Zwischen Zwingli und Zukunft. Die Helferei in Zürich

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Valeria Heintges

ZWISCHEN ZWINGLI UND ZUKUNFT Die Helferei in Zürich





Valeria Heintges

ZWISCHEN ZWINGLI UND ZUKUNFT Die Helferei in Zürich



Valeria Heintges

ZWISCHEN ZWINGLI UND ZUKUNFT Die Helferei in Zürich


Mit freundlicher Unterstützung durch die Ernst Göhner Stiftung und das Kulturhaus Helferei. Ein besonderer Dank geht an die Kommission KK1 der Zürcher Altstadtkirchen.

Valeria Heintges Zwischen Zwingli und Zukunft | Die Helferei in Zürich © 2022 by Theater der Zeit Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich im Urheberrechts-Gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Medien. Verlag Theater der Zeit Verlagsleiter Harald Müller Winsstraße 72 | 10405 Berlin | Germany www.theaterderzeit.de Lektorat: Nicole Gronemeyer Übersetzung: James J. Conway Gestaltung: Gudrun Hommers Druck: aprinta Druck GmbH Printed in Germany ISBN 978-3-95749-434-4 (Hardcover) ISBN 978-3-95749-444-3 (ePDF)


Inhalt

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DIE KUNST DER HELFEREI

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Wie können wir Kunst gleichsetzen mit einer warmen Suppe?

Ein Gespräch mit Helferei-Leiter Martin Wigger

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Was ist Social Critical Work? Von Martin Wigger

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«die zukunft kuratieren» Brigitt Bürger und Peter Fischer haben sich mit ihrer Kulturinitiative in der Helferei eingenistet



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DAS HAUS KIRCHGASSE 13

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Schulei, Helferei Über 750 Jahre Geschichte

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Ulrich Zwingli Der berühmteste Bewohner des Hauses

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Multifunktional vom Scheitel bis zur Sohle Erinnerungen von Helferei-Urgestein Ulrich Gerster

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Literatur

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Bildnachweis

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Die Autorin



Die Kunst der Helferei Wie können wir Kunst­­gleichsetzen mit einer warmen Suppe? Ein Gespräch mit Helferei-Leiter Martin Wigger

Martin Wigger, was haben Sie vorgefunden, als Sie in die Helferei kamen? Ich erinnere mich an einen Geruch, den ich als sehr fremd empfand. Es roch stickig, als wäre länger nicht gelüftet worden. Irritierend war der Tag meines Vorstellungsgesprächs. Lauter Klischees: Unten im Foyer standen Reste eines Dritte-­ Welt-Ladens und auf dem Weg nach oben las ich im Treppenhaus die Ankündigung eines DiaAbends über eine gemeinsame Reise nach Jerusalem. Alles beisammen, womit Sie Mühe ­haben …

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Ja, das zeigte mir gleich mein Dilemma. Denn die Ausschreibung war ja ganz anders, man suchte eine Künstlerische Leitung, und ich kam mehr oder weniger direkt vom Ende meiner Co-Intendanz mit Tomas Schweigen am Theater Basel. Kurz: Ich betrat dieses Haus mit seiner Geschichte, sah das alles und fragte mich sofort: Kann ich hier agieren und mich entfalten? Mein erster Satz im Vorstellungsgespräch war – Christoph Sigrist zitiert das heute noch: «Ich weiss gar nicht, ob ich hier richtig bin.» Ich meinte das inhaltlich, aber die Kommission dachte, ich frage nach dem Raum. 10

DAS HAUS KIRCHGASSE 13 SCHULEI, HELFEREI Über 750 Jahre Geschichte 1270 bis 1860: Leutpriesterhaus, Schulei, Helferei Vom Haus der Leutpriester, also der Pfarrer, über die Schulei zur Helferei zum Kulturhaus Helferei – das Haus an der Kirchgasse 13 in der Zürcher Alt­ stadt hatte im Laufe seiner Geschichte viele Namen und Funktionen. Kein Wunder, wird es doch schon 1270, also vor über 750 Jahren, als Wohnsitz des


GESPRÄCH MIT MARTIN WIGGER 11

GESCHICHTE DES HAUSES

Warum waren Sie so ambivalent? Ich war unsicher, fragte mich: Reizt mich dieses Haus, mit dieser Ausrichtung? Oder ist das ein bisschen zu viel Theologie? Ich bin ein aufgeklärter Mensch des 21. Jahrhunderts – werde ich da nicht doppelt eingeholt von etwas, gegen das ich mich bis heute eigentlich immer wieder «produktiv» sträube? Doch hat alles, was anders und reizvoll ist, auch einen ungeheuren Reiz und lockt natürlich. Ich bin mit diesen widerspenstigen Gedanken nicht nur in das Vorstellungsgespräch, sondern auch in alle weiteren Gespräche gegangen. Und das hat sich ausbezahlt. Die Kommis-


sion hat das im Nachhinein so beschrieben: Ich sei der sperrigste Kandidat, aber deshalb seien auch die Gespräche sehr produktiv gewesen. Der Auftrag an mich war damit auch klar: kein kirch­ liches Programm, sondern noch mal eine andere Richtung. Warum haben Sie sich ursprünglich auf die Stelle als Leiter dieses Hauses beworben? Was hat Sie angesprochen? Als meine Basler Zeit zu Ende ging, dachte ich, es würde mich nur langweilen, wenn ich in gleicher 12

Chorherrn und Leutpriesters Walcho erstmals er­ wähnt. Manche Holzbalken in der Zwingli-Stube im ersten Stock stammen tatsächlich aus der Zeit um 1330 bis 1350, wie dendrologische Untersuchungen ergeben haben. Bis 1412 wird das Haus in Steuer­ büchern immer wieder als «Lütpriesters hus» ge­ nannt; später als «Schulei» oder Schulhof, nachdem die Leutpriester und der damalige Schulherr Hein­ rich von Randegg ihre Amtsstuben getauscht hatten. Eine Schulei ist es auch noch, als 1525 der Re­for­ mator Ulrich Zwingli einzieht, der sich Huld­rych nennt; die ersten sechs Jahre seiner Amtszeit


GESPRÄCH MIT MARTIN WIGGER

Weise meine Theaterarbeit fortsetzen würde – da schien mir die Aufgabe des Leiters der Helferei genau zu passen. Dazu kam ein privater Aspekt: Ich war in der Zeit auf mich selbst zurückgeworfen und musste entscheiden, wie es weitergehen sollte. Ich beschloss, noch einmal zu studieren. Das war auch eine sehr luxuriöse Situation, es sprach vieles dafür, aber zum Beispiel keine soziale Komponente dagegen. Ich dachte an Medizin oder Theologie. Für Medizin war ich zu alt, aber die Theologie ist alterslos, im Gegenteil: Sie freuen sich über jeden Kandidaten, jede Kandidatin. Zudem gab es einen sogenannten «Quest»,

wohnte er im Haus gegenüber. Zwingli ist nicht nur Leutpriester am Grossmünster, sondern auch Schul­ herr des Carolinum, der Zürcher Theologenschule. Nur sechs Jahre später, 1531, stirbt er in der Schlacht von Kappel. (zu Ulrich Zwingli siehe Extratext) Nach Zwingli wohnen viele, mehr oder weniger bekannte Lehrer im Haus: sein direkter Nachfolger Theodor Buchmann aus Bischofszell, der Professor am Carolinum ist, sich Bibliander nennt und sich als Alttestamentler und Übersetzer des Korans einen Namen macht. Johann Jakob Wick sammelt Erzählun­ gen von Wundern, Unfällen und Verbrechen – heute,

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einen Studiengang für Quereinsteiger, ein Pilotprojekt mit einer Klasse von Menschen in meinem Alter, die an ähnlichen Punkten standen. Aber ich musste Geld verdienen – und kaum war ich immatrikuliert, war diese Stelle ausgeschrieben. Spielte es eine Rolle für Sie, dass der Reformator Ulrich Zwingli im Haus gewohnt hat? Ich wusste so gut wie nichts über ihn. Luther kannte ich, klar. Zwingli aber nicht und war erstaunt, wie wichtig er für die Schweiz ist. Heute ist er für mich als berühmtester Bewohner dieses 14

so könnte man mutmassen, wäre er wohl begeister­ ter Krimileser. Ein anderer ist Kirchen­his­toriker Johann Heinrich Hottinger, er wird im 17. Jahrhun­ dert als Orientalist bekannt und lehrt einige Jahre als Professor an der Universität Heidelberg. Fast 450 Jahre lang bleibt das Haus an der Kirchgasse 13 eine Schulei, bevor das Grossmüns­ terstift 1832 aufgehoben wird. Dann geht es über an den Kanton, etwas später an die Kirchgemeinde. Weil jetzt die Diakone einziehen, die Helfer im Got­ tesdienst, erhält das Haus schliesslich den Namen «Helferei».


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Hauses die Schnittstelle und der erste und letzte Revolutionär, den die Schweiz hatte. Das sage ich laut und überzeugt. In erster Linie war er Politiker; aber er musste als Theologe wirken, um im spätmittelalterlichen Staat etwas bewegen zu können. Nur so konnte er sich eine Stimme verschaffen – und Zwingli wurde recht früh laut. Er hat in Zürich sehr, sehr schnell seine Meinung kund­ getan, über die der Rat der Stadt nicht hinweghören konnte. Die legendären Disputationes, die er hier hat stattfinden lassen, hatten einen theologischen Kontext, aber sie haben die Schweiz politisch sehr geprägt, bis heute. Die Aspekte,

1860 bis 1974: Die Kapelle – das Herz des Hauses Im Zuge der Neuordnung wird auch das ­Chor­herrenstift nebenan abgerissen und neu ge­ baut. Weil dadurch einige Räume umgestaltet werden, fehlt ein grosser Saal etwa für Gottes­ dienste und als ­Versammlungsort für die fran­ zösische Gemeinde. Deshalb baut man 1858 bis 1860 nach den ­ Plänen von Johann Jakob Breitinger einen um ein Stockwerk erhöhten ­ Querbau. In dessen Erd­geschoss wird die Kapelle, eine hochmoderne Konstruktion aus Eisensäulen und -trägern, «gewissermassen wie eine Schub­

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anständig zu leben, zu arbeiten, nichts nach aussen blicken zu lassen, tauchen in seinen Schriften immer wieder auf. Er beschreibt etwas, was heute als typisch schweizerisch, bestimmt jedenfalls als typisch zürcherisch gilt. Auch für die Auseinandersetzung mit einem jungen Publikum ist er wichtig; seine Abhandlung, wie junge Menschen zu erziehen seien, ist eine seiner wichtigsten Schriften. Können Sie daran für Ihre Arbeit anknüpfen? Das sind alles Themen, an die ich sehr gut anknüpfen kann. An der Auseinandersetzung mit 16

lade eingeschoben», wie der Historiker Matthias Senn formuliert. Die Kapelle im Stil englischer Tudorgotik ent­ steht also aus recht pragmatischen Gründen. Wer das Haus heute kennt, kann es sich ohne sie gar nicht vorstellen. Nur folgerichtig, dass sie 1974 zu einem Mehrzweckbau umgebaut und 2014 auch technisch aufgewertet wird, schliesslich ist der streng gegliederte, erhabene Raum längst das Herz des Gebäudes. Werner Gysel erinnert sich, dass er zum Abschluss seines Theologiestudiums eine ­Prüfungspredigt von der Kanzel herunter halten


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Gesellschaft, mit einem möglichst direkten Kontakt. Zwinglis Büro war auch offen, wie man aus historischen Quellen weiss. Hier konnte jeder Mann und jede Frau ein- und ausgehen. Hier waren Pestkranke untergebracht, und es gab schon damals diese Küche. Es ist ein Geschenk, ein ­Kulturhaus mit Küche zu haben, die zudem noch so offen und so schön ist. Zwinglis Themen gingen und gehen bis heute durch den Magen. Er hat sich kein gesellschaftliches Konstrukt überlegt, sondern blieb sehr bodenständig, mit ­Bodenhaftung. Und das nehmen wir in unserer Arbeit auf.

musste. Als er 1977, gerade zum Grossmünster-­ Pfarrer ernannt, das Haus erneut betritt, erkennt er es fast nicht wieder: «Dem verwinkelten Gebäude war das Muffige durch eine umfassende Renovation bis in die letzten Winkel ausgetrieben worden. Aus der Kapelle war ein Mehrzweckraum mit Design, aus der Helferei das Zentrum Helferei geworden, die müde Orgel war verschwunden.» Im Vorfeld der Umbauten wird die Kapelle als so marode eingeschätzt, dass ein erster Entwurf vorsieht, sie abzureissen und durch einen Neubau zu ersetzen. Das allerdings stösst auf vehemente

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Wie das? Wir gehen nicht an Festivals, sondern sind niederschwellig, tauchen selten in der Zeitung oder in Hochglanzmagazinen auf. Ich komme aus einem anderen Kontext und muss mich da auch manchmal zurückschrauben. Unsere Themen sind aber auch die Themen, die das Haus schon immer umgetrieben haben: Arbeit, Migration – wer gehört zur Zürcher Stadtgesellschaft dazu und wer nicht? Die Idee der Nachhaltigkeit taucht schon bei Zwingli auf, im Sinne von: Wie können wir erreichen, dass eine Idee nicht verpufft? Und immer 18

Kritik, in einer Volksabstimmung wird das Projekt klar abgelehnt. Der Streit ist so heftig, dass er heute als «markanter Wendepunkt im denkmalpflegeri­ schen Umgang mit historischer Bausubstanz in der Zürcher Altstadt» angesehen wird, wie Historiker Senn urteilt. 1974 bis 2014: Vom Gemeinde- zum Kulturhaus Der Umbau kostet so viel, dass der dafür zuständige Kirchenpflegepräsident Hugo von der Crone befin­ det, er sei nicht gerechtfertigt, wenn hier lediglich ein, zwei Veranstaltungen pro Monat stattfinden


Sie haben 2015 begonnen, 2017 bis 2019 feierte Zürich «500 Jahre Reformation». Das sah man deutlich im Programm. Wir haben Zwinglibilder korrigiert – nicht nur bei uns, sondern auch bei denen, die zum Beispiel zum Zwingli-Talk kamen. Der Zwingli-Talk fand in der Zwingli-Stube statt, in die nicht mehr als zwölf Leute passen. Da haben wir bei einer Flasche Wein über seine Schriften geredet. Aber um dem

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wieder natürlich das Thema der sozialen Gerechtigkeit.

würden. Von der Crone bringt die Idee eines «Zen­ trums für die ganze Stadt» auf, «eines Ortes, der einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung» stehen könnte und für den ein «Zentrumsleiter» angestellt werden sollte, wie Matthias Senn schreibt. Die Idee wird angenommen, drei Jahre später spricht sich auf einer Sitzung weiterhin eine Mehrheit für die Änderungen aus. Trotzdem folgen Diskussionen und Kompetenzstreitigkeiten, und es wird Jahr­ zehnte dauern, bis das Kulturhaus Helferei, wie es sich ab 2004 nennt, nicht mehr ein vornehmlich theologisch geprägter Ort für die Gemeinde, son­

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Gedanken des Hauses treu zu bleiben, blieb es nicht bei der theoretischen Erörterung, sondern ich habe immer einen «Fremdkörper» dazugeholt. Mal war es eine Hebamme, mal eine Schauspielerin, mal ein Zürcher Handwerker. Um zu schauen, was die Auseinandersetzung mit Ulrich Zwingli heute hier in dieser Stadt bedeutet. Ich war jedes Mal erstaunt, wie wenig ich nachhelfen oder konstruieren musste. Denn alle hatten eine Vorstellung, alle hatten schon mal irgendwie von ihm gehört. Wir haben mit Zwingli-Bildern gebrochen und manches Zwingli-Bild bestätigt. Manche finden das Zwinglianische ja gar nicht toll. 20

dern ein wirkliches Kulturhaus ist, das ein eigenes Profil entwickeln kann und darf. Streit hat es seit­ dem nur noch um den Dritte-Welt-Laden gegeben, dessen Mitglieder nicht nur Waren aus Entwick­ lungsländern verkaufen, sondern auch deutliche politische Einmischungen auf Flugblättern vertei­ len wollen. Ihnen wird der Mietvertrag gekündigt. Der «heftigen Kritik aus der Öffentlichkeit hatte sich die Kirchenpflege zu stellen», schreibt Senn anspielungsreich. Ähnlich umstritten das anfäng­ lich herrschende Alkoholverbot. Es wird immer weiter aufgeweicht – erst mit Apéros im Garten,


Wer kann in dieses Haus kommen? Jeder und jede, zum Beispiel auch die marxistische Gruppe aus dem Tessin? Die ist schon da. Denn zu uns kann wirklich jeder kommen, egal welches Alter, welche Konfession, welche Einstellung. Tatsächlich empfinde ich diesen Ort als viel offener als andere, an denen ich bisher gearbeitet habe. Manchmal ist es fast zu

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Müssen wir also dagegen angehen? Nein, müssen wir nicht. Wir sind nicht missionarisch unterwegs, aber wir können den berühmtesten Bewohner des Hauses nicht umgehen.

