausgerichteten Repertoire, den kleinen Ensembles, die
Stelle hilfreich sein. Auch dies im Grunde ein sprachorientiertes
wenig künstlerischen Austausch bieten, und den damit einher-
Theater, gibt es dort doch eine andere Tradition durch die Education
gehenden geringen künstlerischen Entwicklungsmöglichkeiten.
Programme, wodurch auch mehr an der Physis ausgerichtete spie-
Und formulieren gleichzeitig Offenheit: Wenn die Darstellenden
lerische und ästhetische Qualitäten in der Lehre bedacht werden.
Künste für junges Publikum nur genügend herausfordernde Texte,
Wenn wir wollen, dass die Darstellenden Künste für junges
Formen und Ästhetiken vorhielten und die Möglichkeit böten,
Publikum in der Ausbildung eine Rolle spielen, müssen wir zunächst
für möglichst viele unterschiedliche Publika zu spielen, oder wenn
bestimmen, was zusätzlich zu einer umfassenden tänzerischen, sän-
eine angemessene Bezahlung zu erwarten sei, dann könne dieser
gerischen, schauspielerischen, dramaturgischen und Regie-Aus-
Bereich in jedem Fall auch für sie als Künstler*innen spannend und
bildung notwendig ist. Was also ist z.B. das Spezifische am Kinder-
attraktiv sein.
und Jugendtheater? Welches sind die Kompetenzen, die vermittelt
Da beißt sich die Katze also in den Schwanz. Was tun?
werden müssten? Ist es das Privileg der ersten Erfahrung
8 | IXYPSILONZETT | 01.2019 | SCHWERPUNKT
UND WIE SIEHT ES IN DER WISSENSCHAFT AUS? Von Nikola Schellmann
(W. Benjamin)? Ist es die grundsätzliche Differenz zwischen den erwachsenen Theatermacher*innen und ihrem jungen Publikum? Sind es die damit verbundenen Unterschiede in den Kindheitsbildern? Ist es die Frage: „Wie spiele ich ein Kind?“ und der darin zum Ausdruck kommende Grad oder Wunsch nach Identifikation und/oder Verschmelzung mit der Figur, die man spielen will/soll? Und ginge es dann vor allem um die Erweiterung des Figuren- und Rollenbegriffs? Was ist das Spezifische an den Darstellenden Künsten für junges Publikum? Gibt es das überhaupt? Spricht die heutige Entwicklung größerer Durchlässigkeit zwischen Sparten und Disziplin nicht dagegen? Was bedeutet die Entwicklung eines intergenerationalen Theaters für alle, das „All in-Theater“, wie es beispielsweise am Künstlerhaus Mousonturm probiert wird, für unsere Frage? Haben sich in den letzten Jahren nicht Themen, Stoffe, Spielweisen und Ästhetiken angeglichen und ist das nicht auch richtig in Hinblick auf einen Dialog zwischen den Generationen? Interessanterweise scheint die Diversitätsdebatte im Theater auch der Diskussion um die Bedeutung der Darstellenden Künste für junges Publikum einen größeren Raum zu öffnen und weisen sie als Best-Practice-Beispiele aus. Ihre Programme, Ästhetiken, Strategien erweisen sich als erfolgsversprechende Tools für ein Theater mit allen und für alle. Es wäre schade, wenn die Darstellenden Künste und die Ausbildungsinstitute diese Öffnung nicht nutzten.
Barbara Kantel ist Theaterpädagogin und Dramaturgin und leitet seit der Spielzeit 2017/18 das Junge Schauspiel Hannover. Darüber hinaus arbeitet sie als freie Regisseurin und als Dozentin an der Theaterakademie Hamburg.
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Darstellende Künste für Junges Publikum: Zugänge schaffen, Ensembles stärken und Strukturen implementieren. Eine Stellungnahme des Deutschen Kulturrates. Berlin, 13.02.2019. Klaus Doderer, Margit Klauer und Andrea Windrich: Berufsperspektive: Theaterspielen für junge Zuschauer. Schriftenreihe des Deutschen Bühnenvereins. Köln, 1993. Von den 13 staatlichen Schauspielschulen, in denen sowohl die Gesamtleitungen als auch die Fachabteilungsleitungen (Schauspiel, Regie, Dramaturgie, Theaterpädagogik) angeschrieben wurden – insgesamt 25 Personen –, bekam ich 11 Rückmeldungen; von 131 angefragten Kinder- und Jugendtheatern haben sich 12 mit einer Stellungnahme zurückgemeldet. Zusätzlich hatte ich einige mir aus der eigenen Arbeit vertraute Regisseur*innen (die sowohl im Kinder- und Jugendtheater inszenieren, als auch als Dozent*innen an künstlerischen Ausbildungsinstituten arbeiten) um ihre Stellungnahme gebeten.
Als Ergänzung zur Situation in den theaterpraktischen Studiengängen haben wir uns in der Theaterwissenschaft1 umgehört: In Bachelor- und Master-Studiengängen wie Theaterwissenschaft, Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis, Szenische Künste, Inszenierung der Künste und Medien, Kulturvermittlung, Szenische Forschung oder Medienkulturwissenschaft haben die Darstellenden Künste für junges Publikum überwiegend einen randständigen Stellenwert und werden nachgeordnet in höchstens vereinzelten Veranstaltungen thematisiert. Eigens konzipierte Veranstaltungen zu diesem Bereich sind noch seltener („alle vier Semester“) und finden vor allem in Form von Exkursionen zu Festivals oder praxisgebundenen Kursen statt. Eine Ausnahme bildet das Hildesheimer Institut für Medien, Theater und Populäre Kultur mit der deutschlandweit einzigen Professur für Ästhetik des Kinder- und Jugendtheaters: Das Kinder- und Jugendtheater wird hier als eigenständige, innovative und experimentelle künstlerische Disziplin verstanden und erforscht. Die Institute benennen das Fehlen dieses Arbeits- und Forschungsbereichs als „Manko“ und verweisen auf anstehende Evaluation und Überarbeitung ihrer Studiengänge. Ähnlich den Beobachtungen von Barbara Kantel besteht offenbar durchaus Interesse daran, diesen Bereich im Lehrplan weiter oder überhaupt auszubauen, allerdings wird zugleich erwähnt, dass die „Lehrkapazität dies momentan nicht hergebe“ oder dass es an „sichtbaren Fachleuten in der Theaterwissenschaft – mit Ausnahme von Einzelpersonen – fehlt“. Als ein möglicher Grund hierfür wird die Einordnung der „Dramaturgie, Produktion und Rezeption von Kinder- und Jugendtheater als (hinsichtlich des Klientels) eine Art konstitutives Außen für die stark theoretisierte und historisierte Auffassung von Theaterwissenschaft“ genannt. Interesse von Seiten der Studierenden sei aber an allen befragten Instituten sehr wohl vorhanden: gerade in Bezug auf theaterpädagogisches Arbeiten oder generelle Berufsorientierung im Arbeitsbereich der Darstellenden Künste für junges Publikum ist trotz fehlender Studieninhalte ein Zustrom festzustellen. Es gibt also aus allen Studiengängen immer wieder einzelne Absolvent*innen, die im „Bereich Kinder- und Jugendtheater arbeiten, sich dieses Tätigkeitsfeld aber selbst erschlossen haben“. Sehr wichtig sei dabei, das große Interesse an Theater mit Kindern und Jugendlichen zu betonen – nicht zuletzt, weil eben viele Studierende bereits mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Eine Berufspraxis im Bereich der Darstellenden Künste für junges Publikum findet sich also nach theater- und kulturwissenschaftlichem Studium offenbar durchaus wieder. Doch wäre eine zunehmende Berücksichtigung im Curriculum nicht zuletzt dahingehend wünschenswert, dass dieser Bereich stärker Einzug in die (eben nicht nur erziehungs-)wissenschaftliche Forschung erhält. Dessen Impulse für alle Darstellenden Künste müssen aufgegriffen und methodisch berücksichtigt werden – nicht nur in der praktischen Arbeit. 1
Institut für Theaterwissenschaft an der Universität Bern, Institut für Theaterwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, Institut für Angewandte Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Medien, Theater und Populäre Kultur der Universität Hildesheim, Institut für Medienkultur und Theater an der Universität zu Köln, Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft an der Johannes GutenbergUniversität Mainz.
SCHWERPUNKT | IXYPSILONZETT | 01.2019 | 9
WER IST EIGENTLICH UNSER PUBLIKUM? Forschende Theaterpraxis für junges Publikum an der Universität Hildesheim
Petra Jeroma und Larissa Probst studieren in den Masterstudiengängen „Inszenierung der Künste und der Medien“ und „Kulturvermittlung“ an der Stiftung Universität Hildesheim, Julia Speckmann ist dort als Wissenschaftliche Mitarbeiterin zuständig für den Studienbereich Praktikum und das Arbeitsfeld Kultur. Ein Gespräch über Hildesheim als Ausbildungsort im Bereich Theater für junges Publikum sowie die über Suche nach neuen Formaten, Arbeitsweisen und Vermittlungsansätzen
passenden Theatersprache. Generell sehen wir uns nicht als Ausbildungsstätte, die direkt für einen Markt ausbildet. Die Gründer*innen unserer Studiengänge haben sich in den Anfängen sogar bewusst abgewandt vom regulären Theaterbetrieb und wollten die Lehre entsprechend anders gestalten. PJ: Das Besondere und Wichtige in Hildesheim ist, dass man nicht ausschließlich ‚Theater‘ oder ‚Theater für junges Publikum‘ studiert, sondern den Schwerpunkt mit verschiedenen Nebenfächern wie Medien, Musik und Kulturpolitik kombiniert. Alles zusammen ermöglicht unterschiedliche Perspektiven, Reflexionen und Inputs, sodass man im besten Fall nicht nur in der eigenen Suppe schwimmt, sondern möglichst diverse Impulse erhält. Diese wiederum kann ich auf Theater für junges Publikum beziehen und anwenden. In der Theorie genauso wie in der Praxis, als forschende Theaterpraxis. Muss man überhaupt speziell ausbilden für das Kinder- und Jugendtheater?
Inwiefern versteht sich die Universität Hildesheim als Ausbildungsstätte für Theater für junges Publikum?
JS: Die Ursprünge unserer Studiengänge liegen in der sogenannten
Petra Jeroma: Keineswegs derart explizit. Vielmehr ist dies ein Be-
ralistisches Ausbildungsprofil vermuten. Ich würde daher sagen: im
reich unter vielen in dem sehr breit und interdisziplinär angelegten
engeren Sinne nicht. Wenn man Theater als Ganzheit in den Blick
Studium. Durchaus kann man hier auch Kulturwissenschaften oder
nimmt und bewusst keine Aufsplittung in Dramaturgie, Regie etc.
Szenische Künste studieren, ohne überhaupt mit Theater für junges
vornimmt, warum sollte man dann innerhalb der Publikumsgrup-
Publikum in Berührung zu kommen. Dass es hier eine Professur
pen differenzieren? In Hildesheim ist übrigens die alte 68er-Idee,
dafür gibt, ist natürlich toll! Dennoch ist es eher ein verhältnismäßig
Theater mit Laien – heute sogenannte Expert*innen des Alltags –
polyästhetischen Erziehung – der Name allein lässt schon ein gene-
kleiner Teil der Studierenden, der sich tatsächlich dafür interessiert –
zu machen, schon seit Mitte der 90er Jahre Gang und Gäbe: die
mit steigender Tendenz.
Heersumer Sommerspiele, Vorläufer der Bürgerbühnen, mischten
Larissa Probst: Primär steht die Suche nach neuen Theaterformaten,
Alte und Junge, andere Projekte Alteingesessene und Neuzugezo-
Arbeitsweisen und Vermittlungsansätzen im Zentrum – erst einmal
gene, wieder andere richteten sich an Menschen mit Beeinträchti-
unabhängig vom Zielpublikum. Es geht darum, Theater als Experi-
gungen. Vielleicht hat dieses Interesse an den Voraussetzungen der
mentierfeld zu begreifen. Deshalb liegt der Fokus auch weniger auf
Beteiligten in der Tat zu einer soziale(re)n Ästhetik geführt – war
der handwerklichen Vermittlung von Theater oder Theaterpädago-
vielleicht Wegbereiter dafür, sich selbstverständlich gleichberechtigt
gik. Es geht darum, das Bekannte zu überprüfen, zu befragen, Neues
oder sogar verstärkt für Kinder und Jugendliche zu interessieren.
auszutesten.
LP: Ich würde antworten: ja und nein. Zum einen ist es sinnvoll zu
Julia Speckmann: Für uns ist es essentiell, die Studierenden insge-
betonen, dass es das Theater für junges Publikum als ‚besonderes‘
samt zu befähigen, kritisch über die Künste nachzudenken, sich zu
Feld des Theaters überhaupt gibt und dass dort eine andere Grund-
konfrontieren mit verschiedenen Theaterformen und grundsätzli-
situation herrscht als im ‚Erwachsenentheater‘ – allein auch im Hin-
che Fragen zu stellen nach den eigenen Mitteln, nach der zu ihnen
blick auf den Kampf, den viele Theatermacher*innen für junges Pu-
BwieZack: zwei oder mehr, Hildesheim 2017. Fotos links und rechts: Edi Haberl; Foto mittig: Philipp Müller
blikum geführt haben, um diese spezielle Sparte zu etablieren. Die
sich zurücknehmen können, nicht dominant ins Geschehen ein-
Konsequenz besteht für mich aber weniger darin zu lernen, Theater
greifen müssen, Raum lassen können, emphatisch wahrnehmen
für junges Publikum auf eine fest definierte, schlimmstenfalls an-
und spiegeln.
biedernde Art zu machen. Es geht darum, Theater zu machen. Thea-
PJ: Es braucht die Wahrnehmung und Bewusstmachung meines
ter, das sein Publikum ernst nimmt. Ich unterscheide nicht: das und
Publikums, und zwar immer wieder aufs Neue: Für wen mache ich
das ist spezifisch für Kinder. Und das empfinde ich als absolute Qua-
das eigentlich? Ich sage nicht einfach, ich bin die Erwachsene, ich
lität des zeitgenössischen Theaters für junges Publikum. Das ist
weiß, was für Kinder und Jugendliche richtig ist. Hier wird beson-
auch eine Haltung, die mir die Lehre in Hildesheim vermittelt.
ders kritisches Denken und eine Auseinandersetzung mit dem Ziel-
JS: In der Publikation Theatermachen als Beruf betont Geesche
publikum gefördert, was ja ganz spezifisch im Kinder- und Jugend-
Wartemann, Professorin mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugend-
theater ist. Dafür war es auf jeden Fall sehr hilfreich, sich in
theater, besonders den Aspekt der Haltung: Gerade im Vermitt-
Seminaren wie „Zeitgenössisches Theater für und mit jungem Pu-
lungsbereich ist es wichtig, eine eigene Haltung zu entwickeln und
blikum“ oder „Texte inszenieren für junges Publikum“ mit verschie-
Theaterbegriffe zu reflektieren, damit man nicht nur den zahlrei-
denen Konzepten und Modellen auseinanderzusetzen. Was gibt es
chen Erwartungen, die von verschiedenen Seiten an einen herange-
überhaupt? Wer sind die Macher*innen? Womit wird sich befasst?
tragen werden, dient, sondern selbstbewusst einen eigenen Weg entwickelt. Vielleicht ist Theater für junges Publikum übrigens einfach ein passendes Betätigungsfeld für unsere Studierenden und Alumni, weil sie den besonderen Wert kollektiver Arbeit erkannt haben,
Wie sieht die Verankerung künstlerischer Praxis für junges Publikum konkret im Studium aus? JS: Wir wissen, wie wichtig die Praxis ist, und setzen auf Praxiserfahrungen. Lehre geht in der Praxis weiter, wird dort erprobt, überprüft.
Seit Gründung des 1979 als „Kulturpädagogik“ betitelten Studiengangs spielen das Theater in Theorie und Praxis und seine Vermittlung eine wesentliche Rolle in der Forschung und Lehre an der Universität Hildesheim. Einen dezidierten Fokus auf das Kinder- und Jugendtheater hat vor allem Geesche Wartemann etabliert, die von 2003 bis 2009 als Juniorprofessorin und ab 2011 als Professorin am Institut für Theater, Medien und Populäre Kultur tätig gewesen ist. Geesche Wartemanns Forschungsgebiete waren die Ästhetik des Kinder- und Jugendtheaters, Konzepte der Theatervermittlung sowie Strategien und Formen der Interaktion zwischen Künstler*innen und jungen Zuschauer*innen in Proben und Aufführungen des zeitgenössischen Kinder- und Jugendtheaters. Die im März 2019 verstorbene Professorin hat in Forschung und Lehre wesentlich dazu beigetragen, das Kinder- und Jugendtheater als avancierte ästhetische Praxis zu erkunden und zu vermitteln.
Daher bieten wir neben Seminaren auch Übungen an, Praktika sind bei uns Pflicht. Daneben gibt es speziell im Bereich Theater studentisch organisierte Festivals, die sich über die Jahre etabliert haben, und bei denen es in den letzten Ausgaben jeweils ein verstärktes Interesse für Fragen der Vermittlung gab, darunter auch die Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Des Weiteren orientieren sich viele schon im Studium nach außen, kooperieren, gründen Gruppen. PJ: So haben wir auch unser Theaterkollektiv BwieZack gegründet: Tatsächlich ausgehend von der Übung „Texte inszenieren für junges Publikum“ – wir wollten über das Seminar hinaus weiter experimentieren und partizipative Formate mit jungem Publikum künstlerisch erproben. LP: Einige außeruniversitäre Einrichtungen wie das Theaterhaus Hildesheim, von ehemaligen ‚Kuwis‘ gegründet, bieten dafür innovative Nachwuchsförderformate an, die junge Gruppen unterstützen.
links: Julia Speckmann, rechts: Petra Jeroma und Larissa Probst. Fotos: privat
JS: Im Prinzip erfährt man damit fast zwei Ausbildungen: eine of-
eben das Gespür für das Ganze: den gesamten Kontext des Theaters
fizielle und eine – durchaus vom Studium intendierte – mit den
zu betrachten und das Theater für junges Publikum als einen spezi-
Kommiliton*innen durch die Gründung eigener Gruppen. Beför-
fischen Teil von diesem Ganzen. In diesem Zusammenhang fand ich
dert wird dies durch das im Studium fest verankerte Projektsemes-
es besonders bereichernd, an Exkursionen zu Kinder- und Jugend-
ter, das alle zwei Jahre stattfindet und in dem über ein ganzes Se-
theaterfestivals wie Augenblick mal! Das Festival des Theaters für junges
mester drei Tage die Woche in einem Projekt gearbeitet wird, sowie
Publikum in Berlin oder den alle drei Jahre stattfindenden internatio-
in den Szenischen Künsten ein weiteres Semester, das sich explizit
nalen ASSITEJ-Weltkongressen teilzunehmen und einen Einblick zu
der künstlerischen Praxis widmet. Ausbildung wird hier als etwas
bekommen, wie das Kinder- und Jugendtheater in anderen Ländern
Dynamisches verstanden, Fächerwechsel sind Gang und Gäbe.
funktioniert und gemacht wird. Und dadurch immer wieder die eigenen Vorstellungen und Haltungen zu überprüfen.
Werden die Erwartungen an eine Ausbildung im Bereich Theater für junges Publikum erfüllt?
