Die Lüneburger Symphoniker
Ein Exzellenzorchester Blick zurück und in die Zukunft im Rahmen der Initiative „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“ Spielzeit 2018/19
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Vorwort Verehrtes Publikum, sehr geehrte Damen und Herren,
mit Stolz und Freude überreichen wir Ihnen unsere Sonderbroschüre „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“ der Spielzeit 2018/19. Die Lüneburger Symphoniker werden für den Zeitraum von zwei Jahren durch das Ministerium für Kultur und Medien gefördert. Diese Ehrung entfaltet ihre Wirkung in einer farbigen und vielfältigen Spielzeit, welche wir Ihnen in diesem Heft vorstellen möchten. Als einer der quantitativ kleinsten Klangkörper unter den deutschen Kulturorchestern haben die Lüneburger Symphoniker ein mannigfaltiges Aufgabengebiet. Sie spielen in den unterschiedlichsten Vorstellungen der Musiktheater-Sparten und des Balletts und ihr charakteristischer Klang prägt eine Reihe von Meisterkonzerten. Darüber hinaus nehmen sie eine Aufgabe wahr, die erst in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Theater und Orchester gerückt ist: die Musikvermittlung. Sie dient der Stärkung des Stellenwerts von Musik in unserer Gesellschaft und damit auch der Bewahrung unseres kulturellen Erbes für künftige Generationen. Als lohnend hat sich hierbei die direkte Ansprache unseres Publikums auch außerhalb der Stadtzentren erwiesen – wir machen Musik für die Region, Musik in den ländlichen Bereichen. Dabei verstehen wir uns als prädestinierte Vermittler zwischen Großstadt und ‚Provinz‘, durch die Lage der Hansestadt Lüneburg in Nähe zu Hamburg gleichermaßen wie durch die Zugehörigkeit zu einem kleinen Haus, das in seiner Geschichte gezeigt hat, wie viel Großes es leisten kann. Weil Musik jedoch bekanntlich noch viel mehr kann, zum Herzen sprechen, Emotionen lösen und Menschen und Kulturen unterschiedlicher Herkunft und Prägung erreichen, verstehen wir uns auch als Botschafter für die Verständigung zwischen den Kulturen und gestalten integrative Projekte mit Exilmusikern. Der Erfolg bestätigt, was Joseph Haydn formulierte: „Meine Sprache versteht die ganze Welt!“ Die Lüneburger Symphoniker sind wandelbar, wie anhand der Bilder in dieser Broschüre sichtbar wird und wie die ungeheure Spannweite in der Besetzung bei unseren Konzerten vor Augen führt. Mal spielen die 29 fest angestellten Musiker klassische Sinfonien, Oratorien von Händel und Haydn oder widmen sich der Musik von Johann Sebastian Bach, mal musizieren sie zusammen mit einem festen Stamm an Gastmusikern als 60-köpfiges Orchester großes romantisches oder moderneres Repertoire. Auch dieses wird durch die Förderung ermöglicht. Wir sind gespannt auf die nächsten beiden Spielzeiten mit ihrer Rahmung durch das Förderprogramm und gehen mit neuem Schwung an die Fortsetzung bereits begonnener Projekte: Darunter StadtRaumKlang in Kooperation mit der Leuphana Universität Lüneburg, wo wir uns unter dem Motto „Auf Messers Schneide“ dem Themenbereich ‚Musik und Macht‘ in drei Konzerten an außergewöhnlichen Orten und mit besonderen Formaten widmen. Dann die Reihe der Norddeutschen Kammerakademie, die sich anhand von Komponistenporträts mit historischen Wendepunkten und gesellschaftlichen Phänomenen befasst und Ihnen auf bekannte und bewährte Weise unterhaltsam Musikgeschichte(n) erzählt. Unter dem Begriff #edufantastisch finden sich auch in dieser Spielzeit wieder viele Programme für junge Menschen und Konzerte für Familien. Die durch die Förderung bestätigte Entwicklung spiegelt sich auch in dem Vertrauen, das uns unsere Partner entgegenbringen: Wir werden in dieser Spielzeit Konzerte im großen Saal