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Seit 2014: Ein Haus, viele Funktionen Im letzten grossen Umbau von 2012 bis 2014 ver­ sucht Architekt Peter Joos, die widerstreitenden Nutzungen des Hauses zu entflechten. Seither können die Bewohner:innen über den Garten zu den sieben Wohnungen in den oberen Etagen gelangen, und die Büros der Helferei-Mitarbeitenden liegen nur noch im Erdgeschoss. Die Kapelle kann wieder direkt über die Kirchgasse betreten werden, und

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schliesslich mit einer Erlaubnis im ganzen Haus. Die Realität schafft Fakten.


vielfältig. Andererseits müssen wir über so Vieles und Vielfältiges nachdenken, mit ganz Vielen reden, um diese Gesellschaft zu beschreiben. ­ Und ja: Wir haben in diesem Haus alle Altersgruppen. Bei «KiK – Kids in der Kapelle» sind die Jüngsten fünf, bei «Das Leben der Ü 55» die Ältesten 86 Jahre alt. In dieser Spannbreite bewegt sich alles. Wie kirchlich oder christlich ist das Programm? Wir haben eröffnet mit dem Stück «Islam für Christen» von Antje Schupp. Das war Auftakt und 22

die Zwingli-Stube wird von einer Säule getragen, deren Holz eine 300 Jahre alte Eiche aus dem Neu­ wald bei Romanshorn liefert. Von den legendären Treffs der Jugendlichen am Cheminée kann man nur noch von Ehemaligen hören, die in Erinnerungen schwelgen. Denn dort, wo sich heute die grosse, moderne Küche befindet, war einst ihr Jugendraum. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was da alles am offenen Feuer ge­ redet, philosophiert und konsumiert wurde. Treffpunkt ist die Helferei heute noch. Anna Huber, die die Betriebsadministration innehat und


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Setzung – das wurde sehr goutiert. Denn wir gehören als Institution zum Altstadtkirchenkreis, aber wir machen kein kirchliches Programm. Das ist die Absprache, und da lässt man uns auch in Ruhe. Mich reizt an der Theologie das Kultur­ geschichtliche, das Nachdenken über Götter, die Idee der Kirche als letztem Ort, an den alle kommen können. Es geht nicht um soziale Herkunft, nicht um Konfession. Wir veranstalten regelmässig den Tag des Jüdischen Buches, aber schon meine Vorgängerin hat die Ausstellung «Breaking the Silence» gezeigt, vor der andere Institutionen Angst hatten, weil sie natürlich auch hier zu gros-

dafür auch auf fünfzehn Hilfskräfte zurückgreifen kann, versteht ihr Büro als «Knotenpunkt» zwi­ schen den verschiedenen Funktionen: Das Haus ist ein Ort für Kulturprogramm, ein Ort mit modern ausgestatteten Räumen, die jeder mieten kann, mit einem Restaurant, das Mittagessen und einen Cate­ ringservice anbietet, und auch noch immer ein Ort der Kirche. Ihr Job ist turbulent. «Man muss das Chaos lieben», sagt Anna Huber, «muss immer et­ was möglich machen und spontan reagieren.» Ansprechpartner für theologische Belange sind die Grossmünster-Pfarrer Martin Rüsch und

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sem Aufsehen geführt hat und angefeindet wurde. Dahinter gehe ich nicht zurück. Womit hat Sie das Haus am meisten überrascht? Mit seiner Geschichte. Was ich heute beschreibe als eine gute Kombination meiner bisherigen künstlerischen und sozialen Arbeit, lag in diesem Haus eingeschrieben, seit Jahrhunderten. Das war mir nicht klar. Können Sie das genauer erklären? Dieses Haus öffnet sich seit Jahrhunderten für 24

Christoph Sigrist – der hat sein Büro sogar im Haus. Beide betreuen die Angebote der Kirche mit Kon­ firmations- und Religionsunterricht, Bibel- und ­Gesprächskreisen. «Die Unterstützung und Beglei­ tung von Hilfesuchenden» sei sein «tägliches Brot», schreibt Christoph Sigrist in der Festzeitschrift zur Neueröffnung nach dem Umbau 2014. Sigrist hat auch die Verbindung zur Zürcher Anlaufstelle für Sans Papiers, also für Migran­ t:innen ohne geregelten Aufenthaltsstatus, und er entscheidet, wer die Einzimmer-Notwohnung im obersten Stock für drei oder vier Monate als Schutz­


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Menschen in Not. Sie bekommen hier nicht nur eine Suppe aus der Küche, sondern auch seelsorgerische Begleitung. Das empfinde ich vor allem für unsere künstlerische Arbeit als sehr reizvoll. Wie können wir Kunst gleichsetzen mit einer warmen Suppe? Kulturarbeit mit der diakonischen Arbeit, die hier stattfindet? Diese Einschreibung ist bis in das Team eingeschrieben, in die Erwartung, dass wir da sind für alle, die kommen. Ich kannte es, dass man mit Theaterarbeit reagiert, sechs Wochen mit einer Superregisseurin probt, und dann geht zur Premiere der Vorhang hoch. Aber hier gehen stündlich die Türen

ort nutzen kann. Oft sind es Frauen, die vor häus­ licher oder anderer Gewalt fliehen und hier zur Ruhe kommen können, bis eine länger währende Lösung für sie gefunden worden ist. Viele Vereine mieten die für sie vergünstigten Helferei-Räume: Es gibt Treffen der Anonymen ­Alkoholiker, Deutschkurse von «Soli-Netz», Yoga-, Pilates- oder Gedächtnistrainingskurse. Und auch offizielle Stellen nutzen das Mietangebot: Wer aus dem Ausland zuzieht, kennt die Helferei als Ort für Integrationskurse der Stadt Zürich, genauso mie­ ten nahe gelegene Organisationen wie die Schwei­

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auf, ganz wörtlich zu verstehen, und es kommt jemand herein und will etwas. Darauf kann ich mit dem, was ich beruflich mitbringe, wunderbar reagieren. Das ist überraschend reizvoll. Inwiefern passt das zu Ihrer Biografie? Weil ich mich immer um Menschen kümmern kann. Ist das die Theologie? Nein. Auch meine Erfahrungen in der Theaterarbeit kann ich hier praktisch anwenden. Und mit 26

zer Kulturstiftung Pro Helvetia, das Obergericht oder die Staatsanwaltschaft die Räume mit ihren klingend-historischen Namen wie Breitingersaal, Anna-Reinhart-Zimmer oder Zwinglistube. Für das Team mit Martin Wigger, Anna Huber und vier weiteren festangestellten Mitarbeitenden sind die Kulturveranstaltungen am aufwändigsten, weil da jeder andere Bedürfnisse hat. Zwar wurde die Akustik in der Kapelle beim letzten Umbau ver­ bessert, aber sie ist bis heute anspruchsvoll. Und mit den Säulen muss gekonnt umgegangen werden, sonst stören sie die Sicht. Wenn das berücksichtigt


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dem Theologiestudium noch einmal zusätzlich. Aus dem Alltag heraus genauso wie über die Planung des kulturellen Angebots. Ich kann das am besten beschreiben über das grosse Projekt «Schule des Handelns». Das markiert den Übergang von der Anfangszeit zur aktuellen Phase der Konsolidierung. Die Schule des Handelns wurde im Rahmen der Reformationsfeierlichkeiten grosszügig von der Stadt Zürich unterstützt. Wir haben anderthalb Jahre lang einmal monatlich ein Wochenende lang dieses Haus wieder zu einer Schule gemacht – die Helferei hiess ja mal «Schulei». Wir haben Anmeldungen ent­ ge­ gen­

wird, eignet sich der Raum wunderbar für Ban­ kette, Theater, Konzerte, Vorträge, Lesungen, Kino­ vorführungen oder Performances. Mit dem Jazz­ festival Unerhört!, dem Filmfestival PinkApple, mit Zürich tanzt und Zürich liest, der Zürcher Hoch­ schule der Künste, dem Flüchtlingstheater Malaika oder dem hauseigenen Helfereitheater bestehen langjährige Kooperationen. Neben allen Kulturveranstaltungen bleibt die Helferei Treffpunkt und Zufluchtsort auch für ­diejenigen, die sich austauschen möchten. «Viele Menschen bringen ihre Bücher in unsere Hol- und

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genommen, aber auch einfach die Türen offen stehen lassen, wer neugierig war, konnte sich spontan melden. Es gab in jedem Raum offene Seminare, auch drinnen standen alle Türen offen. Wir haben Themen bearbeitet, die uns alle bewegen: Migration, Arbeit, Wohnen, Ernährung usw. Die haben wir mit Gästen durchgespielt, aus Kunst, Theater, Film, Malerei, Literatur, etwa mit dem Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer oder der Rotterdamer Künstlerin Mad Kate. Aber auch sogenannten Alltagsexpert:innen aus aller Welt, die irgendeine Kompetenz hatten. Man konnte sich in eine Liste eintragen und zu unseren 28

Bringbibliothek im unteren Foyer», sagt Anna Huber. «Andere wollen reden. Es ist selbstverständ­ lich, dass ich ihnen zuhöre.» Schon zu Zwinglis ­Zeiten sollen die Türen der Helferei allen offen ge­ standen haben. Sie tun es bis heute.


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­ hemen Seminare anbieten. Jedes dauerte eine T bis anderthalb Stunden. Man konnte drei bis vier ­Seminare pro Tag schaffen, dazwischen gab es Essenspausen: Frühstück, Mittag- und Abend­ essen. Und eine grosse Abschlussveranstaltung in der Kapelle, wo sich in diesem Haus immer ­alles konzentriert und bündelt. Dort haben sich alle ausgetauscht über das, was sie gemacht und erfahren haben, wo sie Probleme oder Chancen sahen. Und in «Nachhaltigkeitsforen» konnten Leute Adressen austauschen, die weiter in Kontakt bleiben wollten.

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An seinem 35. Geburtstag, am 1. Januar 1519, pre­ digt Ulrich Zwingli das erste Mal am Grossmünster. Und bricht sofort mit der Tradition: Er spricht nicht zu dem Abschnitt des Evangeliums, den der Kirchenkanon für diesen Tag vorschreibt, sondern frei zum Matthäusevangelium. Und schon fünf Jahre später hat der Ostschweizer Zwingli die Stadt an der Limmat gehörig auf den Kopf gestellt. Anfang

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ULRICH ZWINGLI Der berühmteste Bewohner des Hauses


Wie unterscheidet sich die Arbeit hier von anderen Orten, an denen Sie gearbeitet haben, wo ist sie gleich? Diese Offenheit des Hauses war für mich komplett ungewöhnlich. Ich kannte bislang nur Häuser, die man um 19 Uhr aufsperrt, damit um 20 Uhr etwas losgehen kann. Danach hat man sie wieder abgeschlossen, wenn es nicht noch ein Publikums­ gespräch oder eine Party gab. Aber hier gibt es auch ein ganz normales Alltagsleben, das dem Haus eingeschrieben ist. Die Helferei stand immer in starkem Austausch mit der Nachbarschaft, der Gemeinde – nicht nur mit der ­Kirche, sondern 30

Februar 1524 beschwe­ren sich die Gesandten der Restschweiz (nur die Schaffhauser blei­ ben dem Treffen fern) beim Zürcher Rat über die «luthe­ rische Sekte». Zwingli und seine Anhänger würden die Sakra­ mente und die Heilige Der Zürcher Reformator Ulrich Zwingli auf einem Porträt von Hans Asper, 1549


Was ergibt sich aus diesen Begegnungen? Es wird eine Adresse hinterlassen, eine Idee, oder die Menschen nehmen Programme mit, kommen

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auch dem Quartier, mit all den Menschen, die von aussen kamen, die auch ­heute noch plötzlich im Foyer stehen. Viele fragen sich: Was ist das für ein Haus? Man kam immer und kommt noch heute sofort ins Gespräch, und etwas ergibt sich jedes Mal. Jeder Tag ist anders und speist sich in erster Linie – wenn es nicht abends Programm gibt – aus Begegnungen mit den Menschen.

Messe schmähen, die Mutter Gottes und die Heiligen. Ausserdem würden sie sich gegen die Reisläuferei wenden, also gegen schweizerische Söldner im Dienst auslän­discher Fürsten. Und sie ermunterten Plünderer, Kirchen auszu­ rauben, und Nonnen und Mönche, ihre Orden zu verlassen und zu heiraten. Sie ässen sogar Fleisch in der ­Fastenzeit! Die Gesandten sind ­entsetzt – wenn­ gleich auch sie zugeben müssen, dass in der ­Römischen Kirche nicht alles zum ­Besten steht. Sie selbst seien auch dagegen, dass die Geistlichen Ämter anhäufen und falsche Ablassbriefe in

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wieder. Im Theater haben wir versucht, aufzunehmen, welche Themen die Stadtgesellschaft umtreiben. Hier bin ich viel mehr über die Leute, die ins Haus kommen, mit der Stadt vernetzt und bekannt, bis in mein Privatleben hinein. Hier werden die Auseinandersetzungen an mich herangetragen. Wer im Theater arbeitet, lebt und arbeitet dort, das ist fast zwangsläufig, man ist einfach immer im Theater. Hier in der Helferei stehen die Türen offen, die Leute kommen und spülen die Themen mit sich. Bis in mein Büro hinein bin ich unmittelbar mit dem konfrontiert, was draussen stattfindet, und muss nur noch sortieren. Wäh32

­ mlauf seien. Aber man solle doch b U ­itteschön ­diese Unarten als Eidgenossenschaft gemeinsam angehen. Nur die Bibel als Grundlage Die Zürcher Räte verwahren sich gegen den Vor­ wurf, ketzerische Irrlehren zu verbreiten. Doch die Gesandten staunen nicht schlecht, als die Räte ­sagen, sie seien zu Beginn selbst etwas konster­ niert und überrascht gewesen vom Wirken des ­Ulrich Zwingli aus Wildhaus im Toggenburg. Aber mittlerweile hätten sie die Pfarrer der Stadt an­


Und wo ähnelt die Arbeit derjenigen des Intendanten oder Dramaturgen? Im Theater zu arbeiten bedeutet, dass man in jeder Stadt neu herausfinden muss, was die Menschen umtreibt, das ist von Stadt zu Stadt wirklich unterschiedlich. Diese Herausforderung gab es in der Helferei genauso. Hier gab es auch ein Grundpublikum, vergleichbar den Abonnenten. Aber ich musste ein anderes Publikum anziehen

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rend ich als Dramaturg nach Themen gesucht habe, sind sie hier immer da – viel mehr als ich umsetzen kann.

gehalten, allein die Worte der Bibel als Grundlage ihres Handelns anzusehen. Die Bestimmungen der Bischöfe und des Papstes seien ihnen dabei herz­ lich egal, «dann wir Gott und sinem wort mer dann der menschen satzungen […] gehorsam sin mües­ send», wie der Berner Historiker André Holenstein zitiert.1

1 Der Abriss zum Wirken Zwinglis folgt im Wesentlichen André Holensteins Aufsatz «Ein Mann spaltet das Land», in: NZZ Geschichte 7/2016, S. 34 – 50.