JS: Wir fragen uns natürlich ständig, ob wir den Erwartungen der
PJ: Für mich ist das eine Frage der Perspektive. Für diejenigen, die
gen, um nach dem Studium in der Arbeitswelt zu bestehen. Einige
sich Theorie und Praxis, eigenes künstlerisches Schaffen, kritisches
unserer Alumni sind inzwischen selbst als Lehrende in dem Bereich
Denken und Hinterfragen erhoffen, definitiv. Das Studium ist offen
tätig und tragen das Hildesheimer Verständnis von kreativer Praxis
und frei angelegt und man entscheidet selbst, wo man den eigenen
weiter. So sehen wir uns nach wie vor bestätigt in diesem freieren Bil-
Schwerpunkt setzen möchte, ob viel Theorie, viel Dramaturgie oder
dungsgedanken. 2019 feiern wir übrigens das 40-jährige Jubiläum
eben viel im Bereich Theater für junges Publikum dabei sein soll.
der kulturwissenschaftlichen Studiengänge in Hildesheim. Dies wird
Am Anfang hatte ich manchmal das Gefühl, von Kommiliton*innen
wieder ein Anlass sein, genauer hinzugucken, wer wo was macht.
Studierenden entsprechen, ob wir ihnen das liefern, was sie benöti-
nicht richtig ernst genommen zu werden, wenn man Theater für junges Publikum macht. Dafür ist es natürlich super, jemanden wie
Das Interview wurde am 20. Februar 2019, einen Monat vor dem Tod von Prof. Dr. Geesche
Geesche Wartemann zu haben, die ganz klar zeigt, dass es sich
Wartemann, geführt. Wir verlieren mit ihr eine zutiefst fachkundige und reflektierte Kollegin,
durchaus um eine ernstzunehmende Kunstform handelt, und dass
Dozentin und Neudenkerin, deren unterstützende und äußerst wertschätzende Art sehr
Kindertheater keinesfalls nur pädagogisch und behutsam sein muss,
fehlen wird.
geschweige denn nur Kasperletheater oder Witze über Käsefüße bedeutet. Sie lädt Profis aus der Praxis ein, die uns Einblicke in ihre
Petra Jeroma und Larissa Probst haben während ihres Bachelors mit vier Kommilliton*innen das
Arbeit geben – Brigitte Dethier, Gabi dan Droste oder Hannah Bie-
Theaterkollektiv BwieZack gegründet.
dermann –, und ermöglicht Kooperationen unter anderem mit dem
Julia Speckmann studierte im Doppeldiplom Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis/Médiati-
FUNDUS THEATER | Theatre of Research in Hamburg.
on Culturelle in Marseille und Hildesheim. Gemeinsam mit Wolfgang Schneider hat sie 2017
LP: Am Anfang des Studiums hat es mir gefehlt, kein theaterpädago-
Theatermachen als Beruf – Hildesheimer Wege herausgegeben.
gisches Handwerkszeug vermittelt zu bekommen. Mittlerweile sehe ich das aber viel gelassener. Vielleicht weil ich doch – ohne dass ich es bewusst als solches wahrgenommen habe – viel Handwerkliches mit-
THEATERMACHEN ALS BERUF Hildesheimer Wege
genommen habe. Das Handwerkszeug, das man hier bekommt, ist
Wolfgang Schneider und Julia Speckmann (Hg.)
Recherchen 111 Theatermachen als Beruf – Hildesheimer Wege Herausgegeben von Wolfgang Schneider und Julia Speckmann ISBN 978-3-943881-85-1
GENAU HINSCHAUEN UND ETWAS BEWEGEN Kommunikationsraum für alle: Über Kulturpolitik, Ballungsräume und blinde Flecken im TYA Brigitte Dethier ist neue Vorsitzende der ASSITEJ und folgt damit Wolfgang Schneider, mit dem sie viele Jahre der gemeinsamen Vorstandsarbeit verbinden. Birte Werner, neu im ASSITEJ-Vorstand, fragt nach Positionen und Perspektiven für die Darstellenden Künste für junges Publikum, kurz TYA (Theatre for Young Audiences) Birte Werner: Herzlichen Glückwunsch zur Wahl als neue ASSITEJ-
Wenn du sagst, dass wir die Erkenntnisse, die wir aus der Studie gewon-
Vorsitzende, liebe Brigitte Dethier! Du bist seit insgesamt 22 Jahren Mit-
nen haben, jetzt auch politisch vertreten müssen, was genau hast du da
glied im Vorstand, kennst alle Arbeitsfelder bestens und hast einen aus-
im Blick?
gezeichneten Überblick. Und du hast dir einiges vorgenommen. Welche
Das bedeutet, dass wir in den entscheidenden Gremien auftreten
der bisherigen Themen und Projekte der ASSITEJ liegen dir besonders
müssen um vor den Entscheidungsträger*innen aus der Politik un-
am Herzen?
sere Forderungen zu stellen. Eine angemessene finanzielle Ausstat-
Brigitte Dethier: Wir müssen die Bedeutung unserer Arbeit immer
tung für die Theater, die freien Gruppen, die Produktionsteams.
wieder sichtbar machen. Sei es in kulturpolitischen oder in gesamt-
Aber auch für die Veranstalter*innen, deren Etats ja auch immer
künstlerischen Zusammenhängen. Die Studie Zur Lage des Kinder-
knapper werden. Wenn wir das Ziel verfolgen, dass jedes Kind ein
und Jugendtheaters in Deutschland (2017) ist eine gute Vorlage, um
Recht auf kulturelle Teilhabe hat, dann müssen wir dafür sorgen,
sichtbar zu machen, wie die TYA – Theatres for Young Audiences –
dass es auch außerhalb der Ballungsräume eine Chance gibt, eine
aufgestellt sind. Wo sind die blinden Flecken auf einer Landkarte?
Theateraufführung zu sehen und an partizipativen theatralen Pro-
Wir müssen immerfort an diesem kulturpolitischen Diskurs dran-
jekten teilzunehmen.
bleiben. Und wir müssen genau schauen, mit wem wir in Partner-
Wichtig erscheint mir auch, dass wir eine alte Forderung
schaft treten, um unsere Ziele wirksam umzusetzen. Die interna-
wieder hervorholen: die Umwandlung der Theater in Kulturhäuser,
tionale Vernetzung der deutschsprachigen ASSITEJ bleibt auf
die längere Öffnungszeiten zu bieten haben, wo Menschen sich auf-
unserer Agenda ein weiterer wichtiger Schwerpunkt.
halten können, wo man in Kommunikation treten kann. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Kommunikationsräume immer we-
Brigitte Dethier (links) im Gespräch mit der Frankfurter Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig,
niger werden und der Mensch die aber dringend braucht. Das
Prof. Dr. Wolfgang Schneider, Direktor des Instituts für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim,
bedeutet im Umkehrschluss aber, dass wir diese Häuser mit ent-
und der F.A.Z.-Kulturredakteurin Eva-Maria Magel, anlässlich der Podiumsdiskussion und Buch-
sprechenden Räumen erst mal haben müssen – und dass wir sie mit
vorstellung Starke Worte am 20. März 2019, dem Welttag des Theaters für junges Publikum, in
genügend Personal ausstatten können, um diese Kommunikations-
Frankfurt am Main. Foto: Katrin Schander
räume zu betreuen.
SCHWERPUNKT | IXYPSILONZETT | 01.2019 | 13
Ballungsräume versus ländliche Räume, ein großes (kultur)politisches
Ach, die gibt es immer. Die Frage ist, wie schnell reagiert man auf
Thema im Moment. Auch für die ASSITEJ?
veränderte gesellschaftliche Bedingungen. Wie sehr wird sich die
Ich bin der Meinung, dass alle kulturpolitischen Themen auch un-
Szene politisieren, wie verhält sich der Verband mit seinen Mitglie-
sere Themen sind. In diesem Fall sogar ein besonders wichtiges
dern dazu? Wie schalten wir uns in den Diskurs über Arbeitsbedin-
Thema, da unser Zielpublikum nicht über viel Mobilität verfügt
gungen mit ein, der seit Jahren in den Theatern geführt wird? Wie
und daher mit Kultur vor Ort versorgt werden muss. Es ist ganz ent-
schaffen wir es, für einzelne Künstler*innenpersönlichkeiten ein
scheidend, wie ein Kind kulturell geprägt wird, und da muss es An-
interessanter Verband zu sein? Es gibt heute viele Künstler*innen,
gebote im ländlichen Raum geben. Und zwar von hoher Qualität.
die sich nicht mehr ausschließlich dem TYA verschreiben. Darin
Ein anderes zentrales Thema im Moment, das dann ja auch Thema im
liegt einerseits eine Riesenchance: Wenn alle spartenübergreifend
Theater für junges Publikum sein muss, wenn ich dir folge, ist politische Bil-
arbeiten, dann kommt das TYA aus seiner Nische heraus (allerdings
dung. Während die Kolleg*innen im Erwachsenentheater überlegen, wie sie
brauchen wir dazu die finanziellen Möglichkeiten, gleichwertig
ihrer ‚Blase‘ entkommen können, um ein diverseres Publikum zu erreichen,
zu bezahlen). Aber darin liegt auch die Gefahr, dass uns ein
ist Diversität eher Alltag im TYA. Insbesondere, wenn Klassen unterschied-
Spezialist*innentum verloren geht, nämlich die Künstler*innen, die
licher Schulformen in einer Vorstellung sitzen. Eine große Chance, wenn
gerne und ganz genau für das junge Publikum arbeiten. Und wir
wir über das Erstarken des politischen Rechtsextremismus diskutieren und
brauchen den Nachwuchs, der sich für das TYA engagiert, der auch
beobachten, dass Menschen sich zunehmend in ihren digitalen Echokam-
einen Verband wie die ASSITEJ für seine Arbeit nutzt.
mern eine Meinung bilden. Müssen wir unsere Arbeit mit politischer Bildung
Du engagierst dich in der Ausbildung, gerade auch von Schau-
verbinden? Müssen wir uns mehr mit Demokratieförderung beschäftigen?
spieler*innen. Es gibt da nach wie vor manifeste Vorurteile gegenüber
Ich bin überzeugt davon, dass kulturelle Bildung immer auch poli-
dem TYA. Begegnen sie dir im Ausbildungsalltag?
tische Bildung ist. Und ich finde es in Zeiten, in denen demokrati-
Am meisten ärgert mich die Ansage an Schauspielabsolvent*innen,
sche Grundrechte teilweise in Frage gestellt werden, extrem wichtig,
dass sie ihre Karriere gleich in die Tonne kloppen können, wenn sie
dafür einzustehen. Zum Einen wird man das an den Spielplänen
ein Engagement im TYA annehmen. Es gibt regelrechte Warnungen!
ablesen können, welche Inhalte wir auf der Bühne verhandeln – und
Wir müssen dahin kommen, zu sagen, dass es gutes und schlechtes
zum Anderen, indem wir uns gemeinsam mit unserem Publikum
Theater gibt, in allen Sparten. Das setzt aber voraus, dass man die
über die Werte unserer Gesellschaft auseinandersetzen, sei es in Ge-
Szene ein bisschen kennen muss und seine Urteile nicht aus der ei-
sprächen über Inszenierungen oder auch in den vielen partizipati-
genen Kindheit speisen darf. Das ist mir in der Tat schon begegnet.
ven Angeboten, die die TYA anbieten. In diesen Spielgruppen wer-
Du lehrst in Studiengängen in Stuttgart, Hamburg und München. Wel-
den nicht nur inhaltlich Themen behandelt, die mit dem Leben der
che Ziele verfolgst du dabei?
Kinder und Jugendlichen zu tun haben. Alleine schon der Prozess,
In Stuttgart unterrichte ich im szenischen Studium Schauspielstu-
eine Produktion gemeinsam zu erarbeiten, hat mit demokratischen
dierende. Dadurch, dass ich dort als Dozentin Teil der Ausbildung
Prozessen, mit Verantwortlichkeit, mit Kritikfähigkeit, mit Mei-
bin, gibt es eine gute Verbindung zum Jungen Ensemble Stuttgart
nungsbildung zu tun. Und deshalb auch meine Forderung nach den
(JES) und einen regen Austausch über unser Programm. Ich bilde
Kinderkulturhäusern: ein Wunsch für eine Ausstattung, die uns er-
dort nicht dezidiert für das TYA aus, aber ich sensibilisiere schon
möglichen würde, die Häuser noch viel mehr in die Hände der Kin-
für die Ernsthaftigkeit unserer Arbeit. In Hamburg an der Akademie
der und Jugendlichen zu geben.
gibt es jetzt seit vier Jahren ein Blockseminar mit dem Thema Kin-
Du hast mit Blick auf die Studie von blinden Flecken auf der Landkarte
der- und Jugendtheater. Das bestreiten Barbara Kantel, die das Junge
gesprochen – nimmst du auch blinde Flecken innerhalb der TYA-Szene
Schauspiel Hannover leitet, und ich. Meist macht sie eine Woche
selbst wahr?
mit Schwerpunkt Dramaturgie und ich eine Woche mit Schwer-
Brigitte Dethier. Foto: Katrin Schander
punkt Regie. Es ist unglaublich, was da in einer Woche passieren
Wenn du Zeit hättest, dich fortzubilden: Zu welchem Thema würdest du
kann. Meist halten die Regiestudierenden es gar nicht für möglich,
das gern tun?
dass es keine Tabuthemen gibt im TYA. Eine andere Erkenntnis ist,
Familientherapeutische Arbeit. Familie ist mein Lebensthema. Und
dass man genau wissen muss, für wen man inszeniert. Wer ist mein
es geht natürlich wieder um Irgendwo-genau-Hinsehen, darum,
Publikum? Und ich spüre, dass die kollegialen Arbeitsbedingungen
einen neuen Kosmos kennenzulernen und zu schauen, was man
im TYA für die Student*innen sehr reizvoll sind. In München bin
verändern muss, damit es besser werden kann. Da gibt’s für mich
ich einmal im Jahr beim Aufbaustudium des Musik- und Thea-
viele Parallelitäten zum Inszenieren. Ich bin gerne Voyeurin.
termanagements zu Gast, einem Studiengang, den viele zukünf-
Was soll man auf der Bühne nicht tun?
tige Intendant*innen absolvieren. Dort berichten mein Verwal-
Sich selbst ernster nehmen als das Publikum. Eitel sein, ich hasse das.
tungsleiter und ich über das Festival Schöne Aussicht und seit drei Jahren auch zum Thema Ensemblebildung.
Brigitte Dethier ist Intendantin des Jungen Ensemble Stuttgart und seit Dezember 2018 Vorsitzende
Was sind Unterrichtsstrategien, die sich für dich bewährt haben?
der ASSITEJ e.V. | Dr. Birte Werner ist seit 2012 Programmleiterin Darstellende Künste der Bundes-
Ich glaube daran, dass man mit dem eigenen Feuer für die Sache andere
akademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel und seit Dezember 2018 Schriftführerin im Vorstand
Menschen anstecken kann. Deshalb wäre mein Credo: viele gute Ma-
der ASSITEJ e.V.
cher*innen müssen in der künstlerischen Ausbildung tätig werden. Über die persönliche Beziehung erzeugt man Neugierde, durch die Neugierde entdeckt man das zeitgenössische Kinder- und Jugendtheater. Hast du damit in den letzten Jahren Kolleg*innen dazu gebracht, zum Theater für junges Publikum ‚zu konvertieren‘? Ich denke schon, dass wir durch gute Produktionen, durch Arbeitsbedingungen, die eine reflektierte Persönlichkeit voraussetzen, schon viele für die Arbeit gewonnen haben. Wenn wir jetzt noch mit der Bezahlung gleich rücken könnten, dann glaube ich an einen großen Zulauf. Aber ich erwarte nicht, dass Künstler*innen konvertieren – sie sollen uns nur nicht ausschließen oder unsere Arbeit nicht ernst nehmen. Ich möchte noch einmal auf dich persönlich zurückkommen: Wie kommst du auf Ideen für Impulse? Gibt es Vorbilder in anderen Organisationen, vielleicht gar nicht nur im Theaterbereich? Natürlich speisen sich meine Inspirationen hauptsächlich aus dem Theaterbereich. Mit mir ist ja eine Praktikerin Vorsitzende geworden und wenn man mal so will, dann fühle ich mich mit dem gesamten Vorstand verantwortlich, die Bedingungen zu verbessern. Die Voraussetzungen so zu schaffen, dass sich alle weiterentwickeln können. Im Grunde sehe ich das wie eine zweite künstlerische Leitung/Intendanz, die ich jetzt ausfüllen darf – neben meiner Arbeit am JES. Und da ich ein Teamplayer bin, muss ich das nicht alleine, sondern in einem Leitungsteam, wo wir uns die Aufgaben aufteilen.
SCHWERPUNKT | IXYPSILONZETT | 01.2019 | 15
THEATER ALS KÜNSTLERISCH-SOZIALE PRAXIS Das Profilstudium „TaSK – Theater als Soziale Kunst“ an der FH Dortmund Von Christoph Scheurle Seit dem Wintersemester 2004 können Studierende, die an Theater in sozialen Arbeitsfeldern interessiert sind, am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund das Zertifikat „Grundlagen Theaterpädagogik BuT“ erwerben
Unter dem Titel „TaSK – Theater als Soziale Kunst“ wurde das von Lilly Neumann entwickelte theaterpädagogische Profil von Norma Köhler, Christoph Lutz-Scheurle und Melanie Hinz im Zuge ihrer Neuberufungen an die FH-Dortmund in den Jahren 2010, 2013 und
Mit der personellen und inhaltlichen Neuausrichtung schien
2015 neu konzipiert und zum Wintersemester 2014 neu aufgelegt.
auch eine grundlegende Revision des Leitbilds „Theaterpädagog*in
Die Rahmenbedingungen haben sich nicht wesentlich geändert:
in sozialarbeiterischen Kontexten“ angezeigt. Die Bezeichnung „TaSK
Studierende des Profilstudiums „TaSK – Theater als Soziale Kunst“
– Theater als Soziale Kunst“ soll dieser Neuausrichtung insofern ge-
erhalten am Ende des Studiums ein zusätzliches Zertifikat als „Thea-
recht werden, als damit weniger die (Leitungs-)Person als der Gegen-
1.
terpädagog*in (Grundlagenausbildung nach BUT)“ Die Grundla-
stand selbst angesprochen ist. Die Verwendung des Adjektivs „Sozial“
genausbildung dient auch als anerkennungsfähiges Modul für die
(hier großgeschrieben), soll verdeutlichen, dass es weniger darum
Vollausbildung zur Theaterpädagog*in, die an verschiedenen Insti-
geht, einem bestimmten, vielleicht auch schon verfestigten Leitbild
tutionen absolviert werden kann. Aufgrund der Stellenentwicklung
zu folgen, als darum, sich unter der Perspektive des Theaters unter-
im Modul Kulturwissenschaften und asthetische Kommunikation
schiedliche (Arbeits-)Felder im Sozialen zu erschließen. Im Fokus
lehren seit 2014 drei hauptamtliche Professor*innen im Profilstu-
steht damit die Entwicklung und Kultivierung einer Haltung, die im
dium miteinander. Aufgrund der unterschiedlichen Expertisen und
Unterschied zu einer reinen Methodenausbildung einerseits die Ver-
Arbeitsbereiche – Theaterpädagogik (Norma Köhler), Bildende und
mittlung von Theater(-pädagogischen) und anderen kulturellen und
performative Künste in der Kulturarbeit (Melanie Hinz) und Kultur-
künstlerischen Theorien und Themen zum Inhalt hat. Andererseits
wissenschaften mit dem Schwerpunkt Kunst und Teilhabe (Chris-
werden die praktische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen
toph Lutz-Scheurle) – konnten inhaltlich und strukturell jedoch we-
Medien wie beispielsweise Film oder Bildende Kunst und deren mög-
sentliche Veränderungen vorgenommen werden: Im Laufe des
liche Berührungspunkte mit Theater diskutiert.