der Berliner Philharmonie und in Luxemburg spielen. Und der Fonds „Doppelpass“ der Kulturstiftung des Bundes ermöglicht es uns, in Kooperationen mit Kampnagel Hamburg und dem HAU – Hebbel am Ufer Berlin in den nächsten beiden Spielzeiten in Lüneburg, Hamburg und Berlin die Produktion „Queere Kreuzzüge“ zu realisieren. Der vorliegende Spielplan mit den darin enthaltenen Programmen wurde in vielen Gesprächen entwickelt, immer wieder diskutiert, verworfen und neu gestaltet, bis er nun diese endgültige Form gefunden hat, die uns für diese besondere Spielzeit angemessen erscheint. Er ist erweitert um Ideen zur Musik, die sich Studierende der Leuphana Universität gemacht haben, und um Gedanken des Komponisten, Pianisten und Bloggers Moritz Eggert über „das Orchester in der Provinz“, in dem er humoristisch und satirisch überspitzt von den sehr persönlichen Erlebnissen eines Musikers in abgelegeneren Regionen erzählt. Darüber hinaus stellen wir uns als Orchester selbst vor, geben Hintergrundinformationen zu unserer Geschichte und den Konzertprogrammen. Wir laden Sie also herzlich ein, gemeinsam mit uns auf diese besondere Spielzeit neugierig zu sein, und freuen uns, Sie bei unseren Konzerten begrüßen zu dürfen! Ihre Lüneburger Symphoniker Lüneburg, August 2018
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„Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“ Auszug aus den Fördergrundsätzen der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) HINTERGRUND UND ZIELE Bund und Länder sind 2014 dem Vorschlag der deutschen UNESCO-Kommission zur Aufnahme der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft in das nationale Verzeichnis des Kulturerbes gefolgt. Damit fand die in der Welt einmalige Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen eine hervorgehobene politische Anerkennung, die im Orchesterbereich vor allem von den staatlich finanzierten Theater- und Konzertorchestern sowie den Rundfunkorchestern gewährleistet wird. Die damaligen Antragsteller machten aber darauf aufmerksam, dass diese Vielfalt im Theater- wie im Musikbereich ebenso von einer großen Zahl von Ensembles und Gruppen in freier Trägerschaft mitgestaltet wird. In der Begründung wurde hervorgehoben, dass neben den Theatern auch die Orchester jene immer rarer werdenden Räume der Teilhabe eines gemeinsamen Erlebens und lebendigen Austauschs eröffnen und dass sich die dort Wirkenden als Akteure in den gesellschaftspolitischen und ästhetischen Gegenwartsdebatten sowie als Mitgestalter unseres Gemeinwesens verstehen: „Durch ihre direkte, kontinuierliche, der Vermittlung künstlerischer Prozesse dienenden Arbeit, die sie mit und für Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Milieus – auch im Hinblick auf Interkulturalität – leisten, tragen sie wesentlich zur kulturellen Bildung bei.“ Weiterhin wurde gewürdigt, dass die Qualität der Theater- und Orchesterlandschaft auch darin liegt, auf neue soziale, kulturelle, politische Entwicklungen und sich daraus ergebende Probleme und Verhältnisse flexibel zu reagieren. Sie begreife diese Veränderungen als Herausforderung, sich immer neu zu erfinden.