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als das, das bislang da war. Denn auch der Helferei fehlten die jungen Leute. Wie haben Sie das Problem gelöst? Indem ich Programme für junge Menschen angeboten habe. Es gab zwei junge Leute hier im Haus, die schon für Andrea König gearbeitet haben. Sie habe ich zu meinen «persönlichen Assistenten» gemacht und konnte ihnen sogar einen kleinen Lohn bezahlen. Sie waren cool: Sie haben mich ein Jahr lang nicht nur in die Helferei eingeführt, sondern auch in das Zürcher Stadtleben. Wir waren in Bars, Discos und anderen Orten, die 34

In der Literatur gehen die Meinungen ein ­wenig auseinander, ob die Zürcher Räte wussten,­ welchen Revolutionär, welchen Querkopf sie sich fünf Jahre zuvor mit dem neuen Prediger einge­ handelt hatten. «Seine theologischen Kenntnisse, seine Zugehörigkeit zum Kreis der eidgenös­ sischen Humanisten sowie seine Nähe zur päpst­ lichen Partei bzw. (seine) Franzosenfeindlichkeit empfahlen ihn 1518 für die Berufung nach Zürich», schreibt Holenstein. Auch sei er bereits als ­Gegner der Reisläuferei und des Ablasshandels ­ ­bekannt gewesen. Vor allem das Reislaufen hatte


Und wie konnten Sie Ihr Wissen in Programme für junge Menschen umsetzen? Wir haben relevante Themen benannt und gezielt Veranstaltungen für junge Leute angeboten. Die Zürcher Zukunftsforscherin Elisabeth MichelAlder hat uns Gesprächspartner vermittelt, und wir haben mit ihr «Das Podium der vier Generationen. Länger leben, anders arbeiten» organi-

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ich ohne sie nicht kennengelernt hätte. Das war ein guter Einstieg, darüber hat sich das ganz schnell aufgefächert.

das ­ soziale Gefüge der Gesellschaft völlig zer­ rüttet. Die jungen Männer verdienten ihr Geld im Ausland – nicht zuletzt bei brutalen Beutezügen –, aber im Inland fehlte ihre Arbeitskraft. Niemand wusste, wie weit Zwingli gehen würde Der französische König, der vor allem auf Schwei­ zer Söldner zurückgriff, habe letztlich die «Be­ triebskosten» vieler Gemeinden bezahlt, schreibt der dezidiert linke Journalist, Politiker und Autor Franz Rueb. Das Land sei abhängig von der Söld­ nerei gewesen, während die Gemeinden litten, weil

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siert. Darüber haben sich viele Türen geöffnet. Viele Vereine haben wir kennengelernt, etwa den Selbsthilfeverein einfach einfach, der Haushaltsgegenstände vermittelt im Internet. Wir haben Foren hier im Haus aufgemacht. Und wir haben die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) angesprochen. Der Leiter des Fachbereichs Schauspiel, Peter Ender, Pfarrersohn, gehört zu denen, die ins Haus gespült wurden; er stand eines ­Tages im Foyer und wollte mich kennenlernen. Wir haben uns an einen Tisch gesetzt, geredet – und gemerkt, dass es viele Themenbereiche gibt, die wir zusammendenken können. Wir haben die 36

der Grossteil des abgepressten Geldes nach Rom geflossen sei. Die Zürcher Gewerbetreibenden ­ ­hätten, mit gestiegenem Selbstbewusstsein, einen Ausweg aus dieser Misere gesucht. Zwingli «sollte die Emanzipationsbewegung der republikanischen Stadtgemeinschaft aus der bischöflichen Ober­ hoheit religiös und ideologisch untermauern und befördern», schreibt Rueb. Doch habe niemand ­geahnt – darin besteht Einigkeit – wie weit der Toggenburger Rebell gehen würde. Wie sehr er ­ die Schweiz an den Rand des Abgrunds bringen würde.


Muss man sich nicht an allen Theatern um junges Publikum bemühen? Ich habe noch nie an einem anderen Haus so jung tun müssen wie hier in der ersten Zeit. Auch wenn es eine Erwartung war, dass ich das junge

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­ rsten ein, zwei Jahre sehr intensiv Veranstaltune gen mit der ZHdK stattfinden lassen, insgesamt fünf Reihen. Von Diplomarbeiten, die wir hier gezeigt haben, bis zur Reihe «Auslese». Da­ ­ haben Dozierende mal wieder selbst gespielt oder gelesen, vor ihren Studierenden. Das hat ein cooles Publikum angelockt.

Ulrich Zwingli wird 1484 in Wildhaus im Toggen­ burg geboren. Sein Vater ist Bauer und Ammann, er kann es sich leisten, elf Kinder grosszuziehen und dreien seiner Söhne eine Ausbildung zu finanzie­ ren. Zwingli kommt auf eine Schule nach Weesen am Walensee, dann auf die Lateinschule in Basel und Bern und bereits als Vierzehnjähriger an die Universität Wien. Er wechselt an die Univer­sität Basel und schliesst 1506 sein Studium ab. Er wird Pfarrer in Glarus, zehn Jahre später Leutpriester in Einsiedeln und bereits zwei Jahre später nach Zürich berufen.

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Publikum hole. Man dachte wohl: Wer vom Theater kommt, bringt das junge Publikum automatisch – selbst wenn das ein Trugschluss ist. Wir sind mit der jungen Linie gestartet, und das war toll. Mir war nicht klar, wie viel Support das grundsätzlich gebracht hat. Denn auch die Älteren freuten sich, dass plötzlich so viele Junge da waren. Und die Jungen entdeckten für sich einen neuen Ort des Experimentierens. Wenn sie die Kapelle sehen, wünschen Sie sich einfach, an einem solchen Ort mal auftreten zu können. In dieser gross­artigen Lage, in der Achse zwischen Neumarkt, Schauspielhaus und Kunsthaus, mitten in 38

Amtswohnung in der Helferei Nur zwölf Jahre sind ihm auf der Stelle vergönnt. «Zwinglis Amtswohnung» steht auf dem Stein­ schild über dem Eingang zur Helferei. Und: «Von diesem Hause zog er am 11. Oct. 1531 mit dem Heere der Zürcher nach Kappel aus, wo er für seinen Glauben starb.» Sein Leichnam wird gevierteilt, verbrannt und in alle Winde zerstreut – so wütend hatten seine Lehre die Katholiken des Landes ge­ macht. Denn die Fragen, die er aufwirft, sind eben nicht nur theologische, sondern auch gesellschaft­ liche.


Wo würden Sie die Helferei im Zürcher Stadtleben verorten? Sie liegt an der Schnittstelle zwischen historisch begründeter sozialer Arbeit und Kultur. Mehr noch als die anderen Kulturinstitutionen müssen wir uns fragen, wie eine Kulturarbeit gelingen

GESPRÄCH MIT MARTIN WIGGER

der Altstadt, das ist schon genial. Wir versuchen, auch für unsere Gäste günstig zu bleiben. Allerdings bin ich mittlerweile nicht mehr so exzessiv auf dem Junge-Leute-Trip, weil ich gemerkt habe, dass die Themen der Älteren sich nicht so sehr von denen der Jüngeren unterscheiden.

Zwingli sucht und findet, im Gegensatz etwa zu Martin Luther, umfassende Unterstützung auch in politischen Kreisen. In zwei Disputationen, die in Zürich stattfinden, wird deutlich, wie weit die Ko­ operation geht: Zum ersten Streitgespräch am 29. Januar 1523 lädt der Zürcher Rat selbst ein und nimmt sich dabei das Recht heraus, über theologi­ sche Fragen zu entscheiden. Entscheide über das Zölibat oder die Rechtmässigkeit des Zehnten dür­ fen bis dato nur die Bischöfe und der Papst treffen. Zwingli aber lehrt, die Bibel verbiete die Priester­ ehe nicht. (1524 wird er selbst die Witwe Anna

GESCHICHTE DES HAUSES

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kann. Und zwar nicht nur in dem Sinne, dass am Abend der Vorhang hochgeht, sondern dass sie nachhaltig ist: in der Form des Produzierens, nicht mehr nur als einmalige Aufführung, und in der Art, wie wir mit dem Publikum in Kontakt bleiben. Das haben wir erreicht, indem wir Formate definiert haben. Sie sind ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit: Wir benennen Formate, in deren Rahmen immer wieder bestimmte Themen in einer bestimmten Form abgehandelt werden. Und erst dann überlegen wir, welche Inszenierungen, Lesungen, Musikveranstaltungen da hineinpassen. 40

­ einhart heiraten, die ihn gepflegt hatte, als er R an der Pest erkrankte. Anna Reinhart bringt drei ­Kinder aus erster Ehe mit und wird vier weitere ­gemeinsam mit Zwingli haben.) Auch vom Zehnten, so Zwingli, stehe nichts in der Heiligen Schrift. Für eine kirchliche Entscheidungsinstanz sieht er gleichfalls keine Grundlage. Seine Lehre ist nicht nur in diesen Punkten nah an der christlichen Ur­ gemeinde und sehr weit weg von Rom. Trotzdem folgt ihm der Zürcher Rat. Bereits am 26. Oktober 1523 geht die zweite Disputation über die Bühne, diesmal über die Frage,


GESPRÄCH MIT MARTIN WIGGER

Können Sie das vielleicht anhand von drei Beispielen konkret beschreiben? Nehmen wir den Dienstleistertag, den Practical Wednesday und die Human Library. In allen drei Formaten bringe ich die soziale Einschreibung des Hauses mit meinen theatralen Kompetenzen in Geschichten zusammen. Der Dienstleistertag ist aus der Zusammenarbeit mit der ZHdK hervorgegangen. Der findet immer donnerstags statt. Schauspielstudierende der ZHdK bieten ab 10 Uhr ihre Dienste an, aber sie verstehen sich immer noch als Künstler:innen. Man kann sie mieten für Dienstleistungen. Da ist alles möglich. Eine Frau

ob Bilder und Gegenstände aus den Kirchen ent­ fernt werden dürfen und wie die Messe gefeiert ­werden soll. Weil dem Stadtrat der Wind zuneh­ mend ins Gesicht weht, entscheidet er, Bilder sollen bleiben und die Messe weiter im üblichen Rahmen gefeiert werden. Aber längst hat Zwingli auch fanatische Anhänger, die sich in der Täufer­ ­ bewegung sammeln. Sie erzwingen bereits 1525, dass die Messe abgeschafft und durch den Predigtund Abendmahlsgottesdienst ersetzt wird. Danach werden Bilder systematisch aus den Kirchen ent­ fernt.

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kam mit ihrem Pudel; der sei schlecht erzogen, aber sie habe kein Geld für die Hundeschule. Am wichtigsten war ihr, dass er sich auf der Strasse benimmt. Daraufhin haben sich sechs Studierende gemeldet – das sind eben nicht einfach nur sechs junge Menschen, sondern selbstbewusste, ausgebildete Master-Schauspielstudierende, die sich in ihrer jugendlichen Vermessenheit alles zutrauen, inklusive drei Stunden Ausführen eines Pudels. Frauchen ging also einkaufen – und erfuhr drei Stunden später, ihr Hund sei doch topp! Und sie solle doch bald mal wiederkommen. Die Dienstleistungen reichen von der Einkaufshilfe 42

Am Thema Abendmahl scheiden sich auch die Geis­ ter im Marburger Gespräch im Oktober 1529, in dem Zwingli und Luther auf Einladung des Landgrafen Philipp von Hessen disputieren. Eine Einigung scheitert scheinbar an der Abendmahlsfrage, «in Wirklichkeit aber war der Grund die tiefer­gehenden Unterschiede zwischen fürstenstaatlicher und bür­ gerlich-republikanischer Reformation», wie Rueb urteilt. Zwinglis Bewegung wird immer radikaler: Die Bauern verweigern den Zehnten; die Gemeinden folgen und argumentieren, sie würden lieber selbst


GESPRÄCH MIT MARTIN WIGGER

bis zum Vorlesen. Und so gut wie Schauspieler:innen kann wohl niemand vorlesen. Auch der Einkauf wird auf diese Weise amüsant wie sonst nie. Und genau das ist es: Wir fragen uns bei jedem Programmpunkt: Kriegen wir das in den sozialen Kontext? Und wie bringen wir den zusammen mit Kunst- und Kulturarbeit? Beim Dienstleistertag ist beides ganz stark. Denn da sitzen eben keine Hundetrainer oder Handwerkerinnen, sondern ­jemand, der die Kompetenz des Schauspielens hat und eine Hilfestellung im besten Fall vorspielen kann. Das ist sicherlich ein, zwei Stunden amüsant, und vielleicht kommt sogar noch etwas

Hospitäler und Armenhäuser und einen eigenen Pfarrer finanzieren, als das Geld nach Rom abzu­ führen. «Die Kirche erlebte nicht nur als religiöse Heilsinstanz, sondern auch als weltliche Herr­ schaftsinstitution einen rasanten Autoritätsver­ lust», schreibt André Holenstein. Stand die «Skandalstadt» Zürich zwischen­ durch sehr isoliert da, wächst das reformierte Gebiet jetzt stetig: Die Ostschweiz (Thurgau, Appenzell, Sankt Gallen und Glarus) stösst dazu, ab 1525 auch ­Basel, ab 1527 Bern. Und die Gegner formieren sich um die heute noch katholischen Gebiete in der Inner­

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dabei heraus, in dem Fall: für den Pudel und für sein Frauchen. Der Practical Wednesday: Da folgen wir ein wenig Richard Sennetts Werk «Handwerk». Ist Handwerk nicht, dass wir wieder etwas in die Hand nehmen, uns mit Gegenständen beschäf­ tigen können? Am Practical Wednesday haben wir zum Beispiel die Ausbildungstischler der Stadt Zürich mit Kunstschaffenden und Publikum zusammengebracht; dazu konnte jeder, der ­wollte, etwas Ausgefallenes tischlern. Das dritte Format war die Human Library, da arbeiten wir zusammen mit dem Forum Aus44

schweiz (Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug), in Solothurn und Freiburg und verweigern die Neue­ rungen. Die beiden Lager hätten sich unversöhnlich gegenübergestanden und zunehmend auch mit inter­ nen Streitereien zu tun gehabt, analysiert Holen­ stein. «Letztlich liess sich die Religionsfrage nur politisch lösen.» Im ersten Kappeler Krieg 1529 ist das noch ohne Blutvergiessen möglich, im zweiten nicht mehr: Über fünfhundert Männer sterben auf dem Feld bei Kappel am Albis, zwanzig Kilometer ent­ fernt von Zürich. Die Folgen dieses eindeutigen


GESPRÄCH MIT MARTIN WIGGER

senpolitik (foraus) in Bern und der Operation Libero. Wir hatten drei Jahre lang eine menschliche Bibliothek vor unserer Hol- und Bring­ bibliothek. Expert:innen, die «menschlichen Bücher», sassen an runden Tischen und luden je Gast für fünfzehn Minuten zum Gespräch. Zu Themen wie Migration, Arbeit, Wohnen, Geld, Generationenver­änderung. Es geht in keinem Format in keinem Moment um die Perfektion des Produktes, nicht um die perfekte Inszenierung, den Topregisseur, der zusammen mit dem Topensemble mit Topleistung zum Theater­ treffen eingeladen wird. Sondern darum, mit-

­ ieges sind allerdings – typisch schweizerisch – von S einem Kompromiss geprägt. Die Sieger verzichten auf lautes Triumphgeheul, weil sie wohl ahnen, dass ein hartes Abstrafen des Unterlegenen nie zu Frieden führen würde. Man einigt sich, «in unseren landen einander güetlich ze dulden (und) das­­ ketzer schelten und andere schmähungen» zu unterlassen. Fortan herrscht eine friedliche Koexistenz. «Politik und Landfrieden anstatt der Durchsetzung eines fundamentalistischen Wahr­ heitsanspruches – so lautete ab 1531 die zukunfts­ fähige Lösung der Eidgenossen», urteilt Holenstein

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einander zu einem schönen Ergebnis zu kommen. Wie wird das Konzept angenommen, was funktioniert, was nicht? Es wird besser denn je angenommen. Die ersten zwei, drei Jahre waren hart, aber es wurde immer besser – bis Corona kam. Da haben wir uns der Digitalität komplett verweigert, weil wir dachten: Das passt gar nicht zu diesem Haus. Wir haben nur einen grossen digitalen Abend gemacht, mit der Regisseurin, Autorin, Performerin Antje Schupp zum Thema Solidarität. Sie hat sich ver46

abschliessend. Zwinglis Nachfolger als Antistes der Reformierten Gemeinden wird Heinrich Bullinger. Wichtig noch folgende Anmerkung: Zwingli selbst hat die kriegerische Auseinandersetzung ­aktiv gesucht und propagiert. «Der Friede, auf den gewisse Leute so sehr aus sind, ist Krieg, nicht Frie­ de. Und der Krieg, für den wir so eifrig rüsten, ist Friede, nicht Krieg.» Der Wunsch, die Sache in einer Schlacht zu regeln, «war wohl seine Untat schlecht­ hin», schreibt Franz Rueb. «Und es ist einer der Gründe für seinen unberechtigt fragwürdigen Ruf in der oberflächlichen populären Wahrnehmung.»


GESPRÄCH MIT MARTIN WIGGER

netzt und versucht, dem Thema Solidarität global auf den Grund zu gehen. Andererseits hatten wir in der Zeit eine neue Chance, denn auch ohne Veranstaltungen hatten wir einfach offen. Wir ­waren gesprächsbereit, waren da. Und die Leute kamen, denn dies ist ein Ort für Austausch, immer. Wir konnten aus diesen Begegnungen ganz viele Ideen generieren, die wir jetzt nach und nach mit den Leuten, die hier aufgeschlagen sind, umsetzen. Also, es gab eine lange Aufbauarbeit. Die festen Formate, die Wiedergänger, haben mittlerweile ein Publikum, mit dem wir unsere

Bis heute ist der Ausdruck «zwinglianisch» oft negativ konnotiert, bezeichnet auch ein enges, eher lust- und freudloses Schaffen, ein unangenehmes «mehr Sein als Schein». Einige Arbeiten, die im Zuge der Feiern zu fünfhundert Jahren Reforma­ tion erschienen sind, bemühen sich redlich, das Bild zu ändern. Immerhin ist Zwingli «der einzige Revolutionär, den die Schweiz je hatte», wie Kultur­ haus-Helferei-Chef Martin Wigger findet.