Profilstudiums, welches ab dem ersten Semester im Curriculum des
Das Curriculum sieht dabei im Grundstudium Praxisveran-
Studiums Soziale Arbeit mit unterschiedlichen Theorie- und Pra-
staltungen, in denen Grundlagen theatraler Praxis vermittelt wer-
xisveranstaltungen integriert ist, lernen die Studierenden unter-
den, sowie zwei Theorieveranstaltungen vor, in denen auf Basis der
schiedliche Zugänge zum Theater kennen, die freilich durch die
unterschiedlichen Theater-(pädagogischen) Theorien und Modelle
grundlegende Haltung verbunden ist, dass Theater als sozial-künst-
unterschiedliche künstlerisch-performative Ansätze diskutiert und
lerische Praxis einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Sozialen Arbeit beitragen kann.
Foto: Daniel Cosic
Foto: Daniel Cosic
reflektiert werden – und dies vor allem in Bezug auf die Sozialen Di-
unterschiedlichen Ergebnisse zu präsentieren und – genauso we-
mensionen der Künste. Außerdem müssen die Studierenden die
sentlich – zu diskutieren. Die Präsentationen sind dabei öffentlich,
Teilnahme an einem Theaterworkshop nachweisen, der außerhalb
genauso wie die Nachbesprechungen, die sich an jede Aufführung
des Studiums stattfindet und somit sicherstellen soll, dass die sie
anschließen.
auch mit anderen Konzepten und Haltungen im Feld des Theaters
Eine Tagungstrilogie, die in den Jahren 2014, 2015 und 2016
in Berührung kommen. Denn bei aller positiven Entwicklung des
unter dem Namen „Theater als Soziale Kunst“ mit den Schwer-
Profilstudiums ist es doch so, dass es bei dem beschriebenen Um-
punktsetzungen „Biographieren auf der Bühne“, „Partizipation –
fang nur einen kleinen Ausschnitt aus dem weiten Feld des Theaters
teilhaben/teilnehmen“ und „Forschendes Theater in Sozialen Fel-
vermitteln kann. Auch deswegen, aber auch in Übereinstimmung
dern“ realisiert wurde, hat zudem Impulse gesetzt, die über die
mit den Leitlinien des BuT, wird zudem ein mindestens 100-stün-
Hochschule hinaus den Fachdiskurs bereichern und erweitern soll-
diges Praktikum in einem Feld der Theaterpädagogik verlangt.
te. Die Publikationen, die unter den jeweils gleichen Titeln beim ko-
Zudem müssen zwei profilbezogene Hausarbeiten im Rahmen
paed-Verlag im Nachklang zu den Tagungen entstanden sind, bilden
eines TaSK-fähigen Studienangebots geschrieben werden.
dabei nicht nur die Tagungsthemen ab, sondern sind als eine Fort-
Im Hauptstudium geht es dann vor allem darum, die im
setzung der im Rahmen der Tagungen initiierten kritischen Diskur-
Grundstudium gesammelten Erfahrungen in die eigene Praxis ein-
se gedacht, wie beispielsweise über das Verhältnis von Biographie-
fließen zu lassen und zu vertiefen. Dies geschieht auf drei Ebenen: In
ren als ästhetische Praxis, Partizipation als Container und
einem sehr umfangreichen Projekt über zwei Semester wird mit dem
Kampfbegriff oder auch über künstlerische bzw. theatrale Forschung
gesamten Semesterjahrgang und unter Anleitung einer der hauptamt-
und ihren möglichen und produktiven Einfluss auf die Betrachtung
lich Lehrenden die eigene spielerische Praxis vertieft und in einer Ab-
und Erforschung unterschiedlicher sozialer Felder.
schlussinszenierung präsentiert. In einem eigenen theaterpädagogi-
Nach fünf Jahren gemeinsamer Arbeit lässt sich feststellen,
schen Projekt, das zunächst konzipiert und entwickelt, dann realisiert
dass das Profil an Strahlkraft zugenommen hat und inzwischen Stu-
und ausgewertet wird, werden erste eigene Anleitungserfahrungen
dierende nicht mehr nur zufällig zu Beginn des Studiums über das
gesammelt. Das Studium der Sozialen Arbeit wird schließlich durch
Angebot ‚stolpern‘. Durch die Etablierung der verschiedenen Dis-
eine Bachelorarbeit abgeschlossen, in der ein Thema des Theaters
kurs- und Praxisformate, die sich nie nur auf die Vermittlung be-
oder der Theaterpädagogik umfassend behandelt wird. Dies kann
stimmter Methoden beschränken, sondern immer auch die Refle-
auch die Reflexion der eigenen Praxis miteinschließen.
xion der Praxis miteinbeziehen, hat sich eine Kultur entwickelt, in
Natürlich kann es nicht ausreichen, lediglich die hier kurz skizzierten Angebote wahrzunehmen und abzuarbeiten. Fakultative
der gemeinschaftlich Theater als sozial-künstlerische Praxis gedacht – und wichtiger noch – gelebt wird.
Angebote wie Exkursionen im Hauptstudium werden angeboten, der möglichst häufige Besuch von Theaterveranstaltungen wird erwartet. Gleichzeitig ist die Entwicklung einer gemeinsamen Arbeits-
Dr. Christoph Scheurle ist Professor für Kulturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Kunst und Teil-
haltung, der respektvolle Umgang in den Projekten, die Rezeption
habe an der FH Dortmund und leitet dort mit Norma Köhler und Melanie Hinz das zertifizierte Pro-
und Diskussion der im Rahmen des Profils entstandenen künstle-
filstudium „TaSK – Theater als Soziale Kunst“. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Fragen zu
risch-pädagogischen Projekte und die Initiierung eines daran an-
Theater, Medien und Politik sowie Kulturelle und Ästhetische Bildung.
schließenden, möglichst kontinuierlich geführten Diskurses über die eigenen Praxen und den sich daraus ergebenden Fragen essentiell. Hierfür wurde auf Profilebene der „Labortag der Künste“ etabliert, der jeweils zum Ende des Semesters eine Plattform bietet, die
1
Die Bezeichnung „BUT“ bedeutet, dass diese Ausbildung von einem überregionalen Fachverband (Bundesverband Theaterpädagogik) anerkannt wird. Die Grundlagenausbildung ist bei den Arbeitsämtern (ZBF/Zentrale Vermittlung für Bühne, Film und Kulturelle Bildung) registriert und kann bei Bewerbungen als zusätzliche berufliche Qualifizierung angegeben werden.
SCHWERPUNKT | IXYPSILONZETT | 01.2019 | 17
SCHREIBEN LERNEN Wie geht das – Theaterautorin werden, ohne Szenisches Schreiben zu studieren? Von Ingeborg von Zadow Es gab nichts, was ich nach dem Abitur lieber gemacht hätte, als Szenisches Schreiben zu studieren. Als ich jedoch so weit war, mich bewerben zu können, hatte der Studiengang in Berlin gerade seinen ersten Jahrgang aufgenommen. Der zweite Jahrgang sollte erst Jahre später ausgeschrieben werden, zu einer Zeit, als ich mich gerade erfolgreich um ein Fulbright-Stipendium für das Studium in den USA beworben hatte. In den USA wollte ich nun endlich – nach ein paar für mich ernüchternden Jahren bei der Angewandten Theaterwissenschaft in Gießen – „Playwriting“ studieren. Aber auch das sollte nicht klappen. Stattdessen landete ich in einem allgemeinen Master of Arts Studiengang der Studienrichtung „Theater“ an der State University of New York in Binghamton, in dem so ungefähr alles unterrichtet wurde – außer „Playwriting“. Klar war jedoch, dass ich mich von meinem Vorhaben, Theaterautorin zu werden, nicht würde abbringen lassen. Ich hatte meine Jugend abwechselnd auf der Probe von Schultheatergruppen und im Zuschauerraum des Heidelberger Stadttheaters verbracht, hatte, seit ich 13 war, regelmäßig eigene Stücke mit meiner Theatergruppe aufgeführt, hatte nach dem Abitur ein Jahr lang in Schauspiel, Oper und Kinder- und Jugendtheater hospitiert. Eine Alternative konnte ich mir für mein Leben nicht vorstellen. Wenn ich jetzt zurückblicke – was sind die Dinge, die mir
Gabriele Drechsel und Robert Lang in Raus aus dem Haus am Staatstheater Darmstadt. Foto: Robert Schittko
geholfen haben, mir mein Handwerkszeug für diesen Beruf selber zusammen zu suchen? Was war wichtig, ohne was wäre es nicht ge-
professionellen Welt angekommen wäre. Parallel zu der Gießener
gangen? Da war natürlich das schon in der Jugend begonnene selb-
Studienzeit landete ich 1991 für ein paar entscheidende, intensive
ständige Lesen und Analysieren unzähliger dramatischer Texte; in
Tage bei der Dramatiker-Werkstatt für Kinder- und Jugendtheater in
Gießen gab es dann ein paar gute Dramenseminare in der Anglistik
Wolfenbüttel, organisiert vom Kinder- und Jugendtheaterzentrum
und Germanistik; ich absolvierte viele Regieassistenzen in den Se-
in der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main.
mesterferien (Opern von Orff, Bizet, Britten, Mozart, Theaterstücke
Hier begegnete ich der hochtalentierten und unglaublich inspirie-
von O Neill, Ionesco, Campbell) und ging weiterhin sehr oft ins Thea-
renden Theaterautorin Suzanne van Lohuizen, die leider dieses Jahr
ter. Ich machte zwei hochspannende Regieseminare an der Hoch-
verstorben ist. Es war das erste Mal, dass ich eine Mentorin hatte,
schule in den USA mit und erste eigene Regieversuche; und immer
die mir fundiert Rückmeldung zu allen Details des Szenischen
hatte ich irgendein Theaterstück in Arbeit, machte unzählige Ent-
Schreibens geben konnte. Aber auch ihr unwahrscheinliches Talent
würfe, überarbeitete einen Text hundertfach, horchte immer wieder
und die Tatsache, dass sie hauptberuflich als Theaterautorin arbei-
hin, fühlte mich hinein in die Personen, entschied mich nochmal für
tete, waren Ansporn genug. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich
eine andere Formulierung oder wieder für einen anderen Ablauf.
Suzanne auch ein paar Werkstätten später nicht gehen lassen, als
Aber alleine wäre es dennoch nicht gegangen. Es gab ein paar entscheidende Personen, ohne die ich vielleicht nicht in der
sie mir eröffnete, sie würde jetzt aufhören mich zu unterrichten, ich könnte das mit dem dramatischen Schreiben jetzt eigentlich.
Ingeborg von Zadow mit Doris, Martin und Lulatsch aus Über Lang oder Kurz. Foto: Katharina
Haus Blaues Wunder am Hans Otto Theater Potsdam. Foto: Thomas M. Jauk
Dielenhein für das Theater Koblenz
In Wolfenbüttel machte ich auch die für meine Autorinnen-
Kostümbildner*innen brauchen, aber auch an welchen Stellen es
Zukunft ebenso wichtige Bekanntschaft mit Henning Fangauf, der
meine Verantwortung für mein Stück ist, bestimmte Entscheidun-
von Anfang an ein großes Interesse an meiner Arbeit zeigte und in
gen selber zu treffen und sie nicht anderen zu überlassen. Alles in
den folgenden Jahren mit den Möglichkeiten seiner Stelle im Kin-
allem hat das Erlernen des Handwerkszeugs, auch ohne Studium
der- und Jugendtheaterzentrum bereit war, dafür Werbung zu ma-
des Szenischen Schreibens, also ganz gut hingehauen.
chen. Die Einladung zum 3. Frankfurter Autorenforum für Kinder- und
Wagen wir zum Schluss noch einen Blick ins Berufsleben:
Jugendtheater war da nur der Anfang. Ein Anfang allerdings, auf den
Denn Theaterautor*in zu werden ist das eine, es zu bleiben noch-
für mich mit 22 Jahren die Aufnahme in den Verlag der Autoren
mal etwas ganz anderes. Wenn man ehrlich ist, kann man derzeit
folgte, der bis heute mein wichtigster professioneller Partner in der
keinem Theaterautor*in empfehlen, sich auf das Kinder- und Ju-
Theaterwelt ist. Ab sofort hatte ich das kluge, inspirierende Lektorat
gendtheater zu spezialisieren. Denn die finanzielle Lage der meis-
von Marion Victor an meiner Seite, auf deren Urteilsvermögen und
ten dieser Theaterautor*innen ist äußerst prekär. Die Tantiemen
Erfahrung ich mich stets verlassen konnte und immer noch kann.
sind desaströs niedrig, die Konkurrenz von dramatikerfreien Thea-
Und ich war plötzlich aufgehoben in einem Verlag, der das Mitbe-
terproduktionen erheblich, die Präsenz der Märchenstoffe und
stimmungsmodell lebt, dessen Autor*innen jährlich zur Vollver-
Buchbearbeitungen – und damit der nicht originären Theaterauto-
sammlung zusammen kommen, ich konnte Kolleg*innen kennen-
renstoffe – immerwährend. Im Übrigen wird durch die chronische
lernen und wiedertreffen, mich über die Verlagsgeschäfte
Unterfinanzierung der Autor*innen der Aufbau eines qualitativ
informieren und mitentscheiden. Ein einzigartiges Glücksmodell,
hochwertigen, nachspielbaren Repertoires für das Kinder- und Ju-
das im Übrigen dieses Jahr 50 Jahre alt wird.
gendtheater verhindert. Die einzigen finanziell lukrativen größeren
Hatte ich bei meinen Hospitanzen und Assistenzen den
Produktionen – Stichwort Weihnachtsmärchen – werden, man
Umgang der Theaterpraktiker*innen mit Texten anderer Dramati-
muss vermuten des Geldes wegen, gerne vom Hausregisseur*in
ker*innen beobachten können und schon hieraus für mein Schrei-
oder -dramaturg*in übernommen und nicht von freiberuflichen
ben Schlüsse gezogen, so begann ich nun, im In- und Ausland Er-
Theaterautor*innen geschrieben. Darüber hinaus gibt es viel zu
fahrungen mit den Inszenierungen der eigenen Stücke zu machen.
wenige Theater, die mit einzelnen Autor*innen Arbeitspartner-
Rückmeldungen von Regisseur*innen und Schauspieler*innen
schaften eingehen oder nach einer Produktion auch eine zweite von
waren wertvoll für mich und flossen in meine Arbeit ein. Und es
dem oder der gleichen Autor*in planen. Die zum Glück vorhande-
waren auch die während der Aufführungen unbewusst gegebenen
nen Stipendien und Preise täuschen die Szene darüber hinweg,
Rückmeldungen des Publikums, aus denen ich lernte. Besonders
dass immer nur vereinzelt jemand davon profitieren kann. Im
das Kinderpublikum war und ist in seiner Gnadenlosigkeit und in
Übrigen sei hier einmal festgestellt: gespielt und beauftragt –
seiner Begeisterungsfähigkeit eine gute Schule. Wenn vorher im
und damit wie alle anderen Theatermenschen für seine Arbeit be-
Foyer herumrennende und lärmende Schüler*innen im Theater-
zahlt – zu werden, ist befriedigender und auf Dauer auch wesent-
raum plötzlich vom Geschehen auf der Bühne kollektiv in den Bann
lich nachhaltiger.
gezogen werden, dann funktioniert da was. Es war für mich immer wichtig, einen Begriff davon zu bekommen, wie Schauspieler*innen arbeiten, was sie spielen und
Ingeborg von Zadow ist Theaterautorin und Librettistin. Ihre Theaterstücke, vertreten vom Verlag
sprechen können und was nicht. Ebenso wollte ich wissen, wie eine
der Autoren, werden seit 1993 national und international gespielt. Beim Festival Augenblick mal!
Bühne funktioniert und was technisch möglich ist. Und ich entwi-
2019 in Berlin leitet sie zusammen mit Winfried Tobias (Theater der Stadt Aalen) die Gruppe
ckelte eine Vorstellung davon, welche Freiheiten Regie, Bühnen- und
Autor*innen@Augenblick mal.
SCHWERPUNKT | IXYPSILONZETT | 01.2019 | 19
BERÜHRUNGSÄNGSTE ÜBERWINDEN! Einblicke in die Werkstatt Schreiben für junges Publikum des Studiengangs Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin Von Claudius Lünstedt Wir sehen das anders und arbeiten seit inzwischen fünf Jahren in unserer Werkstatt Schreiben für junges Publikum gegen Berührungsängste an. Dabei kehren wir zu Beginn fest verankerte Klischees des Genres – wie etwa überfrachtete Pädagogik, Moralismus oder Spracharmut – nicht einfach unter den Teppich, sondern konfrontieren uns mit ihnen, auch, indem wir gute oder weniger gute Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit Revue passieren lassen. Wir lernen alsbald die immer fließender werdenden Genregrenzen von Theatertexten kennen und verstehen, dass es beim Schreiben längst nicht mehr darum geht, sich für eine einzige Altersklasse entscheiden zu müssen. Wir lesen möglichst viele Stücke, nicht nur im Original deutschsprachige, und lernen die neue Vielfalt der Kinder- und Jugendtheaterliteratur kennen, in der es immer seltener thematische Tabus gibt. Vor allem aber lassen wir uns alsbald vom allergrößten Vorteil des Kinder- und Jugendtheaters mitreißen. Denn das, was dem so genannten Erwachsenentheater allermeist fehlt und seit ei
Seit fünf Jahren führt die Werkstatt Nachwuchsautor*innen an das Kinder-
niger Zeit verstärkt Kopfzerbrechen bereitet, findet im Kinder- und Jugendtheater seit eh und je ganz selbstverständlich statt: das Zusammenkommen eines durch und durch heterogenen Publikums
und Jugendtheater heran: ein Textgenre
beinah aller sozialen Verhältnisse.
zwischen Klischee und Vorreiterfunktion
viele Produktionen der Berliner Kinder- und Jugendtheaterszene
Über die Dauer eines Semesters besuchen wir möglichst und werden dabei von ausnahmslos allen Theatern herzlich empfangen. Das Theater Strahl geht sogar soweit, allen Studieren-
Die Notwendigkeit, das Schreiben fürs Kinder- und Jugendtheater
den für die Dauer der Werkstatt freien Eintritt in alle seine Vor-
in den Studiengang Szenisches Schreiben hineinzutragen, lag auf
stellungen zu ermöglichen. Wir reden mit Dramaturg*innen und
der Hand. Denn während die künstlerische Qualität von Kinder- und
Schauspieler*innen im Anschluss an ihre Aufführungen und emp-
Jugendtheaterstücken stetig stieg, auch abzulesen am 2010 neu ein-
fangen in unseren Räumen Gäste, wie etwa Thomas Irmer vom
gerichteten Mülheimer Wettbewerb für Kinderstücke, spielte das
Mülheimer Kinderstückepreis, Thomas Stumpp vom Goethe-Institut,
Schreiben für ein junges Publikum an den wenigen Ausbildungs-
Kuratorin Katrin Behrens, Dramaturgin Karola Marsch, Verleger
stätten für Autor*innen in Deutschland bislang keinerlei Rolle. Zu
Thomas Maagh oder Übersetzer Frank Weigand, vor allem aber auch
strikt scheint noch immer die Trennung zwischen Abendspielplan
Autor*innen wie Azar Mortazavi, Ulrich Hub, Lutz Hübner oder
und ‚ernstem‘ Theater auf der einen Seite und scheinbar weniger
Günter Jankowiak, die uns tiefere Einblicke in ihr Schreiben gewähren.