Die im Grundsatz von den Ländern und Kommunen getragene, historisch gewachsene Orchesterlandschaft ist seit Jahrzehnten Veränderungen ausgesetzt. Es haben sich politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen auf der Seite der Träger verändert und demografische und strukturpolitische Entwicklungen vollzogen, die Einfluss auf die Arbeitsweisen und Tätigkeitsfelder von Orchestern hatten und haben. Auch das Musikleben selbst in seiner zunehmenden globalen Vernetzung, mit seiner medialen Begleitung und Verbreitung ist vielfältigem Wandel unterzogen. Und schließlich haben sich auch die Erwartungen der Kulturpolitik an die gesellschaftliche Wirkung öffentlich geförderter Kultureinrichtungen weiter differenziert. Diese Prozesse werden die Orchester auch weiterhin vor neue Herausforderungen stellen. Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung ermächtigt, erstmals ein mehrjähriges Förderprogramm aufzulegen, das Orchester in die Lage versetzen soll, auf solche Veränderungen zu reagieren, neue Wege auszuprobieren, die die künstlerische Arbeit nachhaltig beeinflussen können und einen zukunftsweisenden Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten. Die Förderung richtet sich in diesem Sinne darauf, bundesweit herausragende und innovative Projektideen zu verwirklichen, die über das gewohnte Tätigkeitsfeld von Orchestern hinausgehen und im Rahmen der von den Ländern und Kommunen bereitgestellten Finanzierung nicht geleistet werden können.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort.......................................................................................................................................... 2 „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“......................................................................... 4 Inhaltsverzeichnis......................................................................................................................... 6 Erneutes Lob der Provinz............................................................................................................. 9 Moritz Eggert............................................................................................................................... 1 1 Vielfalt auf engem Raum – Das Orchester in der Stadt........................................................... 12 Der Weg - Auszug aus der Orchesterchronik...........................................................................18 Musikalische Leiter......................................................................................................................2 1 „Die Gedanken sind frei …“ – Spielzeit 2018/2019.............................................................. 22 Die Meisterkonzerte................................................................................................................... 23 Die Lüneburger Symphoniker.................................................................................................... 30 Markus Menke............................................................................................................................ 32 Aus Freude am Entdecken – Die Norddeutsche Kammerakademie...................................... 33 „Wendepunkte“ – Die Norddeutsche Kammerakademie 2018/19.......................................... 34 #edufantastisch – Die pädagogischen Projekte................................................................. 36 Familienkonzerte und mehr....................................................................................................... 38 DIE NEUNTE SINFONIE DER TIERE und THE LITTLE BABY AIRPLANE.....................................40 StadtRaumKlang..................................................................................................................44 Das Projekt „StadtRaumKlang“ – ein Experiment mit und in der Stadt.................................44 StadtRaumKlang-Konzerte - Auszug....................................................................................... 46 Beethoven als geistiger Pate oder warum wir Neue Musik brauchen.................................. 47 Auf Messers Schneide - StadtRaumKlang 2018/19.................................................................50 Begleittexte von Studierenden des Seminars Musik und Macht........................................ 5 1 Race............................................................................................................................................. 5 1 Geniekult und Männlichkeitswahn............................................................................................ 52 Schlüsselwerk des Postkolonialismus: THE LOCATION OF CULTURE..................................... 56 Stuart Hall - Der Westen und der Rest...................................................................................... 58
Musik - Immer auch Politik........................................................................................................ 59 Musik-Diskurs als Spiegelbild gesellschaftlicher Machtverhältnisse....................................60 Musik-Kulturen und soziale Klassen: Die Salonmusik............................................................. 6 1 StadtRaumKlang No. 1................................................................................................................ 62 Theresienstadt............................................................................................................................ 63 Musik im KZ................................................................................................................................. 64 Musik und Ideologie der Nationalsozialisten........................................................................... 67 Komponisten in der NS-Zeit....................................................................................................... 68 StadtRaumKlang No. 2............................................................................................................... 70 Musik und Flucht......................................................................................................................... 