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ALLES KATASTROPHE ! Bühnen Martin Zehetgruber
Herausgegeben von Judith Gerstenberg Theater der Zeit
Judith Gerstenberg und Stefanie Wagner bei den Vorbereitungsgesprächen zum vorliegenden Buch Wien 30.06.2022
Im besten Fall Geschichten
Inhalt 012 042 078 098 108 116
Erinnerungsbilder
Judith Gerstenberg
My friend Martin
Ein Gespräch mit Martin Kušej über die gemeinsamen Anfänge in Graz
Glänzen oder Sterben
Andreas Schlager
Das Unmögliche und das Abgründige
Heide Kastler
Kompromisse? Keine.
Ein Gespräch mit Klaus von Schwerin
Mit Peer Gynt unterwegs nach Utopia
Über das Team Kresnik / Zehetgruber Christoph Klimke
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Künstlerische Begegnung
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Mir kam es immer so vor, als hätten seine Räume eine eigene Biografie
200
Die Räume wurden zu Bildern, die Bilder begannen zu fließen, das Fließen wurde zur Musik
Zur Zusammenarbeit mit dem Lichtgestalter Alexander Koppelmann Judith Gerstenberg Nicholas Ofczarek
Georg Nigl 234 246
Unbehauster Körper, unbehauster Klang Barbara Frey
Der Theaterturm von Ludwigsburg
Ein Gespräch mit Elisabeth Schweeger
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Vita, Werkverzeichnis, Auszeichnungen
268
Kurzbiografien
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Dank, Bildnachweis, Impressum
Erinnerungsbilder Judith Gerstenberg
Alles Katastrophe! BLACK „Bitte? – Was soll das für ein Titel sein?“ Ich bin irritiert, meine Ablehnung lasse ich deutlich mitschwingen. Es ist unser erstes Treffen für diesen Band, der seine Bühnenwelten vorstellen soll. Martin Zehetgruber schaut mich an, lacht, zuckt mit den Schultern: „Alles Walzer?“ Auf eine ausführlichere Erläuterung brauche ich nicht zu hoffen. Ich schlage im Österreichisch-Deutschen Wörterbuch nach und finde mich kurze Zeit später in der Kulturgeschichte seines Heimatlands wieder. „Alles Walzer!“ – Das jährlich ausgerufene Kommando beim Wiener Opernball, welches der Steifheit artig einstudierter Knickse „den wirbelnden Tumult der walzertanzenden Masse“ folgen lässt, ist ein außerhalb der österreichischen Landesgrenzen argwöhnisch beäugtes Kulturereignis - mit Geschichte. Ich lese über tiefgreifende geistige Umbrüche, die die Entstehungszeit dieses Gesellschaftstanzes prägten, über Revolutionen, politische Unsicherheiten und darüber, dass der Walzer sowohl eine „frühe Manifestation des Individualismus darstellt als auch eine kollektive Flucht in die Tanzekstase“, in die sich die Paare durch die ununterbrochene Kreisbewegung hineinsteigern. Ich ersetze „Walzer“ mit „Katastrophe“, blättere mich durch Zehetgrubers Bildarchiv und begreife. BLACK Im besten Fall Geschichten. Der Untertitel. Martin Zehetgruber liefert nur Fragmente. Flashs. Bilder, die auf der Netzhaut nachbrennen. Die Verbindung der Bruchstücke, die Erzählung überlässt er anderen. Mir. Dem Publikum. BLACK Erinnerungen. Keine Abbilder. Keine Vorlagen. Keine realen Räume. Reste von Eindrücken, die sich abgelagert haben im Gedächtnis – in seinem, in dem der Gesellschaft. Emotional begriffene Situationen, Bilder, Texte, Begegnungen. Sie türmen sich zur Abraumhalde in seinem Kopf. Die Entwürfe für die Bühnen entstehen dort. Spontan. Er skizziert sie schriftlich. Erst nachträglich recherchiert er, sucht Belege für seine Ahnungen, zieht Material aus Kunst und Literatur hinzu. BLACK
BLACK Voestalpine Stahl Donawitz. Die zu k.u.k. Zeiten größte zusammenhängende Stahlwerkanlage Europas. Das Hüttenwerk dominiert den Ort. Im Zweiten Weltkrieg wurde es zerstört. Nach dem Wiederaufbau leitet der Vater dort das
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Kindheitslandschaft Donawitz. Steiermark. Genauer: Obersteiermark. Dort wächst er auf. Die ersten Jahre. Der Schnee: rot. In der Erinnerung des Kindes. Das ansässige Stahlwerk hatte zu dieser Zeit noch keine Filteranlage. Schwefeldioxid. Feinstaub. Graphitregen. Dreck überall. Vielleicht waren es auch Algen, die den Schnee verfärbten. Ein Phänomen in größeren Höhen, auch in den Alpen: der sogenannte Blutschnee. Ein Omen für Unglück - glauben zumindest all jene, die nicht der wissenschaftlichen Erklärung folgen.
Ingenieurbüro. Es ist berühmt für seine Innovationen für die Schwerindustrie, deren Niedergang jedoch nicht aufzuhalten ist. BLACK Der Abstich. Die Öffnung des Verschlusses am Hochofen. Regelmäßig wiederkehrende taghelle Erleuchtung des Ortes in der Dunkelheit. Schlacke. Das flüssige Eisenerz. Hellrot glühend. Regen. Der Dampf. Die Hitze. Die Wucht. Überwältigung. Wasser zum Kühlen. Es ist die gefährlichste Arbeit im Hüttenwerk. Ein surreales Bild. Apokalyptisch. BLACK Der Bruder erkrankt. Die Lunge. Umzug der Familie ins nahegelegene Trofaiach. Ein Ort der Bessergestellten, der sich als „die lebenswerte Stadt der Steiermark“ vermarktet. Das Versprechen sauberer Luft. Eine Bummelbahn. Ein großes Haus für die Familie. Eine Grundschule. Sonst gibt es dort nichts. BLACK Sackgassental. „Wenn du reinfährst, musst du auf dem gleichen Weg wieder hinaus.“ Bis er vierzehn Jahre alt ist, bleibt Zehetgruber dort. Reisen in andere Gegenden kennt er nicht. Am Ende des Tals ragt der Erzberg auf. Imposante Natur, der seit Jahrhunderten Gewalt angetan wird von Menschenhand. Sichtbar. Sprengen. Aufbrechen. Durchbrechen. Abräumen. Ausbeuten. Die Versehrung zeichnet die Landschaft. BLACK Bohrungen. Dynamit. Schlägel und Eisen. Löcher. Spalten. Stollen. Ein unterirdisches Reich. Unter Tage wird abgebaut. Jahrhundertelang. Später: Großflächiger Tagebau. Stufenförmig. Terrassenartige Etagen. Jede erhält ihren eigenen Namen. Ein Berg wird zur Pyramide. Natur zur Kultur. An der Oberfläche. Unter dieser versteckt sich Hybris, Gewalt, Arbeit, Elend. BLACK Die Sage vom Wassermann. „Der Sage nach ist das Auffinden der Eisenvorkommen am Erzberg auf das Wissen eines Wassermanns zurückzuführen. Dieser lebte in einer Grotte nordwestlich von Eisenerz und wurde von den Bewohnern nahe dem Leopoldsteiner See mit Hilfe eines pechgetränkten Mantels gefangen. Um sich seine Freiheit zu erkaufen, habe er ‚Gold für zehn Jahr‘, ‚Silber für hundert Jahr‘ oder ‚Eisen für immerdar‘ geboten. Die klugen Eisenerzer sollen Letzteres gewählt haben, worauf ihnen der Wassermann den Erzberg zeigte. Nachdem sie sich von den Erzvorkommen überzeugt hatten, ließen sie den Wassermann frei und dieser verschwand in einer Karstquelle.“ (roBerge.de, 15.06.2020) BLACK Strukturwandel. Er macht vor Donawitz nicht Halt. Das Immerdar ist aufgebraucht. Auch die Ewigkeit hat ihre Grenzen. Stahl, Rost. Verfall. Der Untergang einer ganzen Region. Vom Verschwinden und Bleiben. Es wird ein Lebensthema, das sich in Zehetgrubers Arbeit einschreibt.
BLACK Früher Tod des Vaters. Er hinterlässt der Familie nichts außer Schulden. Der Glanz des großbürgerlichen Lebensstils hatte sich in Alkohol und anderen selbstzerstörerischen Exzessen aufgelöst. Der soziale Absturz ist eklatant. Die Mutter allein mit den Kindern. Die Not, auch für den jüngeren Sohn, von nun an selbst für die Existenz aufkommen zu müssen. BLACK Die den Grund der Welt erschütternde Erfahrung des Verfalls. Ist es zulässig, diese als Erlebnisquelle heranzuziehen und zu behaupten, dass aus ihr die Fantasien erwachsen? Ich frage mich, ich frage ihn. Das ist schwer zu sagen, antwortet Zehetgruber. Doch dass sich seine Bilder aus dem persönlichen Erleben speisen, aus Empfindungen, die zum subjektiven Filter der Betrachtungen und Lektüren werden, ist unverkennbar. Die Landschaften, die er auf die Bühnen setzt, sind ihm vertraut, auch die Nachtalben, die sie bevölkern. In allen Bühnen steckt er selbst. Und mit jedem seiner Räume fordert er den Dialog ein, zwingt zum Umgang mit ihnen. BLACK Graz. Stadt. Pulsierendes Leben. Eine selbstbewusste Kunstszene, die sich dem Aufbruch und Experiment verschrieben hat. Jährlich gibt es das spartenübergreifende Festival steirischer herbst, das in die Welt ausstrahlt und internationale Gäste in die Stadt lockt.
Kunstgewerbeschule. Lehrer hatten Zehetgrubers Begabung erkannt und bei der Familie darauf gedrungen, den Jungen mit vierzehn Jahren an die Kunstgewerbeschule in die Landeshauptstadt zu schicken. Er fotografiert. Der Vater stirbt am Tag der Vernissage seiner ersten Fotoausstellung. Abstraktes. Sprünge im Asphalt. „Für damals ganz okay.“ Zehetgruber hat die Bilder alle zerstört. Um die Halbwaisenrente länger beziehen zu können, lässt er die Fotografie sein und entscheidet sich für ein Studium. Zunächst Malerei. Die Ausbildung ist altmodisch. Er wechselt zu Bühnenbild. Dafür, so hört er, sei wenig Aufwand nötig. Das ist gut, denn er verdient sein Geld mit Ausstellungsaufbauten und anderen Gelegenheitsarbeiten. Mit Theater war er zuvor kaum in Berührung gekommen. Die Entscheidung ist rein pragmatisch. Der Professor: ein älterer Herr, der einer anderen Zeit verhaftet ist und an der Hochschule sein Gnadenbrot erhält. Die Studierenden sollen seine Wagner-Bühnenbilder nachbauen. Die Theatergeschichte reicht nur bis zu Bertolt Brecht. Ein Ausflug in die Regieklasse bringt Zehetgruber erste Kontakte, u. a. mit Caroline Weber, später mit Martin Kušej. Es ist sein Voyeurismus, der ihn am Theater hält, die Lust an der Beobachtung, die Verhaltensweisen der Menschen: ihre Begehrlichkeiten, ihre Verrenkungen, ihr Scheitern. Er will ihnen die Umwelt gestalten, Fallen stellen, Hürden bauen. Er selbst wird seine Bühnen später als „Spielplätze“ bezeichnen. Es werden herausfordernde sein. Abenteuerspielplätze allemal. BLACK
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Der Keller. Um den Mietzins klein zu halten, zieht Zehetgruber in einen Keller, aus den Fenstern sieht man nur die Füße der vorbeieilenden Passanten. Das Klo ist im Treppenhaus, im Winter friert es regelmäßig ein. Er baut ihn aus, das ganze Geschoss – es ist ihm Atelier und Schlafplatz. Es finden dort Partys statt. Legendär. Eine wilde Mischung aus Gästen. Die Kunstszene findet sich ein. In der Stadt wird dieser Ort schnell bekannt. Und auch sein Gastgeber. BLACK Forum Stadtpark. Die Grazer Avantgarde. Das 1960 gegründete interdisziplinäre Kunstzentrum ist über die Grenzen Österreichs bekannt – vor allem für die sich um Alfred Kolleritsch versammelnden Literat:innen, aber auch für die Bildenden Künstler:innen und Fotograf:innen. In Zehetgrubers Studienzeit öffnet es sich auch dem Performativen, Theatralen. Mit der angehenden Regisseurin Caroline Weber entsteht an dem begehrten Ort eine erste Arbeit: „Yes, vielleicht“ (Graz 1983 / s.S.26f.). Ein experimentelles Stück von Marguerite Duras. Es wählt als Erzählform das Futur II und imaginiert eine postnukleare Zeit. Die beiden Spielerinnen kommentieren das Vorgestellte mit der sich immer wiederholenden gleichen Phrase des Erstaunens „Yes, vielleicht“. Martin Zehetgruber baut in den leeren Ausstellungssaal ein Kaffeehaus. Erst nach einer ganzen Weile – man hat es sich unterdessen gemütlich gemacht - wird der eigentliche Spielort durch die Panoramascheibe des Gebäudes sichtbar, draußen, im Park. Es ist Winter. Blätterlose Bäume. Begrenzt wird der Blick der Zuschauer:innen durch eine Plastikfolie. Sie definiert die der Landschaft entrissene Zone, die sich durch diesen Kunstgriff - obgleich real - verwandelt zeigt in einen Gedanken-, einen Diskursraum. Die Angst vor der atomaren Katastrophe bestimmt damals die Diskussionen und Protestbewegungen. Hier schaute man im Warmen sitzend seinem eigenen Untergang zu. BLACK Das Drinnen und das Draußen. Diese Dualität wird auch zukünftige Bildentwürfe stark bestimmen. Das Draußen als Gefahr. Unberechenbar. Lauernd. Fordernd. Drohend. Der Schutzraum des Drinnen ist trügerisch. Bald wird sie in die Bühnenentwürfe hineinbrechen, die Natur, sich erbrechen in die Innenräume, die Schwelle außer Kraft setzen, die die Wände und Türen darstellen, deren Aufgabe es ist, die Gewalt der Außenwelt zu beschwichtigen. Erst durch die Missachtung wird die Notwendigkeit ihrer schützenden Anwesenheit sichtbar. Der Zufluchtsort sieht sich alsbald verschüttet, der Zufluchtsort des Ich, das gerade dadurch existiert, dass es sich dort im Inneren sammelt. Auflösungserscheinungen der Architektur, der Welt, der Identität. Mangelnde Verlässlichkeit des scheinbar Stabilen. Auch die Böden geben oftmals nicht den gewünschten Halt. Alles erweist sich als fragile Konstruktion, die der Mahlstrom der Zeit mit sich reißt. So z. B. in „Es“, einem Schauspiel von Karl Schönherr (Graz 1987), der ersten Produktion mit Martin Kušej, dem Beginn einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit. Ein Schachtelzimmer, hell. Das karge Inventar: Fetische der Erinnerung. Zum Ende der Aufführung dringt Wasser durch die Decke ein. Unaufhörlich. In einer quälend langen stummen Szene wohnt das Publikum der kompletten Zerstörung dieses Innenraums bei. BLACK
Das Wasser. Es wird zum bestimmenden Element in Zehetgrubers Bühnenbildern. Immer wieder sucht es sich seinen Weg in sie hinein. In allen Aggregatzuständen und Erscheinungen: als Eisblock, als Dampf und als Regen - Nieselregen, Starkregen, Dauerregen, Platzregen, Gewitterregen -, auch als Schnee, Schneesturm oder Lawine; als Rinnsal, als Fluss, als Flut; als brackiges Abwasser, steigendes Grundwasser und als Tauchbecken. Zehetgruber wird zum Spezialisten für die technische Umsetzung dieser oft herausfordernden Konstruktionen. Befähigt durch das immaterielle Erbe des Vaters und durch den Zivildienst beim Feuerwehrausbildungszentrum in Lebring. Dessen Übungstauchbecken wird er wiederholt mit verschiedenen Ensembles aufsuchen. BLACK Das Wasser. Es erlaubt den Einschluss der Zeit in einem Bild. BLACK Das Wasser. Tauchen. Ertrinken. Untergehen. Durchnässt werden. Frieren. Ausrutschen. Herausforderungen für die Spieler:innen. Es verändert sie, verändert ihre Bewegungen, treibt sie in die Erschöpfung, in einen realen Zustand. Die Physis ist Zehetgruber wichtig, die mit ihr verbundene Sinnlichkeit. BLACK Das Wasser. Die zerstörerische Kraft. Er selbst wird sie unmittelbar erleben beim Mittelfest in Cividale, als das kleine Rinnsal, in das er sein tonnenschweres Bühnenbild für „Franz Falsch F Falsch Dein Falsch Nichts Mehr Stille Tiefer Wald“ (Cividale 1992 / s.S.58ff.) platziert hat, über Nacht zum reißenden Fluss anschwillt und alles mit sich reißt, was sich ihm in den Weg stellt. BLACK BLACK. Die Tiefe der Schwärze, das Hineinfallen, das Haltlose, das Undefinierte, die Null, der Unterbruch, die Leere, das Unverfügbare. Das Black, das gleichzeitige Ausschalten aller Scheinwerfer in null Sekunden zwischen zwei Szenen, wird Zehetgruber zum Mittel. Er entwickelt es gemeinsam mit Kusej in ihrer ersten Arbeit. Das Black erlaubt den filmischen, fotografischen Blick, den Schnitt, die Montage, den Kontrast. Bewegung und Stillstand. Hell Dunkel. An- und Abwesenheit. Von Zauberhand verwandelte Szenen. Die Blacks werden zum Rahmen. Die Szene wird zum Bild, zum Ausschnitt, zum Fragment, zum Fundstück, zum Blitz, der ins Gehirn flitscht und ins Herz. Sie brennt in der Dunkelheit nach, inversiv und invasiv sich festsetzend in die eigenen Gedanken.
Gefundene Räume. Der Ausstellungsraum, der Park („Yes, vielleicht“, Graz 1983 / s.S.26f.), das Tonstudio („Judith“, Klagenfurt 1987 / s.S.30ff.), der Malersaal („Der Untergang der Titanic“, Graz 1988 / s.S.34ff.) die Container („Tode“, Graz 1990 / s.S.50ff), der Fluss („Franz Falsch …“, Cividale 1992 / s.S.58ff.),
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der Schlachthof („Schneewittchen“, Graz 1989), die Maschinenhalle („Der Untergang des Hauses Usher“, Gladbeck 2021 / s.S.240f.). Das Vorgefundene wird genutzt und manipuliert: die Architektur, die Durchblicke, die Elemente, die Temperatur, der Gestank. Im Schlachthof, den Zehetgruber für die Inszenierung von „Schneewittchen“ aufgetan hatte, diesem feinsinnigen Dramolett von Robert Walser, stank es nach Blut, im Nebengebäude ging der Betrieb tagsüber seiner routinierten Arbeit nach. Die Blutflecken auf dem Boden, Zeugen der vergangenen Bestimmung dieser als Spielort behaupteten Halle, haben sich in die Poren des Betons gesetzt wie Ölflecken in einer Autowerkstatt. Zehetgruber hat zarte Gewebe, deckenhohe Schleierbahnen montiert, in die Tiefe des Raumes gestaffelt. Nach und nach wurden sie ausgelöst, glitten zu Boden und öffneten den Blick für die Monstrosität des Ortes. BLACK Erfundene Räume. Kein Abbild. Wie gesagt. Kein Nachbau eines gefundenen Raums auf der Bühne. Das hat ihn nie interessiert. Auch als das erste Angebot eines großen deutschen Theaters kam, des Residenztheaters in München, schlugen er und Martin Kušej das vorgeschlagene Stück aus, da es als Setting eine naturalistische Küche vorsah. Sie verkündeten ihr Desinteresse selbstbewusst bei ihrem Antrittsbesuch. Der Intendant Günther Beelitz reagierte, trommelte die gesamte Dramaturgie zusammen und teilte ihr im Beisein der beiden Künstler mit: „Unsere zwei Jungstars finden das Stück scheiße. Vorschläge bitte. Viele.“ Man hat ihnen daraufhin einen provokant großen Stapel an Texten auf den Tisch gelegt mit der Auflage, das Haus nicht eher zu verlassen, als bis sie eine Entscheidung gefällt hätten. Sie saßen lange. Draußen wurde gefeixt. Ihre Wahl fiel auf Thomas Strittmatters Stück „Irrlichter - Schrittmacher“ (München 1992 / s.S.62f.). Zehetgruber ließ dafür im Marstall VW-Käfer in den Boden versinken, als wären sie im Asphalt abgesoffen. Es ging um Stau. Stillstand. Der zukünftige Stuttgarter Intendant Friedrich Schirmer, der beide Martins wenig später fest an sein Haus holen sollte, kommentierte: „Da musst du aber ‚Stau‘ draufschreiben, damit man es erkennt.“ Zehetgruber hingegen hat eher Angst vor der Geschwätzigkeit seiner Bilder. Manchmal Zweifel. Sind sie zu direkt? Für ihn sind sie konkret. Erleben ist immer konkret. Er schiebt sie beiseite, da es ja schließlich sein Blick auf die Dinge ist, seine Begegnung mit dem Text, dem Stoff, der Welt. Andere werden sagen, sie seien jedes Mal überrascht, wenn der Vorhang aufgeht, das Licht aufflammt. Nie hätten sie mit dem gerechnet, was ihnen dann entgegenschaut. Zehetgruber sucht die emotionale Realität – immer - im Gegensatz zum Abbild der Wirklichkeit. „Untergangsräume. Seelengefängnisse. Schicksalsschrägen. Menschheitsabgründe. Utopieruinen. Glasverliese. Todeslabyrinthe. Angsträume.“ – so betitelte der Journalist Georg Diez einmal die Bühnen Martin Zehetgrubers. (Georg Diez: Martin Zehetgruber und das System der Räume. In: Ders.: „Gegenheimat. Das Theater des Martin Kušej“, Salzburg, Frankfurt/Main, Wien 2002) Es sind poetische Welten. Surreale Seelenlandschaften, die ein Geheimnis bergen. Sie führen ein Eigenleben, bestimmen die Dramaturgie der Erzählung, mit der sie in die Zwischenräume der Texte dringen, sie aufbrechen, umstülpen, herausfordern. Der Anspruch an das körperliche und mentale Erleben eines Stückes ist bei Zehetgruber gleichwertig. Er legt Fährten, Zeichen aus unserer abendländischen
Zivilisations- und Kulturgeschichte. Und: Er spielt mit der Beunruhigung, mit etwas abwesend Anwesendem und aktiviert damit die Einbildungskraft der Zuschauer:innen, rührt an Ängste, provoziert Erwartungen, manipuliert Aufmerksamkeiten. Seine Bilder erzählen vom Zustand eines Davor oder Danach. Etwas hat stattgefunden oder etwas kündigt sich an. Etwas Umwälzendes. Nichts bleibt so wie es ist. So finden sich bei Zehetgruber auch keine „Durchsteher“. Seine Bühnen sind in Bewegung. Die Bilder beanspruchen eine eigene Erzählebene, sie verwandeln sich im Laufe des Abends, überraschen, verschwinden, bleiben flüchtig, trotzen der scheinbar beständigen Materialität. Obgleich jedes einzelne von ihnen für die Ewigkeit gebaut zu sein scheint. Mühen und Aufwand hat Zehetgruber nie gescheut. Im Gegenteil. Er fordert sie ein, geht es doch immer um ganze Welten und um die Wucht, die es braucht, um sie zu vernichten. Und um den Schmerz, den diese Vernichtung hinterlässt. Um den Verlust. BLACK Der Raum als Subjekt. Sie bluten und schwitzen („Straßenecke“, Stuttgart 1994). Sie altern, verändern ihre Oberfläche („Richard III“, Berlin 1996 / s.S.76f. – Hier oxidierte durch die Luftfeuchtigkeit die metallische Farbe der Abwassertunnelwände, durch den das Wasser flutete und die Toten im Orchestergraben entsorgte.) BLACK Anfang und Ende. Sie müssen haften bleiben. „Altes Theatergesetz“ – Zehetgruber ist auch ein Wirkungsmechaniker. Der Bühnenbildner erlaubt sich den Spaß, das ganze Stück in einem Bild einzukapseln, als Prolog, als Minidrama, ohne Worte, z. B. wenn er in Peter Roseis „Tage des Königs“ (Graz 1991) einen Elefantenkadaver aus dem Orchestergraben in den Schnürboden ziehen lässt. Man wohnt dem mühseligen Vorgang bei. Black. Was man tatsächlich gesehen und erlebt hat, wird man erst am Ende des Stückes begreifen. Für das Schlussbild, jeweils, rotiert der ganze Apparat. Es ist die Lust am Staunenmachen. Es hat etwas Circensisches. Ein Clou. Etwas Unerwartetes, das sich – erkennt man im Nachhinein – die ganze Zeit angekündigt hat.