wertvollem und anspruchsloserem Nachwuchstheater auf der ande-
Längst aber gehen auch Impulse von unseren Studierenden
ren Seite. Und noch immer erklingen warnende Stimmen, sich etwa
für das Kinder- und Jugendtheater aus. Denn im Rahmen der zwei-
zu Beginn einer Schauspiel-, Regie- oder Autor*innenkarriere bloß
jährlich stattfindenden Werkstatt entstehen Stücke: im Rahmen der
nicht mit dem Kinder- oder Jugendtheater einzulassen, denn ein
ersten Kooperation mit dem Theater Strahl vor fünf Jahren wurde
„Auf- oder Ausstieg“ sei dann kaum noch möglich.
schließlich der Text HASEN-BLUES.STOPP unserer ehemaligen
20 | IXYPSILONZETT | 01.2019 | SCHWERPUNKT
Seite 19: #BerlinBerlin am Theater Strahl. Foto: Jörg Metzner rechts: Uta Bierbaum. Foto: Stefan Klüter unten: Sina Ahlers. Foto: privat
Studierenden Uta Bierbaum ausgewählt und in der Regie von Vera
Und: im Herbst reisten wir zum ersten Mal alle gemeinsam
Kelle in der Halle Ostkreuz des Theater Strahl zur Uraufführung ge-
zum Frankfurter Autor*innenforum für Kinder- und Jugendtheater, das
bracht. Kürzlich wurde der Text sogar in Ludwigsburg nachinszeniert.
vom Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland veranstaltet wird und für das wir großzügige Unter-
Nach einer engagierten Kooperation mit dem Theater an der
stützung vom KJTZ erhielten. Während des Forums waren wir dann
Parkaue, in Zusammenarbeit mit den Dramaturginnen Eva Stöhr
nicht nur Zaungäste, sondern begleiteten die Diskussionen aktiv,
und Sarah Wiederhold, die uns vor allem auch mit fremdsprachigen
gestalteten ein eigenes Gesprächsformat und nahmen an der Ver-
Texten und Autor*innen wie Luc Tartar und Robin Arthur von For-
leihung der Deutschen Kinder- und Jugendtheaterpreise im Frank-
ced Entertainment zusammengebracht hatten, kehrte die diesjähri-
furter Römer teil. Besonders freuten wir uns über die Verleihung
ge Werkstatt wieder zum Theater Strahl mit Karen Giese und Wolf-
des neu eingerichteten Sonderpreises für Studierende des Szeni-
gang Stüßel zurück. Und erneut wird einer unserer gerade
schen Schreibens, den in diesem Jahr unsere Studierenden Fabien-
entstehenden Textentwürfe in der kommenden Spielzeit am Theater
ne Dür und Vera Schindler erhielten.
Strahl zur Uraufführung gebracht. Außerdem sollen im Rahmen
Dass das Theater Strahl nun kürzlich den Friedrich-Luft-
einer szenischen Lesung sämtliche Stückentwürfe dieser Saison prä-
Preis 2019 zugesprochen bekam und für seine Produktion #Berlin-
sentiert werden.
Berlin co-ausgezeichnet wird, gibt auch uns Anlass zu besonderer
Zwei Highlights aus der jüngsten Werkstatt sind noch hervorzuheben: zum ersten Mal konnten die Studierenden ihre noch
Freude. Am Text hatten auch HASEN-BLUES.STOPP-Autorin Uta Bierbaum und unsere Studierende Sina Ahlers mitgeschrieben.
rohen Texte mit einer Schüler*innengruppe in direktem Austausch besprechen. Ein vom Theater Strahl arrangierter Vormittag schaffte
All diese Erfolge und Errungenschaften verdeutlichen die Lust der
den viel zu selten stattfindenden Kontakt zwischen Autor*innen und
nachrückenden Autor*innengeneration, an der Zukunft des Kinder-
ihrem Zielpublikum. Endlich einmal wurde nicht mehr übereinan-
und Jugendtheaters mitzuwirken. Gleichzeitig aber unterstreichen
der, sondern gemeinsam mit etwa 14-jährigen Schüler*innen über
die Erfahrungen aus fünf Jahren Werkstatt Schreiben für junges Pu-
Stoffe, Inhalte, Formen und vor allem über Lebensrealitäten disku-
blikum die Notwendigkeit, Autor*innen weiterhin zu fördern und
tiert. Die Autor*innen waren begeistert und erstaunt von der Offen-
zu unterstützen. Die Bedeutung des Theaterstücks nicht zugunsten
heit und der Aufnahmefähigkeit ihrer jungen Zuhörer*innen.
von Projektarbeit hinunter zu dimmen und dem Autor*innennachwuchs weiterhin eine Bühne zum Austausch mit Theatermacher*innen zu bieten, wie zum Beispiel auf dem alljährlichen Frankfurter Autor*innenforum, an dessen Gestaltung wir auch künftig teilhaben und mit dazu beitragen wollen, dass das Forum wieder verstärkt zur Börse neuer Texte wird. Auch aus der Feder unserer Studierenden werden zahlreiche Impulse für ein starkes Kinderund Jugendtheater der Zukunft kommen – ein Theater, das kein kleiner Bruder des Abendspielplans mehr ist, sondern mit seinem diversen Publikum manches Mal längst voranschreitet. Claudius Lünstedt ist Autor; seit 2003 mehr als zwei Dutzend uraufgeführte Theaterstücke, die vom Verlag der Autoren vertreten werden. Er unterrichtet am Studiengang Szenisches Schreiben der Universität der Künste Berlin.
SCHWERPUNKT | IXYPSILONZETT | 01.2019 | 21
THEATER FÜR ALLE! ALLTAG IN HESSEN? Ilona Sauer und Ruth Kockelmann im Gespräch über die Studie Darstellende Künste und Schule in Hessen, Stärkung von Netzwerken und Strukturausbau sowie Ausbildung von Theaterlehrer*innen und Theaterschaffenden
Ruth Kockelmann: Theater für ALLE – Alltag in Hessen? Leider
getan. Unter anderem das Hessische Schultheatertreffen zeigt, wie
nein. Aber wir arbeiten daran. Der Landesverband Schultheater in
groß das Interesse daran ist, „Ins Licht“ (Motto des Treffens) zu
Hessen (LSH), hat dies zum erklärten Ziel: Theater in die Schule!
kommen und Inszenierungen mutig auch außerhalb des Schutz-
Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass alle Schüler*innen in allen
raums Schule einer größeren Öffentlichkeit zu zeigen.
Schulstufen und -formen die Möglichkeit erhalten, an schulischen Theaterangeboten teilzunehmen.
Immer noch sind jedoch – besonders in kleinen Systemen wie den Grundschulen – zu viele Kolleg*innen auf sich alleine ge-
Seit 1998 ist Darstellendes Spiel in der gymnasialen Ober-
stellt und um so mehr abhängig von guten Wegweisern in qualitativ
stufe als eines der drei möglichen belegpflichtigen künstlerischen
wertvolle Kooperationen und Partnerschaften. Nach wie vor gilt: Je
Fächer neben Kunst und Musik eingeführt. Aber in der Sekundar-
kleiner die Systeme und je weiter entfernt von den Ballungsräumen
stufe I und der Grundschule spielt Darstellendes Spiel bisher nur
kultureller Bildung, umso wichtiger werden Netzwerke und kom-
eine randständige Rolle im Wahl- und Wahlpflichtbereich, im Lern-
petente Beratung, wird die Koordination von Bildungspartnerschaf-
bereich ästhetische Bildung sowie als Arbeitsgemeinschaft. Und
ten im Bereich Darstellende Künste, so die Studie.
Schüler*innen hat Hessen insgesamt etwa 800.000.
Theater/Darstellendes Spiel muss in der hessischen Bildungslandschaft eine verlässliche Rolle spielen, damit jedes Kind
Ilona Sauer: Alltag in Hessen? Leider nein! Das kann auch ich aus
die Möglichkeit hat, Theater zu spielen und Theater zu sehen. Die
der Perspektive der Darstellenden Künste bestätigen und beschrei-
Schule, vor allem die Grund- und weiterführende Schule, ist der Ort,
ben. Besonders für Kinder und Jugendliche in ländlichen Räumen
der jedes Kind erreicht. Erst wenn die Darstellenden Künste dort
ist die Möglichkeit, die Darstellenden Künste in der Formenvielfalt
strukturell verankert sind, in den Stundentafeln auftauchen, von
kennenzulernen, nach wie vor schwierig und mit hohem Aufwand
Fachlehrer*innen unterrichtet werden, werden alle Schüler*innen
verknüpft. Dies zeigte sich trotz erfolgreicher Programme wie FLUX
die Möglichkeit haben, ins Theater zu gehen und selbst Theater zu
erneut in der Studie Darstellende Künste in Hessen. Theater für ALLE
spielen.
meint nicht nur, dass Schüler*innen in allen Schulstufen dem Theater rezeptiv und produktiv begegnen können: sondern auch, dass es
IS: Um Netzwerke zu stärken und den Strukturausbau zu realisie-
Angebote geben muss, die Kinder und Jugendlichen aus verschie-
ren, müssen in Hessen vor allem die vorhandenen Programme
denen Kulturkreisen und sozialen Schichten erreichen. Hierfür
strukturell abgesichert und gestärkt und die Förderstrukturen zu-
braucht es Ensembles und freie Theater, die die Vielfalt der Kulturen
gleich ausgebaut werden.
auch in ihrer Zusammensetzung und in ihren künstlerischen Konzeptionen spiegeln. Theater für ALLE heißt auch, neue Formen der Begegnung
Dies gilt vor allem für die Freie Szene wie für FLUX, das als Strukturmodell geförderte Gastspiele mit künstlerischer Begleitung, Laboren und Künstlerresidenzen in ländlichen Räumen arbeitet, für
von Kindern und Erwachsenen, Schüler*innen und Lehrer*innen,
das Festival Starke Stücke, für TUSCH – Theater & Schule und für die
Kindern und Künstler*innen sowohl in den Performances und In-
Produktionen und die Vermittlungsarbeit für junges Publikum an
szenierungen, wie auch in den künstlerischen Projekten in Augen-
öffentlich getragenen Theatern (Stadt-, Staats-, Landestheatern). Ver-
schein zu nehmen. Das bedeutet auf Schule, insbesondere auf den
mittlungsarbeit muss bezahlt und von Anfang an mitgedacht werden.
Ganztag, bezogen aber auch, dass sie sich noch weiter öffnen muss, hinein in die Gemeinde und den Stadtraum.
RK: Strukturelle Verankerung des Faches Darstellendes Spiel treibt uns als LSH in unserer ehrenamtlichen Arbeit um, denn wir sind
RK: An Hessens Schulen hat sich – so die Studie – in Bezug auf
überzeugt von der Bildungsbedeutung des Faches Darstellendes
deren Theateraktivität in den vergangenen zehn Jahren sehr viel
Spiel, das Lehrenden wie Lernenden in einer komplexen Didaktik
links und Mitte: Unser Arm gegen uns, JUST Wiesbaden, FLUX Schaufenster 2017. Foto: FLUX; rechts: Stadt_Land_Kind, FLUX Residenzprojekt 2018, Gadernheim. Foto: Willems&Kiderlen
vielfältige Lernpotentiale und Zugangsweisen zu Erkenntnissen und
IS: Aber nicht nur Theaterlehrer*innen brauchen eine gute künst-
Kompetenzen bietet. Sprache, Stimme, Literatur, Körperlichkeit, Be-
lerische Ausbildung, sondern auch die Theaterschaffenden, daher
wegung, bildende Kunst, Musik, Performance, Tanz sowie neue Me-
sollten die Darstellende Künste für Junges Publikum und deren
dien oder andere theatrale Schnittstellen bilden die Grundlagen für
Vermittlung Teil des Lehrplanes in den künstlerischen Studiengän-
ein ästhetisches Produkt, welches am Ende eines Gruppenarbeits-
gen an den Hochschulen sein. Allemal sollten Theaterschaffende,
prozesses einer Öffentlichkeit vorgestellt wird. In dieser Projektar-
die an den Schnittstellen von Kunst und Bildung arbeiten, ihre Ar-
beit erfahren Schüler*innen nicht nur die Höhen und Tiefen künst-
beit reflektieren, sowohl im Hinblick auf das Bildungsverständnis
lerischen Arbeitens, sondern auch, wie wichtig jede*r Einzelne für
wie auch im Hinblick auf die genutzen künstlerischen Formate und
das Gelingen des Produktes ist. Das Fach DS bietet neue Zugangs-
Verfahrensweisen. In der künstlerischen Arbeit in der Schule be-
weisen und Wege, die gleichzeitig eine visionäre Botschaft in sich
deutet das, nicht gegen die Theaterlehrer*innen zu agieren, son-
tragen.
dern mit Ihnen gemeinsam. Am Besten geht das, wenn man zuWeit über 1000 Lehrkräfte haben in den vergangenen zehn Jah-
sammen etwas ausprobiert und auf den Weg bringt, in den
ren das kontinuierliche Weiterbildungsangebot des Hessischen Kul-
Projekten und Laboren, bei den Theaterbesuchen, in gemeinsamen
tusministeriums dazu genutzt, sich für das Fach Darstellendes Spiel
Veranstaltungen und Weiterbildungen, wenn man Grenzüber-
zu qualifizieren. Wir hoffen, dass es in den nächsten Jahren einen
schreitungen wagt und dabei keine Furcht vor Leerstellen hat. Das
grundständigen Lehramtsstudiengang Darstellendes Spiel in Hessen
ist mein Credo als Vermittlerin in der Zusammenarbeit von Dar-
geben wird, viele Abiturient*innen warten auf diese Gelegenheit.
stellenden Künsten und Schule. Auch hierfür war die Studie der ASSITEJ hilfreich.
IS: Inzwischen arbeitet eine neue Generation von Theaterlehrer*innen in Hessens Schulen, die an Verfahrensweisen der zeit-
RK: Wir Theaterlehrer*innen wollen die Potentiale der Theaterkunst
genössichen Darstellenden Künste und an den performativen For-
als Öffnung von Denkhorizonten. Wir interessieren uns für Theater
men der Kunstvermittlung anknüpft. Die ermöglicht neue
als attraktiven, außerschulischen Lernort, wir wünschen uns Thea-
Kooperationsformen zwischen Theatern und Schulen.
terkunst, ohne ästhetische und inhaltliche Vorfestlegungen. Für uns heißt Theater in der Schule, Schüler*innen zu aktiver und kreativer
RK: Die Studie zeigt ebenfalls interessante Zusammenhänge zwi-
Teilhabe am kulturellen Leben – insbesondere an Theater, Tanz, per-
schen Ausbildung und Kooperationsstrukturen: „Wo ausgebildete
formativen Künsten und Film zu befähigen und ihnen Teilhabe zu
Lehrkräfte Darstellendes Spiel unterrichten, werden auch die Ange-
ermöglichen.
bote von TUSCH und FLUX eher wahrgenommen – wo TUSCH und FLUX Impulse in die Schule geben, sind Lehrkräfte offenbar eher motiviert, an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen teilzuneh-
Ruth Kockelmann ist Lehrerin mit den Fächern Darstellendes Spiel, Deutsch, Biologie; Teamerin
men und Schulleitungen unterstützen dies. Und nur fachlich qua-
im Weiterbildungskurs Darstellendes Spiel sowie Vorsitzende des Landesverbandes Schultheater
lifizierte Lehrkräfte wiederum können den entsprechenden Fachun-
Hessen (LSH).
terricht abdecken, den Schulleitungen dann ermöglichen, wenn sie das hohe Bildungspotential von Theater erkennen und sich die Be-
Ilona Sauer führte 2006 für die ASSITEJ e.V. die erste Studie Theater und Schule in Hessen durch.
geisterung zu eigen machen.“
Seit 2008 leitet sie das Projekt FLUX. Theater in Hessen unterwegs. Theater für Schulen.
SCHWERPUNKT | IXYPSILONZETT | 01.2019 | 23
SHOULD I STAY OR SHOULD I GO? Publikumsgespräche als künstlerische Vermittlungsformate in den Darstellenden Künsten Von Swetlana Gorich und Nikola Schellmann Wie können Künstler*innen und Zuschauer*innen sich jenseits einer Foto: Jörg Farys
konventionellen, moderierten Gesprächsrunde über das Erlebte austauschen? Wie kann dieser Austausch so vielfältig und experimentfreudig gestaltet werden wie die
um ihre Erfahrungen in Bezug auf die Durchführung und Konzeption der Formate zu reflektieren. Das Handbuch fungiert mit den ausgewählten Formaten „Das unbeschriebene Blatt“, „Kartographie“, „Mobiler Nach(t)spaziergang“, „Response To Go!“, „Retrospektive Improvisation“, „Sag mir, wo du stehst?!“, „SichtWeisheiten“ und „Soziale Choreografie“ als praktisches Werkzeug für Kulturakteur*innen, die sowohl eingeladen sind, mit den Autor*innen Kontakt aufzunehmen als auch die Formate selbst durchzuführen. Sechs dieser Formate werden bei Augenblick mal! Das Festival des Theaters für junges Publikum vom 7. bis 12. Mai in Berlin von Marie Golüke, Carolin Kister, Kai Padberg, Alisa Tretau sowie der Gehei-
Kunstformen, die in den Freien darstellenden
men Dramaturgischen Gesellschaft (Jonas Feller, Anna-Sophia Frit-
Künsten vertreten sind?
ans Festival, die ‚Ausbildung’ als Kulturvermittler*in und ihre Er-
sche, David Vogel) durchgeführt: wir haben über ihre Erwartungen fahrungen mit den Formaten gesprochen.