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­ onatsprogramme bestreiten können. Die andere M Hälfte sind neue Programmpunkte, von denen wiederum die eine Hälfte funktioniert, die andere nicht so gut. Wir justieren nach, etwa das gleiche Format mit anderen Gästen. Das geht, weil die Helferei ein Gebrauchshaus ist, ein Haus der ­direkten und unmittelbaren Anwendung und Anwendbarkeit. Wir können auch mal Dinge in Ruhe weiterköcheln lassen. Andererseits hatten wir bisher 360 Veranstaltungen in fünf Jahren – das ist viel. Trotzdem kann sich in den nächsten fünf Jahren auch noch einmal alles ganz neu ausrichten. Denn dieses Haus wird nie fertig sein. 48

MULTIFUNKTIONAL VOM SCHEITEL BIS ZUR SOHLE Erinnerungen von Helferei-Urgestein Ulrich Gerster Der Kern des Hauses an der Kirchgasse 13 ist seine Vielfältigkeit, vom Scheitel bis zur Sohle ist das ­Gebäude multifunktional: Es ist Wohnhaus, Haus der Kirche und Quartiertreffpunkt, ist Ort der ­Begegnung und Restaurant. Und natürlich Kultur­ haus mit Veranstaltungen, mit Theater, Perfor­


GESPRÄCH MIT MARTIN WIGGER

Aber im Haus werden immer dieselben Themen abgearbeitet werden. Ja, sie sind seit dem berühmtesten Bewohner ein bisschen vorgegeben. Doch die Art und Weise wechselt, wie man sie gebrauchsfertig macht für die jeweilige Zeit. Die Plattform bleibt, aber die Folien darüber sind immer wieder andersfarbig. Es gab vor mir die Journalistin, es gab Theologinnen und Ethnologinnen. Und jetzt gibt es eben einen Theatermann. Wer weiss, wer nach mir kommt – wenn man das Haus intelligent fortschreiben wollte, müsste es wieder eine ganz andere Perspektive auf dieselben Themen sein.

mances, Literatur, Kino, Podiumsdiskussionen, Musik und Ausstellungen. Für all das gibt es ­ fünf Räume, die jeder mieten kann. Der grösste, die ­ Kapelle, hat Platz für bis zu 250 Personen, der kleinste, das Anna-Reinhart-Zimmer, nur für sechs. Die Funktionen sind ineinander verflochten und vermischt und auch mal in Konflikt zuein­ ander. Unten im Foyer treffe ich auf Nachbarn. ­Andere suchen einen Raum, den ihre Firma für ein Seminar am Nachmittag gemietet hat. Gleichzeitig bastelt jemand mit Martin Wigger an einer Installa­

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Was ist Social Critical Work? Von Martin Wigger

«Social Art» ist ein Begriff, der offiziell erst seit ein paar Jahren im Kontext des Kulturschaffens in Erscheinung tritt. Was er meint, ist schnell zu verstehen: «Social Art ist jeder künstlerische Ausdruck, der darauf abzielt, soziale Auswirkungen und Veränderungen anzuregen. Wir brauchen mehr Visionäre, Utopisten, Agenten des Wandels mit der Fähigkeit, die Gesellschaft zu beeinflus50

tion und bereitet seine Veranstaltung am Abend vor. Und dazwischen ist Daniel Hotz, der die Raum­ vermietungen organisiert. Und ich bin da als Be­ wohner und wohlwollender Zuschauer, der denkt: «Schön, läuft!» Die Idee des Architekten und die Realität Im Umbau von 2012 bis 2014 hat man versucht, die Funktionen ein wenig auseinander zu beineln. Die Idee ist, dass die Bewohner:innen durch das Gar­ tentor gehen, um durch den Innenhof, an Briefkäs­ ten und Klingeln vorbei, zu ihren Wohnungen zu


SOCIAL CRITICAL WORK

sen, indem sie emotional fesselnde Erfahrungen schaffen», so eine aktuelle Definition aus dem Jahr 2022 im Magazin BerlinArtLink (www.socialart-award.org). Das Kulturhaus Helferei knüpft gern an diesen Begriff an, wenn es sich selbst ein Label für die Vielfalt seiner Arbeit geben soll, die unter künstlerischen Aspekten stattfindet. Denn nicht nur mit seiner derzeitigen Ausrichtung, sondern auch unter Einbezug all dessen, was hier seit Langem an sozialen Verhandlungen stattfindet, lässt sich sagen: Alle Menschen, die in diesem Haus ein Programm anbieten, sind «Social Artists». Sie verhandeln grundsätzlich gesellschafts-

kommen. Diesen Zugang gab es vorher nicht, wir sind alle durch dasselbe Treppenhaus. So viel zur Theorie. Praktisch gehe ich nach unten hinaus, durchs Foyer auf die Kirchgasse, wenn ich Richtung Limmat will. Und wenn ich Richtung Kunsthaus möchte, gehe ich oben raus, durch den Hof. Klar, bei den Baumassnahmen spielte auch der Lärmschutz eine Rolle. Aber ich mag die Offenheit des Hauses, und mich stört es überhaupt nicht, wenn es etwas lauter ist – das gehört dazu, wenn man mitten in der Stadt lebt. Mich stört es auch nicht, dass ich im Treppenhaus auf Leute treffe, die

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relevante Themen, sind Ermöglicher und Visio­ näre zugleich. Doch ist dies für die derzeitige künstlerische Arbeit in der Helferei fast zu kurz gegriffen: «Social Artists» sind keine Ausnahme, wenn der Grund und Boden ohnehin zutiefst sozial ist. Die Arbeit geht über das Vollziehen hinaus, hier wird sich mit allen möglichen Formen und Arbeitsweisen von «Social Art» auseinandergesetzt. Und dies eben auch kritisch. Daher arbeitet die Helferei mit dem Begriff von «Social Critical Work» und versucht sich in ein reflektiertes Verhältnis zu einer sich ständig verändernden Gesellschaft zu setzen. So tragen hier Veranstal52

nicht hier wohnen. Oder dass jemand an unserer Tür klingelt, der nicht uns sucht, sondern einen Raum, der gemietet wurde. Die Helferei ist ein­ tolles Haus, wunderschön gelegen in der Mitte von Zürich. Wir sehen in den Pfarrgarten, auf die ­Kirchgasse, auf das Grossmünster – wo sollte man sonst wohnen wollen in Zürich? Von Anfang an: Haus mit Programm Natürlich habe ich die Helferei von Anfang an als Haus mit Programm kennengelernt. Wir sind 1992 eingezogen, direkt aus unseren Studentenwohnun­


SOCIAL CRITICAL WORK

tungen Titel wie «Human Library», «Dienstleis­ tertag» oder «Solidarity», ist das Haus ganztägig geöffnet und reicht die Bandbreite der Künst­ lerinnen und Künstler von Harald Schmidt über Barbara Weber bis zu Antje Schupp und vielen anderen mehr.

gen. Das ist furchtbar lange her. Aber schon damals hatte das Haus mit Irene Gysel und Ines Buhofer eine programmatische Leitung. Seither hat sich viel verändert, aber nicht plötzlich und ruckartig, sondern schleichend. Denn die Idee, wie man das Haus mit soziokultureller Arbeit prägen will, hat sich natürlich entwickelt im Lauf der Zeit. Sie ist stark abhängig von den Menschen, die das Pro­ gramm leiten. Es ist ein Unterschied, ob sie von der Theologie herkommen, von der Ethnologie oder vom Theater. Jeder brachte eigene Netzwerke mit, ein eigenes Publikum und eigene Formen.

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«die zukunft kuratieren» Brigitt Bürger und Peter Fischer ­haben sich mit ihrer Kulturinitiative in der Helferei ­eingenistet

Der Mantel ist gross und weit, die Schleppe – ­sicherlich zehn Meter lang – reicht einmal quer durch die Helferei-Kapelle. Lilian Frei sieht herrschaftlich aus, auch wenn Mantel und Schleppe nur aus Seiten aktueller internationaler Zeitungen bestehen. Wie eine Königin schreitet die Perfor54

Es kommt zu einem Wechselspiel zwischen der ­Leitung, der Struktur, dem Haus und der Umge­ bung – das ergibt immer neu ein Konglomerat und Gesamtbild. Ungefähr 1997 kam ich in die damals begleitende Kulturkommission, die auch bei einem Wechsel die Leitung auswählte. Als Mitglied der Kirchenkreiskommission und dort zuständig für das Ressort Kultur und Bildung kümmere ich mich immer noch um die Helferei. Wir haben von der Kirchgemeinde der Stadt Zürich den Auftrag, das kirchliche Leben in den vier ehemaligen Kirch­ gemeinden – Prediger- und St. Peter-Kirche, Gross-


«DIE ZUKUNFT KURATIEREN»

merin die Stufen von der Kapelle zur Münster­ gasse herab. Auf dem Kopf ein riesiger goldener Hut, hoch wie eine Bischofs-Mitra, gerollt wie ein Zylinder ohne Krempe. Golden auch die hoch­ hackigen Stiefeletten, purpurrot Oberteil, Rock und Strumpfhose. Mit unverwandtem Blick hält Frei ihre Botschaften dem Volk vor Augen. «Sei kein Frosch», befiehlt der Text auf einem Blatt. «MACHT (es) jetzt!», der auf einem anderen. Andere sind stiller, verkünden: «If you have a solution, dream it» oder «Ich bin ein blühender Garten». Es sind die auf Blätter gedruckten Antworten anderer Künstler:innen auf den Corona-Lockdown,

und Fraumünster – zu organisieren. Die Kommis­ sion trägt die Helferei in dieser Funktion mit und versucht die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass das Haus sich entfalten kann. Das hat bisher immer geklappt. Denn das Haus ist tolerant, es ver­ trägt vieles. Und die Kirchenkreiskommission auch. Man muss der Leitung den Rücken freihalten, dann funktioniert fast alles. Immer Diskussionen, wie kirchlich Kulturarbeit sein soll Bisher hatte noch jede neue Leitung eine relativ

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die Lilian Frei in ihrer Performance «Passa­parola» (etwa: gib das Wort weiter) erst dem Publikum zeigt, dann verteilt. Blätter, die wie ihre Schleppe vom Wind verweht werden. Die Künstlerin beginnt, sich in ihre Papierschleppe zu verhüllen, sie dabei zu verknüllen. Schliesslich zündet sie die Zeitungsseiten an, giesst die Asche mit Wasser zu einem grauen Matsch und schliesslich zu einem (verblüffend) kleinen Ball. Viel bleibt von den Neuigkeiten des Tages nicht übrig, aber Neues kann daraus entstehen. «Die Kunst hat die Kraft der Verwandlung. Sie kann Dinge ausdrücken, über die wir alle 56

lange Experimentierphase, bis sie gemerkt hat, was wie in diesem Haus und in Zürich funktioniert und wie sich das Haus im kulturellen Gefüge positio­ niert, umstellt von all den anderen kulturellen Ins­ titutionen. Richtige Diskussionen gab es nur ein­ mal um einen Dritte-Welt-Laden im Erdgeschoss, weil sich die Betreiber:innen politisch sehr deut­ lich positionierten und äusserten. Das würde heute wohl anders ablaufen. Und es gab immer die Frage, ob die Kulturarbeit in der Helferei einen kirch­ lichen Aspekt haben muss. Vielleicht war dieser ­weniger virulent, als Ines Buhofer und Irene Gysel


«DIE ZUKUNFT KURATIEREN»

stolpern», sagt Brigitt Bürgi. «Sie kann Momente schaffen, in denen sich alles auflöst, in denen man aufatmen, verschnaufen kann.» Zudem, sagt Peter Fischer, Bürgis Partner im Leben und der Kunst, spiele Lilian Frei bewusst mit der Geschichte des Helferei, dem Platz, wo sich die Helferei in die Stadt öffnet. «Passaparola» ist eine typische Arbeit für die Anliegen der Initiative und des Netzwerks «die zukunft kuratieren», die die Künstlerin Bürgi und der Kurator Fischer ins Leben gerufen haben. Dahinter verbirgt sich eine «interdisziplinäre Reihe mit ­wegweisenden, zumeist performativ und partizi-

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Die verschiedenen Leitungen Die Zeit unter der gemeinsamen Leitung von Ines Buhofer und Irene Gysel bis 1995, die Ines Buhofer bis 1999 allein fortgesetzt hat, war theologisch ge­ prägt. Ihre grossen Themen waren Armut, Frauen­ bewegung und Feministische Theologie und deren Blick auf die Geschichte. Es gibt immer Veranstal­ tungen, die man nicht mehr vergisst. Eine der ­letzten grossen von Ines Buhofer war Teil der Aus­

GESCHICHTE DES HAUSES

das Haus leiteten: die eine Theologin und die ande­ re später Kirchenrätin.


pativ angelegten Veranstaltungen», unter anderem zusammen mit der Helferei, wie die Website ­ ­diezukunftkuratieren.ch verkündet. Sie wurde von Andreas Weber umgesetzt, dem stilleren, aber nicht minder wachen Dritten im Künstler-­Zukunftstrio.

Ein Zuhause in der Helferei «Wir wollen Kunst sichtbar machen», sagt Bürgi, «mit der Kraft der Kunst Fragen in die Gesellschaft tragen.» Im Februar 2021 hat «die zukunft kuratieren» in der Helferei ein Zuhause und einen ­Kooperationspartner gefunden. Seither wurde hier im Zeichen dieser Kooperation etwa im 1. Zür58

stellung «Wenn Bettelmönche bauen», die war auf vier Stationen in Zürich verteilt. Die Station in der Helferei nutzte den ganzen öffentlichen Teil des Hauses und behandelte die Beginen und andere Frauengemeinschaften des Spätmittelalters. Die Geschichte der Frauen in spätmittelalterlichen ­Orden und Kirchen ploppt seither immer wieder in der Stadt auf. In den Kontext gehören auch die erste Publikation zu Zürichs letzter Fraumünster-­ Äbtissin Katharina von Zimmern, an der Irene ­Gysel beteiligt war, und Arbeiten zu Zwinglis Ehe­ frau Anna Reinhart.


«DIE ZUKUNFT KURATIEREN»

cher Klima-Café die Nachhaltigkeit in der Kunst diskutiert, haben Design-Studierende der Zürcher Hochschule der Künste unter dem Titel «On Moving and Waiting» in Zusammenarbeit mit dem Projekt «Art Stands with Refugees» des UNHCR Schweiz einen partizipativen Parcours zu Themen wie Flucht, Migration und Identität durch das ganze Haus gelegt. Und Peter Fischer, ehemals Direktor des Zentrums Paul Klee und vorher des Kunstmuseums Luzern, hat in einem Vortrag ein «Zurückblicken auf Kommendes» gewagt. «Als am 16. März 2020 der Lockdown begann, waren wir in den Ferien im Engadin»,

Cornelia Vogelsanger, Religions- und Kulturethno­ login, gab dem Haus bis 2008 ein neugieriges Profil. Sie hat viel über ostasiatische Räume und Kunst ge­ arbeitet. Bei ihr gab es auch klassische Podien und Gespräche, aber in Erinnerung blieben mir kleine, sehr interessante Formate, die mir Neues offenbar­ ten. Zum Beispiel kam regelmässig jedes oder jedes zweite Jahr ein Schamane, der ein Pfeifenritual ­zelebriert hat. Cornelia Vogelsangers Interesse war ethnologisch, nicht esoterisch zu verstehen. Sie ­näherte sich über Begegnung und Teilnahme dem Fremden, Unbekannten. Das Publikum wurde nicht

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erinnert sich Brigitt Bürgi an die Anfänge. «Wir wussten sofort: Jetzt ist nicht die Zeit, um Cüpli zu trinken, jetzt müssen wir etwas tun.» Und wenn Brigitt Bürgi und Peter Fischer sagen, sie müssen etwas tun, «dann tun wir es auch». Mit Visarte Schweiz, dem Berufsverband der visuellen Künstlerinnen und Künstler als Partner riefen sie einen «Corona-Call» aus. 680 Werke wurden eingegeben – «ein eindrückliches künstlerisches Zeugnis der ersten Lockdown-Erfahrungen», sagt Peter Fischer. Das nächste Projekt, von Brigitt Bürgi entwickelt, hiess «Angstkörper – Körperangst». Es ging von dem Gefühl aus, dass sich in der 60

zum Schamanismus bekehrt, vielmehr wurde ihm etwas nahegebracht, das aus einem anderen Kul­ turkreis stammt. Dort, wo heute die Küche ist, war früher der Jugendraum. An der offenen Feuerstelle fanden ­ ­Gespräche statt mit vielleicht zehn, zwölf Leuten. Dort hörte ich, ich schätze im Jahr 2000, zum ers­ ten Mal den Begriff der «Festung Europa» und Über­ legungen darüber, was es heissen würde, wenn ein europäisches Kriegsschiff das erste Flüchtlings­ boot versenken würde. Das Thema ist heute längst im allgemeinen Bewusstsein angekommen, aber in


«DIE ZUKUNFT KURATIEREN»

­ andemie der eigene Körper zur Bedrohung für P ­andere entwickelt hatte. «Als nur Gruppen von maximal fünf Menschen zusammen erlaubt waren, sind wir halt nur mit fünf Menschen auf die Strasse gegangen – aber wir haben es gemacht», sagt Bürgi. Fünf Körper in fünf riesigen, gelben Hüllen bewegten sich auf einem «Stationenweg», so der Titel der Arbeit, langsam, trudelnd, un­ sicher, mäandernd vor den geschlossenen Zürcher Kulturhäusern. Die erste Station der Route: Rodins «Höllentor» vor dem Kunsthaus. Die zweite: das Kulturhaus Helferei. Es folgten weitere, aber die Helferei blieb singulär: Denn sie

meinem Bewusstsein war es damals sicherlich nicht. Cornelia Vogelsanger hat auch den Namens­ wechsel von «Helferei» in «Kulturhaus Helferei» veranlasst. Das hat das Profil des Hauses wesentlich geschärft und wirkt bis heute. Andrea König war auch Ethnologin, sie kannte Cornelia Vogelsanger, aber das erfuhren wir erst später. Sie kam aber aus einer ganz anderen Ecke, hatte als ehemalige Delegierte des Roten Kreuzes und Fernsehjournalistin eher eine politisch-­ journalistische Sicht auf die Dinge. Ihr Programm

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war nicht geschlossen. Im Gegenteil: Begeistert empfing Martin Wigger die gelb gewandeten Kunstschaffenden – der Beginn einer wunder­ baren Freundschaft.