Die Architektur. Zehetgrubers Räume nehmen Einfluss auf die Spielästhetik, sie verlängern sich in die Körper der Darsteller:innen, bestimmen ihre Bewegungen. Die Schrägen. Die Nässe. Die schwindelnden Höhen. Die labyrinthischen Wege. Die verwirrende Verschachtelung der Räume. Die verengten Durchgänge und -blicke. Die Akkumulation von Objekten auf dem Boden. Überhaupt die Böden. Immer wieder die Böden. Sie sind nicht verlässlich. Sie schieben sich gegeneinander, türmen sich auf („Theodor Herzog von Gothland“, Stuttgart 1993), verwandeln sich zu Matsch („Glaube und Heimat“, Wien 2001 / s.S.102f.), entpuppen sich als Planen, die reißen, wenn man sie mit dem falschen Schuhwerk betritt und einen in die Tiefe stürzen lassen, weil sich unter ihnen weitere Welten befinden, Schichten, Lagen, Ebenen, die nach und nach erst sichtbar gemacht werden („Brecht.“, Mannheim 1999 / s.S.84ff.). Man befindet sich auf unsicherem Grund. Das Spiel in diesen Bühnen hinterlässt Spuren an den Körpern. Und versetzt sie in Höchstspannung.
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Geborgenheit bieten sie nicht. Auch ganze Häuser stürzen auf ihnen um, gehen in die Knie, sinken ein. BLACK Doppelte Böden. Das österreichische Assoziationsfeld: Kubin, Freud, C. G. Jung, Kampusch, Fritzl. Rechnitz. Das Grauen hinter der Fassade; das Unbewusste, Verdrängte, Versteckte, Verscharrte. Abgründiges. In Zehetgrubers Bühnen finden sich Böden über Böden, Wände vor Wänden. Im Laufe der Aufführung öffnen sie sich und geben die Geheimnisse ihrer Gebäude preis, wie z. B. in „Rusalka“ (München 2010 / s.S.174ff.). BLACK Maßlosigkeit. Verausgabung. Verschwendung. Zehetgruber sucht sie. „Nichts schlimmer als das Maßvolle, das Ausgewogene, die Balance“, sagt er und gibt zu verstehen, wie schnell ihn die Ungeduld und Langeweile ereilt. Nur die Maßlosigkeit impliziert die Möglichkeit des Scheiterns, öffnet Flanken, macht verletzlich. Darin findet sich das Drama, die Theatralität. BLACK Der Arbeitsprozess. Seine Bühnen sind Setzungen. Sie schleichen sich nicht an einen Stoff heran, machen sich nicht unsichtbar, verändern sich nur selten im Probenprozess – zumindest heute nicht mehr. Zu ausgeklügelt sind ihre Verwandlungen, als dass mit ihnen ins Offene zu improvisieren wäre. Die Vorbereitung ist sorgfältig, anhand von detaillierten Storyboards. Das ist wichtig. Nicht nur für die Vermittlung in die Werkstätten, sondern für die Entwicklung der Vorgänge. Er wirft keine Skizzen hin und fordert andere auf, dafür die Umsetzung zu finden, er weiß über die Anforderungen und Möglichkeiten Bescheid. Er reizt sie bis zum Äußersten aus, kennt aber auch die Lösungen. Darum ist er bei den Werkstätten und Technikern respektiert und geschätzt. Gemeinsam mit ihnen probiert er aus, erforscht Materialien – er schwärmt von Bühnenproben allein wegen des Austüftelns von technischen Effekten. Heute kaum mehr möglich. Das ökonomische Effizienzdenken ist auch in die Theaterbetriebe eingezogen. Heute vermisst er die gemeinsamen Stunden in den Werkstätten, die Forschungsarbeit, um Unmögliches möglich zu machen, Bühnenwunder zu bewirken: durch die Decke brechende Felsbrocken (die nicht beim Aufkommen hüpfen und ihr Material verraten), Menschen, die die Wände hochgehen, überkopf die Decke entlang (ohne Fluggeschirr) wie in „Aller Seelen“ (Hamburg 2000 / s.S.90f.), einem Abend des Choreografen Johann Kresnik, in dem dieser sein Leben und Trauma – er erlebte als Vierjähriger die Erschießung seines Vaters - verhandelte. Mit Kresnik verband ihn Arbeit und Freundschaft, vor allem ein tiefes Verständnis für die Prägungen aus Kindheit und Heimat. Früher hat Zehetgruber oft selbst Hand angelegt. Daher das gesteigerte Interesse an den einfachen technischen Lösungen. Auch war es ihm gegeben, Firmen und Menschen mit seiner Begeisterung anzustecken, sie unterstützten ihn „für umme“. Ob das heute noch möglich wäre? Nicht für ihn, aber er fragt es sich für seine Studierenden, die er als Professor seit 2002 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart unterrichtet. Er weiß, er entlässt sie am Ende auf einen anderen „Markt“ als den, den er bei seinen Anfängen vorgefunden hat.
Seit er mit Stefanie Wagner ein Lebens- und Künstlerkollektiv bildet, gibt es kein Starren in leere Modelle mehr. Sie spielen sich ihre Ideen in einem geschützten Raum zu. Auch die unfertigen, die vagen Ahnungen. Der eine fängt die hingeworfenen Ideen des anderen auf, denkt sie weiter, spielt sie zurück, überprüft erneut. Zehetgruber zeichnet sie am Rechner, Wagner baut sie ins Modell, dort erfahren sie ihre erste Verwandlung. Daher ist das Modell noch immer eines der wichtigsten Werkzeuge auf dem Weg zur Realisierung. Fragen zu Oberflächen und Materialien müssen konkret beantwortet werden. Dimensionen überprüft. Beide sehen sich als eine Einheit, als Kopf und Hände, die Rollenverteilung wechselt. BLACK Materialien. Es gab eine Phase des Experimentierens mit echten Materialien auf der Bühne: Eisen, Kacheln, Asphalt (alles drei verursachte enormes Gewicht), Stegplatten („Gesäubert“, Stuttgart 1999 / s.S.88f.), flüssiges Wachs („Kill Pig Devil Passion Finish God“, Wien/Graz 1994 / s.S.66ff.) – es wurde auf der Hinterbühne in umfunktionierten Durchlauferhitzern flüssig gehalten -, diverse Tierkadaver. Zehetgruber hat sich auf einem Gnadenhof ein Pferd ausgesucht, das vor der Schlachtung stand. Er hat es ausstopfen lassen und auf die Bühne gelegt - („Ein echtes hat halt eine ganz andere Aura. Es hat nun mal eine zentrale Rolle in dem Jahnn-Stück. Der Bauch war aufgeschlitzt, die Schauspieler wühlten in ihm herum.“ „Straßenecke. Ein Ort. Eine Handlung.“, Stuttgart 1994 / s.S 257) Der Skandal in der Presse war vorprogrammiert. „Wieso? Tot ist tot.“ Ich rede jetzt besser nicht von Totenruhe, von Würde, von unserem verqueren Verhältnis zu Tieren – ich fürchte mich vor dem Vorwurf der Bigotterie. Ich denke daran, dass Zehetgruber den Einflüssen der Wiener Aktionisten ausgesetzt war, die zu seiner Zeit in Graz noch zu spüren waren und dass er mit einer Welt vertraut ist, die ich nur aus den Filmen von Ulrich Seidl kenne.
BLACK Humor. Er kommt in diesem Text zu kurz. Vielleicht, weil es ein so schmerzlicher Humor ist, der sich allzu gut tarnt. Im wirklichen Leben ist das helle Gelächter von Zehetgruber allgegenwärtig. Es ist ein Gelächter – ziemlich keckernd - über die Zumutungen des Lebens.
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Bei „Der Traum ein Leben“ (Graz 1992) hat er Fische regnen lassen, Makrelen. Ein einmaliger Versuch. Den Gestank der auf dem Bühnenboden aufgeplatzten Körper wurde das Schauspielhaus Graz Monate lang nicht los. Auch lebende Tiere gehörten zum Inventar. Tauben, zum Beispiel, die alles vollkoteten – ein gewollter Effekt, aber in den Endproben schritt das Gesundheitsamt ein. Er ließ Ochsenköpfe vom Schlachthof holen und sie auf der Bühne zertrümmern, die Hirnmasse spritzte über die ganze Fläche. Nur gemerkt hat keiner, dass es ein echter Schädel war – die Archaik, die gesucht worden war, die teilnahmslose Brutalität und Gnadenlosigkeit wurde nicht verstärkt – im Gegenteil. Die Erkenntnis: „Das Echte ist auf der Bühne nicht zu beglaubigen.“ Heute schätzt Zehetgruber gerade die Künstlichkeit am Theater, Materialien, die vortäuschen, etwas anderes zu sein, als sie sind. Und die dafür mehr können, zum Beispiel sich entzaubern lassen und einen deutlich spielerischen Gestus haben. Humor auch.
BLACK Lüge und Wahrhaftigkeit. „Ich glaube nicht an Wahrhaftigkeit im Theater. Nur durch die Lüge kommt die Wahrheit ans Licht.“ BLACK Frage. Ob es ihn jemals gelockt habe, sich von den manchmal auch mühsamen kollektiven Prozessen des Theaters zu lösen und seine Welten in anderen Kontexten zu präsentieren, autonom? Er ist erstaunt. „Nein.“ Er baue doch die Räume, „damit andere etwas zum Spielen haben“. Er schaut ihnen dabei zu, will sehen, was sie damit machen, wie es ihnen darin ergeht. Allein darin liegt der Spaß. „Warum macht man denn sonst den ganzen Schoaß?“ Theater ist eben auch Anlass für ein Zusammenkommen, dafür, sich über etwas Drittes zu verständigen, Feste zu feiern, Anlass, eine Gemeinschaft auf Zeit zu bilden, ein Miteinander zu finden, um gemeinsam das Leben auszuhalten. BLACK Die Toten. Der Vater, der Bruder, die Mutter, der Schriftsteller und Freund aus Grazer Tagen Werner Schwab, der Choreograf und Künstlergefährte Johann Kresnik, der langjährige technische Leiter des Burgtheaters Heinz Filar, der Schauspieldramaturg Wolfgang Wiens, der Operndramaturg Jens Schroth. BLACK Die künstlerischen Begleiter:innen. Stefanie Wagner (ohne die, seit sie sich 2004 trafen, nichts entsteht), Jörg Koßdorff (der Mentor, technischer und später künstlerischer Leiter in Graz), Klaus von Schwerin (der als Inspizient die logistischen Herausforderungen seiner Bühnen meistert), Heinz Filar, Thomas Bautenbacher, Ernst Meissl, Hansi Krainz und der Bühnenmeister Peter Wiesinger vom Burgtheater und von der Stuttgarter Oper der technische Leiter Michael Zimmermann sowie die Leiterin des dortigen Malersaals Lisa Fuss (stellvertretend für alle genialen und der Kunst leidenschaftlich zugewandten Techniker:innen). Caroline Weber, Martin Kušej, Johann Kresnik, Andrea Breth, Barbara Frey (die Regisseur:innen), Sylvia Brandl, Sebastian Huber, Helga Utz, Olaf Schmitt, Wolfgang Wiens, Andreas Karlaganis, Klaus Bertisch, Alexandra Althoff, Judith Gerstenberg (die Dramaturg:innen), Aglaia Voitl, Heidi Hackl, Heide Kastler, Esther Geremus, Werner Fritz (die Kostümbildner:innen), Alexander Koppelmann, Friedrich Rom, Reinhard Traub, Rainer Küng (die Lightdesigner), Bert Wrede (Komponist), Alexander Nefzger (Sounddesigner), Hans Jörg Michel (Fotograf), Marc Günther, Gerhard Brunner, Friedrich Schirmer, Klaus Zehelein, Klaus Bachler, Jürgen Flimm, Karin Bergmann (die Intendant:innen) und natürlich alle Schauspieler:innen und Sänger:innen am Ende Buster Keaton. BLACK
Arbeiten 1983 - 2022
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Yes, vielleicht von Marguerite Duras 1983 Forum Stadtpark / Graz
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Regie: Caroline Weber
Die Neugierigen von Carlo Manzoni Der Boden 411 von Lutz Rathenow 1986 Freie Produktion / Zürich Theatersaal Karl der Große
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Regie: Caroline Weber
Kostümskizze
Judith von Kurt Franz 1987 klagenfurter ensemble
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Regie: Martin Kušej
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Der Untergang der Titanic von Hans Magnus Enzensberger 1988 Schauspielhaus Graz (Ehemaliger Malersaal) Regie: Martin Kušej Kostüme: Aglaia Foitl
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Filmaufnahmen im Tauchbecken des Ausbildungszentrums der Feuerwehr in Lebring bei Graz
My friend Martin Ein Gespräch mit Martin Kušej über die gemeinsamen Anfänge in Graz
Lieber Martin Kušej, dich verbindet mit Martin Zehetgruber eine bald vierzigjährige künstlerische Partnerschaft. Es ist unmöglich, all eure gemeinsamen Arbeiten zu beleuchten. Ich möchte daher mit dir über die Anfänge sprechen, weil sie mir für euer Theaterverständnis wegweisend erscheinen. Ihr beide habt Anfang der 1980er in Graz an der Kunsthochschule studiert. Du Regie, Martin Zehetgruber Bühnenbild. Wie habt ihr zusammengefunden? Das verliert sich nach all den Jahren tatsächlich im Nebulösen. Während des Studiums hatten wir jedenfalls noch nicht zusammengearbeitet, meine praktischen Übungen dort sind ohne ihn entstanden. Außerhalb der Hochschule sind wir uns hingegen immer wieder begegnet, haben viele – wirklich viele, viele – Stunden, Tage und Nächte in Lokalen verbracht. Es ging dabei gar nicht ums exzessive Trinken, sondern ums Zusammensitzen, Nachdenken und Reden. Dass wir am Ende der Studienzeit beschlossen, zusammenzuarbeiten, hatte sich aus diesen Zusammenkünften ergeben. Ich ging dann aber zunächst als Regieassistent für ein Jahr nach Salzburg, er nach London. Über Briefe haben wir miteinander Ideen und lose Skizzen zu diversen Stücken ausgetauscht. Ich wollte unbedingt eine Inszenierung machen, wusste, ich hätte mit ihm einen starken Bühnenbildner an meiner Seite, und versuchte, in alle Richtungen Kontakte herzustellen. Aber in Österreich ergab sich erst mal nichts, ich war arbeitslos und ging nach Ljubljana, nach Slowenien. Da konnte man zwar kein Geld verdienen, aber es wurde für mich eine wichtige Zeit, eine Identitätssuche. Ich bin halber Slowene, was ich erst spät erfuhr, lernte die Sprache, konnte dort erste Schritte im Theater machen. Zehetgruber kam öfter heruntergefahren, um zu schauen, was da so los war, und plötzlich schneite tatsächlich ein Angebot aus Graz ins Haus. Endlich. Der damalige Direktor vom Schauspielhaus, Rainer Hauer, fragte, ob wir nicht Lust hätten, das Stück „Es“ von Karl Schönherr auf der Probebühne aufzuführen. Ein Zweipersonenstück. Klar, hatten wir. Jetzt ging’s los. Wir haben dann, wie es wahrscheinlich üblich ist bei einer ersten Arbeit, alles in diesen Abend gepackt, was sich in den letzten Jahren an Ideen in uns aufgestaut hatte. Das gemeinsame Erfinden und Entwickeln war entscheidend. In einem langwierigen Prozess saßen wir zu zweit über dem Text und sprachen nicht nur über den Raum, das Bühnenbild, sondern allgemein über die Erzählweise, die Form, über das, was uns gerade fasziniert in der Bildenden Kunst, der Literatur, in theoretischen Texten.
Ich würde behaupten, wir teilten die gleichen Interessen. Wir liebten dieselben Bildenden Künstler:innen, Fotograf:innen, begeisterten uns früh für industrielle Ruinen, als diese noch nicht so prominent für die Kulturwelt erschlossen waren, lasen die französischen Poststrukturalist:innen, sahen die gleichen Filme. Außerdem hatten wir beide unseren Instinkt, der von außen nicht beeinflusst war. Wir folgten ganz unserem eigenen Interesse und waren bass erstaunt, als wir Anfang der 1990er Jahre nach Deutschland kamen und feststellen mussten, dass andere Theatermacher zum Teil ähnliche Ideen gehabt hatten. Frank Castorf, Christoph Marthaler – deren Arbeiten begegneten uns erst dort. Das Graz der 1960er bis -80er Jahre hatte einen besonderen Nimbus. Kannst du die Atmosphäre dort beschreiben?
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Hattet ihr die gleichen Interessen oder habt ihr einander unbekannte Welten geschenkt?