2016 rief das Performing Arts Programm Berlin (PAP) Kunstver-
Inwiefern stellen die Formate im Hinblick auf die Entwicklung für junges
mittler*innen, Künstler*innen und Interessierte dazu auf, Ideen für
Publikum eine Herausforderung dar? Ist das eine Besonderheit in eurer
neue, experimentelle Austauschformate jenseits des klassischen Pu-
Vorbereitung auf die Durchführung?
blikumsgesprächs einzureichen. Zwischen Publikum und Bühne. Ver-
Marie Golüke: Für das Format „SichtWeisheiten“ sollten hier Fragen
mittlungsformate für die freien darstellenden Künste heißt das Hand-
gesucht werden, die nicht zu analytisch oder theoretisch erscheinen,
buch, welches das PAP im November 2018 veröffentlicht hat: Darin
da das junge Publikum sonst schnell das Interesse verlieren könnte. Es
werden acht experimentelle Formate der Kunstvermittlung vorge-
müssen Fragen sein, die aufregend und impulsiv zu beantworten sind
stellt, die in der freien Tanz- und Theaterszene Berlins getestet und
und trotzdem das Denken herausfordern. In der Vorbereitung versuche
weiterentwickelt wurden. Mit Hilfe der beratenden Unterstützung
ich Fragen zu finden, die ein junges Publikum beschäftigen könnten.
von Ute Pinkert (Professorin für Theaterpädagogik an der Univer-
Carolin Kister und Kai Padberg: Nach einer Aufführung stellen wir
sität der Künste Berlin) wurde nach Formaten gesucht, die die Küns-
dem Publikum im Format „Sag mir, wo du stehst?!“ Fragen oder stel-
te und ihre Prozesshaftigkeit in den Vordergrund stellen, die zum
len Thesen in den Raum. Als Reaktion positioniert sich das Publi-
Austausch und Artikulieren der individuellen Eindrücke und Wahr-
kum in einem von zwei Feldern im Raum und wir haken nach:
nehmungen anregen und ermächtigen. Gesucht wurden aber auch
Wieso stehst du hier? Bist du anderer Meinung als die Person im
Formate, die sich überwiegend an ein erwachsenes Publikum rich-
benachbarten Feld? Es gibt es keine richtige oder falsche Antwort,
ten und unkompliziert direkt vor oder nach einer Vorstellung um-
aber viel zu erzählen und zu diskutieren. Bei Aufführungen im Kin-
setzbar sind.
dertheater haben wir gelernt: kurze, präzise Fragen stellen, die Span-
Der Entwicklungsprozess wurde von Anfang an als ein Ex-
nung halten und nicht nur reden, sondern zwischen den Fragen
perimentierlabor gedacht: Die ausgewählten Formate wurden zwi-
auch mal eine Runde mit allen Kindern durch den Raum rennen.
schen 2016 und 2018 in der Berliner freien Szene getestet und die
Besonders Kinder freuen sich nach längerem Sitzen über die Mög-
Autor*innen nahmen an regelmäßigen Werkstattgesprächen teil,
lichkeit zur Bewegung im Raum.
Im Rahmenprogramm von Augenblick mal! Das Festival des Theaters für junges Publikum, das im Mai an verschiedenen Orten in Berlin stattfindet, werden mit den Formaten des PAP alle Gastspiele reflektiert: 8.–12. Mai, 12:30–14:30 Uhr, Studiobühne im THEATER AN DER PARKAUE. Let’s face a different kind of Publikumsgespräch! Einlasskarten sind erforderlich; eine Aufteilung auf die Formate erfolgt vor Ort. Als Ergänzung stellen Nathalie Frank und Swetlana Gorich am Freitag, 10. Mai von 15–16 Uhr das Handbuch und die Arbeit von Theaterscoutings Berlin vor. Zeitplan und weitere Informationen unter www.augenblickmal.de
Wir sind der Meinung, dass die Eindrücke von Kindern und
lassen. Es geht also darum zu lernen, als Vermittler*innen, Thea-
Jugendlichen zu einer Aufführung genauso viel Beachtung und
terscouts, Theaterpädagog*innen, Künstler*innen oder sonst frem-
Wertschätzung verdienen wie die Äußerungen ihrer erwachsenen
de Personen die Publikumsgemeinde zu einem Nachgespräch unter
Mitzuschauer*innen. In diesem Sinn ist unser Format kein speziel-
Fremden verführen, das sich aktiv abgrenzt von dem, was Zuschau-
les für Kinder und Jugendliche, sondern sieht Kinder und Jugend-
ende gemeinhin unter Publikumsgespräch kennen.
liche als gleichberechtigen Teil einer Theateröffentlichkeit.
MG: Ich habe gelernt, wieviel meine Arbeit wert sein kann – auch finanziell gesehen.
Inwiefern kann die Arbeit mit dem PAP eine ‚Ausbildung‘ sein? Auf wel-
CK und KP: Die Entwicklung und die Testläufe des Formats waren
che Erfahrungen und welches Wissen aus eurer Ausbildung (Studium,
eine Art Mini-Ausbildung: Wir haben es bei den unterschiedlichsten
künstlerische Praxis etc.) konntet Ihr während der Testphase eurer Ver-
Aufführungsarten, Publika und Spielstätten erprobt und weiterent-
mittlungsformate zurückgreifen?
wickelt. Das Format selbst hat uns in diesem Sinne zu Expert*innen
MG: Bei den verschiedenen Gesprächen kann ich lernen, auf was
für Nachgesprächsformate gemacht.
ich achten muss und mich somit weiterbilden – sowohl was das eigene Format, als auch den Umgang mit Menschen angeht und wie
Seht Ihr Kunstvermittlung als Erweiterung der Künste oder als eine ei-
man am besten ein Gespräch aufbaut. In meinem Studium habe ich
genständige, unabhängige Form? Was wünscht Ihr euch für diese Tätig-
viele Publikumsgespräche gesehen, die mir nicht gefallen haben
keit (im Sinne einer Ausbildung oder als Berufsfeld)?
und eher an Vorträge erinnerten. Mir ist oft aufgefallen, dass die Mo-
MG: Ich finde es ist beides. Ich würde mir wünschen, dass auch die
derator*innen alleine mit den Künstler*innen reden und sich dann
Theater in der freien Szene die Tätigkeit mehr würdigen, auch in fi-
niemand mehr traut, etwas zu sagen. Dabei kommt es doch darauf
nanzieller Hinsicht. Bis jetzt ist es für sie und auch für die Künst-
an, dass das Publikum sich beteiligt! Als Künstlerin interessiert mich
ler*innen kostenlos. Man sollte es mehr als Teil der Aufführung oder
doch besonders das Feedback der Zuschauer*innen und nicht un-
als Teil des Hauses sehen und nicht nur als den ‚Einkauf‘ von je-
bedingt nur das Feedback der Moderation.
mandem, die* von außen kommt und ein Gespräch führt.
Geheime Dramaturgische Gesellschaft: Wir haben gelernt, dass die
GDG: Wir haben gelernt, unsere eigene Rolle im Tun als Geheime
Ansprache nach dem Applaus (wenn wir das Format erklären) der
Dramaturgische Gesellschaft zu klären: Wir sehen uns als künstle-
Knackpunkt ist, denn das Publikum entscheidet sich in diesem Mo-
rische Vermittler*innen weder als Teil des Inszenierungsteams noch
ment: „Should I stay or should I go“. Sie sollte kombinieren: Kna-
der Spielstätte. Dennoch sind wir Gastgeber*innen unseres For-
ckige und präzise Erläuterung des Formats, Neugierde wecken und
mats, darin Zuhause und dafür verantwortlich.
dabei die Hürden klein halten.
Die Instanzen der Spielstätte und der Künstler*innen sind machtvolle Partner*innen. Je mehr beide über das Format Bescheid
Was habt Ihr durch die Zusammenarbeit mit dem Performing Arts Pro-
wissen und selbst darauf Lust haben, desto mehr Menschen lassen sich
gramm gelernt? Inwiefern seht Ihr das als weiteren Ausbildungsschritt
mitreißen. Daher ist es sinnvoll, beide vorher gut über das jeweilige
für euch selbst?
Format zu informieren und ihre Position innerhalb dessen gemeinsam
GDG: Die Testläufe des Handbuch-Projekts zeigten uns, dass nicht
abzusprechen. Diesen Austausch wünschen wir uns verstärkt.
jede*r so selbstverständlich und gerne (und noch dazu gleich im Anschluss an die Aufführung) über Theater spricht, wie wir als Ge-
Swetlana Gorich ist seit 2016 Mitarbeiterin im Bereich Publikumsgenerierung und Vermittlung des
heime Dramaturgische Gesellschaft. Viele Zuschauer*innen wollen
Performing Arts Programm Berlin.
das Erlebte für sich „sacken lassen“, „lieber mit ihren Freund*innen
Nikola Schellmann ist Mitarbeiterin des KJTZ für Kommunikation und Fachdiskurs und konzipierte
bei Wein besprechen“ oder sich von den Künstler*innen erklären
mit Annett Israel und Anna Eitzeroth das Rahmenprogramm für Augenblick mal! 2019.
SCHWERPUNKT | IXYPSILONZETT | 01.2019 | 25
EINE EVALUATION UND VIELE OFFENE FRAGEN Wachsende Zuschauer*innenzahlen und eine Förderung, die die Szene nicht erreicht Von Anne Schneider
Die Evaluation des Kinder- und Jugendtheaters in Berlin liefert wichtige Erkenntnisse, bleibt aber schwach bei konkreten Handlungsempfehlungen
haben SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/Die Grünen fest vereinbart, die professionellen Kinder- und Jugendtheater der Stadt durch eine Erhöhung der Fördermittel zu stärken. Im September 2017 erhielten die Vertreter*innen der Szene die Gelegenheit, in einer Anhörung des Berliner Abgeordnetenhauses ihre Situation darzulegen. Stellvertretend für die AG „Runder Tisch der freien Kinder- und
Die Landschaft des Berliner Kinder- und Jugendtheaters ist einzig-
Jugendtheater“ des Berliner Landesverbandes der freien darstellen-
artig und braucht eine deutlich stärkere Förderung. In diesem Punkt
den Künste (LAFT Berlin) stellte Vera Strobel (Theater o. N.) kon-
sind sich die Vertreter*innen der Szene, Politik sowie Expert*innen
krete Vorschläge und Forderungen vor und im Ergebnis der An-
einig. Um die spannende Frage, wie künftige Förderszenarien aus-
hörung wurden verschiedene Ad-hoc-Maßnahmen beschlossen.
sehen sollen, wird noch gerungen. Einen wichtigen Impuls erhoff-
Auch der Auftrag, die Evaluation durchzuführen, basiert auf der
ten sich Politik, Verwaltung und Szene von einer Evaluation des Kin-
politischen Bereitschaft, eine systematische Verbesserung für die
der- und Jugendtheaters in Berlin, die Anfang 2019 in Berlin
Kinder- und Jugendtheaterlandschaft zu erreichen.
vorgestellt wurde. Die Berliner Senatsverwaltung hatte das Kinder-
Die vorliegende Studie, die der Szene sowie der Fachöffent-
und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland
lichkeit Anfang des Jahres vorgestellt wurde, stützt sich im Wesent-
(KJTZ) mit dieser Studie beauftragt, die das KJTZ in Zusammenar-
lichen auf die qualitative Analyse einer Online-Befragung unter 69
beit mit dem Zentrum für Kulturforschung Berlin und der Agentur
Theaterbetrieben (mit einem Rücklauf von 37 verwertbaren Frage-
Kulturgold Stuttgart in der zweiten Jahreshälfte 2018 erarbeitet hat.
bögen) sowie von 23 leitfadengestützten Expert*innen-Interviews.
Die fast 80-seitige Studie liefert zahlreiche Belege für den zusätzli-
Die quantitative Erhebung liefert eine ausdifferenzierte Zahlen-
chen Förderbedarf der Kinder- und Jugendtheaterlandschaft, aber
grundlage. Die an der Umfrage beteiligten 37 Theaterbetriebe stehen
was die Schlussfolgerungen für eine zukünftige Ausgestaltung des
für rund 5.000 Aufführungen mit fast 550.000 Besucher*innen.
Fördersystems anbelangt, bleibt die Studie vage und kulturpolitisch
Zahlenübersichten geben Auskunft zu Sparten, Publikum, Personal
wenig anschlussfähig.
und wirtschaftlichen Kennzahlen. Besonders interessant ist eine
Doch zunächst zur Ausgangslage. Berlin hat eine starke, aus-
Übersicht zur Vielzahl der Förderinstrumente auf Bundes-, Landes-
differenzierte, traditionsreiche und innovative Kinder- und Jugend-
und bezirklicher Ebene und darüber, in welchem Maße die befrag-
theaterszene. Der Jugendkulturservice Berlin führt insgesamt mehr
ten Berliner Akteur*innen von diesen Programmen profitieren. Die
als 80 professionelle Theater und Einzelkünstler*innen. Neben vier
Übersicht belegt das große Gefälle zwischen den institutionell ge-
großen institutionell geförderten Bühnen gibt es mehr als 75 freie
förderten Einrichtungen sowie den mittleren Theatern und jenen
Gruppen und Einzelakteur*innen. Das Spektrum der Arbeitsweisen
Theaterbetrieben ohne eigene Spielstätte. Das durch die Befragung
und Ästhetiken ist extrem breit. Doch die Herausforderungen sind
ermittelte durchschnittliche Jahreseinkommen in Höhe von 12.780
groß und so heterogen wie die Szene selbst, vor allem im Bereich
Euro ist ein weiterer deutlicher Beleg für die prekäre Arbeitspraxis
der Freien Szene: Eine viel zu geringe Zahl der freien Akteur*innen
der befragten professionellen Akteur*innen und ein wichtiges Indiz
profitiert von den Förderprogrammen und eine Mehrzahl der Ak-
für den akuten Handlungsbedarf. Bei der wirtschaftlichen Betrach-
teur*innen arbeitet und lebt unter prekären Bedingungen. Zusätz-
tung des Kinder- und Jugendtheaters spielt eine große Rolle, dass
liche Räume für Proben und Vorstellungen fehlen und insbesondere
bei der Gestaltung der Kartenpreise systembedingt nur geringe
auf der bezirklichen Ebene braucht es mehr Unterstützung. Die Po-
Spielräume bestehen, was häufig zu Lasten der Akteur*innen geht.
litik hat den dringenden Handlungsbedarf längst erkannt. In ihrer
Die ausführliche qualitative Analyse der Leitfadeninterviews be-
Koalitionsvereinbarung für die Legislaturperiode 2016 bis 2021
schreibt dezidiert Herausforderungen und Handlungsbedarfe.
Anne Schneider. Foto: petite machine
Diese Analyse wird komplettiert durch Essays zu Schauspiel, Pup-
ses Modells schuldig bleiben. Im dritten Szenario wird dann schließ-
pen- und Objekttheater, Kindermusiktheater und Tanz.
lich eine Kombination aus den ersten beiden Ansätzen vorgeschla-
Wer sich einen Überblick über die Landschaft des Kinderund Jugendtheaters in Berlin, deren wichtigste Kennzahlen, Poten-
gen, was mit Blick auf den konkreten Handlungsbedarf wenig hilfreich ist.
tiale und die verschiedenen Problemlagen machen möchte, findet
Trotz aller Kritik finden sich vor allem im Zahlen- und Ana-
in der Evaluation eine durchaus brauchbare Arbeitsgrundlage. Kri-
lyseteil zahlreiche substantielle Belege für die Situation des Kinder-
tisch anzumerken ist, dass die nicht unerhebliche Gruppe von pro-
und Jugendtheaters in Berlin sowie gewichtige Argumente, den in
fessionellen freien Einzelkünstler*innen, die auch für Kinder- und
Berlin eingeschlagenen Weg zur Stärkung der Szene konsequent
Jugendliche bzw. mit einem jungen Publikum arbeitet, nicht Be-
weiterzugehen. Für die konkrete Ausgestaltung dieses Weges
standteil der Analyse gewesen ist. Und dass im Rahmen der Studie
braucht es jetzt schnell gute Gespräche zwischen den Ver-
– insbesondere mit Blick auf die konkreten weiteren Schritte – weder
treter*innen der Szene auf der einen Seite sowie Politik und Verwal-
dezidiert mit den Interessenvertretungen der Szene noch mit der
tung auf der anderen Seite.
Verwaltung gesprochen wurde, um bereits bestehende Lösungsansätze einzubeziehen. Eine qualitative Analyse des bestehenden För-
In einem aktuellen Positionspapier zu der Evaluation hat eine Ini-
derinstrumentariums – einschließlich der beiden Förderinstrumen-
tiativgruppe der wichtigsten Interessenvertretungen zehn konkrete
te, die 2018 explizit für die Szene der Kinder- und Jugendtheater neu
Punkte ins Gespräch gebracht. Zu den Forderungen gehören die Be-
hinzugekommen sind – wäre ebenso wünschenswert. Auch zu der
zahlung nach den aktuellen Tarif- und Honorarverordnungen bzw.
spannenden Frage, warum so wenige freie Akteur*innen aus dem
den empfohlenen Honoraruntergrenzen des LAFT bzw. BFDK
Bereich des Kinder- und Jugendtheaters von den bestehenden För-
sowie die Sicherung und Weiterentwicklung dezentraler Spielstätten
derinstrumenten für die freie Szene profitieren, zur Förderung auf
und Produktionsorte. Wenn wir nicht wollen, dass immer mehr
bezirklicher Ebene, zu den vermuteten ‚blinden Flecken‘ der Kul-
mobile Theater und Einzelkünstler*innen ihren Arbeitsschwer-
turversorgung sowie zum Mangel an Probenräumen und Spielorten
punkt außerhalb Berlins suchen, müssen wir dafür sorgen, dass sie
finden sich in der Evaluation keine oder nur unzureichende Hin-
in den Berliner Bezirken wieder genügend Aufführungsmöglich-
weise.
keiten haben – und das bedeutet, Spielorte, die sowohl technisch gut Überaus allgemein bleibt die Studie auch bei den konkreten
ausgestattet sind und über die nötigen Programmmittel verfügen,
Schlussfolgerungen. Die Autor*innen entwickeln eine halbherzig
so dass kein*e Künstler*in mehr auf eigenes wirtschaftliches Risiko
hergeleitete und nur unzureichend begründete Empfehlung von
auftreten muss. Wir haben sehr konkrete Vorschläge dazu im Ge-
drei Förderszenarien. Das erste Szenario beschreibt mit Blick auf
päck und hoffen auf einen konstruktiven Dialog mit schnellen Er-
die Förderlandschaft ein „Weiter so, mit punktuellen Modifikatio-
gebnissen“, kommentiert. Dagmar Domrös vom Runden Tisch der
nen“. Obgleich es sich bei diesem Szenario um den schlüssigsten
freien Kinder- und Jugendtheater die Situation. Vor allem mit Blick
Ansatz handelt, machen die Autor*innen deutlich, dass sie diesen
auf den nächsten Doppelhaushalt bleibt spannend, wie Politik und
Weg keineswegs präferieren. Das zweite Szenario empfiehlt – völlig
Verwaltung nun auf die konkreten Impulse aus der Szene reagieren.
an den Bedarfen der Szene vorbei – die Konzentration auf eine reine Abspielförderung. Bei diesem völlig abwegigen und überaus nachteiligen Modell der Förderung – das zudem einen kompletten Systemwechsel darstellen würde – liegt ganz augenscheinlich die größte
Anne Schneider ist gemeinsam mit Stephan Behrmann als Geschäftsführung des Bundesverbands
Sympathie der Autor*innen, die in der Evaluation sowohl eine nach-
Freie Darstellende Künste tätig und arbeitet als freie Regisseurin, u. a. am Lichthof Theater Ham-
vollziehbare Herleitung als auch eine ausführliche Erläuterung die-
burg, am Ballhaus Ost und am Theater unterm Dach.
ASSITEJ | IXYPSILONZETT | 01.2019 | 27
„DA STECKT VIEL HERZBLUT DRIN“ Die Gründung der ASSITEJ in der Bundesrepublik Deutschland
Volker D. Laturell war 1966 einer der Gründer der ASSITEJ in der alten Bundesrepublik. Im Gespräch mit Wolfgang Schneider berichtet er von den Beziehungen im Kinder- und Jugendtheater zwischen Ost und West, von persönlichen Begegnungen und von der großen Politik.
allem war es schwierig zu sagen: Freunde Ihr müsst nicht alle dieselben Fehler machen! Schließen wir uns doch zusammen, reden wir drüber, welche Erfahrungen ihr habt. Alle wollten irgendwie etwas bekommen, aber nichts einbringen. Manche hatten große Schwierigkeiten ihren eigenen Betrieb am Laufen zu halten. Die erste Frage war dann immer: Wo gibt es Zuschüsse? Da sagte ich, ohne eine juristisch greifbare Organisation gibt es auch keine Zuschüsse. WS: Und dann gab es eine Gründungsversammlung? VL: Ja, die war in Nürnberg. Die Unterlagen habe ich alle hier und stelle sie gern auch dem Archiv des Kinder- und Jugendtheaterzentrums in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung. Ich hatte von Anfang an die Idee, alles zu sammeln. Ich habe auch eine Unmenge Fotos. Hier ist zum Beispiel Natalija Saz, die Textdichterin von Peter und der Wolf.