Nicht allein die Zukunft kuratieren Schon der Titel «die zukunft kuratieren» liess ­Martin Wigger hellhörig werden, vereinen doch die Übersetzungen des lateinischen Wortes ­«curare» – Sorge tragen, sich kümmern, sich angelegen sein lassen, eine Brücke schlagen, pflegen, verwalten – alle Aspekte, die das Wesen der Helferei ausmachen. «Martin ist ein zutiefst künst62

­ onzentrierte sich auf sehr, sehr grosse Veranstal­ k tungen, die manchmal an zwei Tagen zwei- oder ­sogar dreihundert Leute ins Haus brachten. Und die zum Beispiel das Thema Japan, Brasilien, ­Naher Osten oder Aktionen des Roten Kreuzes von mehreren Seiten her betrachteten. Man erfuhr viel über die Politik und die Gesellschaft Japans, konnte aber auch Sushi essen, wenn ich mich recht erinnere. Ihr Wirken kulminierte in dem wohl grössten Aufreger, den wir hier in der Helferei je hatten: in der Foto-Wanderausstellung «Breaking the


«DIE ZUKUNFT KURATIEREN»

lerischer Mensch», sagt Brigitt Bürgi, «er lebt und ist Kunst. Sein Verständnis und seine Leidenschaft für Kunst passen perfekt zu uns.» Auch der offene Geist der Helferei begeistert sie: «Die Zukunft ­kuratieren, das kann man nicht allein, das muss man miteinander machen.» Bürgi schätzt das Kulturhaus Helferei als Ort der Begegnung; man treffe hier auf ein viel breiteres Publikum als etwa typischerweise in Museen. Für ihre Mitmachaktion «Dein Zukunftsbild» bat sie Menschen, ein Foto aus dem Speicher des eigenen Smartphones auszuwählen, das Aspekte der Zukunft in sich trage. Sie sprach an, wen sie in

­ ilence». Die Organisation israelischer Veteran:in­ S nen berichtet anhand von Fotos, was die Soldat:in­ nen im Armeedienst in der Zweiten Intifada in den ­besetzten Gebieten erlebt haben – freundlich aus­ gedrückt. Ein Tabubruch. Da war die Hütte proppenvoll, zehn Tage lang. Bei der Eröffnung standen wir wie die Ölsardi­ nen. Die Ausstellung wurde überall bekämpft, wo sie g ­ ezeigt wurde. Eine grosse Nummer mit dem entsprechend grossen politischen Getöse drum ­herum. Botschafter, die sich beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten be­

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der Helferei traf, im Foyer, in der Bibliothek, bei Veranstaltungen oder auf der Gasse vor dem Haus. «Viele haben sich gefreut, angesprochen zu werden», erzählt sie. «Dank dem kirchlichen Konnex der Helferei kann ich hier problemlos ernste Themen angehen, es wundert niemanden, wenn man in die Tiefe geht.» So paradox die Bezeichnung «die zukunft kuratieren» anmuten mag, Brigitt Bürgi und Peter Fischer meinen es sehr ernst. «Mit der ­ Zukunft verbindet man derzeit ausschliesslich ­ ­Risiken», sagt Fischer. «Kunst kann als Disziplin Erkenntnis generieren, wie die Wissenschaft 64

schwerten, warum die Helferei bei so etwas unter­ stützt werde, und Parlamentarier, die das EDA dazu aufforderten, sich von der Ausstellung zu dis­ tanzieren. Diese Preisklasse. Den Rest kann man sich vorstellen. Andere Veranstalter hatten abge­ sagt, weil sie sich daran nicht die Finger verbren­ nen wollten. Auch wir wussten natürlich, dass das ein heisses Eisen war, aber niemand kam auf die Idee zu sagen: «Das kommt nicht in Frage.» Auch Andrea König war stark genug, sie fand: «Genau das ist aber doch mal interessant.» Das war der Kulminationspunkt ihrer Tätigkeit, da kam alles


«DIE ZUKUNFT KURATIEREN»

oder auch die Religion. Nicht nur, wenn sie sich politisch oder vielleicht als grün positioniert, sondern in der ihr eigenen Art, wie sie etwas in die Welt setzt und in einer Offenheit agiert.» ­Brigitt Bürgi ergänzt: «Was wir heute machen, gestaltet morgen unsere Zukunft. Wir arbeiten mit Menschen zusammen, fordern sie heraus, geben Inputs. Mit allen Altersgruppen, zu Themen, die jetzt brennen.» Oft laden sich die beiden Gäste ein, etwa Valerie Favre, die in Neuchâtel aufwuchs und nach einer Karriere als Schauspielerin und Malerin in Paris derzeit an der Universität der Künste Berlin

zusammen. Ihre Stärke zeigte sich auch im Rah­ menprogramm, in der Dichte der Diskussionen und Veranstaltungen. Martin Wigger jetzt kommt ganz klar vom Theater, da hat er seine Netzwerke. Auch deswegen haben wir ihn gewählt. Wir wollten jemanden, der die Arbeit wie eine Intendanz aufzieht, jemand, der ein Haus programmatisch bespielen kann. Inten­ dant:innen bringen Inhalte und Publikum zusam­ men – diese Idee gefiel uns. Martin Wigger ist etwas gelungen, was vorher viele versucht haben:

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als ­Professorin für Malerei lehrt. Für ihre Langzeit­ performance «Le martyre de la main gauche» liess sie sich den rechten Arm auf den Rücken binden, beraubte sich sozusagen selbst ihrer Stärke. Sie war gezwungen, jenseits der Voraussehbarkeit ­Risiken einzugehen und ihre «Fragilität als Künstlerin», so ihre eigenen Worte, «weiter­ zu­ ent­ wickeln». Sechs Tage liess sich Favre durch ein ­kleines ­Guckloch im Fenster zur Strasse sowie per Live-Webcam beim Malen dabei zusehen, wie sie versuchte, dennoch ihr Leben, ihre Kunst zu ­ ­verfolgen.

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Er hat Gäste, Mitarbeitende und Publikum deut­ lich verjüngt. Auch in der Helferei war das Publi­ kum tendenziell überaltert und klassisch bil­ dungsbürgerlich, teils kirchennah und dem Grossmünster verbunden, teils aus den umliegen­ den Quartieren. Martin Wigger hat über seine Netzwerke und über eine Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) relativ schnell junge Kulturschaffende und Studierende ins Haus gebracht. Die jungen Kunstschaffenden bringen ihre Kumpels mit – und plötzlich sind überall junge Leute. Überhaupt öffnet sich das


Der Raum in der Helferei, den Favre für ihr Experiment nutzte, ist jetzt das «Büro für künstlerische Zukunftspflege». Bürgi und Fischer wollen sich darin «einnisten», wie sie es nennen, Kolleg:innen einladen, sich austauschen und neue Pro­ jekte aushecken, netzwerken, politisieren, auch einfach Gastgeber sein. Warum, sagen die beiden, sollen wir allein arbeiten, wenn sich doch so viele mit der Zukunft beschäftigen und wir uns mit ihnen zusammenschliessen können? Zur Eröffnung liess sich der Animationsfilmer Hannes

«DIE ZUKUNFT KURATIEREN»

Die Zukunft: nicht vorhersehbar und kunstbedürftig

Haus für Menschen und Kreise, die früher weniger beteiligt waren. Gut, vielleicht vermisst jetzt jemand seinen Seniorennachmittag. Die finden immer noch in der Helferei statt, teilweise aber auch in anderen Häusern des Kirchenkreises. Denn weil es immer weniger Mitglieder gab und deshalb die Veran­ staltungen immer schwächer besucht wurden, hat man 2019 die vier Pfarreien von Prediger­ kirche, Grossmünster, Fraumünster und St. Peter zum Kirchenkreis eins/Altstadt zusammenge­ schlossen.

GESCHICHTE DES HAUSES

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Oehen vom Namen «Büro für künstlerische Zukunftspflege» inspirieren und stellte den Büroraum metaphorisch als Kopf dar. Die spielerische Idee des «Büros für künstlerische Zukunftspflege» wurde vom bitteren Ernst des Ukrainekriegs eingeholt. «Was kommt, wissen wir nicht. Aber wir sehen, dass die Kunst nach zwei Jahren Pandemie erneut in Bedrängnis ist», sagen Bürgi und Fischer. Sie stehe auch schon wieder auf dem Prüfstand, müsse mithelfen, ­Antworten zu finden in Zeiten des Erklärungs­ notstands. Auch dafür erweist sich das «Büro» im Kulturhaus Helferei als optimale Anlaufstelle. 68

Martin Wigger hat auch neue und experimentellere Formen gesucht. Er hat diese ganze soziokulturelle Arbeit – schreckliches Wort, aber das trifft es – ­partizipativer organisiert. Es geht jetzt mehr ums Mitmachen, weniger ums Zuschauen. Das prägt ­sicher Martin Wiggers Zeit hier.


Literatur Literatur zur Helferei allgemein Senn, Matthias: «Geschichte der evangelisch-­ 1833 – 2018», Theologischer Verlag Zürich 2021. Senn, Matthias und Andrea König (Hrsg.): «Helferei­Zeit. Erinnerungen und Zeitzeugnisse. Zur Wiedereröffnung

LITERATUR

reformierten Kirchgemeinde zum Grossmünster Zürich

Kultur- und Kirchgemeindehaus Helferei», Eigenverlag Kirchgemeinde Grossmünster, Zürich 2014. Darin: Buholzer, Ines: «Eine dicht gefüllte Zeit», S. 14f. Gysel, Irene: «Die Helferei, eine lebendige Oase», S. 12f. Gysel, Werner: «Begegnungen mit der Helferei, ­gestern und heute», S. 10. Helbling, Regine und Claude Lambert: «Die Helferei, Heimstatt des Jugendtreffs», S. 17. Joos, Peter: «Weiterbauen am Original», S. 28 – 30. König, Andrea: «Das Haus an der Ecke», S. 22f. Senn, Matthias: «Die Baugeschichte der Helferei von der ‹Schulei› zum Kulturhaus», S. 25 – 27. Sigrist, Christoph: «Der Spur folgen», S. 19f. Vogelsanger, Cornelia: «Genius Loci – Gedanken und Erfahrungen 1999 – 2008», S. 18f. Wolgensinger, Monika: «Eindrücke und Zeitzeugnisse», S. 8f.

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Literatur zu Ulrich Zwingli Holenstein, André: «Ein Mann spaltet das Land», in: NZZ Geschichte 7/2016, S. 34 – 50. Opitz, Peter: «Zwingli global», in: NZZ Geschichte 7/2016, S. 56 – 69. Peter, Niklaus: «Er war kein kulturloser Banause», in: NZZ-Feuilleton vom 30.11.2016. Rueb, Franz: «Zwingli. Widerständiger Geist mit politischem Instinkt», Hier und Jetzt Verlag, Zürich 2016.

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Bildnachweis Coverfoto: Vernissage Musikmeisterinnen* 2022; Fotografin: Kollektiv F96 Vorsatz, S. 8: Hausansicht Helferei; Fotografin: Judith Schlosser S. 71: © Valeria Heintges S. 72 – 85: Fotograf*innen: Judith Schlosser, John Patrick Walder, Kollektiv F96 und Team Helferei


DIE AUTORIN

Die Autorin Valeria Heintges, 1968 in Düsseldorf geboren, lebt seit 2010 in Zürich. Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie in Münster/West­ falen und Freiburg/Breisgau. Kulturredakteurin in Dresden und St. Gallen mit Schwerpunkten Theater, Literatur und Natur. Seit 2017 selbständig. Schreibt u. a. für nachtkritik.de, Theater h ­ eute, NZZ am Sonntag und die Titel der CH MediaGruppe. 2016 bis 2018 Mitglied der Jury der Solo­ thurner Literaturtage, seit 2022 Jurorin für das Berliner Theatertreffen.

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Das Kulturhaus Helferei Pop-up-Restaurant «Pelati», 2021


Treppenhaus | staircase Küche/Gastronomie | kitchen/catering


Zwingli-Stube




«Danz – you have a beautiful voice», 2021


«Schamomat», 2020 «Am liebsten habe ich Geschichten mit Menschen, die essen oder gekocht werden», 2022 | “What I Love Most Are Stories with People that Eat or are Cooked”, 2022

Vernissage «Musikmeisterinnen*», 2021 | Opening, “Music Masters”, 2021



«Angstkörper – Körperangst» (Brigitt Bürgi), 2020 | “Body Fear – Fear of the Body” (Brigitt Bürgi), 2020 Festival «Hallo, Tod!», 2021 | “Hello, Death!” festival, 2021


«Passaparola» (Lilian Frei), 2021


«Geh pflanzen!» Schule des Handelns, 2018 | “Go Plant!” School of Action, 2018


«Lunch & Punch» (Hanna Eichel), 2019 Folgende Seite: «Secondhandzeit – Eine performative Versteigerung» (Alicia Aumüller), 2022 | Next page: “Second-Hand Time – A Performative Auction” (Alicia Aumüller), 2022





BETWEEN ZWINGLI AND THE FUTURE

ZWISCHEN ZWINGLI UND ZUKUNFT

Valeria Heintges

ZWISCHEN ZWINGLI UND ZUKUNFT Die Helferei in Zürich

Valeria Heintges

The Helferei in Zurich

BETWEEN ZWINGLI AND THE FUTURE Valeria Heintges TdZ_Helferei Umschlag.indd Alle Seiten

25.07.22 13:41





Valeria Heintges

BETWEEN ZWINGLI AND THE FUTURE The Helferei in Zurich



Valeria Heintges

BETWEEN ZWINGLI AND THE FUTURE The Helferei in Zurich


With the friendly support of the Ernst Göhner Stiftung and the Kulturhaus Helferei. Special thanks to the Zürcher Altstadtkirchen‘s KK1 committee.