Ich habe Graz zu dieser Zeit als äußerst lebendig erlebt. Da gab’s das legendäre Forum Stadtpark rund um Alfred Kolleritsch, das Festival steirischer herbst, das Ausstrahlung hatte, Künstler:innen wie Laurie Anderson anlockte und spartenübergreifend dachte – da war wirklich die Avantgarde. Ich meine, es gab auch schon das Musikfestival Styria. Die Stadt pulsierte. Die Ausläufer des Wiener Aktionismus waren noch spürbar, performing arts – damals wurde dieser Begriff noch nicht über alles drübergestülpt, es meinte wirklich Performance, Aktionen, die sich im Machen verbrauchten und nicht wiederholbar waren. Das waren unsere Orientierungspunkte. Von dem, was in der Theaterlandschaft in Deutschland zu der Zeit stattfand, wussten wir, wie gesagt, nichts. Wir haben unseren Blick gar nicht dorthin gewendet. Graz, am Rande der damaligen EU-Außengrenze, war ein geschützter, sich selbst genügender Raum, eine ideale Brutstätte. Ich war recht stolz auf das, was wir dann dort zehn Jahre lang gemacht haben. Es gab keinen Drang, nach Wien oder Berlin zu gehen. Bevor wir darauf kommen, warum ihr diesen Schritt später doch gemacht habt, der euch dann über die großen Theater in München, Stuttgart, Hamburg, Berlin zurück nach Österreich an die Salzburger Festspiele und ans Burgtheater gebracht hat, möchte ich noch einmal auf eure erste Arbeit, die Produktion „Es“, zurückkommen. In ihr ist einiges angelegt, was ihr später weiterentwickelt habt: der eindrückliche Gebrauch von Wasser auf der Bühne, Tableaux vivants, Unterbrechen der Szenen mit kurzen Blacks – ein ästhetisches Mittel, das du bis heute immer wieder in deinen Produktionen anwendest. Diese Idee entstand beim Einstreichen des Textes. Da kam der Wunsch auf, nur die Filetstücke stehen zu lassen, das hat das Stück sehr verknappt. Ich halte Karl Schönherr für einen exzellenten Dramatiker, was ich später auch wiederholt zu beweisen versucht habe, aber das Tendenziöse und Ideologische dieses Stückes mussten wir unterlaufen. Am Ende hatte sich der Gestus des Textes in der Aufführung in sein Gegenteil verkehrt, er las sich als feministisches Zeugnis, was nun sicher nicht der Intention des Autors entsprochen hat, der ein nationalistischer Chauvinist war, der über Euthanasie fantasierte. Ihr wusstet also, dass ihr die eigentliche Narration unterlaufen wolltet. Wie habt ihr das Mittel entwickelt? Die Szenen waren nunmehr sehr kurz, sie sollten nur schlaglichtartig aufflammen. Den Vorhang zu benutzen, wäre zu schwerfällig gewesen. Wir probierten einiges aus. Schließlich hat Zehetgruber rund um das Portal Leuchtstoffröhren montiert, der Innenraum, das bürgerliche Zimmer war in Weiß gehalten. Durch Blendung des Publikums konnte ein wirkliches Black erzeugt werden, in dem die Positionswechsel unbemerkt stattfinden konnten. Das war verblüffend. Diese Schnitte lösten die Erzählung in Einzelbilder auf und erlaubten eine neue Montage der Szenen. Das Bühnenbild war das Erinnerungsbild einer bürgerlichen Stube mit grob weißgekalkten Wänden, sparsamen Mobiliar – Stuhl, Tisch, Mikroskop, Radio und einem Foto einer Skulptur von Arno Breker - deren Rückwand sich im Mittelteil nach hinten öffnete und den Blick auf einen Baum freigab und den unaufhörlichen Regen, der während des Abends langsam durch die Zimmerdecke drang. Der ganze
Schmodder lief hinein und ließ diese vorher hermetische Innenwelt vollkommen zerstört zurück. Ich bin wirklich beeindruckt von dem Aufwand, der da auf der Probebühne betrieben wurde. Und das bei Anfängern. Wie war das möglich? Tatsächlich konnten wir die Techniker:innen immer für unsere Ideen begeistern. Mit uns hatte man auch Spaß. Wir haben viel gefeiert. Langjährige Freundschaften sind entstanden und man wusste, wenn wir kommen, wird es immer lustig und herausfordernd. Nicht unwesentlich trug auch dazu bei, dass Zehetgruber die Umsetzungsmöglichkeiten kannte und diese mitlieferte – gerade in Bezug auf das Wasser. Er wusste, wovon er redete, beziehungsweise tüftelte so lange herum, bis er es wusste. Euer Umgang mit Schönherrs „Es“ zeugt von einem Selbstbewusstsein und Drang, das Theater als aufklärerisches Instrument zu nutzen, wie es sich auch in den meisten eurer späteren Arbeiten erkennen lässt. Woher rührt dies? Es war schon die Lust an der Provokation. Wir wollten die Wirklichkeit, wie sie sich uns darbot, hinterfragen und nutzten die Mittel des Theaters, um die Oberflächen aufzubrechen. Auf einer sinnlichen, emotionalen Ebene, im Erlebnis wollten wir die Veränderung des Blicks herbeiführen – unseres Blicks während des Probenprozesses, aber natürlich auch des Blicks der Zuschauer:innen während der Aufführung. Das ist bis heute meine Motivation und Lust am Inszenieren. Wie kann man hinter den Text schauen, hinter das Gegebene, wie stößt man in unbekannte Bereiche vor, die einen erregen, aufregen, erschrecken, faszinieren, abstoßen? Die ganze Palette von Emotionen ist willkommen und wichtig, denn durch sie kann man etwas über sich und die Welt erfahren, die einen formatiert. Es ging uns schon immer darum, dass dem Zuschauer, der Zuschauerin etwas widerfährt. Das Beglückende in der Zusammenarbeit mit Zehetgruber war, dass wir oftmals unabhängig voneinander in den Texten, die wir uns vorgenommen hatten, etwas entdeckten, das unseren Jagdinstinkt weckte.
Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Es handelte sich immer neu aus abhängig vom Stück, der Situation, dem Raum, dem Ort, an dem wir etwas machen wollten. Die damalige Zeit war eine wahnsinnig fruchtbare, kreative Zeit, in der wir uns beide gegenseitig beflügelt haben. Ich habe sehr viel von ihm gelernt. Ich glaube, das galt auch umgekehrt. Was auf der Bühne geht, gedacht werden kann, wohin man kommen kann – da hat manchmal er etwas vorgegeben, manchmal ich. Wenn einer von uns gesagt hat: „Das mache ich nicht. Scheiß Stück“, konnte der andere kommen und sagen: „Ich habe eine Idee, wie wir es geknackt kriegen“, und dann wurde es gemacht. Wenn ich verbohrt war, weil ich vielleicht gerade zu konventionell gedacht habe, brauchte es einen Satz von Martin und mir ist plötzlich die Welt aufgegangen. Wir haben beide diese Erfahrung gemacht, und das war eigentlich das Großartige an dieser Zeit, es war eine echte künstlerische Partnerschaft. Ihr gründetet schließlich auch eine eigene Gruppe mit dem Namen My friend Martin. Bestand sie nur aus euch?
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Wie muss ich mir eure Zusammenarbeit konkret vorstellen? Wie ist die Rollenverteilung?
Erst einmal bestand sie nur aus uns beiden. Aber vielleicht noch einmal kurz zurück: Der Raum war wirklich immer sehr bestimmend für die Inszenierung. Nach „Es“ kamen kleinere Aufträge, z. B. „Judith“ (s.S.30ff.) von Kurt Franz mit dem klagenfurter ensemble, einer kleinen freien Theatergruppe. Wir fanden den Aufführungsort in einer Volkshochschule, es war ein Raum für Fortbildungen oder ein Tonstudio – es war jedenfalls kein Theaterraum. Er war zweigeteilt durch eine Wand mit Fenster. Der Text beschrieb eine Dystopie. Außer drei Überlebenden sind alle Menschen tot. Die Zuschauer:innen hatten es ungemütlich, mussten stehen und versuchen, die szenischen Aktionen der drei durch die Scheibe zu verfolgen. Natürlich war die viel zu klein. So haben wir noch Fernseher aufgestellt, auf denen zu sehen war, was gleichzeitig live im Nebenraum gespielt wurde. Damals hatte noch kaum jemand mit Video und Live-Kamera auf der Bühne gearbeitet. Das Spiel mit der Wahrnehmung, der Perspektive hat uns immer interessiert. Gerade in den ersten Arbeiten definierten die Raumlösungen tatsächlich in erster Linie die Zuschauersituation. Ja, das kam sicher durch den Wilden Mann. Der Wilde Mann war ein altes Hotel und Restaurant in Graz, eine Dependance der Kunsthochschule, in der die Regie-, Schauspiel- und Bühnenbildklasse untergebracht war, während deren eigentliches Hochschulgebäude umgebaut wurde. Das heißt: Unser Unterricht fand in einem Hotel statt. Dort stand uns vom Keller bis zum Dachboden, vom Tanzsaal bis zum Speisesaal, Küche, Klo, Hof, Straße zur Verfügung und wir haben alles genutzt. Das hat uns sicher stark beeinflusst. „Der Untergang der Titanic“ (s.S.34ff.) von Hans Magnus Enzensberger folgte dann im Malersaal des Schauspielhauses Graz. Diese Werkstatt wurde durch euch zum ersten Mal für eine Theateraufführung genutzt. Sie hat euch einen bemerkenswerten Beginn geschenkt. In diesem Malersaal gab es einen Spalt im Boden, aus dem die aufgerollten Prospekte herausgezogen wurden zum Bearbeiten. Dieser Schlitz erinnerte uns an den Riss in der Schiffswand der Titanic. Es gab eine große Eisenplatte dahinter, eine metallene Wand, an der wir die ganze Zeit Wasser runterlaufen ließen. Die Spieler:innen wurden aus diesem Schlitz an einer Zugstange herausgezogen. Das war ihr Auftritt. In einem Fauteuil, der langsam zufror, saß Marianne Kopatz, eine fantastische Sprecherin mit einer tollen Stimme, die die Enzensberger-Texte erzählte. Martin Zehetgruber erwähnte, dass er eine außergewöhnlich steile Zuschauertribüne in den Saal gebaut hatte, auf der ihr gemeinsam mit dem skeptischen Intendanten zwei Stunden lang probesitzen musstet, um die Zumutbarkeit zu prüfen. Es sollte für die Zuschauer:innen der Eindruck entstehen, als säßen sie auf dem untergehenden Schiff. Zehetgruber hatte Klappsitze gewählt, die eine gerade Sitzfläche ermöglichten, obwohl man in die Tiefe zu stürzen meinte. Der Test wurde bestanden. Dieser Aufwand: Wasser, Tribüne mit Sondermaßen, einfrierende Möbel wären heute kaum mehr denkbar für eine C-Produktion. Ich staune immer wieder über eure Erzählungen. Wie gesagt, wir konnten die technisch Verantwortlichen immer gut auf unsere Seite ziehen. Sie waren immer sehr motiviert. Wir haben einfach herumgesponnen, wochenlang Lösungen ausprobiert. Wir haben tatsächlich alles, was möglich war,
ausgereizt bis an den Rand des Unmöglichen und manchmal drüber hinaus. Darum bin ich sehr froh. Der Apparat hat jedes Mal mächtig geknirscht. Heute, in meiner Rolle als Leiter eines Theaters, muss ich auch den Notwendigkeiten des Betriebs Rechnung tragen. Ich versuche, Vieles zu ermöglichen, muss aber immer wieder auch die Wünsche von Künstler:innen beschneiden und um Kompromisse bitten.Ich leide sehr darunter, da ich ja erkenne, dass die Redimensionierung auch Verluste einfährt. Die Zeiten haben sich geändert. Es ist paradox, obwohl jetzt mehr Geld zur Verfügung steht, ist weniger machbar. War die Überforderung des Betriebs euer Sport? Nein, wir waren eher besessen von unseren Ideen, Bildern, die wir im Vorbereitungsprozess entwickelt hatten. Wie fängt der Abend an, wie werden aus den Spieler:innen Figuren, wohin treiben wir die Geschichte? Die gemeinsamen Gespräche darüber waren immer das Vorspiel für die Proben. Das haben wir jahrelang so gehandhabt, bis es dann nicht mehr nötig war. Irgendwann mussten wir das Theater nicht mehr neu erfinden, wussten, wir sind an einem Punkt angekommen, an dem man sich blind versteht. Jetzt nach fast vierzig Jahren reden wir nahezu gar nicht mehr im Vorfeld. Vermisst du das? Nein. Das hat alles so seine Richtigkeit. Wir kennen uns sehr gut.
Wir haben die Produktionsgemeinschaft gegründet, um unabhängig von Aufträgen zu sein, die noch nicht verlässlich reinkamen. Unser erstes Stück unter diesem Label hieß „Tode“ (Graz 1990 / s.S.50ff.), ein Projekt, für das wir uns beide total verschuldet und noch Jahre später abgezahlt haben. Das Projekt fand in drei Containern statt. In einem stand das Publikum; er wurde verschlossen, an einen Lastwagen angekoppelt und von einem Fahrer auf dem Grazer Messeparkplatz umhergefahren, bis alle die Orientierung verloren hatten. Dann öffneten sich die Seiten und je ein anderer Container dockte an – sie fuhren langsam auf die Zuschauer:innen zu - in einem war ein Mann, in dem anderen eine Frau. ER am Krebs verreckend einen Monolog herausschreiend, SIE hinlebend auf den Suizid. Die Texte stammten von Samuel Beckett, Rainald Goetz und Franz Xaver Kroetz. ER war mit einem Geschirr eingehängt in eine Schiene an der Decke und war in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, SIE nahm ihren Container nach und nach vollständig auseinander. Es war sehr aufwändig, aber die Arbeit wurde legendär. Leider gab es nur fünf Vorstellungen, weil der Schauspieler sich völlig verausgabt hatte. Wir auch. Es gab aber ein Video von der Arbeit, das George Tabori gesehen hatte. Er leitete damals das neugegründete Mittelfest in Cividale, Norditalien, und lud uns ein. Das war dann die nächste Katastrophe – zwei Jahre später („Franz Falsch F Falsch Dein Falsch Nichts Mehr Stille Tiefer Wald“, s.S.58ff.). Wir fuhren hin und sollten uns einen Spielort aussuchen. Es war Dezember, da ist selbst das Friaul unwirtlich. Man zeigte uns eine Zementfabrik, diverse Hallen, Katakomben. Plötzlich standen wir auf einer Brücke, schauten aufs Flüsschen, sahen die Schotterfläche des Ufers und wussten: Hier wollen wir spielen. Im Wasser. Das Festival widmete sich Kafka, und so kreierten
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Kommen wir zu My friend Martin.
wir – mittlerweile war die Dramaturgin Silvia Brandl dazugestoßen – eine KafkaCollage. Gemeinsam mit den Gewerken und assoziierten Schauspieler:innen war My friend Martin da auf 25 Mitglieder angewachsen. Das Bühnenbild bestand aus einem metallenen Kubus, der aussah wie ein Haus, das kopfüber im Fluss lag - als Folge eines Unglücks, konnte man denken, einer Überschwemmung. Es ließ sich bespielen, innen wie außen. Während dieses Element in Italien gebaut und im Wasser installiert wurde, habe ich mit den Schauspieler:innen in Graz jeden Tag, bevor wir geprobt und uns die Situation vor Ort vorgestellt haben, Schwimmtraining gemacht. Am Morgen, an dem wir zu den Endproben aufbrechen wollten, rief Zehetgruber an: „Das Bühnenbild ist weg.“ Es hatte in der Nacht zuvor schwere Regengüsse gegeben und den Bach in einen reißenden Strom verwandelt. Viereinhalb Tonnen Stahl sind einfach weggespült worden. Wir sind alle sofort hingefahren und haben mit Taucherbrille und Schnorchel das Bühnenbild gesucht. Wir haben versucht, es zu retten, um damit noch irgendetwas anzufangen. Die Premiere stand ja vor der Tür. Gemeinsam mit der Bevölkerung Cividales, mit Traktoren, Stahlseilen, Hubschraubern vom Technischen Hilfswerk haben wir versucht, das Ding irgendwie rauszuziehen. Eine Woche lang haben wir die Stadt in Atem gehalten. Abends haben wir wilde Partys gefeiert. Da unser Rettungsversuch vergeblich war, musste ich schnell eine neue Inszenierung entwickeln. Das war eine wichtige Lehrstunde für mich im Freilichttheater. Da landet man schnell bei Fackeln, romantischer Naturstimmung – furchtbar. Darf man nie machen. Dieser Stahlkoloss war eben wichtig, um so einem Quatsch zu entkommen. Trotzdem. Wir haben uns die verrücktesten Dinge ausgedacht: Spieler:innen im Pelzmantel laufen im Wasser Schlittschuh. Leider sogen sich die Mäntel mit Wasser voll, ließen die Spieler:innen untergehen, die strampelten und schnitten sich mit den Kufen die Waden auf. Im Krankenhaus war das schwer zu erklären. Auf jeden Fall kannte uns binnen kürzester Zeit jede:r in der Stadt. Nachdem sich auch noch die Kirche wegen mancher Nacktheit aufgeregt hatte, lockten die Proben viele Schaulustige an, 500 Leute standen in sicherem Abstand und beobachteten uns. Es war die verrückteste und intensivste Zeit meines Lebens, in der Leben und Theater unauflöslich miteinander verflochten waren. Warum habt ihr die Gruppe aufgegeben und schließlich doch den Schritt ins institutionalisierte Theater gemacht? Abgesehen davon, dass man der Verschuldung entkommt, muss euch klar gewesen sein, dass diese Art der Arbeit im Stadt- und Staatstheater kaum fortzuführen sein wird. Das war uns nicht klar. Wir haben unser Denken dort hineingetragen und durchgesetzt. Wir haben das institutionalisierte Theater ja nie abgelehnt. Wir wollten es für uns erobern. Mit Grillparzers „Der Traum ein Leben“ (1992) am Schauspielhaus Graz kam der Durchbruch. Plötzlich kamen sie alle angereist: Frank Castorf, Frank Baumbauer, Friedrich Schirmer usw. Wir gingen dann zuerst nach München in den Marstall und wechselten dann fest zu Schirmer ans Staatsschauspiel Stuttgart. Die vorgefundenen Räume waren bis dahin immer prägend für die Inszenierung gewesen. Was hat sich verändert, als ihr mit dem klassisch hierarchischen Verhältnis zwischen Bühnen- und Zuschauerraum umgehen musstet? Eben, wir haben uns mit Beschränkungen nie groß auseinandergesetzt. Im Übrigen sehe ich die klassische Guckkastenbühne oder eine Arena nicht als hierarchisch;
es geht doch nur darum, dass möglichst viele Menschen möglichst gut zuschauen können. Aber auch dabei kann man sie sehr gut manipulieren … In Ruhe gelassen haben wir sie nie! Die Bühnenbilder von Zehetgruber verlängern sich bis in den Bewegungsapparat der Spieler:innen. Sie sind körperlich sehr anspruchsvoll, zuweilen auch riskant. Man muss sich hellwach in ihnen bewegen. Du hast das genutzt und die Bilder immer großartig bespielt. Das Körperliche spielt bei mir eine große Rolle, vermutlich auch, weil ich selbst Sportler und Sportwissenschaftler war, bevor ich mit der Regie begonnen habe. Wir sind auch da immer an die Grenzen gegangen, haben versucht, die Schwerkraft auszuhebeln. Ich hing oft mit dem Ensemble in Kletterwänden, tauchte in Schulungsbecken der Feuerwehr oder machte andere Trainings. Lange Zeit arbeiteten wir auch mit einem Derwisch zusammen. Es gab manchmal schon sehr gefährliche Vorgänge auf der Bühne. In „Kill Pig Devil Passion Finish God“ (Wien, Graz 1994 / s.S.66ff.) agierten die Tänzer:innen in fünf Meter Höhe – ohne Absicherung. Wir haben die Spieler:innen jeweils darauf vorbereitet, sie sorgfältig angeleitet. Das war die Voraussetzung. Wir blieben immer verantwortungsvoll. Aber wir fanden immer Tricks, um die Sicherheitsbestimmungen außer Kraft zu setzen. Auch wenn ihr heute noch immer zusammenarbeitet, hat sich das Verhältnis geändert. Für mich ist die Zeit, über die wir gerade sprechen, eine sehr wertvolle Erinnerung, von der ich keine Sekunde missen möchte – trotz auch schwerer Momente, der völligen Verausgabung, dem Scheitern mancher Idee oder dem finanziellen Bankrott. Aber nach fünfzehn, zwanzig Jahren musste diese enge Arbeitsbeziehung irgendwann auseinandergehen. Das ist wohl unausweichlich. Heute haben wir eine andere Form der Zusammenarbeit, sie scheint mir eine folgerichtige Entwicklung zu sein. Sie ist vertrauensvoll und von der gemeinsamen Erfahrung bestimmt, die wir als Gepäck mit uns tragen. Von meinen 110 Inszenierungen habe ich bestimmt 70 mit Zehetgruber gemacht.
Das ist vermutlich tatsächlich ein zentraler Punkt. Wir sind zwei Provinzler aus Österreich, die nichts lieber wollten, als diese stinkende, miefige Provinz hinter uns zu lassen. Die hockt aber weiterhin in uns. Bei mir sicher noch stärker als bei Zehetgruber. Beide kamen wir aus der Pampa, aber die Verhältnisse, aus denen wir kamen, waren verschieden. Das Katastrophische, das Verschüttete verbindet sich mehr mit ihm. Wir haben uns an unserer Herkunft jedenfalls oft abgearbeitet. Daher kommt wahrscheinlich auch die Wucht und die Abneigung gegen Kompromisse. Manches in diesem Prozess ist eben nicht verhandelbar. Da steckt eine existenzielle Notwendigkeit dahinter.
Das Gespräch führte Judith Gerstenberg.
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Wenn ich mir die Bildwelten eurer gemeinsamen Arbeiten anschaue, scheinen sie mir auch von eurer Herkunft geprägt zu sein. Da spielt die Materialität rein, aber auch das Katastrophische, Gewalttätige, Verdrängte, Ländliche. Das Hereinbrechen der Natur, die Scheune, die Berge, die Lawinen.
051 Tode von My friend Martin 1990 Drei mobile Transportcontainer / Messeparkplatz Graz Regie: Martin Kušej Kostüme: Aglaia Foitl
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Ablaufskizze
Monitore
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Erste Entwürfe
Container ER
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Container SIE
Franz Falsch F Falsch Dein Falsch Nichts Mehr Stille Tiefer Wald nach Texten von Franz Kafka 1992 Mittelfest, Cividale Fluss Natisone
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Aglaia Lang
Die noch intakte Bühne beim Aufbau am Ufer des Natisone
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Bergungsversuche nach dem Hochwasser
Regie: Martin Kušej Kostüme: Werner Fritz
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Irrlichter - Schrittmacher von Thomas Strittmatter 1992 Residenztheater München (Marstall)
Kabale und Liebe von Friedrich Schiller 1993 Stadttheater Klagenfurt / Schauspiel Stuttgart
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Anne Marie Legenstein
Kill Pig Devil Passion Finish God Texte und Montagen von Martin Kušej / Joachim Klement / Sebastian Huber unter Verwendung von Passagen aus „American Psycho“ von Bret Easton Ellis u.a. 1994 Koproduktion Schauspielhaus Graz / Ballett Graz / Wiener Festwochen / Tanz 94
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Elisabeth Rauner
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Prinz Friedrich von Homburg von Heinrich von Kleist 1994 Deutsches Schauspielhaus Hamburg
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heidi Hackl
Clavigo von Johann Wolfgang von Goethe 1995 Schauspiel Stuttgart
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heidi Hackl
König Arthur von Henry Purcell / John Dryden 1996 Koproduktion Staatsoper Stuttgart / Schauspiel Stuttgart / Stuttgarter Ballett
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Musikalische Leitung: Alan Hacker Regie: Martin Kušej Kostüme: Nina Reichmann
Richard III. von William Shakespeare 1996 Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heidi Hackl
Glänzen oder Sterben Andreas Schlager
Martins Bühnen waren für mich echte Sparringspartner. Sie haben viel Kraft gekostet, mich gleichzeitig aber auch unterstützt. Jedes Mal sah ich mich vor der Herausforderung, der Energie, die die Bilder ausstrahlten, ein Äquivalent entgegenzusetzen. Man konnte sich in diesen Welten nicht einrichten, sie waren fordernd. Oftmals hielten sie konkrete, erschöpfende, körperliche Aufgaben bereit. Bei „Kabale und Liebe“ (Klagenfurt 1993 / s.S.64f.) musste ich als Ferdinand immer wieder die 45-Grad-Schräge hochklettern und wurde dann von meinem Vater mit dem schweren Wintermantel heruntergeprügelt. Das wiederholte sich am Abend vierzig Mal. Wenn das Stück angesetzt war, bekam ich morgens schon einen Adrenalinschub. Ich hatte ehrlich Respekt. Martins Bühnenräume verlangten absolute Wachheit und Aufmerksamkeit. Dadurch schenkten sie uns Spieler:innen eine ungeheure Präsenz. Alles wurde durch sie zu einem konkreten Vorgang, kein „als ob“ war uns möglich. Sie haben mich in Zustände getrieben, in denen ich mich vorher nicht kannte. Im Überlebensmodus sucht man nicht mehr nach dem richtigen Ton, sondern er ist einfach da. Bei „Ödipus“ (Stuttgart 1997 / s.S.80f.) gab es keinen Halt, nirgends. Das Bühnenbild bestand lediglich aus einigen großen, in der Höhe schwebenden Diakästen, die Splitter des Himmels zeigten, ein zersprengtes, versehrtes Himmelsgewölbe, eine zerborstene Welt, Reste von etwas, in denen die Auguren früher Orientierung suchten – sonst war die Stuttgarter Bühne gähnend leer. Friedrich Schirmer, der Intendant, konnte es bei der Bauprobe gar nicht fassen. Stattdessen hat Zehetgruber jede Vorstellung das gesamte Theatergebäude mit einem schwarzen Tuch verhängen lassen. Das Haus wurde zu einem mystischen Ort. Es veränderte das Stadtbild. Wenn ich auf dem Weg zum Bühneneingang daran vorbeiging, hat sich die Verantwortung - ich spielte damals die Titelfigur bleischwer auf die Schultern gelegt. Da empfing mich eine gewaltige Setzung, der ich gerecht werden wollte.