Volker D. Laturell: Als Leiter der Verwaltungs- und Personalabtei-
Und das hier ist Konstantin Shakh-Azizov, der zweite Präsi-
lung der Münchner Kammerspiele war ich auch zuständig für das
dent der ASSITEJ ab 1968. Daneben Wiktor Rosow, der war bei uns
damalige Theater der Jugend. Über den damaligen künstlerischen
mehr als Drehbuchautor für Filme bekannt. Er ist aber ein
Leiter Sigrid Jobst kam ich zu Hanswalter Gossmann, der das Nürn-
großer Autor von Kinderstücken in der Sowjetunion gewesen. Ilse
berger Theater betrieb. So kannte man sich. Der holte mich in die
Rodenberg war auf diesem Bild, das bei der ASSITEJ-Generalver-
Truppe, weil es eine Zeit war, in der das Theater für Kinder und Ju-
sammlung in Venedig aufgenommen wurde, nicht dabei.
gendliche aufkeimte. Es wurden viele neue Theater gegründet, aber
WS: Ich habe Natalija Saz fast 90-jährig in Moskau treffen dürfen
was eben fehlte war eine Vereinigung, ein Zusammenhalt. Und mit
in ihrem Haus, das im internationalen Jahr des Kindes gebaut wor-
der Verwaltung und organisatorischen Dingen hatte niemand was
den war. Ilse Rodenberg war nicht nur beim ersten Frankfurter Au-
am Hut. Hanswalter Gossmann schon gleich gar nicht.
torenforum, sondern auch beim Festival Augenblick mal! zu Gast.
Wolfgang Schneider: Der war Regisseur.
Für die Vereinigung der beiden ASSITEJ-Zentren haben wir uns
VL: Ja, und er spielte selber, nicht nur auf dem Theater. Und jetzt
zwei Jahre Zeit gelassen und versucht Traditionen wie das Interna-
suchte er jemanden, der eben das Ganze irgendwie zusammen
tionale Regieseminar und die Werkstatt-Tage fortzuführen.
bringt. Und so reisten wir von Tagung zu Tagung und von Festival
VL: Am Anfang war es schwierig mit der ASSITEJ, weil es viele
zu Festival usw. Ob das der Deutsche Bühnenverein in Essen war
Leute gab, die mit Verwaltung und Ordnung eigentlich überhaupt
oder die Dramaturgische Gesellschaft in Salzburg, wir fuhren
nichts zu tun hatten. Regeln, Beschlüsse, da hatten die Leute keine
herum und referierten in Bad Segeberg, in Marl-Hüls und anderswo
Lust drauf. Es wurde eher darüber gejammert, wie schwierig das
und bereiteten die Gründung der ASSITEJ vor. Die Geschichte der
alles mit dem Jugendtheater ist, als das man zum Beispiel zusam-
ASSITEJ beginnt ja eigentlich in Frankreich. Dort gab es schon 1957
mengearbeitet hat. Aber auch die Stücke spielten eine Rolle bei den
die „Association des amis de theatre pour les enfants“.
Diskussionen. Ich erinnere mich noch an Der letzte Märchenwald,
Es war eine sehr schwierige Zeit, denn jeder, der ein Kinder-
das ich 1968 in Amsterdam kennen lernte. Diese ganzen Märchen-
und Jugendtheater betrieb, gab vor, es erfunden zu haben. Es ging
figuren. die flüchten alle in einen Wald, in den letzten Märchenwald.
also darum, den Leuten klar zu machen, dass da in den anderen Städ-
Dann kam 1968. Das Kindheitsbild änderte sich vollkommen. Und
ten andere sitzen und dass es gemeinsame Interessen gibt. Und vor
gleichzeitig ging es darum, wie man einander unterstützen kann,
Hanswalter Gossmann (Leiter des Theaters der Jugend
v.l.n.r. Volker D. Laturell, unbek. (Leiter eines Kinder-
Nürnberg u. Vors. Der Sektion BRD der ASSITEJ) im
u. Jugendtheaters in der DDR), Ilse Rodenberg, Hans-
Gespräch mit Ilse Rodenberg, vor Sitzungsbeginn bei
Dieter Schmidt (Leiter des Theaters der Jungen Welt
der Eröffnungssitzung der V. Generalversammlung der
Leipzig) vor dem Gebäude der ehem. Volkskammer
ASSITEJ am 20.4.1975 in Ost-Berlin (DDR) in der
der DDR nach der Eröffnungssitzung der V. General-
ehem. Volkskammer der DDR.
versammlung der ASSITEJ am 20.4.1975 in Ost-Berlin (DDR). Fotos: Archiv V. Laturell
z.B. auch indem Teile der Ausstattung weiter gegeben werden, aber
ten eher persönliche Kontakte eine große Rolle. Es gibt eine nette
das wollten nur wenige Regisseure.
Anekdote: Bei der Generalversammlung der ASSITEJ 1966 in Prag
WS: Und die Idee, Theater für Kinder zu machen hat sich durchgesetzt.
stand auf unseren Namensschildern „NSR“ und ich wusste nicht,
VL: Die Aktivitäten der einzelnen Theater waren die Grundlage. Es
dass dies „Bundesrepublik Deutschland“ auf Tschechisch hieß. Ilse
ging jetzt darum, das zusammen zu bringen. Manche Theaterleute
Rodenberg fragte:
glaubten, sie müssten die Kinder und Jugendlichen ans Theater he-
„Vertragen sie einen guten Witz?“
ranerziehen. Da habe ich schon 1976 mit einem Vortrag widerspro-
„Ja, immer.“
chen und die ästhetische Erziehung als Gesamtkonzept beschrieben.
„NSR, das steht für Nicht Sozialistische Republik.“
Stück, Bühnenbild, Musik, aber auch das Programmheft sind Teil
„Frau Rodenberg, Sie verzeihen, aber dann bedeutet das
dieser ästhetischen Erziehung. Ein Hauptanliegen von mir war aber, dass es nicht um zukünftige Abonnenten geht. Das ist nicht der Zweck, sondern: Was kann ich für die Kinder tun? WS: Und war das damals auch eine Frage, wie kommt man an Leh-
tschechische NDR wohl Nicht Demokratische Republik.“ Dann hat sie erst einmal gestutzt, musste herzlich lachen und von da an waren wir Freunde. Eines meiner größten Projekte war 1967 eine internationale
rer und Schulen als Partner?
Ausstellung mit 59 Theatern aus 18 Ländern. Eine Delegation aus
VL: Also Begriffe wie Theaterpädagogik oder solche Dinge waren
Russland kam extra mit Aeroflot über Berlin nach München. Später
damals völlig neu. Wir waren diejenigen, die solche Begriffe über-
wurde sie auch in Spa (Belgien) gezeigt. Ich wollte mit der Ausstel-
haupt erst in die Diskussion gebracht haben. Wir brauchten Leh-
lung zeigen, dass es Kinder- und Jugendtheater schon an vielen
rer, die Interesse am Theater haben und soweit gebildet sind, den
Orten, auch in Deutschland, gibt.
Kindern zu vermitteln, was da alles passiert. Theatergeschichte
Ich habe Theater angeschrieben in allen Sprachen, die ich
und -technik kann man vermitteln, aber es begann damals auch,
selbst konnte oder die mir jemand übersetzen konnte. Und das erste
dass aktuelle politische Themen oder soziale Situationen wichtig
Material, was ich nach 40 Tagen bekam, war vom Kinder- und Jugend-
wurden. Theater war schon seit es existiert immer gesellschaft-
theater in Baku/Aserbaidschan. Nach Belgien habe ich 1967 alles mit
lich engagiert. Ich finde, für Kinder und Jugendliche muss man
meinem eigenen Auto transportiert und staunte nicht schlecht, als
genauso spielen wie für Erwachsene, nur besser, wie es vor über
man mir Soldaten zur Verfügung stellte, um beim Aufbau zu helfen.
100 Jahren schon Konstantin Stanislawski ausdrückte. Kinder
WS: Da steckt viel Herzblut drin, viel ehrenamtliches Engagement.
sind sehr kritisch. Sie erfassen das sagenhaft schnell. Ich bin im
VL: Und viel Geld. Die Reisen musste ich damals fast alle selber zah-
Theater der Jugend wahnsinnig gern in der Vorstellung immer
len. Zum Glück hatte ich einen verständnisvollen Chef und war auch
im Rang oben am ersten Platz gesessen, weil man von dort gut
mit dem Oberbürgermeister Georg Kronawitter befreundet. So
die Gesichter im Publikum sehen konnte und die Reaktionen.
konnte ich einmal eine als Dienstreise für drei Wochen nach Kanada
Also wie wirkt Theater auf Kinder? Ich bin als Zuschauer Teil der
und in die USA machen. Das war 1972 die dritte Generalversamm-
Aktion.
lung der ASSITEJ in Montreal und Albany. Wir sind in 80 Bussen
WS: Gab es damals auch schon internationale Kontakte?
von Montreal nach Albany gebracht worden. Die Delegation aus
VL: Ja, das kam über verschiedene, internationale Tagungen. In
Deutschland war recht groß, auch durch Kontakte zur Münchner
Frankreich gab es schon früh einen Zusammenschluss der Kinder-
Theatergemeinde, und weil ich das europaweit ausgeschrieben
und Jugendtheater, den Rose-Marie Moudouès initiiert hatte. Die
hatte. Selbst die Kollegin aus Zagreb flog dann über München mit.
Kontakte Richtung Osten waren am Anfang schwierig und da spiel-
Es reisten aus der Bundesrepublik 17 Leute an.
v.l.n.r. Natalia („Natascha“) Saz (Vors. d. Allunionsrates d. Sowjet. Kinder- u. Jugendtheater), Viktor Rozow (Verfasser v. Bühnenstücken u. Filmdrehbüchern, Staatspreisträger), Konstantin Jasonovic Shakh-Azizov (damaliger ASSITEJ-Präsident), Volker D. Laturell (Delegierter Sektion BRD der ASSITEJ) am 20.10.1970 beim Empfang für die Delegierten bei der III. Generalversammlung der ASSITEJ vom 17.–24.10.1970 in Venedig. Foto: Archiv V. Laturell
WS: Und saßen Sie als Delegationen der beiden deutschen Sektio-
Thema. Ohne diese vielen persönlichen Kontakte hätte ich auch die
nen dann in der Versammlung nebeneinander?
Materialien für das Archiv gar nicht sammeln können.
VL: Mehr als das. Ich erzähle Ihnen aus Prag, auch 1972. Dort waren
WS: Es ist interessant zu erfahren, dass es nicht nur eine formale
keine Stimmzettel vorbereitet und es ging um die Erhöhung der Mit-
Vereinsgeschichte gibt, sondern Vieles auch aufbaut auf menschli-
gliedsbeiträge und Ilse Rodenberg und Hanswalter Gossmann
chen Beziehungen und grenzüberschreitenden Begegnungen.
haben einen gemeinsamen Stimmzettel ausgefüllt. Oben DDR: Ja.
VL: Hans-Dieter Schmidt hat mich eingeladen zum 25-jährigen Ju-
Unten: BRD: Nein. Die ASSITEJ in der DDR hatte als staatliches
biläum vom Theater der Jungen Welt. Wir wurden alle einzeln auf
Amt einen Haufen Geld und Ilse Rodenberg war dafür. Wir hatten
die Bühne gebeten und übergaben Geschenke. Am nächsten Tag
kein Geld und haben dagegen gestimmt. Und jetzt las Madame
habe ich es schriftlich bekommen: Wann immer ich mich in Leipzig
Moudouès, sie war ja die Generalsekretärin damals, den Stimmzet-
aufhalte, habe ich eine Auftrittsverpflichtung im Theater der Jungen
tel. Sie schaute sich das an und sagte: „Oh, pardon, une sensation.“
Welt. Und als ich 1971 mit den Münchner Kammerspielen in Rumä-
„Centre Democratique Allmande: Oui.“ Dann kamen wir. „Federal
nien auf Gastspiel war, wurde ich im Teatrul-Mio in Bukarest gleich
Republic: Non.“ Dann war erst einen Moment Stille und dann ein
auf der Bühne begrüßt und musste den slawischen Nationaltanz
Riesenbeifall. Und dieses Gemeinsame, auch dass DDR und Bun-
„Hora“ mittanzen – mit großem Beifall der Kinder im Publikum.
desrepublik beide im Executive Committee vertreten waren, hat uns
Und von da durfte ich immer wieder Gastspiele organisieren, vor
am Anfang in der ASSITEJ auch Anerkennung gebracht. Es gab zu
allem mit Volksmusik- und Gesangsgruppen in meinen letzten Be-
diesem Zeitpunkt nur drei internationale Organisationen auf der
rufsjahren.
ganzen Welt, wo beide Länder vertreten waren: Die Interparlamen-
WS: Und wie steht es um Ihre Beziehungen zum Theater der Ju-
tarische Union, die UNESCO und die ASSITEJ. Auch das ist Ge-
gend in München?
schichte der ASSITEJ.
VL: Ich habe gegen die Privatisierung der Münchner Kammerspiele
WS: Es geht ja das Gerücht, das, glaube ich, Ilse Rodenberg selbst
gekämpft, obwohl ich bei der Stadt angestellt war. Da kam dann –
in die Welt gesetzt hat, dass in ihrem Zimmer in Ostberlin die west-
mit Verlaub – der Sozi in mir durch. Die Kammerspiele sind heute
deutsche Sektion gegründet worden sei.
noch städtisch, aber ich musste das Theater verlassen. Das war 1974.
VL: Das stand eine Weile so im Raum als Geschichte, aber es war
Aber ich blieb dem Theater verbunden. Ich bin seit 1979 Mitglied
1970 dann alles ganz offiziell mit Einladung, Protokoll und Amts-
des Feldmochinger Volkstheaters und von 1979 bis 1999 war ich als
gericht. Die Kontakte zu Ilse Rodenberg waren natürlich hilfreich.
Volkskulturpfleger der Stadt München u.a. auch für die rund 150 Lai-
Sie war Abgeordnete der Volkskammer und wir haben zwischen
entheater zuständig.
München und Berlin Kontakte und Austausch organisiert. Sie hat
WS: Ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch und werde
immer dafür gesorgt, dass ich zwischen West und Ost unproblema-
ihre Akten von München nach Frankfurt am Main zur ASSITEJ
tisch reisen konnte.
transferieren, um sie für die Nachwelt zu erhalten.
WS: Die Organisation, als die 70 gegründet wurde: wie lange waren Sie dann noch aktiv? Also ist es dann schon diese nach 68er Generation, die dann auftauchte? Volker Ludwig – war das einer, der in
Volker D. Laturell war in seiner Zeit als Verwaltungschef der Münchner Kammerspiele und damit
der ASSITEJ eine Rolle spielte?
auch des Theaters der Jugend (heute Schauburg) einer der Mitbegründer der ASSITEJ in der Bun-
VL: Ja, Volker Ludwig und auch Katrin Türks. Ich hatte auch viel
desrepublik Deutschland. Das Gespräch mit Wolfgang Schneider hat im Sommer 2018 in München
Kontakt mit Dr. Friedrich Bonn, der damals geforscht hat zum
stattgefunden. Am 22. Mai 2019 feiert Volker D. Laturell seinen 80. Geburtstag.
„NATÜRLICH SIND WIR GUT, DENN WIR SIND EIN TEAM“ Das Wege ins Theater-Projekt Konferenz der Träumer Von Anne Tysiak Was wünschen wir uns für unsere Zukunft? Jugendliche in Ludwigshafen blicken auf ihre Heimat/en, erkunden ihren Lebensraum und konferieren über eine Welt voller Superheld*innen und Aufräumroboter Ludwigshafen am Rhein wurde 2018 von den Zuschauer*innen der
Schnupperworkshop, bei dem fast 50 Jugendliche im Alter von 10
NDR-Sendung extra 3 zur „hässlichsten Stadt Deutschlands“ gewählt.
bis 13 Jahren dabei waren. In den folgenden Wochen bildete sich ein
Ludwigshafen ist die Großstadt in Deutschland, die den höchsten
harter Kern von Jugendlichen, die regelmäßig teilnahmen — trotz-
Anteil an Einpendler*innen hat. Die Menschen, die dort arbeiten,
dem veränderte sich die Gruppenzusammensetzung ständig. Kon-
möchten nicht dort leben. Wer es sich leisten kann, zieht wenigstens
zentriert zu arbeiten war zunächst schwer möglich: Unsere Regeln
auf die andere Seite des Rheins ins angrenzende Mannheim.
zu einem respektvollen Umgang miteinander haben wir immer wie-
Das Theater im Pfalzbau ist das kommunale Theater der
der neu verhandelt.
Stadt. Beheimatet in einem Veranstaltungshaus aus den 1960er-Jahren, lockt es mit hochkarätigen Gastspielen viele Zuschauer*innen
Den direkten, örtlichen Lebensraum der Jugendlichen erkundeten
der Rhein-Neckar-Region. Von der Ernst-Reuter-Siedlung im Stadt-
wir durch mehrere Ausflüge: in der Innenstadt von Ludwigshafen
teil Ludwigshafen-Gartenstadt aus scheint das Theater jedoch mei-
dokumentierten die Jugendlichen mit ihren Smartphones einerseits
lenweit entfernt zu sein, obwohl es in einer Viertelstunde mit dem
Kunstwerke im öffentlichen Raum, andererseits Müll oder Verwahr-
Bus zu erreichen ist. Hier gibt es überdurchschnittlich viele Allein-
losung. Dabei entstanden auch Fotos aus ungewohnten Perspekti-
erziehende und Bezieher*innen von Grundsicherung. Nur wenige
ven, so dass eine weggeworfene Zigarettenkippe auf einem Foto
Bewohner*innen nutzen Kunst- und Kulturangebote. Dies ist das
zum ästhetischen Objekt werden konnte. Im Wilhelm-Hack-Muse-
Lebensumfeld der Jugendlichen, die an unserem Projekt teilnah-
um konnten die Kinder selbst Kunstwerke aus Ton erschaffen und
men. Ihre Heimat?
die Exponate des Museums diskutieren.
Hier boten wir, die Theaterpädagogin Anne Tysiak und der
Für viele war die Aufführung von Das kalte Herz im Zwinger
Regisseur Stefan Schletter, im Mai und Juni 2018 an zwei Nachmit-
des Theaters und Orchester Heidelberg die erste Begegnung mit
tagen in der Woche und an den Wochenenden Theaterworkshops
professionellem Theater und auch der erste Ausflug nach Heidel-
und Exkursionen an. Konferenz der Träumer war der Titel des Wege
berg, obwohl diese Stadt, die in vielerlei Hinsicht einen großen Kon-
ins Theater-Projektes, das das Theater im Pfalzbau in Kooperation
trast zu Ludwigshafen darstellt, nur 25 S-Bahn-Minuten entfernt ist.
mit der Ernst-Reuter-Realschule+ und der Evangelischen Jugend-
Besonderes Highlight war das anschließende exklusive Gespräch
freizeitstätte Ludwigshafen-Gartenstadt durchführte.
mit den Schauspieler*innen.