Valeria Heintges Between Zwingli and the Future | The Helferei in Zurich © 2022 by Theater der Zeit All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopied, recorded or otherwise, without the prior permission of the publisher. Verlag Theater der Zeit Publisher Harald Müller Winsstraße 72 | 10405 Berlin | Germany www.theaterderzeit.de Editorial: Nicole Gronemeyer Translation: James J. Conway Design: Gudrun Hommers Print: aprinta Druck GmbH Printed in Germany ISBN 978-3-95749-434-4 (Hardcover) ISBN 978-3-95749-444-3 (ePDF)


Contents

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THE ART OF THE HELFEREI

9

How can we equate art with hot soup? A conversation with Martin Wigger, head of the Helferei

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What is socially critical work? By Martin Wigger

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“curate the future” Brigitt Bürgi, Peter Fischer and their cultural initiative have nested in the Helferei



10

KIRCHGASSE 13

10

Schulei, Helferei Over 750 years of history

28

Ulrich Zwingli The most famous resident of Kirchgasse 13

46

Multi-purpose from top to bottom Recollections of Helferei veteran Ulrich Gerster

65

Bibliography

66

Photo credits

67

The author



The art of the Helferei How can we equate art with hot soup? A conversation with Martin Wigger, head of the Helferei

Martin Wigger, what did you find when you came to the Helferei? I remember a smell that I found very strange. It smelled stuffy, as if it hadn’t been aired in a long time. The day of my job interview was perplexing. Nothing but clichés – down in the foyer there were the remains of a “Third World” shop and when I went upstairs I saw an announcement for a slide show evening about a joint trip to Jerusalem. Everything you struggle with … Yes, and it made my dilemma immediately apparent. Because the call for applications was very different, they were looking for an artistic director, and I came more or less straight from the end

9


of my co-directorship with Tomas Schweigen at Theater Basel. In short, I entered this house with all its history, saw all this and immediately asked myself: can I make a difference here, and grow? The first thing I said in the interview was – Christoph Sigrist still quotes it to this day – “I don’t even know if I’m in the right place.” I meant in terms of programming, but the commission thought I was asking about the room. Why were you so ambivalent? I wasn’t sure. I asked myself: does this house, with its current orientation, appeal to me? Or is there 10

KIRCHGASSE 13 SCHULEI, HELFEREI Over 750 years of history 1270 to 1860: Leutpriesterhaus, Schulei, Helferei The “Leutpriesterhaus” (house of the lay, or “people’s” priest), the “Schulei”, the “Helferei”, “Kulturhaus Helferei” – Kirchgasse 13 in Zurich’s old town has had many names and functions over the course of its history. Little wonder; it was first mentioned in 1270 – more than 750 years ago – as the residence


A CONVERSATION WITH MARTIN WIGGER 11

HISTORY OF THE HOUSE

a bit too much theology? I’m an enlightened, 21st-century citizen – wouldn’t I be doubly confronted with something that I’ve been “productively” struggling against for so long? But everything that is different and attractive also has tremendous appeal, and that naturally makes it enticing. I not only went into the interview with these contrary thoughts, but also all the subsequent discussions. And that paid off. The commission later said that I was the most awkward candidate, but that’s why the interviews were so productive. And it made my task clear: not a church programme, but another direction.


Why did you originally apply for the position of head of the house? What appealed to you? When my time in Basel came to an end, I thought I would just get bored sticking with my theatre work in the same way – so the position of head of the Helferei seemed to fit me perfectly. There was also a private aspect; I was at an impasse at the time and had to work out my direction forward. I decided to study again. And that was a highly luxurious situation, there was a lot to be said for it, but on the other hand there was no social component, for example. I considered medicine and 12

of the canon and lay priest, Walcho. Studies have revealed that some of the wooden beams in the “Zwingli-Stube” (Zwingli room) on the first floor actually date from around 1330 to 1350. Prior to 1412, the building is repeatedly mentioned in tax records as the “Lütpriesters hus” (house of the people’s priest). Once the people’s priest and the schoolmaster of the time, Heinrich von Randegg, exchanged offices, it became known as the “Schulei”, or schoolhouse. It was still the Schulei in 1525 when the reformer Ulrich Zwingli, known as Huldrych, arrived;


Was it relevant to you that the Reformation figure Ulrich Zwingli lived in the building? I knew almost nothing about him. I knew Luther, of course. But not Zwingli, and I was amazed at

A CONVERSATION WITH MARTIN WIGGER

theology. I was too old for medicine, but theology is ageless, and they are happy for any candidates. There was also “Quest”, a course for people changing careers, a pilot project with a class of people my age who were at similar stages in their lives. But I still had to earn money – and just after I enrolled, this position was advertised.

for the first six years of his tenure he lived in the house opposite. Zwingli was not only a pastor at the Grossmünster, Zurich’s landmark church, but also the headmaster of the Carolinum, the Zurich theological school. Just six years later, in 1531, he died in the Battle of Kappel (see the section on Ulrich Zwingli). After Zwingli, the building was home to a number of teachers of greater or lesser renown; Zwingli’s direct successor, Theodor Buchmann from Bischofszell, was a professor at the Carolinum and came to prominence as an Old Testament scholar and translator of the Koran under the name

HISTORY OF THE HOUSE

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how significant he is in Switzerland. Now I feel, as the most famous resident of this building, he represents the common link, he is the first and last revolutionary Switzerland has ever had. I say that loud and clear. He was a politician first and foremost, but he had to function as a theologian to make a difference in the late medieval state. That was the only way he could get his voice heard – and Zwingli raised his voice early on. He very, very quickly broadcast his opinion in Zurich – something the city council couldn’t ignore. The legendary Disputations that were held here took place in a theological context, but they have left 14

“Bibliander”. Johann Jakob Wick collected stories of miracles, accidents and crimes – today he would probably be an enthusiastic reader of crime fiction. This roll call of distinguished names also includes Johann Heinrich Hottinger, an ecclesiastical historian who became known as an Orientalist in the 17th century, and a professor at the University of Heidelberg for a number years. The building at Kirchgasse 13 remained the “Schulei” for almost 450 years before the foundation attached to the Grossmünster was abolished in 1832. It was then ceded to the canton, and a little later to


Can you build on that for your work? These are all issues that I can build on very well. In dealing with society, with as much direct con-

A CONVERSATION WITH MARTIN WIGGER

a strong political mark on Switzerland to this day. Issues of living and working honestly, remaining guarded – they appear over and over in his writings. He describes something that we now consider typically Swiss, or at least typical of Zurich. He is also significant for engaging with a young audience; his treatise on educating young people is one of his most important writings.

the parish. Now it was the deacons who moved in, and in recognition of their function as “helpers” in mass, the building finally received the name of “Helferei” – something like “helpers’ house” in English. 1860 to 1974: The chapel – the heart of the house Under a restructuring project, the monastery next door was also demolished and rebuilt. With a number of spaces undergoing reconfiguration, the building lacked a large hall for things like church services or meetings of the French community. So between 1858 and 1860 a raised lateral building

HISTORY OF THE HOUSE

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tact as possible. The door of Zwingli’s office was open too, as we know from historical sources. Every man and woman was free to come and go. Plague patients were accommodated here, and there was already a kitchen back then. It is a gift to have a cultural centre with a kitchen that is also so open and so appealing. For Zwingli and his concerns, the way to the heart was through the stomach, and it still is. He ignored social constructs, he remained highly pragmatic, with a down-to-earth attitude. And we incorporate that into our work.

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was built according to plans by Johann Jakob Breitinger. The chapel on the ground floor was a state-of-the-art construction made with iron columns and girders, which “more or less slid in like a drawer” in the words of historian Matthias Senn. The chapel in the English Gothic Revival style was built for quite pragmatic reasons. But it is impossible to imagine the building as it is today without it. The noble, sober space has long been the heart of the building, so it was only fitting that it should be converted into a multi-purpose building in 1974, with a technical upgrade following in 2014.


A CONVERSATION WITH MARTIN WIGGER

How? We don’t go to festivals, we’re low-threshold, we rarely appear in the newspaper or in glossy magazines. I come from a different context and sometimes I have to dial it down. But our issues are the issues that have always preoccupied the Helferei: work, migration – who belongs to Zurich society, who doesn’t? With Zwingli, you can already see the idea of sustainability, in the sense of – how can we ensure that an idea doesn’t lose steam? And over and over, of course, the theme of social justice.

Werner Gysel recalls how as a theology student, he had to give a final exam sermon from the pulpit. When he returned to the building in 1977, having just been appointed pastor of the Grossmünster, he hardly recognised it. “A comprehensive renovation had completely banished the stuffiness of the labyrinthine building. The chapel had become a well-designed multi-purpose space, the Helferei had become the Zentrum Helferei, the tired old organ had disappeared.” Prior to the works, the chapel was judged to be so dilapidated that the renovation plans initially foresaw tearing it down and replacing it with a new

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You started in 2015, then between 2017 and 2019 Zurich celebrated “500 years of the Reformation”. That was clearly reflected in your programme. We corrected the image of Zwingli – not just for us, but for anyone who came to the Zwingli Talk, for example. The Zwingli Talk took place in the Zwingli-Stube, which can only accommodate twelve people. We would talk about his writings over a bottle of wine. But to stay true to the idea of the house, we didn’t just stick to theoretical discussion, I always brought in a “foreign body”. 18

building. But the plans met with vehement criticism and were decisively rejected in a referendum. So fierce was the dispute that it is now seen as a “significant turning point for the preservation of historic buildings in Zurich’s old town,” in the judgement of Matthias Senn. 1974 to 2014: From community centre to cultural centre To justify the high costs of restoration, the chairman of the parish council, Hugo von der Crone, suggested they needed to expand beyond the one or


A CONVERSATION WITH MARTIN WIGGER

Sometimes it was a midwife, sometimes an actress, sometimes a Zurich artisan. I wanted to see what it means to engage with Ulrich Zwingli here, in this city, today. Each time I was amazed at how little I had to help or structure. Because everyone had an idea, everyone had heard something about him. We abandoned some images of Zwingli and confirmed others. Some people don’t care for the Zwinglian aspect at all. So do we need to do anything about that? No, we don’t. We’re not missionaries, but we can’t ignore the most famous resident of the house.

two events they were holding there each month. Von der Crone’s proposal was a “centre for the whole city”, “a place that is available to a broad general public”, and he suggested they hire a “centre manager”, as Matthias Senn writes. The proposal was accepted, and at a decisive meeting three years later, a majority voted in favour of the changes. Nonetheless, discussions and disputes about responsibilities dragged on, and it would be decades before the primarily theological centre became a centre for the community, a real house of culture free to develop its own profile – Kulturhaus Helferei, as it

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Who is welcome in this house? Anyone and everyone, for example the Marxist group from Ticino? They’re already here. Because really anyone can come to us, no matter what their age, their denomination, their attitude. In fact, this place feels much more open than others I’ve worked at. Sometimes it’s almost too diverse. But if we want to reflect this society, we have to think about so many different things, talk to so many different people. And we really do have all age groups in this house. At “KiK – Kids in der Kapelle” the youngest are five years old, at “Das Leben der 20

has been known since 2004. Since then, the only cause for dispute has been the “Third World” shop, which not only sold goods from developing countries, but also planned to distribute flyers with forthright political messages. They received a notice revoking their lease. The parish council faced “heavy criticism from the public,” writes Senn, with a hint of history. The alcohol ban which initially prevailed was similarly controversial. Step by step it was watered down – first with drinks functions in the garden, until finally alcohol was permitted throughout the centre. The facts reflect reality.


How ecclesiastical or Christian is the programme? We opened with the play “Islam für Christen” (“Islam for Christians”) by Antje Schupp. That was the start, that set the tone – and it went down really well. Because as an institution we belong to the Old Town Church District, but we don’t have a church programme. That’s the agreement, and they leave us alone. What appeals to me about theology is the cultural history, reflecting

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Ü 55” the oldest is 86. You can find everything within this range.

Since 2014: One house, many functions In the last major renovation between 2012 and 2014, architect Peter Joos attempted to unravel the conflicting uses of the building. Since then, residents have been able to access the seven apartments on the upper floors via the garden, and the Helferei employees’ offices only occupy the ground floor. The chapel is once again accessible directly via Kirchgasse, and the Zwingli-Stube is supported by a pillar made of wood from a 300-year-old oak tree found in the Neuwald, near Romanshorn.

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on deities, the idea of the church as the last place where everyone is welcome. It’s not about social background, it’s not about denomination. We regularly stage the Day of the Jewish Book, but with the “Breaking the Silence” exhibition my predecessor was already presenting what other institutions feared to show, because it naturally caused a stir and it was met with hostility. I won’t go back on that. What surprised you most about the house? Its history. What I would now describe as a happy 22

Listen to one of the long-time visitors around the fireplace and you might hear reminiscences of legendary youth meetings. Where the large, modern kitchen now stands was once the youth space. It isn’t difficult to imagine what they discussed, philosophised and consumed around the open fire. The Helferei is a meeting place to this day. Anna Huber, who is responsible for operations, can call on a team of 15 to back her up; she sees her office as a “hub” between the various functions. The house offers a cultural programme, it’s a centre with modern spaces that anyone can rent, it has a


Can you expand on that? For centuries, this house has been open to people in need. Here they not only get soup from the kitchen, but also pastoral care. I find that particularly appealing for our artistic work. How can we equate art with hot soup? Equate the cultural work with the charitable work that takes place here? This is inscribed in the team in the expectation that we will be there for all who come. I was

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combination of my previous artistic and social work has been inscribed in this house for centuries. I didn’t realise that.

restaurant that serves lunch and offers catering services – all this and it still functions as a church centre as well. Her job is turbulent. “You have to love chaos,” says Anna Huber, “you’re always having to make things happen, you have to be spontaneous.” It is the Grossmünster pastors Martin Rüsch and Christoph Sigrist who are responsible for theological matters; the latter has his own office in the building. Together they oversee ecclesiastical activities, including confirmations, religious instruction, Bible classes and discussion groups.

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familiar with theatre work as a response – you rehearse for six weeks with a great director, and then the curtain goes up for the première. But here the doors are open all the time, quite literally, and someone will come in and want something. What I bring with me professionally really allows me to respond to that. That’s surprisingly attractive. Where does that fit into your biography? In the fact that I can always concern myself with people. 24

“Supporting and guiding those who seek help” is his “daily bread”, wrote Christoph Sigrist in the commemorative magazine marking the 2014 reopening following renovations. Sigrist also represents the link to the Zurich contact point for sans papiers, or migrants without official residency status, and he decides who can use the one-room emergency apartment on the top floor as a place of refuge for three or four months. It is often women who are fleeing domestic violence or other abuse who are able to find peace here until they can secure a more lasting solution.


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Is that the theology side? No. I can also put my experience in theatre work to practical use here. And with my theology studies, even more so. In everyday life as well as in planning the cultural programme. The best way I can describe it is with the example of the major project “Schule des Handelns” (“School of Action”). That marked the transition from the early days to the current phase of consolidation. The School of Action was generously supported by the City of Zurich as part of the Reformation celebrations. For a year and a half, we turned this house into a school again for one weekend every

Many clubs rent rooms in the Helferei at reduced rates; there are meetings of Alcoholics Anonymous, German courses offered by “Soli-Netz”, yoga, Pilates and memory training courses. Official bodies also rent space here. Many people who move to the city from other countries will be familiar with the Helferei as the location for the City of Zurich’s integration courses. And neighbouring organisations such as the Swiss cultural foundation Pro Helvetia, the Supreme Court and the Public Prosecutor’s Office rent rooms with evocative, historic names such as Breitingersaal, Anna-Reinhart-Zimmer and Zwingli-Stube.

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month – remember the Helferei was once called the “Schulei”. We took registrations, but we also just left the doors open; anyone who was curious could register on the spot. There were open seminars in every room, and all the doors inside were open as well. We dealt with the issues that affect us all: migration, work, housing, nutrition, and so on. We worked through them with guests from the worlds of art, theatre, film, painting and literature, for example with the Zurich writer Thomas Meyer and the Rotterdam artist Mad Kate. But also “everyday” experts from all over the world who had some kind of expertise. You could put 26

For the team – made up of Martin Wigger, Anna Huber and four other permanent employees – the cultural events are the most time-consuming, because each one comes with different requirements. Although the last round of renovations improved the acoustics in the chapel, it is still a challenging space to fill with sound. And it takes skill to negotiate the pillars without spoiling views of the attraction. Once you account for all that, it makes a wonderful space for banquets, theatrical presentations, concerts, lectures, readings, cinema screenings and performances. The Helferei maintains long-standing partnerships with


A CONVERSATION WITH MARTIN WIGGER

your name on a list and offer seminars on any of our issues. Each of them was one to one and a half hours long. You could fit in three or four seminars a day, with meal breaks in between – breakfast, lunch and dinner. And there was a big finale in the chapel, where everything in this house is always concentrated and consolidated. Everyone exchanged ideas about what they had done and experienced, where they saw problems or opportunities. And in the “sustainability forums”, anyone who wanted to keep in touch was able to exchange addresses.

the jazz festival Unerhört!, the film festival PinkApple, with Zürich Tanzt und Zürich liest (dance and literary festivals, respectively), the Zurich University of the Arts, the refugee theatre Malaika and the centre’s own Helfereitheater. As well as these cultural events, the Helferei remains a meeting place and a refuge for anyone who wants to exchange ideas. “Many people bring their books to our collect-and-return library in the lower foyer,” says Anna Huber. “Others want to talk. It goes without saying that I listen to them.” Even in Zwingli’s time, the doors of the Helferei were open to all. And they still are.