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Ich habe oft in Zehetgrubers Bühnen gespielt. Wenn man ihre Chancen gesehen hat, konnte man glänzen, sonst wurde gestorben.
Ödipus von Sophokles 1997 Schauspiel Stuttgart
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heidi Hackl
Die Geier-Wally von Wilhelmine von Hillern 1997 Schauspiel Stuttgart
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler
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Gesäubert von Sarah Kane 1999 Schauspiel Stuttgart
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler
Aller Seelen nach Texten von Werner Fritsch 2000 Thalia Theater Hamburg
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Regie: Johann Kresnik Kostüme: Heide Kastler
Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler
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Gespenstersonate von August Strindberg 2000 Thalia Theater Hamburg
Hamlet von William Shakespeare 2000 Koproduktion Salzburger Festspiele / Schauspiel Stuttgart
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Bettina Walter
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Das Unmögliche und das Abgründige Heide Kastler
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Martin Zehetgruber lernte ich Mitte der 1990er Jahre im Deutschen Schauspielhaus Hamburg kennen. Er wurde mir als „d e r Z.“ vorgestellt. Schwarze ausgewaschene 501er-Jeans, spitze Boots, buschiger Schnauzbart, weiche Lederjacke, sehr guter Humor, intelligent und trinkfest. Es war eine besondere Begegnung, wir hatten sofort einen Draht zueinander und bis heute verbindet uns eine enge Freundschaft. Bei etwa 25 gemeinsamen Produktionen habe ich das Kostümbild entworfen. Wir haben in Wien am Burgtheater, im Residenztheater München, am Schauspielhaus und im Thalia Theater in Hamburg, De Nationale Opera en Ballet Amsterdam, Opera Liceu in Barcelona, La Monnaie in Brüssel, Opera Bastille in Paris, Opera Teatro Real in Madrid, Nationaltheater in Mannheim, Schauspiel Hannover, Staatstheater Stuttgart, Schauspiel Bonn und bei den Salzburger Festspielen für Schauspiel, Choreografisches Theater oder Opernproduktionen zusammengearbeitet und wirklich sehr viel Zeit miteinander verbracht: hauptsächlich im Theater, im Atelier, in Restaurants, in Bars, bei Endproben, gemeinsamen Urlauben. Martin Zehetgruber macht mit seinen Räumen immer eine künstlerische Ansage. Er vermeidet Requisiten und alles Unnötige. Keine Dekoration, kein Plüsch oder Nachbauten von real existierenden Räumen. Er will mit seinen Räumen in die Seelen der Figuren reisen. Ihn interessiert das Abgründige im Menschen. Er trifft mit seiner Raumsetzung immer den Kern der Geschichte, der visuell für die Zuschauer erfahrbar wird. Er überhöht, übertreibt und reduziert gleichzeitig. Ich denke zum Beispiel an „Weibsteufel“ (Wien 2008 / s.S.170f.), eine Produktion im Akademietheater. Der Autor Karl Schönherr beschreibt sehr karg und archaisch mit kurzen Sätzen die Geschichte von drei Figuren: Weib, Mann, Grenzjäger. Das Setting: oben am Berg, an der Grenze, unten im Tal. Martin hatte dafür eine Übersetzung gefunden: überdimensionierte Baumstämme, wie zufällig übereinandergestapelt, so als wären sie von einer Lawine mitgerissen worden. Resultat einer Katastrophe. Damit hatte er das Herz des Stücks freigelegt. Die Gefahr, das Unmögliche, das Begehren, der Absturz - alles war da drin zu finden und gleichzeitig war es sehr sexy. Der Archaik des Textes entsprach die Wucht des Bühnenbildes. Die Zuschauer:innen erlebten das Drama der Figuren physisch! Das finde ich immer wieder eine Besonderheit an den Räumen von Martin. Jede:r im Team hatte sich sofort in den Entwurf verliebt und wir setzten alles daran, dass es für die Schauspieler:innen möglich war, in dem Bühnenbild ungesichert zu spielen. Sie brauchten einen guten Stand auf den Stämmen, durften nicht rutschen. Ich weiß noch, dass ich mich ausgiebig mit unterschiedlichsten Schuhsohlen beschäftigt und viele Tests durchgeführt hatte, bis ich die perfekte Sohle für diese speziellen Anforderungen gefunden habe. Die Zuschauer:innen denken glücklicherweise nicht darüber nach, was es bedeutet, auf diesen schrägen, runden Stämmen zu spielen. Zwischen den Szenen gab es auch kurze Blacks, die Schauspieler:innen wechselten sogar während dieser Dunkelheit ihre Position auf den Stämmen! Versuchen Sie mal, auf einem Bein zu stehen und die Augen zu schließen, dann wissen Sie, was ich meine. Eine in allen Bereichen unglaubliche schauspielerische Leistung von Birgit Minichmayr, Werner Wölbern und Nicholas Ofczarek (sowie Tobias Moretti, der später die Rolle von Ofczarek übernommen hat).
Martin Zehetgruber legt immer sehr viel Wert darauf, dass die Bühnen für die Schauspieler:innen für die Proben original aufgebaut werden. So können sich die Schauspieler:innen schon zu einem frühen Zeitpunkt körperlich mit ihr auseinandersetzen und sie sich einverleiben. Bleiben wir bei Schönherr: „Glaube und Heimat“ (Wien 2001 / s.S.102f.), eine Geschichte einer Tiroler Familie, die wegen ihrer religiösen Überzeugung gewaltsam aus ihrem Land vertrieben wurde. Martin Zehetgruber hatte die Idee, dass es während der gesamten Aufführung durchgehend regnet, der Bühnenboden sollte aus Mutterboden sein. Wieder ein Entwurf, der in der Umsetzung erst mal unmöglich schien. Zwei Stunden Regen, die große Bühne des Burgtheaters knietief mit Erde befüllt! Das Gewicht der Erde und des Wassers ist eine immense Herausforderung auf einer Theaterbühne! Es mussten Wannen gebaut werden, alle Gänge bis zu den Garderoben waren mit Plastikfolien ausgelegt. Die Garderoben der Schauspieler:innen sahen aus wie Quarantänestationen. Die nasse Erde verteilte sich überall. Die Schauspieler:innen trugen wegen der Nässe und der Kälte dünne Neoprenanzüge oder Mohairunterwäsche unter ihren Kostümen. Einige Kostüme gab es auch in vierfacher Ausführung, weil die dunkle Erde, das Wasser und der Schweiß das textile Material komplett auflösten. Waschmaschinen mussten nach dieser Produktion ausgetauscht werden. Hinter der Bühne sah es wie auf einem Schlachtfeld aus. Durch den Dreck, den permanenten Regen, die nasse Erde entstand eine bizarre Stimmung, die Spieler:innen verschlammten zusehends, ihre Figuren erfuhren dadurch physisch eine Verwandlung, die das Vergehen der Zeit und ihre psychische Situation widerspiegelten. Martin Zehetgruber hatte mit seinen Raumentwurf bereits so viel über Flucht, Heimatlosigkeit, Krieg, Verzweiflung, Vertreibung und Kälte erzählt! Seine Bühnen ließen mir für den Kostümentwurf immer große gestalterische Freiheit. Die von ihm entworfenen Böden waren allerdings fast jedes Mal eine Herausforderung für mich. Bei der Besohlung der Schuhe wurde ich im Laufe unserer Zusammenarbeit zur Spezialistin. Ich habe es geliebt, mich jenseits der klassischen „Theaterbesohlung“ inspirieren zu lassen von Surfbrettern, Kletterschuhen oder selbst kreierten Absätzen. Bühnenböden bedeckt mit Wasser (nass, rutschig), Erde (glitschig), Blut (sehr rutschig), Gitterrost (Pumps nicht möglich?), bespielbare Skulpturen (Absätze, rutschig), Drehbühnen (Lautstärke beim Gehen). Aber auch Blutregen („Aller Seelen“, Hamburg 2000 / s.S.90f.), schwarzer Regen („Baumeister Solness“, Hamburg 2009 / s.S.172f.), brennende Kostüme („Don Giovanni“, Salzburg 2002 / s.S.106f.), Schlammschlachten („Die Rosenkriege“, Wien 2010 / s.S.166f.), Farbbeutel, die auf die Bühnenfiguren geworfen wurden (Der fliegende Holländer, Amsterdam 2011 / s.S.180ff.) usw. waren natürlich für mich neben dem eigentlichen Kostümentwurf eine echte Herausforderung, was die Materialauswahl betraf. Theater muss im Gegensatz zum Film „wiederholbar“ sein. Die Bühne, das Kostüm muss zur nächsten Vorstellung wieder in den ursprünglichen Zustand gebracht werden. Die blutigen Kleider müssen am nächsten Tag wieder so aussehen, als wären sie „neu und unbenutzt“, sozusagen unschuldig. Martin Zehetgruber ist für mich ein Ausnahmekünstler. Unsere lange gemeinsame Zeit hat mein Theaterverständnis geprägt, meinen Blick geschärft. Dafür bin ich sehr dankbar.
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler
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Glaube und Heimat von Karl Schönherr 2001 Burgtheater Wien
Glaube Liebe Hoffnung von Ödön von Horváth 1990 Slowenisches Nationaltheater Ljubljana / 2002 Burgtheater Wien
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Regie: Martin Kušej Kostüme: 1990 Leo Kulas / 2002 Heidi Hackl
Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart 2002 Salzburger Festspiele
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Musikalische Leitung: Nikolaus Harnoncourt Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler
Kompromisse? Keine. Ein Gespräch mit Klaus von Schwerin
Mich würde dein Blick vom Inspizientenpult aus auf die Bühnenbilder von Martin Zehetgruber interessieren. Sie sind in ständiger Bewegung und sicher nicht selten verlangen dir manche Verwandlungen und Umbauten im Vorstellungsbetrieb einiges ab. Martin Zehetgruber ist jedenfalls keiner von diesen minimalistischen oder gefällig plakativen „Bühnenschmückern“. Er will immer viel. Er will immer groß. Hat damit aber auch immer etwas zu erzählen. Ist er in der Zusammenarbeit zu Kompromissen bereit? Zehetgruber? Kompromisse? Keine bis sehr selten. Wenn nicht schon bei der Bauprobe, spätestens dann bei der technischen Einrichtung bilden sich erste Schweißtropfen auf meiner Stirn. Und oft auch die ersten kritischen Anmerkungen und gedanklichen Verwünschungen. Diese natürlich auf der heiteren, kollegialen Schiene und im klaren Bewusstsein der absoluten Aussichtslosigkeit. Schließlich sind wir ja auch über das Theater hinaus befreundet. Wie muss ich sie mir vorstellen, diese Auseinandersetzung über die Machbarkeit? Na, ich hinterfrage schon mal, ob er nicht bereits an seinem Reißbrett darüber nachdenken könnte, wie unter den jeweiligen Gegebenheiten seine Ideen überhaupt realisierbar sind. Zum Beispiel, als er in Salzburg in der Saline auf der Pernerinsel für „König Ottokars Glück und Ende“ (Salzburg / Wien 2005 / s.S.136ff.)während laufender Vorstellung fünf Autos lautlos in Stellung bringen und hundert Podeste verbauen lassen wollte, bei einer Seitenbühne von max. 2,20 Meter – während Tobias Moretti vorne leise seinen Monolog hält und ständig 25 Statist:innen an ihren Auftrittspositionen warten. Er blieb unbeeindruckt?
Zuvor war mein Inspizientenpult unter diesen Autos platziert, die selbst ohne ihre Motoren noch immer einiges wogen. Sie hingen an Kettenzügen in der Höhe und überdauerten dort ihre Zeit bis zum Umbau bzw. „ihrem Auftritt“. Unten gab es einfach keinen Platz. Das war ein recht mulmiges Gefühl. Die Techniker:innen ließen sie per Handsteuerung an entsprechender Stelle sanft hinuntergleiten und
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Anfangs schon. Nur den Einbau der Podeste konnten wir ihm ausreden, was aber sehr pragmatisch begründet war. Wer einmal in Salzburg war, weiß um den Dauerregen dort, und die Podeste hätten im Freien gelagert und von dort aus nass und rutschig auf die Bühne gebracht werden müssen. Somit war ausgerollter Tanzboden die sicherere Alternative. Diesen während der laufenden Vorstellung lückenlos auf Stoß auszulegen, war noch immer herausfordernd genug. Vorweg musste ein großer, begehbarer Wagen, der die ganze Bühnenbreite ausfüllte und vom Schnürboden über Umlenkrollen gezogen wurde, langsam nach vorn fahren und die Sollbruchstelle einer fallenden Wand passgenau über dem Thron platzieren. Auf diesem saß König Ottokar und sah seinem historischen Untergang und vertrauensvoll der allabendlich fallenden Wand entgegen. Ein eindrucksvolles Bild, wie die plötzlich auftauchenden Autos anschließend auch.
bugsierten sie fast schwebend zu ihrem Auftrittsort. Zehetgruber hätte aber auch nicht gezuckt, wenn wir die Autos in Einzelteile hätten zerlegen und während der Vorstellung an entsprechender Stelle wieder zusammenschrauben müssen. Natürlich lautlos oder mit David Copperfields Hilfe! Letztlich ist allen klar: Wenn Martin etwas will und die Regie die Idee unterstützt, muss eine Lösung gefunden werden. Wurde sie bislang auch immer. Wenn es denn gelingt, bringt es ja auch Spaß. Das muss ich schon sagen. Ich liebe Theater, das was kann, die Verzauberung, das Unerwartete, Überraschende, Staunenmachende, Nichtfürmöglichgehaltene. Das können heute nur noch die wenigsten künstlerischen Teams, die meisten sind Quer- oder Schnelleinsteiger und haben es nie gelernt, wie man Poesie und Zauber auf Bühnen herstellt. Vielleicht wollen sie es auch nicht? Ja, vielleicht ist das vorbei. Aber die meisten können es eben auch nicht mehr.
Klaus von Schwerin ist langjähriger Wegbegleiter, geschätzter Kritiker und einer der wichtigen Gesprächspartner in Martin Zehetgrubers Arbeitsleben. Viele Male koordinierte er vom Inspizientenpult aus die Herausforderungen der komplexen Bühnenräume, fand Lösungen, wo es eigentlich keine gab. Der Geschichten gibt es viele. Wir müssen uns beschränken. Eines der Bühnenbilder, für dessen magische Momente er verantwortlich war, war der Entwurf für „Letzter Aufruf“ (Wien 2002 / s.S.112ff.) von Albert Ostermaier, uraufgeführt von Andrea Breth.
Welche besonderen Herausforderungen verbanden sich mit diesem Entwurf für dich? Zehetgruber hat eine Raumbühne entworfen, einen Raum im Raum, ein kreisrundes Gehäuse, in der Mitte saßen die Zuschauer:innen auf Drehhockern. Um sie herum ein doppelstöckiger Ring mit vielen einzelnen Spielorten, ein 360-Grad-Panorama. Die Räume konnten durch Schiebetüren geöffnet oder verschlossen werden. Das Stück bestand aus vielen losen Szenen, spielte mit der Gleichzeitigkeit von Geschehnissen an einem Unort, einem Transitort, wo Menschen in den verschiedensten Konstellationen aufeinandertreffen. Das Ganze fand in den Probebühnen des Burgtheaters statt, auf dem Gelände vom Arsenal, denn dieser Bühnenentwurf konnte unmöglich in einem Repertoirebetrieb auf- und abgebaut werden. Das ganze Equipment musste eigens dorthin geschafft werden, da gab es ja erst mal nichts an Technik. Intendant Klaus Bachler hatte dieses Raumexperiment interessiert, deswegen hat er äußerst großzügig die Mittel freigegeben, finanzielle, aber auch räumliche. Der Probenbetrieb für die anderen Produktionen musste ausgelagert und ein Shuttlebus für die Zuschauer:innen eingerichtet werden.
Ich stand nun vor der rätselhaften Aufgabe: Wie bewegen wir all die Türen, nacheinander, parallel, versetzt, zügig, sacht? Wir kriegten ja keine Techniker:innen zu uns da raus, da sie für den Spielbetrieb im Burgtheater, Akademietheater und Kasino gebraucht wurden. Wir hatten also nur ein kleines Team, mit dem ich 150 Türbewegungen koordinieren sollte. Selbstredend sollten diese Vorgänge lautlos vor sich gehen. Ich war zunächst ratlos und habe Zehetgruber gefragt, wie er sich das, bitteschön, gedacht habe? Es gibt oft eine leichte erste Erregung im Angesicht seiner Entwürfe, aber man beruhigt sich dann auch wieder und arbeitet eng zusammen. Oft endet das Ganze dann sehr friedlich abends bei einem Zirbenlikör oder Vogelbeerschnaps. Und meist hat Zehetgruber dann das erreicht, was er von Anbeginn wollte, während man selbst etwas versöhnter mit der Machbarkeit ist und glaubt, einen Konsens gefunden zu haben. Wir haben also in diesem Fall eine Unzahl von Statist:innen engagiert, die ich mit Funkgeräten ausstattete und mit denen ich probte. Ich baute mir eine „Leitzentrale“, von der ich sie ansteuern konnte. Ich musste eine eigene Notation entwickeln, um die ganzen Parallelaktionen im Inspizientenbuch abbilden zu können. Mit Mehrfachkameras habe ich den gesamten Bühnenraum überwacht und permanent kommuniziert. Dazu kamen noch die Einsätze für das Ensemble, das auch nicht klein war, und für Licht und Ton. Das blieb mir ja nicht erspart neben den 150 Türeinsätzen, dem Einsatz für die Rolltreppe, den Fahrstuhl, das Förderband, das Wasser. Vom Ergebnis war ich am Ende selbst überrascht. Das war wirklich toll, es hat alles funktioniert, auch wenn der Prozess nervenaufreibend war, weil vieles immer wieder verändert wurde. Der Autor saß auf der Probe und wurde von Andrea Breth beauftragt, die Szenen umzuschreiben. Der saß dann mit seinem Laptop in der Garderobe und lieferte ständig neues Material. Da konnte ich mit der Komparserie jedes Mal wieder von vorne anfangen. Es war aber eine feinfühlige, ambitionierte Mannschaft, die ich wirklich sehr loben konnte. Zur Premiere lief alles ab wie ein Schweizer Uhrwerk, alles griff ineinander – wirklich magisch. Das Publikum staunte, dass es die „Motoren“ gar nicht gehört habe, die diese vielen Türfahrten der gewaltigen Maschinerie bewegen. Das war das schönste Kompliment. Ich musste sehr lachen, denn ich sah ja das Bild auf meinen Monitoren, wie die Statist:innen mit zusammengekniffenen Hintern, kaum zu atmen wagend hinter den Wänden standen und mit aller Vorsicht, innerer Stoppuhr, Knopf im Ohr, in einiger Verkrampfung, um nicht plötzlich in einem Durchblick störend im Weg zu stehen, die Wände öffneten und schlossen und so diesen Zauber ermöglichten. Das Gespräch führte Judith Gerstenberg.
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Das Stück spielte auf einem Flughafen. Und tatsächlich hatte Zehetgruber alles auffahren lassen, was sich da so findet: Gepäckförderband, Rolltreppe, Duschen, Fahrstuhl, Garage und und und. Natürlich sollte alles funktionstüchtig sein. Die Spielorte waren hinter Schiebetüren verborgen und sollten sich magisch öffnen, einer nach dem anderen, zwei zugleich, erst einer, dann zwei drüben, einer rechts unten, viere links oben. Die Öffnungen - mal halb, mal vollständig, mal schnell, mal langsamer - sollten einer eigenen Choreografie folgen. Das war ein richtiges Türballett, die Türen schlossen auf Satzende, öffneten auf Satzanfang, markierten eine Fermate oder Pause. Wasser spielte auch eine Rolle. Zum Schluss öffnete sich ein riesiges Ladetor, dahinter eine Leinwand und man sah die Projektion eines Flugzeugstarts. Das Publikum hatte das Gefühl, es sitzt direkt auf der Startbahn.