Ausgangspunkt war der Blick auf den eigenen Lebensraum:
Im Jungen Nationaltheater Mannheim konnten wir die be-
Wir luden die Jugendlichen ein, sich damit auseinanderzusetzen,
sondere Stimmung einer Theaterpremiere miterleben. In Romeo
was sie sich in Bezug auf ihr Umfeld erträumen und wie dies um-
und Julia – Next Generation war der Kontakt zu den Schauspieler*in-
gesetzt werden kann. Als Rahmen sowohl für den Prozess wie auch
nen Teil der Inszenierung: Die Zuschauer*innen durften in einzel-
für die angestrebte Aufführung wählten wir die Idee der Konferenz:
nen Szenen mit auf die Bühne und waren mit ihren Smartphones
In Dialog zu treten und Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren
in das Spielgeschehen eingeloggt.
sind wesentliche demokratische Grundprinzipien, die auf einer Kon-
Die träumerischen Veränderungswünsche der Jugendlichen
ferenz angewendet werden. Das Projekt begann mit einem ersten
für ihre Zukunft betrafen vor allem ihr direktes Lebensumfeld: Sie
Fotos: Projektteilnehmer*innen von
Konferenz der Träumer
kritisierten konkrete Dinge in ihrer Umgebung wie Müll, Hunde-
Die regelmäßigen Teilnehmer*innen zeigten uns, wie wichtig ihnen
haufen oder Kaugummireste auf dem Boden – und wünschten sich
die Theatergruppe war: Am Ende des Projektes wünschten sich die
zugleich, dass es gar keine Drogen, keinen Alkohol und keine Ziga-
Jugendlichen, noch weitere Aufführungen für die anderen Jahr-
retten geben würde.
gangsstufen der Schule zu organisieren. Auch wenn wir dies leider
Dabei sind wir auch an Grenzen dessen gestoßen, was wir
nicht umsetzen konnten, freuten uns die Begeisterung, die Motiva-
im Projekt auffangen konnten: Wie sollten wir damit umgehen, dass
tion und die Gruppenzugehörigkeit sehr – eine Teilnehmerin
ein Jugendlicher sich wünscht, seine Mutter würde weniger Alkohol
schrieb in unserer What’s App-Gruppe: „Natürlich sind wir gut,
trinken? Wie konnten wir einen Weg finden, konkrete Veränderun-
denn wir sind ein Team.“
gen für die Lebenswelt der Jugendlichen zu thematisieren, ohne persönliche und mitunter belastende Realitäten zu ignorieren? Wir
In der Konferenz der Träumer blickten wir zusammen mit den Ju-
mussten permanent auf die Themen aus der Gruppe reagieren, zwi-
gendlichen auf ihre Heimat. Aber was ist das? Die Siedlung, der
schen den Workshops neu planen, wie es weiter geht, und konzen-
Stadtteil, die Stadt Ludwigshafen? Die Region Rhein-Neckar? Egal,
trierten uns schließlich vor allem auf das Thema der Umweltver-
wie wir das definieren: Ich bin dankbar, dass ich die Heimat(en) der
schmutzung und den Umgang der Jugendlichen untereinander: Auf
Jugendlichen kennen lernen durfte. Eine Welt, in der Gangsta-Rap-
diese Themen konnten wir bei unseren Ausflügen und der Arbeit
per Helden sind. In der man unsere Pfandflaschen mitnimmt, um
in der Gruppe konkret Bezug nehmen.
sich für 60 Cent ein „Kratzeis“ am Kiosk kaufen zu können, in der
Wir erfanden Szenen und Formen und arbeiteten mit ein-
man Fortnite spielt, in der es Sprachnachrichten gibt, die nur aus
fachen Prinzipien, auf deren Grundlage improvisiert werden konn-
Beleidigungen bestehen. Aber auch eine Welt, in der man mit den
te. So fügten sich zum Beispiel rhythmisierte Alltagsbewegungen
Freund*innen Musik hört, wenn man mit der Straßenbahn nach
zu einem improvisierten Tanz. Die Unbeständigkeit der Gruppe er-
Mannheim fährt, in der man verliebt ist, sich über ein Lob in der
forderte einen Spagat zwischen einer Offenheit für neue Teilneh-
Schule freut oder einen Berufswunsch hegt.
mer*innen und einer Weiterentwicklung des bereits Erarbeiteten. Wir legten keine Rollen fest, um offen für neue Teilnehmer*innen
Die Begriffe Heimat und Teilhabe haben gemeinsam, dass sie Gren-
zu bleiben und nicht auf die Anwesenheit Einzelner angewiesen zu
zen voraussetzen, also etwas Ein- und etwas Ausschließendes haben.
sein. Tatsächlich standen bei der Generalprobe, bei der ersten Auf-
Grenzen, die Zugehörigkeiten beschreiben und die wir als Theater-
führung an einem Sonntagnachmittag und den Präsentationen vor
macher*innen und -vermittler*innen etwas durchlässiger zu ma-
zwei Jahrgangsstufen der Ernst-Reuter-Realschule+ jeweils andere
chen versuchen, indem wir neugierig die Welt derjenigen entde-
Jugendliche auf der Bühne.
cken, für die und mit denen wir Theater machen möchten. Diese
Es entstand eine Szenenreihe rund um eine Konferenz, die
Offenheit und die Möglichkeit, neue Räume und Zugehörigkeiten
die Jugendlichen ausriefen. Es gab Standbilder-Vorträge, Quizfra-
zu eröffnen, sind viel wichtiger als die Beurteilung ästhetischer Qua-
gen zum Thema Umweltschutz, Streit und Ermutigungen in der
litäten von Ludwigshafen.
Gruppe. Dabei wechselten die Formen zwischen improvisierter Alltagssprache, chorischen Sätzen und Bewegungen zu Musik. Einerseits gab es die konkrete Benennung von Hundehaufen auf der
Anne Tysiak ist seit der Spielzeit 2018/19 Theaterpädagogin am Hessischen Staatstheater Wiesbaden.
Straße oder persönlichen, positiven Erlebnissen mit älteren Schüler*innen, andererseits utopische Phantasien über eine Welt, in der
Das Projekt Konferenz der Träumer wurde gefördert durch Wege ins Theater, das Projekt
alle Superheld*innen sind und Aufräumroboter die Straßen säu-
der ASSITEJ im Rahmen des Förderprogramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ des
bern.
Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
32 | IXYPSILONZETT | 01.2019 | NACHRUF
SACHVERSTAND UND PASSION Foto: Uwe Gössel
Ein Nachruf auf Prof. Dr. Geesche Wartemann Von Caroline Heinemann
Geesche Wartemann war Professorin für die Ästhetik des Kinder-
Als wissenschaftliche Begleitung war Geesche Wartemann
und Jugendtheaters und hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleis-
auch Teil des Modellprojekts „Theater von Anfang an“, das einen
tet, dass das Kinder- und Jugendtheater heute als avancierte Thea-
wichtigen Grundstein für die Entwicklung des Theaters für die Al-
terform wahrgenommen wird.
lerkleinsten in Deutschland legte.
Geesche Wartemann studierte an der Universität Hildes-
2009 erhielt Geesche Wartemann einen Ruf als Professorin
heim Kulturpädagogik, war Teil des Theaters Mahagoni und
für Theater und Theaterpädagogik an die Universitetet i Agder nach
2000–2002 Theaterpädagogin und Dramaturgin am Kinder- und
Kristiansand in Norwegen. Als an der Universität Hildesheim die
Jugendtheater des Staatstheaters Braunschweig. 2001 promovierte
erste Professur für Kinder- und Jugendtheater im deutschsprachigen
sie und setzte darauf aufbauend ihren Weg in der Forschung fort:
Raum ausgeschrieben wurde, ergriff sie jedoch die Chance, ihr For-
2003 trat sie eine Juniorprofessur für Theorie und Praxis des Kin-
schungsgebiet auch in Deutschland voranzutreiben und kehrte 2011
der- und Jugendtheaters in Hildesheim an. Als Studentin hatte ich
nach Hildesheim zurück. Mit ihrer Professur wurde das Kinder- und
das Glück, in dieser Zeit an ihren Lehrveranstaltungen teilhaben zu
Jugendtheater erstmals im Rahmen eines künstlerisch-forschenden
dürfen. Wie vielen anderen hat sie mir das Kinder- und Jugendthea-
Studiengangs fest verankert.
ter als Forschungs- und Praxisfeld erschlossen und mich mit ihrer Begeisterung dafür angesteckt.
Neben ihrer universitären Forschung war Geesche Wartemann dem Kinder- und Jugendtheaterzentrum eng verbunden – sie
In ihrer Forschungstätigkeit blieb sie immer in engem Kon-
war seit 2010 Mitglied des Kuratoriums, seit 2013 stellvertretende
takt zur Praxis. 2005 war sie Kuratorin des 8. Augenblick mal!-Festi-
Vorsitzende, sie schrieb regelmäßig für die IXYPSILONZETT und
vals und nahm dabei gezielt unterschiedliche Formate der Zuschau-
hielt Vorträge, wie zuletzt im Februar 2018 auf dem Fachtag „Wer
erbeteiligung in den Blick. Sie hatte den Mut, kontroverse Diskurse
spricht?“ am Grips Theater in Berlin.
in Gang zu bringen und die Fähigkeit, scheinbare Gewissheiten ge-
Am 28. März 2019 ist Geesche Wartemann verstorben. Die
nauso wie ihre eigene Perspektive zu hinterfragen. Sie war von den
Szene des Kinder- und Jugendtheaters verliert damit eine wertge-
Stärken des Kinder- und Jugendtheaters fest überzeugt und gleich-
schätzte und wichtige Vordenkerin, Analytikerin und Verbündete.
zeitig kritisch, sie trat für ihre Überzeugungen ein und war dabei
Sie hat den Diskurs um Ästhetiken, Formate, Vermittlung und Pu-
eine konstruktiv denkende Gesprächspartnerin.
blikumsspezifik maßgeblich vorangetrieben und damit einen wich-
Diese konstruktive Haltung bewies sie auch 2005, als sie die World Conference der ASSITEJ besuchte und von der künstleri-
tigen Beitrag zur Anerkennung des Kinder- und Jugendtheaters geleistet. Ihre Stimme wird in diesem Diskurs schmerzlich fehlen.
schen Vielfalt der gezeigten Inszenierungen beeindruckt war – aber
Fehlen wird sie auch den Studierenden der Universität Hil-
die Forschung gänzlich vermisste. Als Reaktion auf dieses Erlebnis
desheim. Sie begegnete uns zugewandt und mit Ernsthaftigkeit, war
initiierte Geesche Wartemann 2006 ein internationales Treffen von
neugierig auf unsere Perspektiven und forderte uns – wie sich
Forschern und Praktikern im Feld des Kinder- und Jugendtheaters,
selbst! – zu großer Sorgfalt in der Sache heraus. Für mich und viele
das in der Gründung von ITYARN (International Theatre for Young
andere war sie eine wichtige Mentorin auf dem Weg in die Profes-
Audiences Research Network) mündete. Geesche Wartemann stand
sionalisierung. Die Chance, als Mit-Forschende beim Projekt „Thea-
dem Netzwerk von 2014 bis zu ihrem Tod als Präsidentin vor und
ter von Anfang an!“ dabei zu sein, hat meine eigene Forschung und
war maßgeblich an der Organisation zahlreicher Tagungen und der
meinen Weg als Theatermacherin nachhaltig geprägt. Für ihre För-
Publikation von Tagungsbänden beteiligt. In ITYARN hat die inter-
derung und ihre kritische und zugleich ermutigende Begleitung als
national stark vernetzte Szene des Kinder- und Jugendtheaters eine
Doktormutter bin ich ihr sehr dankbar.
Entsprechung auf forschender Ebene erhalten, die es ohne die Initiative Geesche Wartemanns heute so nicht geben würde.
Ihr Tod ist ein sehr schmerzlicher Verlust – ganz besonders für Ihren Mann und ihre Tochter, denen mein Mitgefühl gilt.
REZENSIONEN | IXYPSILONZETT | 01.2019 | 33
Anja Tuckermann. Bielefelder Poet in Residence 2017 | Paderborner Kinderliteraturtage 2018. Schriftenreihe Kinderund Jugendliteratur aktuell Band 9. Hg. von Petra Josting / Iris Kruse. kopaed München 2018, 406 Seiten, 20 EUR, ISBN 978-3-86736-499-7
Einfühlung und Distanz – Identifikation und Recherche
Die Dokumentation eines Gesprächs, in
nis. Wie funktioniert (erinnerungs)kulturel-
dem Tuckermann u.a. über ihr Verhältnis
les Engagement mit Einfühlung, die zu-
zur Institution Schule und zu ihrer Position
gleich Distanz bewahrt und ihren Gegen-
und Arbeitsweise als Autorin Stellung
stand
nimmt, eröffnet das Buch. Es folgt ein Werk-
vereinnahmt? Wie Tuckermann selber ihre
überblick und ein Text der Autorin selbst
Arbeit an Denk nicht, wir bleiben hier! be-
„Wie ich zum Schreiben kam“. Die folgen-
schreibt, die Interviews mit dem Sinto Hugo
den Abschnitte versammeln Beiträge unter
Höllenreiner, die langsame Annäherung
Schwerpunkten wie „Dokumentarische Fik-
wie auch die Überlegungen zu einer ange-
tionen – Nationalsozialismus“, „Interkultu-
messenen Sprache (die z.B. keinesfalls
relle Begegnungen“ und „Adoleszenzge-
Grammatik oder Wörter der Nazis überneh-
schichten“; mit der Überschrift „Realistisch
men sollte) gehört zu den spannendsten
problemorientierte Kinderliteratur“ wird zu
Passagen des Buches.
(bzw.
ihr
Gegenüber)
nicht
intermedialen Aspekten und Arbeiten „jenseits von Prosa und Roman“ übergeleitet.
Auch im Themenbereich der Diversität und
Dazu gehören sowohl Tuckermanns Zeit
Interkulturalität – exemplarisch sei das Bil-
beim Rundfunk, die Arbeit als Dramatike-
derbuch Alle da! (mit Tine Schulz) erwähnt –
rin, die Henning Fangauf unter dem Titel
mag diskussionswürdig sein, wer was über
„Ästhetische und politische Erfahrungen im
wen schreiben kann.
Theater machen“ beleuchtet, als auch die
Zu Tuckermann wird konstatiert, dass ihre
Schreibwerkstätten. Zum Abschluss des Bu-
Texte auf Recherche und Erfahrungen auch
ches wird die Gestaltung zweier Begegnun-
aus ihren zahlreichen Schreibwerkstätten
gen mit der Autorin beschrieben – einmal
für Kinder und Jugendliche basieren – ein
mit Grundschulkindern, einmal mit ange-
klarer Bezug zur Lebenswirklichkeit des
henden Deutschlehrer*innen. Zur Sprache
jungen Publikums. Auch dass die Texte
Die Schriftenreihe Kinder- und Jugendlitera-
kommt hier ein interessanter Aspekt von
dazu anregen, Erfahrungen identifikato-
tur aktuell möchte zum Fachdiskurs über
Kinder- und Jugendliteratur, nämlich ihr
risch nachzuvollziehen, macht sie für die
Entwicklungen in der Kinder- und Jugend-
„grundlegender Doppelcharakter“ (Hans-
Bühne zumindest interessant. Genauso wie
literatur beitragen. Ausgangspunkt der
Heino Ewers, 2012), der darin besteht, „dass
die ihnen implizite Aufforderung zu Neu-
Bände ist die persönliche Begegnung u.a.
sie sich nicht nur an Kinder und Jugendli-
gier und Offenheit. Um es mit den Worten
mit Autor*innen im Rahmen verschiedener
che, sondern gleichzeitig auch an die Ver-
der Autorin zu sagen: „Wenn ich immer nur
Fach- und Publikumsveranstaltungen, die
mittler richten muss“. Mithin auch ein
über meinesgleichen lesen sollte, (…) das
Dokumentation von Vorträgen und Gesprä-
Thema der darstellenden Künste für junges
würde mich zu Tode langweilen.“
chen wird in der Publikation ergänzt von
Publikum.
Zeit für eine (neuerliche) Begegnung mit
Perspektiven aus Fachwissenschaft und
Anja Tuckermann – dafür bietet dieses Buch
Fachdidaktik.
Mögen Lehrer*innen oder Literaturwissen-
Im neunten Band der Reihe wird mit Anja
ches sein, findet sich auch für die Theater-
Tuckermann eine Autorin vorgestellt, die
praxis interessante Lektüre. Wie z.B. ohne
seit ihrer ersten Buchveröffentlichung
Zeitzeugen lebendig an den Nationalsozia-
eine Menge Einstiege.
schaftler*innen die erste Zielgruppe des BuWinfried Tobias
(Mooskopf, 1988) ein ebenso umfangreiches
lismus erinnern? In anregender Genauig-
Winfried Tobias studierte in Gießen, arbeitete u.a. am GRIPS
wie vielfältiges Werk geschaffen hat, das
keit untersuchen die wissenschaftlichen
Theater und leitet seit 2013 das Kinder- und Jugendtheater am
eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten für
Analysen zu Tuckermanns dokumentari-
Theater der Stadt Aalen.
die Beschäftigung sowohl im Unterricht als
schen Romanen die Bedeutung unter-
auch auf der Bühne bietet. (Aktuell z.B. als
schiedlicher Erzählebenen und Perspekti-
Prüfungslektüre der Realschulen in Baden-
ven wie auch die unterschiedlichen Formen
Württemberg.)
von Zeugenschaft im kollektiven Gedächt-
34 | IXYPSILONZETT | 01.2019 | WISSENSWERT
wissenswert
IKARUS 2018 für für Way (Großbritannien) (Großbritannien) sein seinStück Stück„Verschwun„Verschwun-
Calypso ist online ankündigen, zu Workshops oder Festivals einla-
Die HühnerMit dem IKARUS Preis 2018 wurden den“, THEATERSTÜCKVERLAG, München. Der
Materialien für den TanzZeit über Calypso den, auf stellt Rezensionen hinweisen, Schauspieler
Auswahl für „Augenblick mal! 2011“ steht
Musiktheater und Schneeoper vom ATZE Deutsche Jugendtheaterpreis 2010Einmal ging an: Mar-
Tanzunterricht zur Verfügung, gibt Tipps füroder den suchen, Forschungsergebnisse verlinken
ASSITEJ Werkstätten in Wiesbaden, fest! | „Augenblick Mal“ ist die nationale Bien-
vom Theater für Zitadelle / Theater wittchen, bitte(Deutschland) tin Baltscheit sein Stück „Die
Schulalltag und inspiriert dazu,Angemeldete auch eigene ZuFotos und Videos präsentieren. Fa-
Kiel nale und des Berlin Theaters für junge Zuschauer. Es
Anna Rampe ausgezeichnet. besseren Wälder“, Verlag für Kindertheater, Ham-
gänge, Vermittlungsansätze künstlerische Arcebook-Mitglieder werdenundwie bei einem
Jungen Die derAN wirdASSITEJ-Werkstätten bereits im 20. Jahrim imRahmen THEATER DER
| jugendkulturservice.de burg. Die beiden Preise sind| mit jeweils 10.000
beitsweisen über zu finden. Newsletter jede neu gepostete Meldung
beiin den in Wiesbaden, Woche PARK AUE BerlinMaifestspielen veranstaltet. Folgende Kinder-
Euro dotiert. Der Deutsche Kindertheaterpreis
| calypso.tanzzeit-berlin.de persönlich informiert. Kontakt:| Gabi dan Droste,
Hart am Wind und beim norddeutschen Festival theaterproduktionen sind eingeladen: Das Pup-
20. Niederländisch-deutsche Kinder- werden und und der Deutsche Jugendtheaterpreis
g.droste@ kjtz.de | www.facebook.com |
zum 50. Jubiläum desTheater, GRIPS Oper Theaters alle pentheater Halle der und laden Orchester
Jugenddramatikerpreise seit 1996 alle zwei Jahre vom Bundesministerium
Susanne Keuchel neue BKJ-Vorsitzende und
Interessierten zur „Aller Diskussion über GmbH Halle mit Anfang – ErinnerungsSchöpfungs-
Jan Familie, Sobrie/Raven RuëllFrauen (B) für und Woestzoeker, Anne für Senioren, Jugend verge-
Präsidentin desAktionstag Kulturratesam Welttag des Bundesweiter
kultur, Diversität Balance zwischen Progeschichten“ (UA)und vondieInes Heinrich-Frank, Lars
Lepper für Maximder undPreisverleihung Karsten Laske in fürFrankfurt Die drei ben. Veranstalter
Prof. Dr. Susanne Keuchel, Direktorin der| Bei AkadeTheaters für Kinder und Jugendliche den
grammatik undSteinbach, Kunst ein. R: Ines Heinrich-Frank. Frank und Uwe
Gleichen Festival und Kappesam Mainwurden ist dasbeim KinderundKaas Jugendtheater
mie der Kulturellen und des Werkstatt-Tagen derBildung Kinder-des undBundes Jugendtheater
|Das assitej.de | Junges Schauspielhaus Hamburg mit „Das
mit den niederländisch-deutschen zentrum in der Bundesrepublik JugenddramaDeutschland.