HISTORY OF THE HOUSE

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How does this differ from other places you’ve worked, where are the similarities? This openness in the house was completely new to me. In my old world you would open the doors of the house at 7 p.m. to start something at 8 p.m. After that, you close the doors again, unless there is an audience discussion or a party. But here there is a completely normal, everyday life that is inscribed in the house. The Helferei was always in close contact with its neighbours, the community – not just with the church, but also with the district, with all the 28

ULRICH ZWINGLI The most famous resident of Kirchgasse 13 On 1 January 1519 – his 35th birthday – Ulrich Zwingli preached at the Grossmünster for the first time. And he immediately broke with tradition. Rather than preaching around the passage from the Gospels that the church canon had prescribed for that day, he spoke freely about the Gospel of Matthew. And just five years after arriving from eastern Switzerland, he would turn Zurich upside


What is the outcome of these encounters? Someone leaves behind their address, or an idea, or they take a programme and return another

A CONVERSATION WITH MARTIN WIGGER

people who came from outside, who still suddenly appear in the foyer to this day. Many people wonder: what kind of house is this? You could always strike up a conversation, and you still can; something always comes up. Every day is different and – if there is no programme in the evening – it is primarily guided by encounters with people.

down. In early February 1524, envoys from the rest of the country (with only the Schaffhausen delegation abstaining) complained to the Zurich city council about the “Lutheran sect”. Zwingli and his followers, they believed, would revile the sacraments and the Holy Mass, the Holy Mother and the host of saints. And they would turn against “Reisläuferei”, that is, the practice of Swiss mercenaries serving foreign princes. They would encourage looters to plunder churches, nuns and monks to leave their religious orders and marry. They even ate meat during Lent! The envoys were horrified –

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day. In my theatre work we tried to capture the issues that concern society in the city. Here I am much more connected and familiar with the city through the people who come into the house, even in my private life. So the encounters are brought to me. Anyone who works in the theatre lives and works there; it’s almost inevitable, you just spend all your time in the theatre. Here in the Helferei, the doors are open, people turn up and the issues flow in with them. They flow right into my office; I am immediately confronted with things happening outside and all I have to do is sort through them. As a dramaturge I used 30

although even they were forced to admit that all was not well in the Roman church. They themselves were opposed to the hoarding of ecclesiastical positions and the trade in false letters of indulgence. But sure-

Zurich Reformation leader Ulrich Zwingli in a portrait by Hans Asper, 1549


And where are the similarities with the work of the artistic director or dramaturge? Working in the theatre means having to find out what’s on people’s minds in each new city you go to, because it really does differ from city to city. We had the same challenge in the Helferei. There was a basic audience here, which you could compare to the subscriber base. But I had to attract a different audience than what was

A CONVERSATION WITH MARTIN WIGGER

to look for themes, but here they’re always around – a lot more than I can actually use.

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The Bible as the sole foundation The Zurich councillors objected to the accusation that they were spreading heresy. But the envoys were taken aback when the councillors admitted that early on, they themselves were somewhat dismayed and surprised by the work of Ulrich Zwingli from Wildhaus im Toggenburg. However, they later exhorted the city’s pastors to regard the words of the Bible as the sole basis

HISTORY OF THE HOUSE

ly, they thought, a confederation should tackle these bad habits together?


here before. Because there was a lack of young people in the Helferei. How did you solve the problem? By offering programmes for young people. There were two young people here in the house who had already worked for Andrea König. I made them my “personal assistants” and I was even able to pay them a small salary. They were cool; for a whole year, they not only introduced me to the Helferei, but also to city life in Zurich. We went to bars, discos and other places that I wouldn’t have got to know without them. That 32

for their actions. They cared nothing for the rulings of the bishops or the Pope, “for we must pay more heed to God and His word […] than the statutes of man”, as Bern historian André Holenstein quotes.1 Did the Zurich councillors really know what manner of revolutionary – or eccentric – they were 1 This outline of Zwingli’s work is largely drawn from André Holenstein’s essay “Ein Mann spaltet das Land” (“A man divides the country”), in: NZZ Geschichte 7/2016, pp. 34 – 50.


And how have you been able to translate this knowledge into programmes for young people? We defined relevant issues and offered specific events for young people. The Zurich futurologist Elisabeth Michel-Alder put us in contact with dialogue partners, and we worked with her to stage “Das Podium der vier Generationen. Länger leben, anders arbeiten” (“The podium of the four generations. Live longer, work different-

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was a good start, and it quickly expanded from there.

getting when they engaged the new preacher five years earlier? The literature is undecided. “In 1518, his theological knowledge, his affiliation with the circle of Swiss humanists as well as his links to the Papal party and (his) hostility to France spoke in favour of his appointment to Zurich,” writes Holenstein. And he was already known as an opponent of the mercenary system and the sale of indulgences. Mercenary practices in particular had completely torn the social fabric of society. Young men earned money abroad – sometimes through brutal forays – and caused a labour shortage at home.

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ly”). That opened many doors. We got to know many associations, such as the self-help group “einfach einfach”, which facilitates exchange of household items on the internet. We established forums here in the house. And we spoke to the Zurich University of the Arts (ZHdK). The head of the acting department, Peter Ender – a pastor’s son – is one of the people who flowed into the house; one day he was standing in the foyer saying he wanted to meet me. We sat down at a table, talked – and realised that there are many issues that we can think through together. For the first one or two years, we held very intensive 34

Nobody knew how far Zwingli would go The French king, one of the main employers of Swiss mercenaries, was the ultimate sponsor of “operating costs” in many communities, according to the avowedly left-wing journalist, politician and author Franz Rueb. The country was dependent on mercenaries but communities suffered because most of the extracted money was going to Rome. With growing self-confidence, the merchants of Zurich sought a way out of these miserable straits. They hoped that Zwingli would “provide religious and ideological support to promote the liberation movement


Shouldn’t all theatres try to appeal to young audiences? I’ve never had to skew so young at any other house as I did here to begin with. Even if there was an expectation that I would bring a young audience. They probably thought – anyone coming from the theatre will automatically bring a

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events with the ZHdK, five series in total. From dissertations which we have presented here to the “Auslese” series. The lecturers themselves would perform or read for their students. That drew a cool crowd.

of republican citizens from a position of episcopal authority,” writes Rueb. But no one suspected – that much is agreed – how far the Toggenburg rebel would go. How close to the abyss he would bring Switzerland. Ulrich Zwingli was born in Wildhaus im Toggenburg, south of Sankt Gallen, in 1484. His father was a farmer and a local authority figure who could afford to raise eleven children and offer three of his sons an education. Zwingli went to school in Weesen am Walensee, then to the Latin school in Basel and Bern, and at just 14 he attended the University of

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young audience – even if that is a fallacy. We started by focusing on young people and that was great. I didn’t realise how much support that actually brought us. Because even the older ones were happy that there were suddenly so many young people here. And the young people discovered a new place for experimentation. When you see the chapel, it’s a place that just makes you want to perform. In this great location, where Neumarkt, Schauspielhaus and the Kunsthaus meet, in the middle of the old town, that’s fantastic. We try to stay affordable for our guests as well. However, I am no longer concentrating so 36

Vienna. After switching to the University of Basel he completed his studies in 1506. He was appointed pastor in Glarus, a “Leutpriester” (people’s priest) in Einsiedeln and just two years later he was summoned to Zurich. Official residence in the Helferei He would only have twelve years in the position. “Official residence of Zwingli” is carved in stone above the entrance to the Helferei, along with: “He left this house on 11 October 1531 and accompanied the Zurich army to Kappel, where he died for his


Where would you place the Helferei in Zurich city life? It lies at the interface between historically informed social work and culture. Even more than other cultural institutions, we have to ask ourselves how we can make cultural work succeed. And not just in the sense of the curtain going up in the evening, but also keeping it sustainable –

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excessively on the young people issue, because I have noticed that the topics that interest older people and younger people really don’t differ all that greatly.

faith.” His teachings so enraged the country’s Catholics that his body was quartered, burned and scattered to the four winds. Because the questions he raised were not just theological, but social as well. In contrast to Martin Luther, for example, Zwingli both sought and found extensive support in political circles. The two Zurich “Disputations” illustrate just how far this cooperation went. The First Disputation on 29 January 1523 arose from a meeting convened by Zurich’s city council at which it asserted its right to decide on theological questions. Previously, decisions on celibacy and the

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in the form of producing and not just one-off performances, and in the way we stay in contact with the audience. We achieved this by defining formats. This is an important part of our work; we define formats which deal with certain issues over and over in a certain form. And only then do we consider the productions, readings and music events that might fit in to those formats. Perhaps you could describe this with three specific examples? Let’s take Dienstleistertag (Service Provider Day), Practical Wednesday and the Human Library. In 38

legality of tithing were the sole preserve of the Pope and his bishops. But Zwingli preached that the Bible does not forbid priests from marrying (in 1524 he himself would marry the widow Anna Reinhart, who had cared for him when he fell ill with the plague; Anna Reinhart had three children from her first marriage and would have four more with Zwingli). Zwingli also asserted that the Scriptures were silent on the subject of tithes. Nor did he see any foundation for the decision-making authority of the church. It was not just on these points that his teaching was close to the early Christian communi-


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all three formats, I combine the social inscription of the house with my theatrical, story-telling skills. The Service Provider Day arose from the cooperation with the ZHdK. It always takes place on Thursdays. Acting students at the ZHdK come in at ten in the morning and offer their services, but they still see themselves as artists. You can hire them for services. Anything is possible. A woman came in with her poodle; it was badly behaved, but she had no money for obedience training. The most important thing to her was that the dog behaved on the street. Six students then applied – not just any six young people, but

ty – and a long way from Rome. Nevertheless, the Zurich city council adopted his position as their own. The Second Disputation followed on 26 October 1523; this time the issue was whether images and objects should be removed from the churches, and how mass was to be celebrated. Facing a head wind, the city council decided that the images should stay and that there should be no change to the mass. But Zwingli had long attracted fanatical followers who were adherents of the Anabaptist movement. In 1525 they enforced the abolition of

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self-confident, trained master’s acting students who have the presumption of youth and will try anything, including walking a poodle for three hours. So the mistress went shopping – and came back three hours later to find that her dog was doing really well! And they wanted her to come back. The services range from shopping assistance to reading aloud. And nobody reads aloud as well as actors. They also make shopping more fun than ever. And that’s exactly the point – for every item on the programme we ask ourselves: can we get that into the social context? And how do we combine that with artistic and cultural 40

mass, to be replaced by a service combining sermon and communion. Soon images were systematically removed from the churches. There was also a difference of opinion on the issue of the Holy Communion in the Marburg Colloquy of October 1529, where Zwingli and Luther debated at the invitation of Landgrave Philip of Hesse. Agreement may have ostensibly faltered on the issue of the Holy Communion, “but in reality the reason was the more profound differences between the princely state and the civic, republican Reformation,” as Rueb notes.


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work? For the Service Provider Day, both elements are very strong. Because you don’t have dog trainers or artisans, you have someone with the skills to act who, ideally, can also act as an assistant. It’s certainly amusing for an hour or two, and maybe something will even come of it, in this case – for the poodle and for its owner. Practical Wednesday: to an extent we are guided by Richard Sennett’s book “The Craftsman”. Doesn’t handicraft mean picking things up again, dealing with objects? On Practical Wednesday, for example, we put trainee carpenters from the City of Zurich together with artists and the

Zwingli’s movement became increasingly radical. Peasants refused to pay tithes; congregations followed suit, arguing that they would rather finance hospitals and poorhouses and their own pastors themselves than send the money to Rome. “The church experienced a rapid loss of authority not only as a religious establishment, but also as a secular power,” writes André Holenstein. While the “scandal city” of Zurich was highly isolated for a time, reformed territories were now growing steadily with the addition of eastern Switzerland (Thurgau, Appenzell, Sankt Gallen and

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public; and anyone who wants can make something unusual. The third format was the Human Library, where we work with the Bern-based Foreign Policy Forum (foraus) and Operation Libero. We had a Human Library three years before our collectand-return library. The experts, the “human books”, sit at round tables and invite each guest to a fifteen-minute conversation on issues such as migration, work, housing, money, generational change. None of the formats are ever about the perfection of the product, or about the perfect staging, or about the top director who gets 42

Glarus), followed by Basel (1525) and Bern (1527). Their opponents rejected these innovations, consolidating their forces in central Switzerland (Lucerne, Uri, Schwyz, Unterwalden and Zug), as well as Solothurn and Freiburg – regions that remain Catholic to this day. According to Holenstein, the two camps were irreconcilable and also increasingly beset by internal disputes. “Ultimately, they could only solve the religious question politically.” While the ensuing First War of Kappel in 1529 passed without bloodshed, the second saw the loss


How has the concept been received, what works and what doesn’t? It is received better than ever. The first two or three years were tough, but it got better and better – until corona came along. We completely refused to go digital because we thought, that’s not what this house is about at all. We only did one big digital evening with the director, author, and performer Antje Schupp, on the subject of

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invited to the Theatertreffen to give a top performance with his top ensemble. It’s about arriving at a positive result together.

of over 500 men in the field near Kappel am Albis, 20 kilometres from Zurich. But this decisive victory was followed by a typically Swiss compromise. The victors refrained from wallowing in triumph, sensing that they would never find peace if they punished the losers too harshly. They agreed “to tolerate each other amicably in our lands (and) refrain from scolding heretics and other such calumny.” Peaceful coexistence prevailed from then on. “Politics and civic harmony rather than the enforcement of a fundamentalist claim to truth – this was the forward-thinking solution the Swiss introduced in

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solidarity. She networked and tried to get to the bottom of the issue of solidarity throughout the world. But it also gave us a new opportunity, because even without events we were simply open. We were ready to talk, we were there. And people came, because this is a place for exchange, always. We managed to generate a lot of ideas from these encounters, which we are now gradually implementing with the people who have pitched up here. So there was a lot of development work. The fixed formats which have returned now have an audience, so we can do our monthly programmes. 44

1531,” concludes Holenstein. Heinrich Bullinger became Zwingli’s successor as Antistes (head) of the Reformed Church. It is important to note that Zwingli himself actively sought and propagated military conflict. “The peace that some are so anxious for is war, not peace. And the war for which we are preparing so avidly is peace, not war.” The desire to settle the matter in battle “was probably his greatest crime,” writes Franz Rueb. “And it is one of the reasons for his unjustifiably dubious reputation in superficial popular perception.”


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The other half are new programme items, half of which work well, the other half not so much. We adjust, we try a variation on the same format with other guests. We can do this because the Helferei is a house of practice, a house of direct and immediate application and applicability. We can also leave things to simmer. On the other hand, we had 360 events in five years – that’s a lot. Nevertheless, everything could completely realign in the next five years. Because this house will never be finished.

To this day, the expression “Zwinglian” often has negative connotations in Switzerland, used to describe narrow activity that is somewhat listless and joyless, or an unpleasant triumph of substance over appearance. Some of the works that marked the 500th anniversary of the Reformation made a valiant effort to change this image. After all, as Kulturhaus Helferei head Martin Wigger says, Zwingli was “the only revolutionary Switzerland has ever had.”