Regie: Andrea Breth Kostüme: Françoise Clavel
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Letzter Aufruf von Albert Ostermaier 2002 Burgtheater Wien (Arsenal)
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Heinz Filar damaliger Technischer Direktor Burgtheater
Mit Peer Gynt unterwegs nach Utopia Über das Team Kresnik / Zehetgruber Christoph Klimke
1998 sehe ich die Uraufführung von „Brecht.“ (s.S.84ff.) am Nationaltheater Mannheim. Hans Kresnik hat mich zur Premiere eingeladen und ich lerne Martin Zehetgruber kennen und merke gleich, die beiden sind nicht nur künstlerisch ein Team, sondern vor allem der Humor, die Lust an irdischen Genüssen, viel Temperament und ein gewisser Schalk verbinden sie in einer Art Komplizenschaft, die selten ist. Dem Duo trete ich gerne bei. Zehetgrubers Bühne ist bildstark, Kresniks Regie sowieso, und ich sehe, beide denken in Bildern. Unvergesslich der Schluss: Brechts Frauen zerstören mit Lust und Wut lebensgroße Brecht-Statuen. Lust und Wut verbindet die beiden Österreicher. Kresnik, eine Generation älter als sein Bühnenbildner, wird ihm an langen Kneipen-Abenden, auf gemeinsamen Reisen und bei den Kresnik-üblichen Vorbesprechungen vor den Proben von seiner ungeliebten Heimat erzählt haben. Ein Mann aus den Bergen zieht hinaus in die Welt, um unglaubliche Abenteuer zu erleben, ein sympathischer Sondergänger und Spinner, der am Ende seines Lebensweges in die Berge zu seiner Jugendliebe zurückkehrt.
Ich kürze also „Peer Gynt“ radikal, bewahre seine wichtigen Figuren, die Kresnik in Szene setzt. Ich gebe ihnen zusätzlich zum Original Texte von Heiner Müller, Pier Paolo Pasolini und anderen, und so finden sich weitere Sondergänger auf Martin Zehetgrubers Bühne: amerikanische Astronauten und ein boxender Rabe, der die Welt erklärt, bis er - wie alle Lehrmeister, die nerven - in scharfer Soße gebraten verputzt wird. Im Gelehrtenclub streitet Peer mit Marx, Kennedy, Nietzsche, Mutter Teresa, Papst Wojtyla, Ulrike Meinhof und Ghandi um Wahrheiten. Die Vorproben sind in Hannover, bis es nach Hallein auf die Perner Insel geht, wo unser „Peer Gynt“ 2003 Premiere hat. Auf der Bühne: ein grüner Rasen, flaches Land und hinten Berge; bis Peer den Rasen wegzieht und das Gebirge sich als ein begehbares, zu bespielendes Ensemble aus riesigen Köpfen linker und rechter Philosophen und Ideologen entpuppt. Hier spielt also „Peer Gynt“, diese Welt gilt es zu erobern, zu diskutieren, zu zerstören und zu verändern. Peer Gynts Auftrag.
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Als 2003 das Schauspiel Hannover in Zusammenarbeit mit den Salzburger Festspielen anfragt, ob der Choreograf und Regisseur Johann Kresnik Ibsens poetisches Weltmärchen „Peer Gynt“ (s.S.120f.) inszenieren will, sah die Dramaturgie des Hauses sicher Parallelen zwischen Ibsens Hauptfigur und Kresniks eigener Biografie. Tatsächlich hat der Kärntner, geboren und aufgewachsen an der slowenischen Grenze, eine archaische Kindheit in den Bergen erlebt, die seine wuchtige Bilderwelt prägen sollte, und tatsächlich zieht er am Ende seines Lebens wieder ins heimatliche St. Margareten oberhalb von Bleiburg und baut sich dort, wie Peer Gynt sagen würde, seine „Hütte“. Zunächst wird Kresnik Werkzeugmacher, bis er durch Zufall ans Theater Graz kommt und Tänzer wird. Ohne Ausbildung. Sein Lehrberuf wird ihm später auf den kleinen und großen Bühnen helfen, dass Bühnenbildner oder Technische Direktoren ihm nichts vormachen können, was geht und vor allem, was angeblich nicht geht. Aus dem erfolgreichen Tänzer, der bei George Balanchine, Agnes de Mille, John Cranko und Maurice Béjart tanzt, wird der Erfinder des Choreografischen Theaters, der Tanzgeschichte schreibt. 2003 weiß ich, die fantastischen Textmassen von Peer und seinen Geliebten, Freunden, Feinden und Trollen werden Kresniks Ungeduld nicht standhalten. Und das Poetisch-Märchenhafte allein wird ihn nicht zu den ihm eigenen unvergleichlichen Bildern bewegen. Also keine Weltreise, sondern eine Reise durch Ideologien, rechten wie linken, durch die Religionen bis hin zu unserem heutigen Konsumfaschismus.
Martin Zehetgrubers Bühnenbild ist Setzung. Des Bühnenbildners (aus der Steiermark) Regisseur (aus Kärnten) ist einer der wenigen, der solche stark inhaltlich wirkenden Bilder nicht nur zu bespielen weiß, sondern dieser Zehetgruber-Ästhetik seine eigene dazu- oder entgegensetzen wird. Die Kostüme von Heide Kastler sind nicht nur Kostüme, sondern wie die Bühne starke inhaltliche Zeichen. Peer Gynt sowie die Trolle tragen riesige Stiefel, die die Wanderschaft durch Zeit, Raum und Gedanken symbolisieren. Des Trollkönigs Volk (Kresniks Tänzerinnen und Tänzer) sind mit Geweihen gekrönt. Animalischarchaisch ihr Bewegungskanon wie ein Voodoo-Tanz. Die Musik (von Serge Weber) hierzu von den nordischen Samen entlehnt. Das Gesamtbild - Bühne, Kostüme, Musik - addiert sich zu einem eigenen Text. In der abendlichen Runde während der Probenzeit, also bei viel Bier und Wein, lassen wir Peer nicht Marokko erobern, sondern Astronauten, mit der amerikanischen Fahne bewaffnet, Zehetgrubers Mondlandschaft besetzen. In der Sturmszene fallen von der Halleiner Hallendecke Schlauchboote, die sich selbst aufblasen und los geht die Fahrt. In einem Donnerhall fallen Tausende Blechbüchsen in einem Nu auf die Bühne. Und gegen Ende laufen unsere drei Peers über Knochenberge auf den Trümmern der Geschichte. Dieser Peer Gynt ist auf der Suche nach einer Behausung, ob Liebe, Erkenntnis, Wissen, Zweifel. Das Wissen macht ihn reich, wie auch seine Erfahrungen. Sein Auftrag wird ihm zur Behausung. Das Unbehauste im Bild der kahlen Köpfe, die tot wirken und für eine kurze Zeit wieder belebt werden, im Umherirren durch Gedankenwelten, durch Sturm und Drang auch, die Heimkehr nicht als Nostalgie, sondern als Rückbesinnung auf Werte, die nicht der Gewinnmaximierung unterliegen, darin ergänzen sich Bühnenbildner und Regisseur kongenial. Und Zehetgrubers Raum verhilft Kresnik, der kein pures Wort- oder Psycho-Theater mag, zu der ihm eigenen Körper-Theater-Wucht. Nach unserem „Peer Gynt“ entwirft Zehetgruber 2004 die Bühne für ein Choreografisches Theater von Hans Kresnik an der Oper Bonn: ein Stück über Hannelore Kohl mit Kresniks Company, die von der Volksbühne an den Rhein umzieht. Wie schon in Hallein treffen wir uns immer eine Stunde vor der Probe. Ich erzähle konzentriert, welche Szene wir heute inhaltlich proben werden. Kresnik zückt den Stift und entwirft die Szenen. Zehetgrubers Bühnenbild spiegelt oder verstärkt den Mief der Bonner Republik, der aus den Paneelen-Poren des Bonner Opernhauses strömt. Im Grunde schreibt er die Architektur des Theaterhauses auf der Bühne weiter. Ich berichte dem Team von der Beerdigung der Kanzlergattin. In einer Nachrichtensendung ist zu sehen, wie Helmut Kohl am Grab einen Kranz niederlegt. Auf der Schleife steht geschrieben: „Danke! Helmut“. Das erscheint uns nach diesem Freitod zumindest missverständlich. Am Ende des choreografischen Abends findet Zehetgruber wie immer einen starken Schluss: In der Szene des Selbstmordes der an Lichtallergie leidenden Frau, wird das Publikum von der Rückwand aus von Tausenden Glühbirnen geblendet. Die Protagonistin stirbt. Plötzlich bleibt nur die Leuchtschrift: Danke. Black. Auch hier wie bei „Brecht.“ und „Peer Gynt“ ist das Unbehauste bedrohlich, aber auch ein Auftrag, sich aufzumachen in eine andere Welt, in der mehr zählt als der Mehrwert. Die Lösung gibt es nie. Nicht in der Regie, nicht im Raum, vielleicht in den Köpfen des Publikums.
Der Hochschullehrer Zehetgruber lädt uns nach Stuttgart ein, einen Workshop mit seinen Studentinnen und Studenten zu machen. Thema: Gudrun Ensslin. Ich schreibe das Libretto, die Bühnenbild-Klasse erarbeitet Modelle. Wir entscheiden, welches realisiert wird. Ein radikaler Raum: ganz weiß aus Styropor. Alles ist aus dem Material. Der Boden, die Wände, die Stufen, auf denen das Publikum sitzt. Am Ende der Vorstellung wird der Raum ein Schlachtfeld sein. Wie bei einem Zehetgruber-Schluss. „Die Bücher von heute sind die Taten von morgen“, irrte Heinrich Mann. Dennoch, Johann Kresnik, Kommunist im Herzen, sah in seiner Kunst unbedingt einen politischen Auftrag. Unterwegs nach Utopia weiß er wie Pasolini: „Und früher gab es mal ein schönes Rot!“ Auch im Theater. Unsere Fassung von „Peer Gynt“ war für das ganze Team ein Weg dahin. Und vielleicht ist Kunst ja wirklich das letzte Utopia. Eine Zeit lang gehen Kresnik und Zehetgruber diesen Weg gemeinsam. Der eine mehr Ästhet, der andere mehr Anarchist. Mit „Hannelore Kohl“ und „Gudrun Ensslin“ hat das Team Geschichtsbildern Beine gemacht. Und mit „Peer Gynt“ Heilige auf den Kopf gestellt. Schließlich geraten sie nur so in Bewegung.
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Nach „Peer Gynt“ hätte das Team weitere Reisen nach Utopia wagen sollen. Kresniks Wut war für Martin Zehetgruber wohltuend ansteckend und in der Hassliebe zu ihrem Österreich trafen sich beide sowieso. So fanden zwei unbehauste Sympathisanten des Zornes aus den Bergen in eine gemeinsame, sich bereichernde Bilderwelt.
Peer Gynt nach Henrik Ibsen 2003 Koproduktion Salzburger Festspiele / Schauspiel Hannover
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Regie: Johann Kresnik Kostüme: Heide Kastler
Künstlerische Begegnung Zur Zusammenarbeit mit dem Lichtgestalter Alexander Koppelmann Judith Gerstenberg
2004. Burgtheater. Friedrich Schiller. „Don Carlos“ (s.S.126ff.). Die Regisseurin Andrea Breth arbeitet nach der Uraufführung von Albert Ostermaiers „Letzter Aufruf“ (s.S.112ff.) zum zweiten Mal mit Martin Zehetgruber zusammen. Zwanzig weitere, überaus erfolgreiche gemeinsame Produktionen werden folgen. Sie lädt den Lichtgestalter Alexander Koppelmann ein, Teil des künstlerischen Teams zu werden. Er ist ihr vertraut und wertvoller Partner aus gemeinsamen Jahren an der Berliner Schaubühne. „Martins Bühnenentwurf war eine einzige Kriegserklärung an das Licht“, erinnert sich Alexander Koppelmann. Und eine Kriegserklärung speziell an ihn, Koppelmann, der aufgrund eines Augenleidens seit Kindertagen Schwierigkeiten mit dem dreidimensionalen Sehen hat – eine Einschränkung, für die er im alltäglichen Leben mit vielen blauen Flecken und kleineren Unfällen bezahlt, die ihn aber im Theater - diesem Ort künstlich erschaffener Welten - die Möglichkeit gibt, eine ins Äußerste gesteigerte Aufmerksamkeit, eine ausgeprägte Sensibilität für räumliche Ordnungsprinzipien zu entwickeln. Alexander Koppelmann muss die Strukturen jeweils für sich erschließen, die Räume abtasten, ihre Gesetzmäßigkeiten herausfinden, ihre Geheimnisse, ihre Potentiale für die in ihnen möglichen Ereignisse. Er tut dies behutsam, mit Respekt, „so wie man sich einem Gegenüber nähert, das man noch nicht kennt“.
Die Schwierigkeiten, die sich aus den für die „Don Carlos“-Bühne von Martin Zehetgruber vorgesehenen Materialien und der Unübersichtlichkeit der Konstruktion für die Arbeit ergaben, waren somit für ihn zugleich Schrecken und Lust. Das Bühnenbild war für das Leuchten eine Unmöglichkeit. Darum hatte Andrea Breth nach ihm gefragt. Martin Zehetgruber hatte ein labyrinthisches Geflecht entworfen, eine kafkaeske Behördenarchitektur, ein Spiegelkabinett aus hellen Wänden und Plexiglasscheiben („… in denen sich jeder Scheinwerfer schnell mehrfach spiegelt!“) auf einer Drehbühne („Alles in ständiger Bewegung!“), dessen Ziel es war, die Orientierung zu verunmöglichen („… diesen Eindruck beizubehalten und zugleich punktgenau Aufmerksamkeiten in der Tiefe des verschachtelten Raums zu steuern, sah ich als meine Aufgabe“) und mit verblüffenden Umbauten überraschte („Wie taucht man die Vorbereitungen solcher Theaterwunder ins Dunkel und trägt doch dafür Sorge, dass niemand in die Unterbühne fällt?“). Die Komplexität der Architektur, Übergänge und Drehungen war schwierig zu durchdringen und er brauchte Tage, um sie nachzuvollziehen. Michael Skasa hat in seiner Rezension (6. Mai 2004 in DIE ZEIT) zu Andrea Breths hymnisch gefeierter Inszenierung einen Großteil der ihm zur Verfügung stehenden Zeilen der Beschreibung dieses Bühnenbildes gewidmet – nicht ohne Grund, hat es am Ende doch eine tragende, erzählerische Funktion in diesem
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Dadurch dass es zu seiner Profession gehört, Licht und Schatten zu setzen, Richtung und Strecken festlegen zu können, werden ihm Räume erst greifbar und erkennbar – dann geht er nicht mehr verloren in konturloser Weite oder sieht sich planen Flächen gegenüber. Seine Berufswahl, so könnte man meinen, ist ein Überlebenstrick, um sich mithilfe der ihm dort zur Verfügung stehenden Instrumente Orientierung in Raum und Zeit zu verschaffen. Seinen Kopf nennt Alexander Koppelmann eine Rechenmaschine, die die ganze Zeit gefordert ist, Dimensionen und Abstände zu ermitteln. Das ist eine Anstrengung und sie kostet Zeit. Daher müssen ihn die Bühnen inspirieren, herausfordern, locken, sich in sie hineinzubegeben. Es ist jeweils ein Forschungsakt.
beklemmenden Spiel über Angst und Macht übernommen. „Glut im Kühlhaus“ lautete der Titel der Kritik: „Ein infraroter Mückengrill tötet knatternd ab, was immer in der freien Luft zu fliegen wagt. Am Boden herrscht König Philipp, überall, auch in der Sommerresidenz Aranjuez, wo die Natur zu gleißenden Wandvorhängen in Altmessing-Lamé erstarrt ist und in der Freizeit-Lounge 15 weiße Clubledersessel auf ein Fernsehgerät ausgerichtet stehen: Dort drinnen branden wilde Meereswellen. (…) Doch dann zu Hause, Madrids Konzernzentrale und Wohnstatt zugleich, niederschmetternd in ihrer Zwecknüchternheit. Unter Neonkästen verglaste Bürokuben in mattweißen Schleiflackrahmen, die sich auf der Drehbühne verschachteln, Laufgänge freigeben und – da kehrt die Hinterseite sich nach vorn – neue Gelasse, Waben und Verliese zeigen im offenbar vielräumigen Schaltzentrum der Macht: eine Aktenschrankregistratur (wo Philipp nachts im Hängeordner die ‚Großen seines Reiches‘ überprüft), ein mit Palmblattgrün zum Wintergarten vollgestopfter Kubus (das Liebesgemach der Prinzessin Eboli, gesichert von vier gelegentlich wuffenden Doggen), ein Konferenz- und Esstisch von abstoßender Länge, um sich Freund wie Feind vom Leib zu halten. Doch stets sind hinter den gläsernen Scheiben schattenhaft Zugucker und Lauscher zu sehen. Einmal (nach Ankündigung eines Autodafés), kreisen glosend die Glaskuben, und ein am Rücken noch kokelnder Pferdekadaver treibt vorüber; ein andermal, nachdem einiges Volk revoltebrabbelnd durch die Korridore gestolpert war, kreisen auf der Bühne graue Menschenleiber vorbei.“ Die Arbeit an „Don Carlos“ war im Ergebnis beglückend, im Prozess überaus anstrengend. Martin Zehetgruber und Alexander Koppelmann haben alle Phasen einer künstlerischen Erstbegegnung durchlebt. „Ich kannte noch die Arbeit aus der Schaubühne, wo von der ersten Probe bis zur letzten Vorstellung Ein Team von Techniker:innen, Requisiteur:innen, Maskenbildner:innen usw. zuständig war. Keine Schichten, kein wechselndes Personal. Die Theater heute funktionieren hingegen wie eine Fabrik. Limitierte Zeiten, alles ist auf Effizienz ausgerichtet. Darin zu funktionieren, will und vermag ich nur bedingt. Als wir nach der Hälfte der uns zugeteilten Beleuchtungszeit noch nicht einmal das erste Bild fertig geleuchtet hatten, hatte Martin, glaube ich, einen Nervenzusammenbruch. Verständlicherweise.“ Unterdessen schätzen sich beide, haben Vertrauen in die Arbeit des anderen, verstehen die Sprache des Gegenübers. Regelmäßig jubelt die Kritik über die kongeniale Zusammenarbeit dieses künstlerischen Teams, das sich später über Jahre immer wieder an den Opernhäusern in Holland, Belgien und Frankreich zusammengefunden hat. Martin Zehetgruber und Alexander Koppelmann betrachten sich als umeinander Werbende, denn beide scheuen sich, zu viele Worte zu machen, beide bewahren ihre Geheimnisse. Sie verbindet die Passion zur Präzision, ein Erkennen von Bedeutsamem, das anderen Nebensächlichkeit ist oder gänzlich entgeht, eine Leidenschaft bis zur Verausgabung für die Verwirklichung einer für richtig befundenen Idee, die Abneigung gegen Pragmatismus und Kompromisse, das Wissen um den Raum als flüchtiges Etwas, entrissen aus der Leere und der Zeit, dessen Wahrnehmung man einander bezeugt. Sich darin gefunden zu haben, bedeutet ihnen viel. Je älter er werde, desto überraschter sei er, sagt Alexander Koppelmann, dass man überhaupt jemandem begegne, der das Gleiche sehe wie man selbst. Das sei beileibe keine Selbstverständlichkeit.
Sie sind einander vertraut und doch ist jede ihrer vielen gemeinsamen Produktionen ein Kennenlernen – jedes Mal aufs Neue. Es bleibt eine Annäherung, ein Forschen, ein respektvoller, geradezu zärtlicher Akt, wenn man die Idee des anderen freizulegen versucht, den Raum sich offenbaren lässt, ihn überprüft und in seinen Möglichkeiten kennenlernt. Da gibt es keine Überholspur, keine Rezepte, nur Erfahrung und Hingabe.
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Zehetgrubers Bühnen sind auf besondere Weise auf das Licht angewiesen. Es ist ihr essenzieller Bestandteil. Er denkt dieses Element von vornherein mit, spielt es durch, analog im Modell, virtuell im Computer. Die Vorbereitungen, besonders die Bühnenmodelle, von ihm und Stefanie Wagner seien exzeptionell, sagt Alexander Koppelmann. Das finde sich nur selten und er schätze es sehr. Drei Wochen, bevor die eigentlichen Beleuchtungsproben disponiert sind, setzt er sich bereits auf die Probebühne. Er muss sehen, was sich warum und wohin entwickelt, welche Gedanken in der Luft sind, welches Ziel verfolgt wird, welche Änderungen eintreten. Wenn er Licht setzt, ist er vollständig fokussiert, geradezu autistisch, vergisst alles um sich herum („wortwörtlich“), nur der Kanal zum Stellwerker und zu Zehetgruber bleibt offen. Dann beginnt die Manipulation bewusster und unbewusster Wahrnehmung, das Verwischen der Trennschärfe von Realität und Traum, das Beseelen und Verlebendigen von Räumen, bevor die ersten Spielerinnen und Spieler sie betreten.