Landes NRW, zur Vorstandsvorsitzenden der in Leipzig fandisterstmals ein Treffen der Sprecher
Buch von allen Dingen“ (UA) von Guus Kuijer,
geehrt. |tikerpreisen www.kjtz.de |
Bundesvereinigung Kulturelleder Kinderund Juder regionalen Arbeitskreise ASSITEJ statt.
ASSITEJ Gathering 2019 bearbeitetArtistic von Thorsten Wilrodt, R: Barbara Bürk.
| kaasundkappes.de |
gendbildung (BJK) worden. Sie löst Gerd Dort wurde die Ideegewählt eines bundesweiten Aktions-
Die lädt vom 2. „Das bis 7. Kind SeptemDasASSITEJ TheaterNorwegen Pfütze, Nürnberg mit der
Ikarus Preis 2010 verliehen! | In Berlin wurde
Taubeam ab,Welttag der nachdes neun Jahrenfür alsKinder ersterund Vorsittages Theaters Ju-
ber zum globalen nachR:Kristiansand Seehundfrau“ von Austausch Sophie Kassies, Christopher
50 Jahre Verlag der IKARUS 2010der desAutoren Jugendkulturservice ver-
zender undam insgesamt Vorstandstägendliche 20. März18-jähriger 2011 diskutiert. In den
ein: Ein Beitrag der ASSITEJ Deutschland stelltBreim Gottwald. Das Moks Bremen des Theaters
Der Verlag der prämierte Autoren in die Frankfurt am Main seit feigeben. Dabei Jury erstmalig
tigkeit nicht wiedernun für das Ehrenamt kandidierte. Regionen werden Ideen entwickelt, welche
Rahmenprogramm Mauern undTage“ Erinmen mit „Für ewig das undThema hundertmillionen
ert 2019 sein 50.Auszeichnung Jubiläum mitzwei einerInszenierunVeranstalBestehen dieser
Die promovierte Musikwissenschaftlerin ist auAktionen an diesem Tag öffentlichkeitswirksam
nerungskultur zur Diskussion. (UA) von Theo Fransz/a. d. Niederländischen von
tungsreihe. gen: Der Preis ging zu gleichen Teilen an das
ßerdem Märzbildungs2019 Präsidentin des Deutdie großeseit kultur-, und sozialpolitischer
|Monika sandfestival.no/assitej-artistic-gatheringThe, R: Theo Fransz. Das Junge Ensemble
| verlagderautoren.de | Figurentheaterstück „Rotkäppchen“ von Daniel
schen Kulturrates und und damitJugendtheaters die erste Frau insichtdieRelevanz des Kinder-
2019 | mit „Nach Schwaben, Kinder!“ (UA), R: Stuttgart
Wagner vom Theater auf der Zitadelle und
semmachen Amt. können. | www.assitej.de | bar
Klaus Hemmerle. Folgende Jugendtheaterpro-
Independent Performing in EuropeOper an die von Sinem Altan Arts komponierte
| bkj.de | kulturrat.de |
Karfunkel 2019 für theaterperipherie duktionen wurden ausgewählt: Das Junges Thea-
Die neugegründete In„Stadt der Hunde“European von der Association Neuköllner of Oper.
Preis für das Theater Metronom | Das Theater
theaterperipherie derHochschule Leitung vonfürUte Banter Konstanz, i. Z. unter mit der Schau-
Performing Arts (EAIPA)| hat zum Ziel, |dependent www.jugendkulturservice.de
Neu im Kinderund Jugendtheaterzentrum Metronom aus Visselhövede war Anfang Oktober
semir wurde am 26. März 2019 Kinderspielkunst „Ernst Busch“ Berlin:mit „Adem Clockwork
die Rahmenbedingungen für die freien Theater zu
Die dem Kunsthistorikerin Anne-Sophie Pieper seit mit Stück „Niemand heißt Elise“ zumist Thea-
und Jugendtheaterpreis der Stadt Frankfurt amOrange“ von Anthony Burgess/Royal Shakes
verbessern. Eine Publikation beschäftigt sich mit Ausschreibung ASSITEJ Preis und Veranstal-
Februar 2019 im Bereich Dokumentation und Diterfestival „100, 1000, 1000000 Geschichten“
für die kontinuierliche ArMain Karfunkel peare Company,2019 R: Hans-Jochen Menzel. Der
der Situation der2011 Freien Darstellenden in terpreis | Auch wird die deutscheKünste ASSITEJ
gitalisierung imRumänien Kinder- und Jugendtheaterzennach Bukarest, eingeladen. Die Festi-
beit an einem Theater derJugendtheater, Teilhabe geehrt. ZWINGER3 Kinder-und Theater
Bulgarien, Österreich, Ru-wieder denDeutschland, ASSITEJ PreisItalien, und den ASSITEJ Ver
trum in Frankfurt Main tätig. Lisa Stumpf, Soval-Jury hat Karinam Schroeder und Andreas Goehrt
|und theaterperipherie.de | Orchester Heidelberg: „Frühlings Erwa-
mänien, Spanien, Schweden, Schweiz. findet am anstalterpreis verleihen. Die Verleihung
zialwissenschaftlerin undbeste Medienkauffrau, ist seit mit dem Preis für die schauspielerische
chen!“ („Live Fast –– Die Die Young“) Young“) von von Nuran
| darstellende-kuenste.de | Augenblick mal! 16. Mai 2011 im Rahmen von
Dezembergeehrt. 2018 für den Bereich Mittelbewirtschaf-| Leistung | www.theater-metronom.de
#BerlinBerlin mitFrank dem Wedekind, Friedrich-Luft-Preis David Calis nach R: Dominik
statt. Der ASSITEJ-Preis wird für besondere Leis-
tung und Finanzen und die Theaterwissenschaft-
2018 geehrt Günther. Gintersdorfer/Klaßen, in Kooperation
Theatrefür in Transformation tungen das Kinder- und Jugendtheater in
lerin Nikola Schellmann ist seit| Auch September Wortschatz Rheinland-Pfalz für das2018 Kin-
Der Preis 2018 wurdeund an das Theamit Friedrich-Luft Ringlokschuppen Mülheim Frascati:
Am Beispiel Südafrikas beschreiben die HerausDeutschland verliehen. Der ASSITEJ Veranstalter-
für Kommunikation und Fachdiskurs neu im Team. derund Jugendtheater in Rheinland-Pfalz wur-
#BerlinBerlin und an Drei Milliarter STRAHL Logobi 05. für Das Junge Schauspiel Hannover:
geberwürdigt Wolfgang Schneider Leistungen und Lebogang L. preis herausragende bei der
| kjtz.de | den in Speyer Autorenpreise verliehen. Nicole
(Volksbühne in Zusammenarbeit den Schwestern „Trollmanns Kampf – Mer Zikrales“ (UA) von
Nawa die Rolle desDurchführung Theaters für gesellschaftliche Vorbereitung und von Gastspielen
Schmidt erhielt für ihr Kinderstück „Die Reise
mit B P14) verliehen. j
n
Transformationsprozesse. der Kinder- und Jugendtheater. Vorschläge
UlrikeAfrida“ Hentschel verabschiedet nach den Preis in der Kategorie Kinder-
|Bicker/Marc theater-strahl.de Prätsch,| R: Marc Prätsch. Kultur-
| transcript-verlag.de | entgegen genommen. werden bis 31. Januar 2011
Mit einem Symposium Positionen Pertheater, Daniela Dröscherzuwurde für ihrund Jugend-
ö
r
sprünge im Ballhaus Naunynstraße, in Koproduk-
| www.assitej.de |
spektiven der „Als Theaterpädagogik wurdegeehrt. Ulrike theaterstück wäre ich Papier“
Kölner und Jugendtheaterpreis tion mit Kinderder Ruhrtriennale: „Verrücktes Blut“2018 (UA)
Theater in der Provinz
Hentschel im April aktivenEUR HochschulBeide Preise sind aus mit dem je 6.000 dotiert.
PAPIERSTÜCK – Ein Tanzkonzert für Schaulustige von Nurkan Erpulat und Jens Hillje – Frei nach
Die Neuerscheinung, von WolfWEBNEWS | Facebookherausgegeben als Treffpunkt für Theater
verabschiedet. Seit 2001 |dienst www.wortschatz-rlp.de | war sie Professo-
von tanzfuchs/Barbara Fuchs von 0–99 Jahren dem Film „La Journée de la Jupe“, R: Nurkan
gangAnfang Schneider, Katharina SchröckTheater und Silvia von an! Die Facebook-Seite von
rin für Theaterpädagogik und Darstellendes Spiel
wurde mit dem Kölner Kinderund JugendtheaErpulat | www.kjtz.de |
Stolz fragt den Rahmenbedingungen künstAnfang annach ist gedacht als virtueller Treffpunkt,
an der Universität der Künste in Berlin. Kinderund Jugendkulturpreis der Dr.
terpreis 2018 ausgezeichnet.
lerischer Vielfalt kultureller Teilhabe abseits um lebendig undund konstant zu netzwerken. Jeder,
| udk-berlin.de | E. A. Langner-Stiftung 2010 | Ausgezeichnet
| tanzfuchs.de | Deutscher Kindertheaterpreis 2010 . Deut-
von ein Metropolen. der ernsthaftes Interesse daran hat, die neue
wurde in Hamburg das Theater Zeppelin mit der
scher Jugendtheaterpreis Jugendtheaterpreis2010 2010| Der | Der Deutsche Deut-
| theaterderzeit.de | Theaterform für die Allerkleinsten bundesweit zu
liebevollen Inszenierung von Stephanie Grau
sche Kindertheaterpreis Kindertheaterpreis 20102010 ging ging an: Charles an: Charles Way
etablieren, kann sich hier einklinken, Premieren
„Momo und die Zeitdiebe“. ||www.dr-langwww.dr-lang-
TERMINE | IXYPSILONZETT | 01.2019 | 35 TERMINE 5. bundesweiter Tag der Theaterpädagogik 3. Mai 2019 | mehrdramababy.de |
FRATZ International 2019 – von Theater o.N. 3. bis 8. Mai 2019 in Berlin | fratz-festival.de | TINCON – teenageinternetwork convention 6. bis 8. Mai in Berlin im Rahmen der re:publica | tincon.org | Augenblick mal! 2019 Das Festival des Theaters für junges Publikum 7. bis 12. Mai 2019 in Berlin | augenblickmal.de | Verleihung der ASSITEJ Preise und der ASSITEJ Veranstalterpreise 10. Mai 2019, GRIPS Theater Berlin | assitej.de | augenblickmal.de | Symposium ON/LIVE: Das Theater der Digital Natives 10. bis 12. Mai, FFT Düsseldorf | fft-duesseldorf.de/on-live-2019 |
Theater der 10000 11. Mai 2019, 10000 Teilnehmer*innen um 12.19 Uhr an 100 Orten in ganz Deutschland | theater-der-10000.de | Stücke / KinderStücke 2019 – 44. Mülheimer Theatertage NRW 11. Mai bis 1. Juni 2019, Mülheim | stuecke.de |
ASSITEJ Werkstatt Deine, meine, unsere Geschichte(n)? Erinnerungskultur im Kinder- & Jugendtheater 17. Mai 2019, Hessisches Staatstheater Wiesbaden – Junges Staatsschauspiel | staatstheater-wiesbaden.de | Konferenz Claiming Common Spaces II – Kunst und digitale Praxis des Bündnisses Internationaler Produktionshäuser 23. bis 25. Mai 2019, FFT Düsseldorf | produktionshaeuser.de | George Tabori Preis 2019 24. Mai 2019, HAU Hebbel am Ufer/Berlin | fonds-daku.de |
Baden-Württembergische Theatertage 24. Mai bis 2. Juni 2019, Theater Baden-Baden | theatertage-bw.de | DIRECTORS IN TYA – An International Exchange hosted by ASSITEJ Germany 2. bis 9. Juni 2019, Theater STRAHL Berlin | assitej.de | theater-strahl.de | Norddeutsches Festival für junges Publikum Hart am Wind & ASSITEJ Werkstatt Vielfalt (er)leben 5. bis 9. Juni 2019, Theater im Werftpark Kiel | theater-kiel.de | assitej.de |
BRIK – 5. Brabants Internationaal Kinderfestival 5. bis 9. Juni 2019, Breda (NL) | brikfestival.com |
Kinder zum Olymp!-Kongress: „Kulturerbe und kulturelle Bildung“ 6. und 7. Juni 2019, Weimar | kulturstiftung.de/kinder-zum-olymp | Luaga & Losna – 31. Internationales Theaterfestival für ein junges Publikum 11. bis 15. Juni 2019, Nenzing (AT) | luagalosna.at/nenzing-2019 | 50 Jahre GRIPS Theater: On the child’s side & ASSITEJ Werkstatt: Wieviel Inhalt verträgt die Kunst? 11. bis 16. Juni 2019, GRIPS Theater Berlin | grips-theater.de | assitej.de |
IMPRESSUM IXYPSILONZETT Das Magazin für Kinderund Jugendtheater 15. Jahrgang
Erscheint 3x jährlich – im Januar (das Jahrbuch), Mai und Oktober
Redaktionsschluss für dieses Heft: 3. April 2019
Blickfelder – Künste für ein junges Publikum 13. bis 23. Juni, Zürich | blickfelder.ch | Fachtagung AllerArt – Inklusion und Kulturelle Bildung (II) 14. und 15. Juni 2019, Essen | bkj.de |
WESTWIND. 35. Theatertreffen NRW für junges Publikum 15. bis 21. Juni 2019, Theater Oberhausen | westwind-festival.de | Internationales Festival Theaterwelten 20. bis 23. Juni 2019, Rudolstadt | theaterwelten.info |
SCHÄXPIR – Theaterfestival für junges Publikum 24. bis 30. Juni 2019, Linz (AT) | schaexpir.at |
Eine Veröffentlichung der ASSITEJ Deutschland Herausgeber: Dr. Birte Werner, Meike Fechner Redaktion: Nikola Schellmann (verantwortlich)
ASSITEJ e. V. Schützenstraße 12 60311 Frankfurt/M. assitej@kjtz.de Gestaltung: Grafikdesign Wahrig
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Rampenlichter – Das Tanz- und Theaterfestival von Kindern und Jugendlichen 5. bis 18. Juli 2019, München | rampenlichter.com |
Verlag: Theater der Zeit GmbH, Berlin www.theaterderzeit.de
ASSITEJ Artistic Gathering 2019 2. bis 7. September 2019, Kristiansand (NO) | assitej-international.org | Bundestreffen Jugendclubs an Theatern 15. bis 20. September 2019, Saarländisches Staatstheater Saarbrücken | bundestreffen-jugendclubs.de | ASSITEJ Werkstatt: Theater und Digitalisierung 4. Oktober 2019, Junges Schauspiel Düsseldorf | assitej.de | dhaus.de |
Frankfurter Forum Junges Theater (AT) 10. bis 12. Oktober 2019, Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt am Main | kjtz.de | ASSITEJ Mitgliederversammlung 12. Oktober 2019, Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt am Main | assitej.de | Festival Wildwechsel & ASSITEJ Werkstatt Land – Stadt – Rand 14. bis 18. Oktober 2019, Junges Staatstheater Parchim | wildwechsel-festival.de |
IXYPSILONZETT ist Bestandteil der Abo-Auflage von Theater der Zeit sowie für die Mitglieder der ASSITEJ Deutschland Einzelheft-Preis: 6 EUR (print oder digital); Abo-Preis: 22 EUR (Deutschland); 30 EUR (außerhalb Deutschlands) Abo-Bestellung und Einzelheft-Bestellung: Theater der Zeit Winsstraße 72, 10405 Berlin, Germany Tel. +49 (0)30 4435 285-12 abo-vertrieb@ theaterderzeit.de, www.theaterderzeit.de Druck und Bindung: Kollin Medien GmbH
Gefördert durch das AGORA TheaterTage & ASSITEJ Werkstatt Und welche Rolle spielen wir? 15. bis 20. Oktober 2019, St. Vith (BE) | assitej.de | agora-theater.net |
Internationale Maifestspiele
Junge Woche 14.00 & 17.00 15.00
»Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen« 3K Theaterwerkstatt | Mühlhausen | DE
Premiere: Die Brüder Löwenherz | 8 +
15 16.00 Mi & 19.30
AaiPet | 3 +
16 10.00 Do & 16.00
AaiPet | 3 +
11.00
Hessisches Staatstheater Wiesbaden | DE
13 11.00 Mo & 13.30 16.00
BonteHond | Almere | NL
Anne en Zef | 12 +
Die Brüder Löwenherz | 8 +
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Anne en Zef | 12 +
Hessisches Staatstheater Wiesbaden | DE
Fr
Opera Spanga | Amsterdam | NL
Hessisches Staatstheater Wiesbaden / Kultur Region Frankfurt Rhein Main / Arbeitskreis Südwest in der ASSITEJ | Deutschland
14 10.00 Di & 16.00
BonteHond | Almere | NL
Opera Spanga | Amsterdam | NL
11.00 – Deine, meine, unsere 17.00 Geschichte(n)?
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Guten Tag, kleines Schweinchen | 4 + Theater Kokon | Weimar | DE
Hessisches Staatstheater Wiesbaden / ASSITEJ e.V. / WIR in Wiesbaden | Deutschland
18 15.00
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Célestine Hennermann | Frankfurt / Main | DE
16.00 17.00 18.00
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19.30
Mongos | 14 +
Post Uit Hessdalen | Antwerpen | BE
Follow the Rabbit | Graz | AT
Infos & Termine auf www.maifestspiele.de
jw
Die Junge Woche wird unterstützt durch:
12. — 19. 5. 2019
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