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But you will always be dealing with the same issues in the house. Yes, our issues are somewhat predetermined by our most famous resident. But the way you present them varies each time. The platform remains, but the layers are always in different colours. Before me there was a journalist, there were theologians and ethnologists. And now there is a theatre man. Who knows who will come after me – if you wanted to be intelligent about advancing the house, it would have to be someone from a completely different perspective. And yet my successors will also have to deal with the same issues. 46

MULTI-PURPOSE FROM TOP TO BOTTOM Recollections of Helferei veteran Ulrich Gerster

The essence of Kirchgasse 13 is its diversity; the house is multi-purpose from top to bottom. It is a residential building, a house of the church and a neighbourhood meeting place, a place of encounter and a restaurant. And of course there’s the Kulturhaus with its events, theatre, performances, literature, cinema, panel discussions, music and exhibitions. For all these activities there are five spaces


By Martin Wigger

“Social art” is a term that only began officially appearing in the context of cultural creation a few years ago. It’s not difficult to work out what it means: “Social art is any artistic expression that aims to create social impact and change. Artists are visionaries, utopists, agents for change, with the ability to affect society by creating emotionally captivating experiences,” according to a 2022

SOCIALLY CRITICAL WORK

What is socially critical work?

that anyone can rent. The largest, the chapel, has space for up to 250 people, the smallest, the Anna-Reinhart-Zimmer, just six. The functions are intertwined and mixed, and sometimes in conflict with each other. I bump into neighbours downstairs in the foyer. There will be other people there, looking for a room their company has rented for an afternoon seminar. At the same time someone will be helping Martin Wigger with an installation in preparation for an event in the evening. And in among it all is Daniel Hotz, who organises the space hire. And I’m there as a resi-

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definition in BerlinArtLink (www.social-art-award. org). Kulturhaus Helferei tends to use this term when it needs a label for the full range of its work that has an artistic dimension. Because when you take into account all the social negotiations that have been conducted here for so long, and not just the current orientation, you can say: anyone who offers a programme in this house is a “social artist”. They negotiate issues that are fundamentally relevant to society, they are at once enablers and visionaries. But for the current artistic work in the Helferei, this is almost too narrow; “social artists” are hardly an exception when the founda48

dent and a benevolent onlooker, thinking, “great, it works!” The architect’s idea – and reality During the 2012-2014 renovation, they attempted to separate out the functions a little. The idea was for residents to enter via the garden gate and access their apartments through the inner courtyard, past mailboxes and doorbells. We didn’t have this access before, we all used the same stairwell. So much for theory. In real life, I go downstairs, through the foyer and onto Kirchgasse when I want to go in the


SOCIALLY CRITICAL WORK

tion and the soil are already deeply social. The work goes beyond the execution, here we deal with all the possible forms and working methods of “social art”. And we are critical as well. That’s why the Helferei engages with this concept of “socially critical work”, seeking to enter into a reflective relationship with a constantly changing society. The events here have labels like “Human Library”, “Service Provider Day” and “Solidarity”, the house is open throughout the day and the spectrum of artists includes Harald Schmidt, Barbara Weber, Antje Schupp and many others.

direction of the Limmat. And if I want to go in the direction of the Kunsthaus, I go out upstairs, through the courtyard. Of course, noise protection was an issue in the construction work. But I like the openness of the building and I don’t mind at all if gets a bit noisy – that comes with living in the middle of the city. And I don’t mind bumping into non-residents on the stairwell. Or when they mistakenly ring our doorbell looking for a room they have hired. The Helferei is a great building, beautifully situated in the heart of Zurich. We have a view of the parish garden,

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“curate the future” Brigitt Bürgi, Peter Fischer and their cultural initiative have nested in the Helferei

The cloak is tall and wide, the train – at least ten metres long – reaches right through the Helferei chapel. Lilian Frei makes a stately impression, even if her cloak and train consist of nothing more than pages from current international newspapers. With queenly bearing, the performance art50

Kirchgasse, the Grossmünster – where else would you want to live in Zurich? Right from the start: a house with a programme Of course I knew the Helferei as a house with a programme right from the start. We moved in straight from our student apartments in 1992. That’s an awfully long time ago. But even then the house had programmatic management under Irene Gysel and Ines Buhofer. A lot has changed since then, not suddenly and abruptly, but gradually. Because naturally the idea of defining the house


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ist descends the steps from the chapel to Münstergasse. On her head is a huge golden cylindrical hat, as high as a bishop’s mitre, like a top hat without a brim. This is paired with golden highheeled ankle boots, crimson top, skirt and tights. Her gaze unwavering, Frei presents her messages to the people. “Don’t be a frog,” commands the text on one sheet. “MAKE (it) now!” says another. Others are less forthright, with messages like “If you have a solution, dream it” or “I am a blossoming garden”. These were the responses of other artists to the corona lockdown, printed on sheets of paper

through socio-cultural work is one that has developed over time. It is heavily dependent on the people running the programme. And it makes a difference whether they come from a theological, ethnological or theatrical background. Each brings their own networks, their own audiences and their own forms. There is an interplay between the management, the structure, the house and the surroundings – this results in a new configuration and overall image each time. Around 1997, I joined the culture commission that was supporting this pro-

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that Lilian Frei first presents to the audience in her performance “Passaparola” (roughly: pass it on), then distributes. Pages gone with the wind, like her train. The artist begins wrapping herself in her paper train, crumpling it in the process. Finally she sets the newspaper pages on fire, pours water over the ashes to form a grey mush and ultimately a (surprisingly) small ball. Not much remains of the news of the day, but from it can arise new things. “Art has the power of transformation. It can express things that we all encounter,” says Brigitt Bürgi. “It can create moments when everything 52

cess at the time, and which also made decisions when there was a change of management. As a member of the church district commission with responsibility for culture and education, I am still engaged with the Helferei. We were commissioned by the parish of the City of Zurich to organise ecclesiastical activities in the four former parishes – Predigerkirche and St. Peter, Grossmünster and Fraumünster. The commission supports the Helferei in this function and tries to provide the framework conditions that allow the house to develop. To date it’s always functioned well. Because


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dissolves, when you can breathe easy, take a break.” In addition, says Peter Fischer, Bürgi’s partner in life and art, Lilian Frei consciously plays with the history of the Helferei, the square where the Helferei opens out into the city. “Passaparola” is typical of the concerns of the initiative and the network “die zukunft kuratieren” (“curate the future”), which the artist Bürgi and the curator Fischer brought into being. It’s an “interdisciplinary series with ground-breaking, largely performative and participatory events”, staged with the Helferei and other venues, as the website diezukunftkuratieren.ch announces.

the house is tolerant, it can take a lot. And the church district commission is as well. Free up your management and you’ll find that almost everything works. How much of the church should there be in cultural work? So far, each new manager has had a relatively long period of experimentation before they realise what works in this house and in Zurich, and how the house is positioned in the cultural life of the city, surrounded by all the other cultural institutions.

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It was put together by Andreas Weber, the quieter but no less alert third in this artistic trio of the future.

A home in the Helferei “We want to make art visible,” says Bürgi, “to transport issues into society with the power of art.” In February 2021, “curate the future” found a home and a cooperation partner in the Helferei. Since then, this cooperation has fostered discussion of sustainability in art, for example in the first Zurich climate café, where design students from the Zurich University of the Arts worked with 54

The only real debate came with the “Third World” shop on the ground floor, because the operators were explicitly political in their positioning and statements. That would probably be treated differently today. And there was always the question of whether there had to be a church aspect to the Helferei’s cultural work. Perhaps it wasn’t so pronounced when Ines Buhofer and Irene Gysel ran the house – one was a theologian and the other would later be a church councillor.


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UNHCR Switzerland’s project “Art Stands with Refugees” under the title “On Moving and Waiting”, setting a participatory course on issues such as refugees, migration and identity through the entire house. And Peter Fischer, former director of the Kunstmuseum Luzern and later Zentrum Paul Klee, gave a lecture entitled “Looking back on what is to come”. “When the lockdown began on 16 March 2020, we were on vacation in the Engadine,” recalls Brigitt Bürgi. “Straight away we knew: this is not the time for drinking champagne, we have to do something.” And when Brigitt Bürgi and

The phases of management The period under the joint management of Ines Buhofer and Irene Gysel up until 1995, with Ines Buhofer then continuing alone until 1999, was marked by theology. Their major themes were poverty, the women’s movement and feminist theology, and their view of history. There were always events that really stuck in your mind. One of Ines Buhofer’s last big events was part of the exhibition “Wenn Bettelmönche bauen” (“The buildings of the mendicants”), which was spread across four locations in Zurich. The Helferei section used the entire

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Peter Fischer say they’re going to do something, “we do it”. Partnering with Visarte Schweiz, the professional association of Swiss visual artists, they launched a “corona call”. They received 680 entries – “an impressive artistic testimony to the initial lockdown experience,” says Peter Fischer. The next project, developed by Brigitt Bürgi, was called “Angstkörper – Körperangst” (“Fear Bodies – Fear of Bodies”). It arose from the feeling that during the pandemic, our own bodies had become a threat to others. “When we were only allowed to have groups of five people, we took to the streets with just five people – but we did it,” 56

public part of the building and looked at the Beguines and other women’s communities in the late Middle Ages. Since then, the history of women in late medieval orders and churches has reappeared in the city on a number of occasions. And in this context you could also mention the first publication on Zurich’s last Fraumünster abbess, Katharina von Zimmern, in which Irene Gysel was involved, and works on Zwingli’s wife, Anna Reinhart. Cornelia Vogelsanger, religious and cultural ethnologist, gave the house an outward-looking profile


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says Bürgi. Five bodies in five huge, yellow sheaths moved along a “Stationenweg” – the title of the work – trundling slowly, uncertainly, meandering in front of Zurich’s closed cultural centres. The first stop on the route: Rodin’s “Gates of Hell” in front of the Kunsthaus. The second: Kulturhaus Helferei. Others followed, but the Helferei remained the exception – because it was still open. In fact Martin Wigger offered the yellow-clad artists a warm welcome – the beginning of a wonderful friendship.

until 2008. She worked extensively on East Asian spaces and art. She also held classic panel discussions and talks, but I also remember small, very interesting formats that revealed new things to me. For example, every year or two, a shaman came to conduct a whistling ritual. Cornelia Vogelsanger’s focus was ethnological rather than esoteric. She approached the foreign, the unknown, through encounter and participation. The audience was not converted to shamanism, rather they were introduced to something from another culture.

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Don’t just curate the future Even the title “curate the future” made Martin Wigger prick up his ears, as the translation of the Latin word “curare” – to take care, to look after, to be concerned, to build a bridge, to maintain, to manage – combines all the aspects that characterise the essence of the Helferei. “Martin is a deeply artistic person,” says Brigitt Bürgi, “he lives and breathes art. His understanding and passion for art make a perfect match for us.” She is also enthusiastic about the open spirit of the Helferei. “You can’t curate the future alone, you have to do it with others.” 58

The youth space used to be where the kitchen is today. You would have conversations with maybe ten or twelve people around the open fireplace. It was there, I guess in 2000, that I first heard the term “Fortress Europe” and thought about what it would mean when the first European warship sank the first refugee boat. Now, the topic has long been a part of the general consciousness, but it was certainly not in my consciousness at the time. Cornelia Vogelsanger also initiated the change of name from “Helferei” to “Kulturhaus Helferei”. This significantly sharpened the


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Bürgi values Kulturhaus Helferei as a meeting place that offers a much broader audience than you would typically find in museums. For her participatory campaign “Dein Zukunftsbild” (“Your Image of the Future”), she asked people to select a photo stored on their own smartphone that contained some element of the future. She spoke to whoever she met in the Helferei, in the foyer, in the library, at events and in the laneway in front of the house. “Many were happy to be approached,” she says. “The ecclesiastical connection of the Helferei makes it easy to tackle serious issues. People aren’t surprised when you go deep.”

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Andrea König was also an ethnologist; she knew Cornelia Vogelsanger, but we only found that out later. But she came from a completely different background. As a former Red Cross delegate and TV journalist, she had more of a political and journalistic view of things. Her programme focused on very, very large events, sometimes bringing in two or even three hundred people in two days. And they looked at things like Japan, Brazil and the Middle

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profile of the house and it remains in effect to this day.


As paradoxical as the term “curate the future” may seem, Brigitt Bürgi and Peter Fischer are very serious. “At the moment, we only associate the future with risks,” says Fischer. “Art is capable of generating knowledge, like science or religion. Not only when it positions itself politically or perhaps as ‘green’, but in its own way of bringing things into the world and acting openly.” Brigitt Bürgi adds: “What we do today shapes our tomorrow. We work with people, challenge them, provide input. With all age groups, on issues that are urgent right now.”

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East, and the work of the Red Cross from various angles. You could learn a lot about Japanese politics and society, but you could also eat sushi, if I remember correctly. Her work culminated in what is probably the biggest talking point we have ever had here in the Helferei: the travelling photographic exhibition “Breaking the Silence”. An organisation of Israeli veterans used photos to relate what the soldiers on duty in the army experienced in the occupied territories during the Second Intifada – to put it mildly. It smashed a taboo.


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The pair often invite guests, including Valerie Favre, who grew up in Neuchâtel and, following a career as an actress and painter in Paris, is currently a professor at the Berlin University of the Arts, teaching painting. For her long performance “Le martyre de la main gauche” (“Martyrdom of the left hand”) she had her right arm tied behind her back, robbing herself of her strength, so to speak. She was forced to take risks she couldn’t anticipate and “develop” her “fragility as an artist”, as she puts it. For six days, Favre let passers-by watch her through a small peephole in the window facing the street, with virtual viewers

For ten days the place was jam-packed. At the opening we were like sardines. The exhibition met opposition everywhere it was shown. It was a big deal, with all the political noise around it you would expect. Ambassadors complained to the Federal Department of Foreign Affairs, wanting to know why the Helferei received support for such a thing, and parliamentarians called on the FDFA [Federal Department of Foreign Affairs] to distance itself from the exhibition. That kind of thing. You can imagine the rest. Other organisers cancelled because they didn’t want their fingers burnt.

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connected via a live webcam, as she painted, trying to live her life and pursue her art.

The future: unpredictable, in need of art The room in the Helferei that Favre used for her experiment is now the “Büro für künstlerische Zukunftspflege” (“Office for Artistic Future Affairs”). Bürgi and Fischer aim to “nest” there, as they call it – inviting colleagues, exchanging ideas and hatching new projects, networking, talking politics, and also simply being hosts. Why work alone, say the pair, when so many people are concerned with the future, people with whom 62

Of course, we knew it was a hot potato as well, but no one ever thought of saying: “That’s out of the question.” Andrea König was strong enough to say: “But that’s exactly what’s so interesting.” That was the culmination of her work, that’s when everything came together. Her strength was also evident in the supporting programme, in the concentration of discussions and events. Now we have Martin Wigger, who has a clear theatre background, that’s where his networks are. That’s another reason why we chose him. We want-


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we can join forces? For the opening, animation filmmaker Hannes Oehen drew inspiration from the name “Office for Artistic Future Affairs” and depicted the office space as a head. The bitter seriousness of the Ukraine war overtook the playful concept of the “Office for Artistic Future Affairs”. “We don’t know what’s coming. But we do know that after two years of the pandemic, art is in distress once more,” say Bürgi and Fischer. It is being put to the test again and has to help find answers in a time that has need of them. For this, too, the “office” in Kulturhaus Helferei is the ideal place.

ed someone who would approach the work like an artistic director, someone who could come up with a programme to fill a house. Artistic directors bring events and audiences together – we liked that idea. Martin Wigger has succeeded in something that many before him had tried: he has attracted significantly younger guests, employees and audiences. The audiences in the Helferei tended to be older and from a classically middle-class, educated background, some church-affiliated and connected to the Grossmünster, some from the surrounding neighbourhoods. Through his networks as well as a

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collaboration with the Zurich University of the Arts (ZHdK), Martin Wigger brought young artists and students into the house relatively quickly. Young artists bring their mates with them – and suddenly there are young people everywhere. In general, the house is opening up for people and groups who were less involved before. So maybe you have someone who misses their seniors’ afternoon. They’re still held in the Helferei but also in other buildings in the church district. With fewer and fewer members and attendance at the events dropping, the four parishes of Predigerkirche, Grossmünster, Fraumünster and St. Peter merged into Church District One/Old Town in 2019. Martin Wigger has also sought out new and more experimental forms. He has arranged all the socio-cultural work – terrible term, but that’s what it is – with greater participation. It’s now more about participating than just watching. That is certainly the hallmark of Martin Wigger’s time here.


Bibliography

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BIBLIOGRAPHY

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Kultur- und Kirchgemeindehaus Helferei”, Eigenverlag Kirchgemeinde Grossmünster, Zurich 2014. Including: Buholzer, Ines: “Eine dicht gefüllte Zeit”, p. 14 et seq. Gysel, Irene: “Die Helferei, eine lebendige Oase”, p. 12 et seq. Gysel, Werner: “Begegnungen mit der Helferei, gestern und heute”, p. 10 Helbling, Regine and Claude Lambert: “Die Helferei, Heimstatt des Jugendtreffs”, p. 17 Joos, Peter: “Weiterbauen am Original”, pp. 28 – 30 König, Andrea: “Das Haus an der Ecke”, p. 22 et seq. Senn, Matthias: “Die Baugeschichte der Helferei von der ‘Schulei’ zum Kulturhaus”, pp. 25 – 27 Sigrist, Christoph: “Der Spur folgen”, p. 19 et seq. Vogelsanger, Cornelia: “Genius Loci – Gedanken und Erfahrungen 1999 – 2008”, p. 18 et seq.

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Wolgensinger, Monika: “Eindrücke und Zeitzeugnisse”, p. 8 et seq. Literature on Ulrich Zwingli Holenstein, André: “Ein Mann spaltet das Land”, in: NZZ Geschichte 7/2016, pp. 34 – 50 Opitz, Peter: “Zwingli global”, in: NZZ Geschichte 7/2016, pp. 56 – 69 Peter, Niklaus: “Er war kein kulturloser Banause”, in: NZZ-Feuilleton, 30/11/2016 Rueb, Franz: “Zwingli. Widerständiger Geist mit politischem Instinkt”, Hier und Jetzt Verlag, Zurich 2016

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Photo credits Front cover: opening, “Music Masters”, 2022; photographer: Kollektiv F96 Front endpaper: “Passaparola” (Lilian Frei) 2021; photographer: Brigitt Bürgi p. 8: view of the Helferei; photographer: Judith Schlosser p. 67: © Valeria Heintges pp. 72 – 85: Photographers: Judith Schlosser, John Patrick Walder, Kollektiv F96 and the Helferei team


THE AUTHOR

The author Valeria Heintges, born in Düsseldorf in 1968, has lived in Zurich since 2010. She studied German, history and philosophy in Münster and Freiburg im Breisgau before working as a cultural writer in Dresden and Sankt Gallen with a focus on theatre, literature and nature. She has worked in a freelance capacity since 2017, writing for nachtkritik.de, Theater heute, NZZ am Sonntag and CH Media Group titles, among others. Between 2016 and 2018 she was a member of the jury for the Solothurn Literature Days, and since 2022 a juror for the Berliner Theatertreffen.

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