127 Don Carlos von Friedrich Schiller 2004 Burgtheater Wien Regie: Andrea Breth Kostüme: Françoise Clavel
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler
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König Ottokars Glück und Ende von Franz Grillparzer 2005 Koproduktion Salzburger Festspiele / Burgtheater Wien
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145 Nach den Klippen von Albert Ostermaier 2005 Akademietheater Wien Regie: Andrea Breth Kostüme: Dajana Dorfmayr
Höllenangst von Johann Nepomuk Nestroy 2006 Koproduktion Salzburger Festspiele / Burgtheater Wien
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Lady Macbeth von Mzensk von Dmitri D. Schostakowitsch
2006 Nationale Opera en Ballet Amsterdam Musikalische Leitung: Mariss Jansons 2009 Opéra Bastille Paris Musikalische Leitung: Hartmut Haenchen 2011 Teatro Real Madrid Musikalische Leitung: Hartmut Haenchen 2017 Teatro di San Carlo Neapel Musikalische Leitung: Jura Valcuha
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Woyzeck von Georg Büchner 2007 Residenztheater München
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Su Sigmund Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
Macbeth von Giuseppe Verdi 2008 Bayerische Staatsoper München
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Musikalische Leitung: Nicola Luisotti Regie: Martin Kušej Kostüme: Werner Fritz Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Macbeth von William Shakespeare 2008 Akademietheater Wien
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Regie: Stephan Kimmig Kostüme: Katharina Kownatzki Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
Regie: Stephan Kimmig Kostüme: Heide Kastler Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Die Rosenkriege von William Shakespeare 2008 Burgtheater Wien
Mir kam es immer so vor, als hätten seine Räume eine eigene Biografie Nicholas Ofczarek
Martin Zehetgrubers Räume sind wirklich Räume. Begehbar, erfahrbar. Es mag überraschen, dass ich das erwähne, aber es gibt tatsächlich sehr viele Bühnenbilder, in denen ich schon gestanden habe, die keine Tiefe haben, die einem als Schauspieler nichts geben. Seine hingegen haben immer eine Tiefe – im wörtlichen und übertragenen Sinn. Sie sind eine Aufforderung. Ich muss mit ihnen umgehen, kann sie nicht ignorieren. Auch die Regisseur:innen müssen sich zu ihnen verhalten. Er wirft uns einfach etwas hin und schaut, was wir damit machen – dieses Etwas ist entschieden, es ist stark, immer wohldurchdacht und aus der zu erzählenden Geschichte abgeleitet. Seine Arbeit gleicht einer Übersetzungsarbeit des Textes ins Räumliche, ins Mehrdimensionale. Dadurch hat man das Gefühl, dass man sich in dem Text bewegen kann. Man kann ihn physisch erleben und entdecken. Zehetgrubers Räume – ich spreche bewusst von Räumen und nicht von Bühnenbildern formulieren sich eben nicht nur inhaltlich, sondern ermöglichen eine sinnliche Erfahrung. Sie strömen Energie aus, haben Spannung. Zehetgruber achtet sehr darauf. Er zirkelt alles auf das Genaueste aus, damit diese Spannungen tatsächlich entstehen. Das ist zum Teil Millimeterarbeit. Und: Seine Räume sind offen, sie formulieren geradezu eine Offenheit. Sie lassen die Möglichkeit zu, etwas über Distanz zu spielen, in die Diagonale zu gehen. Sie SCHAFFEN Raum. Es gibt in ihnen tote Stellen, das schon auch, aber eben auch immer die Orte, die eine eigene Kraft haben, die dich als Schauspieler anzünden, wenn du mit ihnen in Berührung kommst. Verlässlich finden sich diese Punkte in all seinen Bühnenbildern, man muss sie nur erforschen und auffinden. Du spürst sie mehr, als dass du sie siehst oder exakt benennen könntest. Und da ist diese Gewalt. Seine Räume haben etwas Gewalttätiges. Es geht von ihnen eine nicht greifbare Bedrohung aus. Auch sie lässt sich weniger formulieren als körperlich spüren. Als Schauspieler bist du dem ausgesetzt - im guten Sinn. Man fühlt sich wie unter einem Brennglas. In dem Raum von „Der Weibsteufel“ ( Wien 2008 / s.S.170f.) beispielsweise, dem wahrscheinlich besten Bühnenbild, in dem ich je gespielt habe, empfand ich mich wie in einem Terrarium. Da waren eine Wucht und eine Tiefe, die dich verloren wirken lassen, aber auch hervorheben, da du zum Handeln gezwungen wirst, zur Aktion. Die Bühnen verlangen dir etwas ab.
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Mir kam es immer so vor, als hätten Zehetgrubers Räume ihre eigene Biografie, als seien sie Subjekte, die reagieren, sich entwickeln, Subjekte, die eine Vergangenheit haben – und eine Zukunft. Subjekte, die wir in einem entscheidenden Kipppunkt ihrer Existenz erleben. Die Räume sind oftmals auch Zwitter, denn sie sind Außen- und Innenwelt, sie bergen Geheimnisse und Versprechen in sich. Das macht sie in ihrem Wesen dramatisch. Im Laufe des Abends widerfährt ihnen selbst etwas und damit auch den Figuren und Schauspieler:innen, die sich in ihnen aufhalten. Ich habe seine Räume immer als Begegnungen empfunden.
Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Der Weibsteufel von Karl Schönherr 2008 Akademietheater Wien
Baumeister Solness von Henrik Ibsen 2009 Deutsches Schauspielhaus Hamburg
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
RUSALKA / 1. + 3. AKT(1)
Rusalka von Antonín Dvořák 2010 Bayerische Staatsoper München
Musikalische Leitung: Tomáš Hanus Regie: Martin Kušej Kostüme: Heidi Hackl Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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RUSALKA / 1. + 3. AKT / Keller hochgefahren
RUSALKA / 2. AKT / Beginn
RUSALKA / 3. AKT / Ende
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RUSALKA / 2 . AKT / Fest
Lulu von Frank Wedekind 2010 Schauspiel Frankfurt
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Regie: Stephan Kimmig Kostüme: Anja Rabes Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
Der fliegende Holländer von Richard Wagner 2010 Nationale Opera en Ballet Amsterdam
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Musikalische Leitung: Hartmut Haenchen Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Wozzeck von Alban Berg 2011 Staatsoper im Schiller Theater Berlin Musikalische Leitung: Daniel Barenboim Regie: Andrea Breth Kostüme: Silke Willrett, Marc Weeger Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Zwischenfälle Szenen von Georges Courteline, Pierre Henri Cami, Daniil Charms 2011 Akademietheater Wien
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Regie: Andrea Breth Fassung: Wolfgang Wiens Kostüme: Moidele Bickel Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Prinz Friedrich von Homburg von Heinrich von Kleist 2012 Koproduktion Salzburger Festspiele / Burgtheater Wien
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Regie: Andrea Breth Kostüme: Moidele Bickel Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
Musikalische Leitung: Adam Fischer Regie: Andrea Breth Kostüme: Moidele Bickel Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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La Traviata von Giuseppe Verdi 2012 La Monnaie Brüssel
9/11
La forza del destino von Giuseppe Verdi 2013 Bayerische Staatsoper München
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Musikalische Leitung: Asher Fisch Regie: Martin Kušej Kostüme: Heidi Hackl Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
Die Räume wurden zu Bildern, die Bilder begannen zu fließen, das Fließen wurde zur Musik Georg Nigl
In Martin Zehetgrubers Bühnen bewegt man sich wie in Landschaften. Es gibt nicht viele Bühnenbildner:innen, die die Fantasie und das Jetztsein für den Darsteller oder die Darstellerin derart unterstützen. Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Szene aus „Il prigioniero“ (s.S.220ff.). Ich hatte darin eine wunderschöne Arie zu singen, in der ich retrospektiv meine eigene Gefangenschaft betrachtete. Die Bühne bestand aus Käfigen, ich stand, Richtung Publikum gewendet, hinter dem Gitter, schaute von dort in mein einstiges Verließ und war unmittelbar in den Zustand dieser Erinnerung katapultiert. Vielleicht war dieser Moment für mich auf der Bühne sogar eindrucksvoller als aus der Zuschauerperspektive. Aus dieser bot sich der Anblick eines Gefangenen hinter einem Käfig, mein Blick aber fiel in dieser Situation in den Abgrund meiner Vergangenheit. Ich spüre Zehetgrubers große Empathie und sein Verständnis für Spielvorgänge. Ich habe den Eindruck, die Landschaften, die Räume, die Spielplätze, die er entwirft, sind solche, in denen er sich selbst aufhalten möchte oder in denen er sich in seinem Inneren bereits aufgehalten hat. Sie sind durchdrungen, erlebt, erfahren. Seine Offenheit für den Austausch mit uns Spieler:innen und Sänger:innen schätze ich sehr: Wie kann man sich in diesen Räumen bewegen, wie stehen, wie sie begehen, wie funktionieren sie akustisch? Er begegnet diesen Fragen mit großer Ernsthaftigkeit, reagiert immer auf Probleme, ändert zuweilen oder überzeugt einen auch, warum es tatsächlich genau so sein muss, wie er es sich gedacht hat, damit es funktionieren wird. Die Akustik – ein wesentlicher Bestandteil eines Opernbühnenbilds - wird von ihm mitgedacht. Bei ihm trifft man immer auf interpretierte Räume. Sie sind kein Schmuckwerk, keine schöne Kulisse, nie eine Bebilderung des Stoffes, aber sehr wohl eine Verbildlichung der Erfahrung, die man als Figur auf der Reise durch diesen hindurch macht.
Auch bei Wolfgang Rihms „Jakob Lenz“ (s.S.204ff.) hat sie wunderbar funktioniert. Jedes Bild war ein anderer Zustand. Wenn ich in einer der Szenen zusammengekauert im Bücherregal liege, war das für mich so, als läge ich im Sarg. Darüber musste auf der Probe nicht gesprochen werden. Das war blindes Verstehen zwischen Regie, Bühne und Darsteller. Das Bild unterstützte den klaustrophobischen Zustand von Lenz. Diese Bühne war ein Wurf. Das gibt es selten. Die Räume wurden zu Bildern, die Bilder begannen zu fließen, das Fließen wurde zur Musik.
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Die Verwandlungen und Veränderungen der Szenen, die Zehetgruber vornimmt, oftmals als Filmschnitte, mit Blacks und magischen Verwandlungen, sind immer im Fluss der Musik und der Handlung. Ich erlebe sie als Dramatisierungen von Zuständen genau auf den Punkt. Das Leben, die Biografie ist ja ein Weg. Das ist auf der Bühne gar nicht leicht darzustellen. Wie kann die Bewegung auf diesem Weg erfahrbar gemacht werden? Die räumliche Tiefe des Theaterraums kann ich als Sänger nur begrenzt nutzen, da die Distanz akustische Verluste mit sich bringt, und die Bewegung auf der Querachse wird auf Dauer langweilig. Daher kann durch diese Methode der Schnitte tatsächlich etwas erzählt werden, das sonst so nicht darstellbar wäre. Beim „Wozzeck“ (Staatsoper Unter den Linden Berlin 2011 / s.S.186ff) war die Anlehnung an diese Filmtechnik sicher besonders evident. Alban Berg kannte und schätzte die Filmkunst, auch ist der Stoff ja Fragment geblieben, daher war diese Schnitttechnik geradezu zwingend.
Andrea Breth und Martin Zehetgruber waren in ihren gemeinsamen Arbeiten ein geniales Team, weil Breth die Szenen passgenau getimt und bedient hat. Ich hatte als Spieler ein großes Vertrauen in diese Konstellation, man konnte sich auf sie verlassen und sie brachte einen in Schwingungen. Es gibt kaum eine schönere Erfahrung auf Proben. Tatsächlich – bei aller Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung – entwickelte ich aber auch Vertrauen durch manche Blödelei mit Martin am Rande der Arbeit. Das völlig berechtigte und strikt durchgesetzte Credo von Andrea Breth, auf den Proben absolute Ruhe und Konzentration walten zu lassen, hat uns beide gleichermaßen herausgefordert. Wir trafen uns darin, es unterlaufen zu müssen und zwar durch – sagen wir es ruhig – Bubenstreiche. Die waren aber sehr befreiend und lockernd. Daraus entstand auch wieder etwas Konstruktives für die Bühne. Wenn man fünf Wochen einen psychiatrischen Fall spielt, muss man sich auch hin und wieder entladen und daran erinnern, dass wir uns verabredet haben, miteinander zu spielen. Andrea Breths Inszenierung von Wolfgang Rihms „Jakob Lenz“ und Martins Bühnenbild verdanke ich einen der unfassbarsten und schönsten Theatermomente meines Lebens. Wir hatten diese Produktion schon viele Male in Brüssel und Stuttgart gezeigt und nahmen sie 2017 für die Staatsoper Unter den Linden Berlin wieder auf. Es war übrigens die letzte Produktion, die im Schiller-Theater gezeigt wurde. Wir hatten eine ungewöhnlich lange Wiederaufnahmeprobenzeit: zwei Wochen. Auf meinen Spaziergängen durch die Stadt zum Theater ging ich jeweils den Text durch und stolperte jedes Mal über eine Szene. Bei uns war Lenz da schon psychiatriert; es ist das Ende des Stückes, an dem er zum ersten Mal seiner Umgebung, Oberlin und Kaufmann, zuruft: „Hört ihr nicht die Stimmen?“ Und in dieser Szene gab es den Satz: „Ich bin der verlorene Sohn.“ Das Besondere an der Brethschen Arbeitsweise ist, dass sie einem in den Proben ein umfassendes Werkzeug zur Verfügung stellt, so dass man eigentlich mit Autopilot durch die Vorstellung kommen könnte. Sie klärt jede einzelne Szene, lotet ihre Untiefen aus. Aber hier half auch das nicht. Ich bin also immer zu dem Moment gekommen, an dem ich diesen Satz „Ich bin der verlorene Sohn“ sagen musste und wusste nicht wie. Natürlich dachte ich an die Analogien aus Thomas Manns „Joseph und seine Brüder“ oder die Bibelstelle mit Jesus im Garten Gethsemane, aber dieser Satz wollte nicht in den Körper. Auch Andrea monierte dies bei jeder Probe. Ich war am Verzweifeln, es war schließlich der Schlusspunkt des Abends. Und da kam mir Martins Bühnenbild zur Hilfe. Die im Text thematisierte Gebirgslandschaft war längst in den Innenraum eingebrochen, das Wasser war schon längere Zeit hineingeronnen, ausgelegt war ein Tanzboden, der durch die Beleuchtung und das Wasser anfing zu glänzen. Und als ich da in diesem Bild als Lenz auf dem Boden kauerte, festgezurrt in einer Zwangsjacke, eingekotet, sah, wie der Dreck im Wasser an mir vorbeischwamm, und mich fühlte, als würde ich mich jeden Moment erbrechen, sah ich mein Gesicht in der Spiegelung dieses Bodens und plötzlich wusste ich es: Ich sah mich, hatte Blickkontakt zu der Verheerung meines Inneren, zu meinem Abhandengekommensein. Und da kam er raus, der Satz, ganz einfach – als Antwort auf mein Selbst. Da war es, dieses bloße Sein, nach dem man auf der Bühne immer sucht.
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2014 Staatsoper Stuttgart 2015 La Monnaie Brüssel 2017 Staatsoper Unter den Linden Berlin 2019 Festival d’Aix-en-Provence (Musikalische Leitung: Ingo Metzmacher) Musikalische Leitung: Franck Ollu Regie: Andrea Breth Kostüme: Eva Dessecker Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Jakob Lenz von Wolfgang Rihm
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Macbeth von Giuseppe Verdi 2015 Nationale Opera en Ballet Amsterdam
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Musikalische Leitung: Marc Albrecht Regie: Andrea Breth Kostüme: Eva Dessecker Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
HERZOG BLAUBARTS BURG
Herzog Blaubarts Burg von Béla Bartók Musikalische Leitung: Kent Nagano Geistervariationen von Robert Schumann Klavier: Elisabeth Leonskaja 2015 Ein Doppelabend, Wiener Festwochen Regie: Andrea Breth Kostüme: Eva Dessecker Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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GEISTERVARIATIONEN
Hexenjagd von Arthur Miller 2016 Burgtheater Wien
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Regie: Martin Kušej Kostüme: Heide Kastler Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
Die Geburtstagsfeier von Harold Pinter 2017 Koproduktion Salzburger Festspiele / Akademietheater Wien Regie: Andrea Breth Kostüme: Jacques Reynaud Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Musikalische Leitung: Franck Ollu Regie: Andrea Breth Kostüme: Nina von Mechow Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Il prigioniero von Luigi Dallapiccola Das Gehege von Wolfgang Rihm 2018 Koproduktion La Monnaie Brüssel / Staatsoper Stuttgart
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Das Gehege von Wolfgang Rihm
Eines langen Tages Reise in die Nacht von Eugene O’Neill 2018 Burgtheater Wien
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Regie: Andrea Breth Kostüme: Françoise Clavel Mitarbeit Bühne: Stefanie Wagner
Beschlagnahmte Beutekunst
Musikalische Leitung: Daniel Barenboim Regie: Andrea Breth Kostüme: Carla Teti Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Medea (Médée) von Luigi Cherubini 2018 Staatsoper Unter den Linden Berlin
Regie: Martin Kušej Kostüme: Alan Hranitelj Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Die Hermannsschlacht von Heinrich von Kleist 2019 Burgtheater Wien
Regie: Andrea Breth Kostüme: Françoise Clavel Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Die Ratten von Gerhart Hauptmann 2019 Burgtheater Wien
Der feurige Engel von Sergei Prokofjew 2021 Theater an der Wien
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Musikalische Leitung: Constantin Trinks Regie: Andrea Breth Kostüme: Carla Teti Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
Unbehauster Körper, unbehauster Klang Barbara Frey
Man könnte von mir als Regisseurin eigentlich verlangen, dass ich nach zweimonatiger Probenzeit ein Bühnenbild „verstanden“ haben müsste. Ich schaue jeden Tag stundenlang darauf, lasse die Menschen sich darin bewegen, sprechen oder singen, und am Ende, wenn dann die Probendekoration verschwunden, die Originalbühne aufgebaut ist und die ganze Beleuchtung dazukommt, müsste der große Erkenntnismoment da sein: Jetzt ist alles schlüssig, jetzt „passt“ alles, jetzt weiß ich, wo ich bin. In den Bühnenwelten von Martin Zehetgruber gibt es diesen Moment für mich nicht. Das Entdecken geht nach einer Premiere weiter, die Unsicherheit bleibt, das produktive Nichtwissen, das Tasten und Fragen. Das beschreiben die Schauspieler:innen und Sänger:innen, die sich in diesen Welten aufhalten, ebenso. Zehetgrubers Bilder mögen bisweilen monumental anmuten - stattdessen sind sie zarte Seelengehäuse. Sie sind Nachtbauten, das All und die entfernte Milchstraße sickern in sie ein. Auch das Tagwerk des Menschen kann darin verrichtet werden, aber man traut den Sonnenstrahlen nicht; sie scheinen von einem ewig nächtlichen Himmelskörper zu kommen, genauso wie das Tagwerk eher aus Schlaf und Traum kommt als aus einem irgendwie gearteten „Alltag“.
Und wie verhält es sich mit der Sprache? Mit der Musik? Mir war Sprache immer wichtig. Als Erzählung, Geschichte, dramaturgisches Eskalationspotenzial, aber auch als akustisches, als musikalisches Material. Genauso war Musik für mich immer auch Sprache, Narration und Deutungsansatz für all das, was uns widerfährt, uns schmerzt und freut. Die Bühnenbilder von Martin Zehetgruber sind für mich auch eine starke Herausforderung, was sämtliche akustischen Phänomene angeht. Man kann darin reden, sprechen, Zwiesprache halten, fragen, singen, sich austauschen, streiten.
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Seit meiner Kindheit habe ich eine große Faszination für Insekten. Da sie mir auch Angst machen und ich sie nicht verstehe, tauchen sie auf Proben immer auf, plötzlich, wie aus dem Nichts: Ich sehe ihre unergründliche, tausendfache Gestalt; sie bewegen sich einsam oder in furchterregenden Gruppen über die Bühne, lautlos oder rätselhafte Geräusche absondernd. Schauspielernde und singende Menschen nehmen meine eigenartigen Visionen erstaunlich gelassen zur Kenntnis, ihnen scheint es klar zu sein, dass sie auch als Insekten auftreten können, ganz so, als gäbe es im menschlichen Wesen gewissermaßen einen natürlichen Insektenanteil. Dies zuzulassen, ohne an ungelenke Tierimprovisationen zu denken, hat mit den Räumen von Zehetgruber zu tun: Sie ermöglichen eine Freiheit von jeglicher herkömmlichen Psychologie, jeglichem Deutungsfuror oder gar von moralischen Implikationen. Man kann also gut Insekt sein. Oder auch Pflanze oder Stein. Oder ein verlassenes Möbelstück. Oder ein Stern in einem weiten, unerklärlichen Himmel. Man bleibt trotzdem zuhause in den Kammern und Hallen von Zehetgruber. Es gilt nur zu wissen, dass es sich dabei um ein schwer fassbares und unheimliches Zuhause handelt. Das muss man in Kauf nehmen, darauf muss man sich einlassen. Es ist ein Zuhause, in dem man nie wirklich ankommt. Man bleibt eine reisende, eine umherirrende Kreatur, ein überwacher und zugleich träumender Mensch, der nie genau weiß, was das Menschsein ausmacht und wo es in andere Daseinsformen übergeht. Man hat es also mit einer prekären Behausung zu tun.
Die Frage bleibt aber, ob es Antworten gibt. Schallt etwas zurück von den Wänden, dem Boden, den Decken? Ruft etwas echoartig aus dem Schnürboden, wenn die Räume nach oben offen sind? Antworten die heimatlosen Objekte auf der Bühne: Wohngegenstände, Treppen, Musikinstrumente, Requisiten? Nein. Alles, was Klang ist, bleibt so unbehaust wie alles, was Körper ist. Und doch: es gibt eine Heimat im Heimatlosen. Ein Ankommen, wo es kein Ankommen gibt. Es geht um radikale Aufmerksamkeit. Wenn ich genau hinsehe, genau hinhöre, wenn ich die Geduld aufbringe, wenn ich langmütig und frei sein kann - dann kann ich Signale vernehmen. Sie mögen aus weiter Ferne kommen, wie Schneckenspuren aus einem leeren Raum, wie seltsame Abdrücke in einem rätselhaften Sediment, wie Klänge aus einem vielleicht sogar nahen nächtlichen Wald: Die heimatlose Heimat der Bühnenräume von Martin Zehetgruber ist für mich die Bestätigung dafür, dass ich mich in meiner eigenen Heimatlosigkeit gut aufgehoben fühlen kann. Die Unbehaustheit bleibt, aber ebenso bleibt die Bewegung. Die Suche. Das Forschen. Stefanie Wagner ist seit Jahren die feste Arbeitspartnerin von Martin Zehetgruber. Ohne sie ist gar nichts denkbar. Sie ist anwesend, in allen wichtigen Probenprozessen, in allen Gesprächen, auf allen Problemfeldern und bei allen Lösungsvorschlägen. Sie kennt Schauspiel und Oper, ihre Aufmerksamkeit und Teilnahme ist für mich als stets fragende - und zweifelnde - Regisseurin absolut unabdingbar. Ihre Präsenz, ihre Klarsicht, ihr Humor sind für alle Vorgehensweisen von entscheidender Bedeutung. Alles - wirklich alles - kann mit ihr besprochen werden. Und soll mit ihr besprochen sein! Ich weiß, dass sie über all das verfügt, was für komplizierte künstlerische Prozesse am Ende entscheidend ist: die Vision, die Fähigkeit, zu kombinieren und zu koordinieren, die Ruhe, wenn alles tobt, die Präzision, wenn es ungenau wird und die entscheidende Prise Leichtigkeit, wenn sich alles zu beschweren droht. Martin Zehetgruber und Stefanie Wagner sind das, was man ein gutes Team, eine ausgeglichene Arbeitspartnerschaft nennen kann. Wie genau sie ihre Entwürfe, Fantasien und Visionen erdenken und erfühlen, bleibt ihr Geheimnis. Das ist schön. Und es ist ermutigend. Die performativen Künste sind Gemeinschaftskünste. Nichts geht im Alleingang. Man muss zusammenkommen. Immer wieder. Unermüdlich. Und man darf und soll die geheimen Wege der gemeinsamen Kreativität, in all ihrer Leuchtkraft und all ihrer Dunkelheit, nicht „veröffentlichen“. Dazu taugen sie nicht. Sie sollen Geheimnis bleiben dürfen. Ich als Regisseurin kann von einem Geheimnis dieser Art gewinnen. Ich kann davon lernen. Wir können die Unbehaustheit gemeinsam aushalten.
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Regie: Barbara Frey Kostüme: Esther Geremus Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Automatenbüfett von Anna Gmeyner 2020 Akademietheater Wien
Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck
Der Untergang des Hauses Usher Projekt mit Texten von Edgar Allan Poe 2021 Koproduktion Ruhrtriennale (Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck) / Burgtheater Wien
Burgtheater Wien
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Regie: Barbara Frey Kostüme: Esther Geremus Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
Regie: Martin Kušej Kostüme: Werner Fritz Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
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Geschlossene Gesellschaft von Jean-Paul Sartre 2022 Burgtheater Wien
Das weite Land von Arthur Schnitzler 2022 Koproduktion Ruhrtriennale (Jahrhunderthalle Bochum)/ Akademietheater Wien
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Regie: Barbara Frey Kostüme: Esther Geremus Mitarbeit Bühnenbild: Stefanie Wagner
Der Theaterturm von Ludwigsburg Ein Gespräch mit Elisabeth Schweeger
In Zeiten, in denen bundesweit Theaterhäuser geschlossen wurden, leistete sich das Bundesland Baden-Württemberg eine neue Theaterakademie in Ludwigsburg und mit ihr zugleich einen neuen Theaterbau – entworfen von Martin Zehetgruber. Um ihn herum wuchs nach und nach ein Campus, der heute - neben der dort zuvor schon ansässigen Filmakademie, dem Animationsinstitut und dem deutsch-französischen Filmatelier - auch drei Studiengänge der darstellenden Kunst beheimatet: Schauspiel, Regie und Dramaturgie. Als Sie 2014 die Leitung übernahmen, hatte diese sieben Jahre zuvor eröffnete Institution schon erste Führungswechsel hinter sich. Mit Ihnen entwickelte sie sich zu einer der herausragenden Ausbildungsstätten für interdisziplinäre Theaterarbeit. Lässt sich beschreiben, welche Rolle der von Martin Zehetgruber entworfene Bau in diesem Prozess eingenommen hat? Es ist in der Tat eine Besonderheit, dass sich ein Bundesland, in diesem Fall Baden-Württemberg, einen Theaterneubau geleistet hat. Das verdankt sich dem innovativen Charakter dieses Hochschulprojekts, das politisch auch unterstützt wurde. Es war erkannt worden, dass die Filmakademie einer Ergänzung bedurfte, Filmkunst hat ja auch mit Darstellung zu tun. Man wollte daher die filmischen und theatralen Künste an einem Ort zusammenführen und enge Kooperationen eingehen, u. a. mit der Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, an der der Studiengang Bühnen- und Kostümbild angesiedelt ist, für den Martin Zehetgruber als Professor berufen worden war. Martin hat mit seinem 2008 eröffneten Theaterturm etwas geschaffen, das mich bei meinem Antritt hat staunen und erkennen lassen, welche Möglichkeiten von ihm vorausgedacht worden waren. Er hat einen Bau konzipiert, der einen Dialog mit dem Außen erzeugt. Einerseits findet sich in dem Turm ein klassischer Theaterraum mit Portal, in dem auf der einen Seite das Publikum ist, auf der anderen die Bühne, andererseits lässt sich der Raum zu drei Seiten durch große Rolltore komplett öffnen und gibt den Blick in die Außenwelt frei. Dadurch wird die Stadt ins Theater geholt und umgekehrt das Theater in die Stadt. Dieser Gedanke der Öffnung ist für eine Ausbildungsstätte, die sich dem Theatralen widmet, elementar. Wir sind dazu verpflichtet, darüber nachzudenken und zu erforschen, wohin sich die Theaterkunst entwickelt. Unser traditionelles Verständnis, das sich immer noch aus dem 19. Jahrhundert speist, ist längst ziemlich durchmischt worden. Die gesellschaftlichen Gegebenheiten haben sich verändert und verändern sich täglich, so dass Theater darauf reagieren müssen. Das lässt sich sowohl an den Themen erkennen, die verhandelt werden, als auch daran, wie heute im performativen Kontext mit Literatur umgegangen wird. Die Darstellenden Künste verhalten sich mittlerweile zunehmend transdisziplinär. Es mischen sich viele Ausdrucksformen der künstlerischen Kreativität, und dazu lädt Zehetgrubers Grundraum auf vielfältige Weise ein.
Ja, der ganze Ort ist darauf angelegt, ins Gespräch mit der Stadt zu kommen: durch Durchlässigkeit des Inneren und Äußeren oder auch durch die Möglichkeit, von oben herunter auf den Platz zu adressieren. Martin hatte bei seiner Konzeption bereits etwas vorausgedacht, das sich heute als absolut notwendig erweist: die Möglichkeit, den hehren, bürgerlich geprägten Ort des
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Der Bühnenturm lässt sich innen und außen gleichermaßen bespielen. Umlaufende Galerien sind an der Fassade angebracht, selbst das Dach ist als Bühne einbeziehbar.
Theaters zu verlassen und das Verhältnis zwischen Darstellung und Zuschauendem zu überprüfen, neu zu dimensionieren, und damit neue Formen der darstellenden Künste zuzulassen. Der Fantasieraum hat sich geweitet. Ihm ist dies gelungen, ohne die traditionelle Form des Verhältnisses zwischen Bühne und Zuschauer:innen gänzlich aufzugeben. Die war ja durchaus auch noch gegeben. Aber er schuf die Basis, sich daran zu reiben: das Tradierte anzuerkennen, um das Neue zu schaffen. Sein Theaterbau, beziehungsweise seine Konzeption davon, bot eine Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. Haben sich die Möglichkeiten, die sein Entwurf zur Verfügung stellt, in der Praxis eingelöst? Der Ort wird tatsächlich in seiner ganzen Vielfalt genutzt. Die Zuschauersituation wird regelmäßig zum Thema gemacht: Die Blickrichtung des Publikums wird verändert, es sitzt, es steht, es läuft umher. Die Sitze können einfach ausgebaut werden, es kann in alle Richtungen gespielt werden, wenngleich auch das eingebaute Portal sichtbar bleibt und sich nicht zum Verschwinden bringen lässt. Auch die Unterbühne wurde bereits in ein Labyrinth verwandelt und es wurden immer wieder die Außengalerien bespielt. Dadurch, dass wir viel Wert darauf legen, dass Theater gesellschaftliche Prozesse aufnimmt, bauen wir regelmäßig auch Bildende Künstler:innen und Kurator:innen ins Curriculum ein, die noch einmal einen anderen Zugang zu dieser Architektur entwickeln und mit den Student:innen andere Präsentationsformen von Kunst diskutieren, Raumgestaltung für Installationen entwickeln und befragen, wie man räumliche Gegebenheiten in Narrationen verwandelt. Das klingt ungetrübt. Oftmals scheitert die variable Nutzung von Bühnenräumen in der Realität am Aufwand, den Ressourcen und Sicherheitsbedenken. Wir haben rund achtzig Veranstaltungen im Jahr, jede:r Studierende der Regie verwirklicht rund acht bis zehn praktische Projekte im Lauf des Studiums. Nicht alle finden in dieser Bühne statt – manche suchen sich andere Orte, suchen Herausforderungen im öffentlichen Raum. Aber ich würde schon sagen, dass sich die Studierenden an Martins Theaterturm vielfältig abgearbeitet haben. Natürlich nähert sich die Akademie mit diesem dichten Programm den Abläufen eines kleinen Theaterbetriebs, was gut auf die mögliche zukünftige Arbeit im professionellen Leben vorbereitet, aber es sollte trotzdem als Ausbildungsraum verstanden werden, als Ort des Experimentierens, ein geschütztes Feld für eben alle Möglichkeiten, auch jenseits einer institutionellen Theaterrealität. Daher sollte nicht alles so strikt wie in einem Theaterbetrieb gehandhabt werden, aber am Ende des Tages haben unsere Student:innen sich mit der Faktizität und den Sorgen der Technik auseinanderzusetzen und werden damit auf jeden Fall bestens geschult für den Theaterbetrieb entlassen. Es gibt eine eigene Bühnentechnik an der Hochschule? Gibt es auch Werkstätten? Was für Bühnen entstehen? Wir haben eine eigene technische Mannschaft und eine Produktionsleitung, die bei Bauproben, Planungen und beim Auf- und Abbau hilft. Werkstätten haben wir
auch eingerichtet, damit die Studierenden aus der Klasse von Martin vor Ort arbeiten können. Sie erhalten Einführungen in Gerätschaften, Materialien und können dort selbst bauen. Es gibt dadurch größere Möglichkeiten für die Studierenden, sich eigenständig zu entfalten. Die Frage, welche Bühnenentwürfe entstehen, ist nicht leicht zu beantworten. Das hängt immer vom jeweiligen Team aus Regie, Dramaturgie und Bühnenbild ab. Das sind kollektive Prozesse und manchmal suchen die Regiestudent:innen performativere Zugänge als die Bühnenbildstudent:innen. Wir haben beobachtet, dass manche von ihnen einen großen Respekt davor haben, in einem Raum mit solchen technischen Möglichkeiten zu arbeiten. Da denkt nicht jede:r als Erstes daran, wie man ihn hinterfragen oder durchstoßen kann, sondern will ihn erst einmal begreifen und für sich nutzen. Aber es gab durchaus immer wieder sehr eigenwillige Geister, die den Ball aufgenommen haben. Eine Herausforderung bei den Entwürfen ist sicher der Etat, der für die einzelnen Produktionen zur Verfügung steht. Im Vergleich zu anderen Ausbildungsstätten noch immer großzügig, aber den Luxus der neunziger und nuller Jahre gibt es nicht mehr. Da hat sich das Denken doch sehr verändert. Das ist auch richtig so. Welche Entwicklung sehen Sie für die Akademie Ludwigsburg voraus?
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Ich sehe die Hochschule als Möglichkeitsraum, und für die Erforschung von Spielund Erzählformen ist Martins Theatergebäude ein potenter Sparringspartner. Der Campus wächst zusammen. Filmkunst und Darstellende Kunst nutzen inzwischen sämtliche Räume und Möglichkeiten, auch die der jeweils anderen, und das oft gemeinsam. Auch hat die Pandemie uns gezwungen, hybride Formen zu entwickeln, virtuelle Räume als Kunst- und performative Räume zu entdecken, neue Narrative zu suchen, für deren Erarbeitung wir zuletzt näher zusammengekommen sind. Die Utopie eines Campus für interdisziplinäre darstellende Künste - vom Analogen zum Digitalen - hat Form angenommen, sein Alleinstellungsmerkmal, sein Profil geschärft und international positioniert. Beide Akademien profitieren voneinander, erweitern den Kunstraum und ergänzen sich. Durch diese engere Zusammenarbeit entwickelt sich etwas Neues. Weiters planen wir neue Studiengänge, die die praxisorientierte Recherche ausweiten: einen internationalen Master Regie und einen bilingualen Master Schauspiel, die die Möglichkeit bieten, sich auf den internationalen Markt vorzubereiten, und dem transdisziplinären Studium von neuen Formaten mehr Raum verschaffen. Dies ist eine Notwendigkeit, wenn die Akademie für Darstellende Kunst am Puls der Zeit bleiben und die Vorreiterrolle einnehmen will, die performativen Künste von morgen zu gestalten. Diese Erweiterung der Studien ist auch deshalb realisierbar, weil die Akademie für Darstellende Kunst die Infrastruktur dazu hat – nicht zuletzt durch den Theaterturm mit seinen Möglichkeiten, der dazu auffordert, jede seiner Ritzen, Höhen, Öffnungen auszunutzen, ihn zum Schwingen, Klingen und in Bewegung zu bringen, mit Zufälligkeiten zu arbeiten, ihn zu erweitern, zu komprimieren oder umzustülpen, ihn zu externalisieren und damit eine andere Idee von Theater zu entwickeln.
2000 Erste Skizze 1 2 - 4
Eiserner Vorhang Hubtore
Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg 2008 eröffnet
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Ansicht vom Theaterturm und der Außenspielfläche / links die angeschlossenen Proberäume / dahinter Unterrichts- und Werkstatträume, Foyer / vorgelagert und tiefer gesetzt die Grünfläche vom Campus der Akademie für Darstellende Kunst und der Filmakademie Baden-Württemberg
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ANSICHT AUSSEN 1 Turm
2 umlaufende Galerien (innen wie außen) 3 geschlossene Hubtore
2
4 Zuschauerraum
4
3
BESPIELBARKEIT INNEN auch als klassischer Guckkasten nutzbar
1 verfahrbare Portalbrücke 2 zweifache Drehscheibe
3 verfahrbarer Orchestergraben 4 Zuschauerraum Sitzreihen gestuft und verfahrbar
1
2
3
4
BESPIELBARKEIT AUSSEN
für Publikum oder Darsteller bei geöffneten Hubtoren
BESPIELBARKEIT INNEN für Publikum oder Darsteller 1 bei geöffneten Hubtoren
2 angeglichener Boden im „Zuschauerraum“
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1
2
Vita
Werkverzeichnis Auszeichnungen
Vita 1961 Geburt in der Steiermark in Österreich
1988 Zivildienst 1989 Gründung der Produktionsgemeinschaft My friend Martin mit Martin Kušej 1990 Präsentation des mobilen Publikumcontainers von „Tode“ auf der Technova International in Graz 1993 Festengagement am Schauspiel Stuttgart bis 2001 1996 Hochzeit mit Susanne Weckerle, Geburt des Sohnes Jasper, Umzug nach Deutschland 1999 Geburt der Tochter Celia
Stahlwerk Donawitz, Bahnhof 1979 Tod des Vaters
2001 Berufung auf den Lehrstuhl des Fachbereichs Bühnenbild an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Entwurf des Theaterturms und konzeptionelle Begleitung in der Planungsphase der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg in Ludwigsburg bis zu ihrer Gründung 2002 Tod des Bruders 2004 Beginn der Zusammenarbeit mit Stefanie Wagner 2013 Scheidung 2015 Hochzeit mit Stefanie Wagner 2017 Tod der Mutter
1981 - 1986 Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, Fachbereich Bühnenbild, Abschluss mit Auszeichnung In dieser Zeit Hilfs-, Zu- und Mitarbeit bei mehreren steirischen Landesausstellungen und beim Festival steirischer herbst
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Stahlwerk Donawitz, Werkskantine
Werkverzeichnis 1983 „Spiel ohne Worte“ von Samuel Beckett in der ehemaligen Gaststätte Der wilde Mann, Graz, Regie: Caroline Weber „Yes, vielleicht“ von Marguerite Duras, Forum Stadtpark, Graz, Regie: Caroline Weber
1990 „Glaube Liebe Hoffnung“ von Ödön von Horváth, Slowenisches Nationaltheater Ljubljana, Regie: Martin Kušej „Szenen aus dem Bleistiftgebiet“ von Robert Walser, freie Produktion, Biel und Basel, Regie: Caroline Weber „Das Trio in Es-Dur“ von Eric Rohmer, Theater Winkelwiese Zürich, Regie: Caroline Weber „Wie es ist“, Montage von „Sturmpatrull“ von Arnolt Bronnen und „Die Humanisten“ von Ernst Jandl, klagenfurter ensemble, Regie: Martin Kušej „Philoktet“ von Heiner Müller, Jura Soyfer Theater Wien, Regie: Martin Kušej „Tode“ von My friend Martin, Messeparkplatz Graz, Regie: Martin Kušej „Mobiler Himmel“ von My friend Martin, steirischer herbst Graz, Regie: Martin Kušej
Regisseurin Caroline Weber
Martin Zehetgruber
1986 „Die Neugierigen“ von Carlo Manzoni und „Boden 411“ von Lutz Rathenow, freie Produktion, Zürich, Regie: Caroline Weber
1991 „Pohujšanje“ von Ivan Cankar, Slovensko Mladinsko Gledališče Ljubljana, Regie: Martin Kušej - Abbruch der Proben wegen Ausbruchs des Bürgerkriegs in Jugoslawien „Tage des Königs“ von Peter Rosei, Schauspielhaus Graz, Regie: Martin Kušej
1987 „Judith“ von Kurt Franz, klagenfurter ensemble, Regie: Martin Kušej „Es“ von Karl Schönherr, Schauspielhaus Graz, Regie: Martin Kušej „Happy Baby, wir spielen nur es tut nicht weh“ von Matjaž Grilj, steirischer herbst Graz, Regie: Edward Müller 1988 „Der Untergang der Titanic“ von Hans Magnus Enzensberger, Schauspielhaus Graz, Regie: Martin Kušej 1989 „Schneewittchen“ von Robert Walser, freie Produktion, Schlachthof Graz, Regie: Caroline Weber
Regisseur Martin Kušej
1992 „Der Traum ein Leben“ von Franz Grillparzer, Schauspielhaus Graz, Regie: Martin Kušej
„Straßenecke. Ein Ort. Eine Handlung“ von Hans Henny Jahnn, Schauspiel Stuttgart, Regie: Martin Kušej
„Romeo und Julia“ von Sergei Prokofjew, Opernhaus Graz, Regie: Heinz Spoerli „Mesalliance / aber wir ficken uns prächtig“ von Werner Schwab, steirischer herbst Graz, Regie: Marc Günther „Franz Falsch F Falsch Dein Falsch Nichts Mehr Stille Tiefer Wald“ von My friend Martin, Mittelfest Cividale Italien, Regie: Martin Kušej „Irrlichter – Schrittmacher“ von Thomas Strittmatter, Residenztheater München (Marstall), Regie: Martin Kušej 1993 „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller, Koproduktion Stadttheater Klagenfurt / Schauspiel Stuttgart, Regie: Martin Kušej „Herzog Theodor von Gothland“ von Christian Dietrich Grabbe, Schauspiel Stuttgart, Regie: Martin Kušej 1994 „Kill Pig Devil Passion Finish God“ von Martin Kušej, Koproduktion Schauspielhaus Graz / Ballett Graz / Wiener Festwochen / Tanz 94, Regie: Martin Kušej „Prinz Friedrich von Homburg“ von Heinrich von Kleist, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Regie: Martin Kušej
Schauspieler Andreas Schlager in „Straßenecke“ von Hans Henny Jahnn 1995 „Die Unbekannte aus der Seine“ von Ödön von Horváth, Schauspiel Stuttgart, Regie: Martin Kušej „Clavigo“ von Johann Wolfgang von Goethe, Schauspiel Stuttgart, Regie: Martin Kušej „Pension Schöller“ von Carl Lauf und Wilhelm Jacoby, Schauspielhaus Graz, Regie: Marc Günther „Maria Magdalena“ von Friedrich Hebbel, Thalia Theater Hamburg, Regie: Amélie Niermeyer 1996 „König Arthur“ von Henry Purcell und John Dryden, Koproduktion Staatsoper Stuttgart / Schauspiel Stuttgart / Stuttgarter Ballett, Musikalische Leitung: Alan Hacker, Regie: Martin Kušej „Richard III.“ von William Shakespeare, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin, Regie: Martin Kušej
„Die Jungfrau von Orleans“ von Friedrich Schiller, Nationaltheater Mannheim, Regie: Bruno Klimek
Martin Zehetgruber „Z 1994“ Figürchen von Bühnenbildnerin Bettina Meyer
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„Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare, Schauspielhaus Graz, Regie: Marc Günther
1997 „Ödipus“ von Sophokles, Schauspiel Stuttgart, Regie: Martin Kušej „Die Geier-Wally“ von Wilhelmine von Hillern, Schauspiel Stuttgart, Regie: Martin Kušej 1998 „Fidelio“ von Ludwig van Beethoven, Staatsoper Stuttgart, Musikalische Leitung: Michael Gielen, Regie: Martin Kušej „Alberta und Alice“ von Italo Svevo, Schauspielhaus Graz, Regie: Marc Günther „Al gran sole carico d´amore“ von Luigi Nono, Staatsoper Stuttgart, Musikalische Leitung: Lothar Zagrosek, Regie: Martin Kušej „Brecht.“, Choreografisches Theater, Nationaltheater Mannheim, Regie: Johann Kresnik 1999 „Salome“ von Richard Strauss, Oper Graz, Musikalische Leitung: Wolfgang Bozic, Regie: Martin Kušej
„Salome“ von Richard Strauss, Opernhaus Zürich, Musikalische Leitung: Waleri Gergijew, Teatro Filharmonico Verona, Musikalische Leitung: Christian Arming, Regie: Martin Kušej 2001 „Glaube und Heimat“ von Karl Schönherr, Burgtheater Wien, Regie: Martin Kušej 2002 „Die Gezeichneten“ von Franz Schreker, Musikalische Leitung: Lothar Zagrosek, Staatsoper Stuttgart, Regie: Martin Kušej „Glaube Liebe Hoffnung“ von Ödön von Horváth, Burgtheater Wien, Regie: Martin Kušej „Don Giovanni“ von Wolfgang Amadeus Mozart, Salzburger Festspiele, Musikalische Leitung: Nikolaus Harnoncourt, Regie: Martin Kušej „Letzter Aufruf“ von Albert Ostermaier, Burgtheater Wien (Arsenal), Regie: Andrea Breth
„Wiener Blut“, Choreografisches Theater, Burgtheater Wien, Regie: Johann Kresnik „Gesäubert“ von Sarah Kane, Schauspiel Stuttgart, Regie: Martin Kušej „Weh dem, der lügt!“ von Franz Grillparzer, Burgtheater Wien, Regie: Martin Kušej 2000 „Aller Seelen“ nach Texten von Werner Fritsch, Choreografisches Theater, Thalia Theater Hamburg, Regie: Johann Kresnik „Gespenstersonate“ von August Strindberg, Thalia Theater Hamburg, Regie: Martin Kušej „Schnitzlers Brain“, nach Texten von Arthur Schnitzler, Schauspielhaus Graz, ein gemeinsames Projekt mit den Regisseuren: Martin Kušej, Johann Kresnik, Christoph Schlingensief, Stephan Kimmig, Thomas Bischoff und Marc Günther „Hamlet“ von William Shakespeare, Koproduktion Salzburger Festspiele / Schauspiel Stuttgart, Regie: Martin Kušej
Autor Albert Ostermaier und Martin Zehetgruber
2003 „Peer Gynt“ nach Henrik Ibsen, Choreografisches Theater, Koproduktion Salzburger Festspiele / Schauspiel Hannover, Regie: Johann Kresnik „Una cosa rara“ von Vicente Martín y Soler, Staatsoper Stuttgart, Musikalische Leitung: Enrique Mazzola, Regie: Jossi Wieler 2004 „Hannelore Kohl“, Opernhaus Bonn, Choreografisches Theater von Johann Kresnik
Choreograf Johann Kresnik und Martin Zehetgruber „Don Carlos“ von Friedrich Schiller, Burgtheater Wien, Regie: Andrea Breth 2005 „Nach den Klippen“ von Albert Ostermaier, Akademietheater Wien, Regie: Andrea Breth
„König Ottokars Glück und Ende“ von Franz Grillparzer, Koproduktion Salzburger Festspiele / Burgtheater Wien, Regie: Martin Kušej
Regisseur Martin Kušej und Martin Zehetgruber, Einladung des Bolschoi-Theaters in Moskau 259
„Otello“ von Giuseppe Verdi, Staatsoper Stuttgart, Musikalische Leitung: Nicola Luisotti, Regie: Martin Kušej
2006 „Höllenangst“ von Johann Nestroy, Koproduktion Salzburger Festspiele / Burgtheater Wien, Regie: Martin Kušej
„Der Weibsteufel“ von Karl Schönherr, Akademietheater Wien, Regie: Martin Kušej
„Glaube Liebe Hoffnung“ von Ödön von Horváth, Münchner Kammerspiele, Regie: Stephan Kimmig „Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitri Schostakowitsch, Nationale Opera en Ballet Amsterdam, Musikalische Leitung: Mariss Jansons, Regie: Martin Kušej 2007 „Woyzeck“ von Georg Büchner, Residenztheater München, Regie: Martin Kušej „Die Gezeichneten“ von Franz Schreker, Nationale Opera en Ballet Amsterdam, Musikalische Leitung: Ingo Metzmacher, Regie: Martin Kušej „Eugen Onegin“ von Pjotr Iljitsch Tschaikowski, Salzburger Festspiele, Musikalische Leitung: Daniel Barenboim, Regie: Andrea Breth 2008 „Die Rosenkriege“ von William Shakespeare, Burgtheater Wien, Regie: Stephan Kimmig
Komponist Bert Wrede und Kostümbildnerin Heide Kastler „Macbeth“ von Giuseppe Verdi, Bayerische Staatsoper München, Musikalische Leitung: Nicola Luisotti, Regie: Martin Kušej „Macbeth“ von William Shakespeare, Akademietheater Wien, Regie: Stephan Kimmig 2009 „Baumeister Solness“ von Henrik Ibsen, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Regie: Martin Kušej „Salome“ von Richard Strauss, Liceu Opera Barcelona, Musikalische Leitung: Michael Boder, Regie: Guy Joosten „Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitri Schostakowitsch, Opéra Bastille Paris, Musikalische Leitung: Hartmut Haenchen, Regie: Martin Kušej
Dramaturg Sebastian Huber und Regisseur Stephan Kimmig
2010 „Lulu“ von Frank Wedekind, Schauspiel Frankfurt, Regie: Stephan Kimmig „Rusalka“ von Antonín Dvořák, Bayerische Staatsoper München, Musikalische Leitung: Tomáš Hanus, Regie: Martin Kušej „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner, Nationale Opera en Ballet Amsterdam, Musikalische Leitung: Hartmut Haenchen, Regie: Martin Kušej
2012 „Prinz Friedrich von Homburg“ von Heinrich von Kleist, Koproduktion Salzburger Festspiele / Burgtheater Wien, Regie: Andrea Breth „La Traviata“ von Giuseppe Verdi, La Monnaie Brüssel, Musikalische Leitung: Adam Fischer, Regie: Andrea Breth „Salome“ von Richard Strauss, La Monnaie Brüssel, Musikalische Leitung: Carlo Rizzi, Regie: Guy Joosten 2013 „Hamlet“ von William Shakespeare, Burgtheater Wien, Regie: Andrea Breth „Der Spieler“ von Sergei Prokofiew, Nationale Opera en Ballet Amsterdam, Musikalische Leitung: Marc Albrecht, Regie: Andrea Breth 2014 „Jakob Lenz“ von Wolfgang Rihm, Staatsoper Stuttgart, Musikalische Leitung: Franck Ollu, Regie: Andrea Breth 2015 „Macbeth“ von Giuseppe Verdi, Nationale Opera en Ballet Amsterdam, Musikalische Leitung: Marc Albrecht, Regie: Andrea Breth
Lightdesigner Reinhard Traub, Stefanie Wagner und Regisseur Martin Kušej beobachten die Löscharbeiten an ihrer brennenden Unterkunft in Amsterdam 2011 „Wozzeck“ von Alban Berg, Staatsoper im Schiller Theater Berlin, Musikalische Leitung: Daniel Barenboim, Regie: Andrea Breth
„Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók und „Geistervariationen“ von Robert Schumann, Wiener Festwochen, Musikalische Leitung: Kent Nagano, Regie: Andrea Breth „Jakob Lenz“ von Wolfgang Rihm, La Monnaie Brüssel, Musikalische Leitung: Franck Ollu, Regie: Andrea Breth
„Das weite Land“ von Arthur Schnitzler, Residenztheater München, Regie: Martin Kušej
„Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitri Schostakowitsch, Teatro Real Madrid, Musikalische Leitung: Hartmut Haenchen, Regie: Martin Kušej
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„Zwischenfälle“ von Georges Courteline, Pierre Henri Cami und Daniil Charms, Akademietheater Wien, Regie: Andrea Breth
2016 „Hexenjagd“ von Arthur Miller, Burgtheater Wien, Regie: Martin Kušej
Premierenfeier „Hexenjagd“ (im Uhrzeigersinn): Martin Zehetgruber, die Kinder Celia und Jasper, Stefanie Wagner, Kostümbildnerin Heide Kastler „Diese Geschichte von Ihnen“ von John Hopkins, Akademietheater Wien, Regie: Andrea Breth
2018 „Il prigioniero“ von Luigi Dallapiccola und „Das Gehege“ von Wolfgang Rihm, Koproduktion La Monnaie Brüssel / Staatsoper Stuttgart, Musikalische Leitung: Franck Ollu, Regie: Andrea Breth
Opernsänger Georg Nigl „Medea (Médée)“ von Luigi Cherubini, Staatsoper Unter den Linden Berlin, Musikalische Leitung: Daniel Barenboim, Regie: Andrea Breth
„Der Ignorant und der Wahnsinnige“ von Thomas Bernhard, Salzburger Festspiele, Regie: Gerd Heinz „Manon Lescaut“ von Giacomo Puccini, Nationale Opera en Ballet Amsterdam, Musikalische Leitung: Alexander Joel, Regie: Andrea Breth 2017 „Jakob Lenz“ von Wolfgang Rihm, Staatsoper Unter den Linden Berlin, Musikalische Leitung: Franck Ollu, Regie: Andrea Breth „Die Geburtstagsfeier“ von Harold Pinter, Koproduktion Salzburger Festspiele / Akademietheater Wien, Regie: Andrea Breth „Ein europäisches Abendmahl“ von Nino Haratischwili, Elfriede Jelinek, Terézia Mora und Sofi Oksanen, Akademietheater Wien, Regie: Barbara Frey „Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitri Schostakowitsch, Teatro di San Carlo Neapel, Musikalische Leitung: Juraj Valčuha, Regie: Martin Kušej
Lightdesigner Alexander Koppelmann und Stefanie Wagner
„Eines langen Tages Reise in die Nacht“ von Eugene O’Neill, Burgtheater Wien, Regie: Andrea Breth 2019 „Die Toten“ nach Texten von James Joyce, Schauspielhaus Zürich, Regie: Barbara Frey
2020 „Cavalleria rusticana“ von Pietro Mascagni und „Luci mie traditrici“ von Salvatore Sciarrino, Staatsoper Stuttgart, Musikalische Leitung: Cornelius Meister, Regie: Barbara Frey „Automatenbüfett“ von Anna Gmeyner, Akademietheater Wien, Regie: Barbara Frey 2021 „Der feurige Engel“ von Sergei Prokofiew, Theater an der Wien, Musikalische Leitung: Constantin Trinks, Regie: Andrea Breth „Der Untergang des Hauses Usher“, Projekt mit Texten von Edgar Allan Poe, Koproduktion Ruhrtriennale (Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck), Burgtheater Wien, Regie: Barbara Frey
Regisseurin Barbara Frey „Die Ratten“ von Gerhart Hauptmann, Burgtheater Wien, Regie: Andrea Breth „Jakob Lenz“ von Wolfgang Rihm, Festival d’Aix-en-Provence, Musikalische Leitung: Ingo Metzmacher, Regie: Andrea Breth „Die Hermannsschlacht“ von Heinrich von Kleist, Burgtheater Wien, Regie: Martin Kušej
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Vordergrund links: Kostümbildnerin Esther Geremus, Vordergrund rechts: Dramaturg Andreas Karlaganis
Martin Zehetgruber und der ehemalige Chefinspizient vom Burgtheater Klaus von Schwerin
2022 „Geschlossene Gesellschaft“ von Jean-Paul Sartre, Burgtheater Wien, Regie: Martin Kušej
Martin Zehetgruber und Kostümbildner Werner Fritz „Das weite Land“ von Arthur Schnitzler, Koproduktion Ruhrtriennale (Jahrhunderthalle Bochum) / Akademietheater Wien, Regie: Barbara Frey
Mitarbeiter des Burgtheaters Oben links: Peter Wiesinger (Gruppenmeister), Friedrich Rom (Leiter der Beleuchtungsabteilung und Lightdesigner), Thomas Bautenbacher (Technischer Direktor), unten links: Johann Krainz (Bühnen inspektor) und Ernst Meissl (Technischer Leiter) nach der Überreichung des Heinz Filar Ringes an Johann Krainz
Martin Zehetgruber 2022
Auszeichnungen 1986 Würdigungspreis für besondere künstlerische Leistungen des Österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung für die Diplomarbeit „Woyzeck“ von Georg Büchner 1994 Förderpreis zur Josef-Kainz-Medaille für „Kill Pig Devil Passion Finish God“ 1998 Bühnenbildner des Jahres in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute für „Die Geier-Wally“ von Wilhelmine von Hillern 2000 Bühnenbildner des Jahres in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute für „Gespenstersonate“ von August Strindberg Nominierung für den Theaterpreis NESTROY in der Kategorie Beste Ausstattung für „Weh dem, der lügt“ von Franz Grillparzer
2020 Prix du Syndicat professionnel de la Critique Théâtre, Musique et Danse für die beste europäische Opernproduktion beim Festival d`Aix en Provence für „Jakob Lenz“ von Wolfgang Rihm 2021 Czech Crystal Preis für „Der feurige Engel“ von Sergei Prokofiew beim 58. Internationalen TV-Festival GOLDEN PRAGUE 2021 „Der feurige Engel“ Nominierung bei den VENICE TV Awards 2021 (VTVA) in der Kategorie „Performing Arts“ Nominierung für den Theaterpreis NESTROY in der Kategorie Beste Ausstattung für „Automatenbüfett“ von Anna Gmeyner 2022 Österreichischer Musiktheaterpreis in der Kategorie beste Gesamtproduktion Oper für „Der feurige Engel“ von Sergei Prokofiev Einladungen zum Berliner Theatertreffen
2001 Theaterpreis NESTROY in der Kategorie Beste Ausstattung für „Glaube und Heimat“ von Karl Schönherr
2001 „Glaube und Heimat“ von Karl Schönherr, Burgtheater Wien, Regie: Martin Kusej
2002 Theaterpreis NESTROY in der Kategorie Beste Ausstattung für „Letzter Aufruf“ von Albert Ostermaier
2004 „Don Carlos“ von Friedrich Schiller, Burgtheater Wien, Regie: Andrea Breth
2004 Theaterpreis NESTROY in der Kategorie Beste Ausstattung für „Don Carlos“ von Friedrich Schiller
2009 „Der Weibsteufel“ von Karl Schönherr, Akademietheater Wien, Regie: Martin Kušej
2006 Theaterpreis NESTROY in der Kategorie Beste Ausstattung für „Höllenangst“ von Johann Nestroy
2020 „Automatenbüfett“ von Anna Gmeyner, Akademietheater Wien, Regie: Barbara Frey
2009 Theaterpreis NESTROY in der Kategorie Beste Ausstattung für „Der Weibsteufel“ von Karl Schönherr
2011 Bühnenbildner des Jahres in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt für „Wozzeck“ von Alban Berg und „Rusalka“ von Antonín Dvorák 2015 Aufführung des Jahres in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt: „Jakob Lenz“ von Wolfgang Rihm
265
2010 Theaterpreis Hamburg - Rolf Mares für „Baumeister Solness“ von Henrik Ibsen
267
Kochrezept aus der Obersteiermark Fusion einer erinnerten italienischen und gelebten böhmischen Küche Österreich 1960er Jahre
Kurzbiografien
Barbara Frey Theater-, Opernregisseurin und Intendantin. Von 2009 bis 2019 stand sie an der Spitze des Schauspielhauses Zürich, von 2021 bis 2023 verantwortet sie das Programm der Ruhrtriennale - Festival der Künste. Judith Gerstenberg Dramaturgin, zuletzt von 2021 bis 2023 in leitender Funktion bei der Ruhrtriennale. Im Verlag Theater der Zeit gab sie die Monografien „Ruedi Häusermann – Umwege zum Konzert. Eine Werkschau mit Klangspur“ (2015) sowie „Bettina Meyer – Einszufünfundzwanzig. Bilder Bühnen Räume“ (2017) heraus. Heide Kastler Kostümbildnerin, freischaffend international tätig. Seit 2013 hat sie die Professur für Kostümbild an der Hochschule Hannover inne. Christoph Klimke Schriftsteller und Übersetzer. Als Dramaturg verband ihn mit dem Choreografen Johann Kresnik eine enge künstlerische Partnerschaft.
Andreas Schlager Schauspieler und Fotograf. Langjährige Engagements u.a. am Volkstheater Wien, Schauspiel Stuttgart und am Schauspiel Hannover. Elisabeth Schweeger Literaturwissenschaftlerin, Kulturmanagerin und Intendantin. Sie leitete von 2014 bis 2022 die Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg. 2022 übernahm sie die künstlerische Leitung der Kulturhauptstadt 2024 Bad Ischl/Salzkammergut. Klaus von Schwerin Inspizient. Er kam 1999 von der Schaubühne Berlin ans Burgtheater Wien und war dort bis 2020 als Chefinspizient tätig. Stefanie Wagner Bühnenbildnerin. Seit vielen Jahren Arbeits- und Lebenspartnerin von Martin Zehetgruber.
Alexander Koppelmann Lichtgestalter. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet er regelmäßig mit der Regisseurin Andrea Breth im Bereich Schauspiel und Oper zusammen. Martin Kušej Theater-, Opernregisseur und Intendant. Er leitete von 2011 bis 2019 das Münchner Residenztheater und übernahm im Anschluss das Burgtheater Wien. Außerdem ist er Professor für Regie am Max Reinhardt Seminar.
Nicholas Ofczarek Theater- und Filmschauspieler. Seit 1995/96 ist er Ensemblemitglied des Burgtheater Wien.
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Georg Nigl Opern-, Konzertsänger und Gesangspädagoge. Er tritt europaweit an den großen Opern- und Konzerthäusern auf. Als Solist war er an einer Vielzahl von Uraufführungen beteiligt.
Martin Zehetgruber und Stefanie Wagner / 2017 Neapel / zur Vorbereitung von „Lady Macbeth von Mzensk“ im Teatro San Carlo
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Netsuke „Ashinaga und Tenaga“ / Elfenbein / Edo Periode, um 1810
Dank an: die Fotografen Hans Jörg Michel und Georg Soulek
Bildnachweis Alle Fotos, Zeichnungen und Videostills stammen bis auf die unten genannten Ausnahmen aus dem Bildarchiv von Martin Zehetgruber. Wir haben uns um die Einholung der Abdruckrechte bemüht. Da in einigen Fällen die Inhaber der Rechte nicht zu ermitteln oder zu kontaktieren waren, werden rechtmäßige Ansprüche nach Geltendmachung abgegolten. Fotos Thomas Aurin S. 77 (o. r.); Hermann und Clärchen Baus S. 90 – 93; Klaus Fröhlich S. 74 f., S. 82 f.; Matthias Horn S. 70 f.; Wilfried Hösl S. 158 – 163, S. 174 (l. u.), S. 176 – 177 (l. u., m., r. u.); Hans Jörg Michel S. 72 f., S. 84 – 89, S. 94 – 97, S. 104 – 107, S. 120 f., S. 126 f., S. 128 – 129 (o. r., u. r.), S. 130 – 131 (o. r.), S. 132 – 133 (o. r.), S. 134 – 135 (o. r.), S. 136 – 137, S. 138 – 139 (o. l., o. r.), S. 140 – 141 (o. l., u. l., u. r.), S. 142 f., 146 – 149, S. 257 (r. o.); A. T. Schaefer S. 172 (r. u.); Burgtheater / Georg Soulek S. 144 f., S. 164 – 165 (r. u.), S. 166 f., S. 170 f., S. 216 f.; Bernd Uhlig S. 204 (r. u.), S. 206 (l. o., l. u.), S. 208 (l. o., l. m., l. u.), S. 210 (l. o., l. u.), S. 212 – 213 (o.), S. 226 – 227 (l.), S. 232 – 233 (l.), S. 262 (r. o.); Stuttgarter Amt für öffentliche Ordnung, Bußgeldstelle S. 6 f. Daumenkino 1. Sequenz: Archiv Zehetgruber / 2. Sequenz: Larry Semon „The Stage Hand“ (1920) / 3. Sequenz: Archiv Zehetgruber / 4. Sequenz: Atombombentests Nevada (1951 – 1958 NNSS) / 5. Sequenz: Archiv Zehetgruber / 6. Sequenz: Archiv Zehetgruber / 7. Sequenz: Buster Keaton, „Steamboat Bill“ (1928) / 8. Sequenz: Archiv Zehetgruber / 9. Sequenz: Felix E. Feist, „Deluge – Destruction of New York“ (1933) / 10. und 11. Sequenz: Buster Keaton, „Steamboat Bill“ (1928) / Schlusssequenz: Dancing man, Sydney, Victory Day 1945
Impressum ALLES KATASTROPHE! Bühnen Martin Zehetgruber Herausgegeben von Judith Gerstenberg © 2023 by Theater der Zeit Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich im Urheberrechts-Gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Medien. Verlag Theater der Zeit Verlagsleiter Harald Müller Winsstraße 72 | 10405 Berlin | Germany www.tdz.de Layout: Stefanie Wagner Lektorat: Nicole Gronemeyer Druck: Druckhaus Sportflieger Printed in Germany ISBN 978-3-95749-471-9 (Paperback) ISBN 978-3-95749-487-0 (ePDF)
Es sind Bilder, die auf der Netzhaut nachbrennen. Erinnerungen. Keine Abbilder. Keine Vorlagen. Keine realen Räume. Reste von Eindrücken, die sich abgelagert haben im Gedächtnis – in seinem, in dem der Gesellschaft. Emotional begriffene Situationen, Bilder, Texte, Begegnungen. Sie türmen sich zur Abraumhalde in seinem Kopf. Dass sich seine Bilder aus dem persönlichen Erleben speisen, ist unverkennbar. Die Landschaften, die er auf die Bühnen setzt, sind ihm vertraut, auch die Nachtalben, die sie bevölkern. In allen Bühnen steckt er selbst. Und mit jedem seiner Räume fordert er den Dialog ein, zwingt zum Umgang mit ihnen. Seit vierzig Jahren prägen die vielfach ausgezeichneten Bühnenwelten des Österreichers Martin Zehetgruber die europäische Theaterszene. Das Buch zeichnet seinen Werdegang nach und versammelt Stimmen von künstlerischen Wegbegleiter:innen aus den verschiedenen Gewerken. Mit Beiträgen von Barbara Frey, Judith Gerstenberg, Heide Kastler, Christoph Klimke, Alexander Koppelmann, Martin Kušej, Georg Nigl, Nicholas Ofczarek, Andreas Schlager, Elisabeth Schweeger und Klaus von Schwerin
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