7 1 Musik und Flucht – Das niedersächsische Welcome Board................................................... 74 Suad Bushnaq............................................................................................................................. 75 Jehad Jazbeh............................................................................................................................... 77 LE SACRE DU PRINTEMPS von Igor Strawinsky....................................................................... 78 StadtRaumKlang No. 3............................................................................................................... 8 1 Sozialistischer Realismus in der Musik..................................................................................... 83 K-Pop als Instrument der psychologischen Kriegführung...................................................... 84 Isang Yuns ENGEL IN FLAMMEN............................................................................................... 87 Sonderkonzerte....................................................................................................................88 Kammerkonzerte..................................................................................................................90 Menschen und Orte.............................................................................................................. 93 Die Musikschule der Hansestadt Lüneburg............................................................................. 93 Das Wir! zählt - Die Lüneburger Singakademie...................................................................... 94 Anna Schwemmer...................................................................................................................... 97 Menschen vor und hinter dem Orchester................................................................................. 98 Thomas Dorsch......................................................................................................................... 1 00 Literatur zu den Texten StadtRaumKlang............................................................................... 1 06 Bildnachweis..............................................................................................................................1 07 Impressum................................................................................................................................. 1 09
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Erneutes Lob der Provinz MORITZ EGGERT Vor 9 Jahren schrieb ich einen Blogartikel über meine Erfahrungen bei der Uraufführung meiner Oper LINKERHAND in Görlitz und Hoyerswerda. Wenn ich diese Zeilen heute lese, wird mir wieder bewusst, wie viel Hoffnung in diesem Artikel steckte. Wurde diese Hoffnung in der Zwischenzeit enttäuscht? Ganz sicher nicht, aber es gibt definitiv Luft nach oben, was die Anerkennung musikalischer Arbeit fernab der Großstädte angeht. Deutschland hat eine unfassbar reiche Musiklandschaft, um die uns die ganze Welt beneidet – auch wenn wir dies vor lauter Lamentieren über den empfundenen Kulturverfall oft vergessen. Das Besondere an unserer Musikkultur ist, dass sie keineswegs – wie es zum Beispiel in England oder Frankreich der Fall ist – auf eine einzige große Metropole ausgerichtet ist. Sicherlich spielt Berlin im Kulturleben unseres Landes eine große Rolle, aber die anderen deutschen Großstädte müssen sich keineswegs dagegen verstecken, da sie alle regional ebenso aktiv sind, vielleicht sogar aktiver, wenn man den Berliner Kulturhaushalt auf dessen Einwohner hochrechnet. Die 11 Großstädte nach Berlin sind Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Leipzig, Bremen und Dresden – alles Städte mit einem reichhaltigen musikalischen Angebot und/oder Anbindung an eine musikalisch aktive Region. Hinter diesen Städten beginnt sie, die sogenannte Provinz. Die kleineren Städte, die nicht mehr in der Liste der Großstädte auftauchen (wie Lüneburg). Die Städte, die nicht mehr ganz so gut an das Bahnnetz angebunden sind (in dem ohnehin alle Züge ständig zu spät sind, egal wohin sie fahren). Um diese Städte zu erreichen, nimmt man Regionalzüge, S-Bahnen oder kleine Bummelbahnen. Vielleicht sind es auch gar keine Städte mehr, sondern schon halbe Dörfer. Es sind Orte, an denen der letzte Italiener um 21 Uhr schließt, oder Orte, an denen es noch nicht mal mehr einen Italiener gibt. Überall in Deutschland gibt es diese Orte. Und wer als Musiker in Deutschland arbeitet, lernt sie irgendwann kennen, die sogenannte Provinz. Sowohl als Interpret wie auch als Komponist habe ich zahlreiche Städte aufgesucht, deren Namen ich vorher noch nicht einmal kannte. Sie verstecken sich überall auf unserer Landkarte. Manchmal fährt man stundenlang über einsame Landstraßen, und plötzlich steht dort eine Scheune, in der Musik gemacht wird, ein Schloss oder vielleicht auch eine Turnhalle oder Schulaula. In diesen Orten gibt es dann Förder- und Liebhabervereine, die sich engagiert des lokalen Kulturlebens annehmen, es gibt sogar kleine Orchester, die sich enorm ins Zeug legen, es gibt kleine Theater und Opernhäuser, die zum Teil unter absurdesten finanziellen Bedingungen einen Spielplan entwickeln. Einmal spielte ich bei einem dieser Orchester als Aushilfsschlagzeuger (ich selber habe keineswegs Schlagzeug studiert oder gelernt), da der erste Schlagzeuger – eigentlich von der freiwilligen Feuerwehrkapelle geliehen – mit den modernen Partien überfordert war. Ich bin nachts durch Fenster in abgelegene Pensionen eingestiegen, weil die Besitzer schon um 21 Uhr ins Bett gegangen waren, und man sonst nicht mehr nach dem Auftritt in sein Bett gekommen wäre. Einmal spielte ich ein Konzert in einem Stall, während nebenan lautstark eine Kuh kalbte. Einmal spielte ich ein Programm für Kinder vor lauter Erwachsenen, da es in dem Dorf quasi keine Kinder mehr gab. Einmal besuchte ich eine einsame Lichtung im Bayerischen Wald, und plötzlich erschienen hunderte von Menschen (waren sie zu Fuß gekommen?) mit riesigen Glocken um den Unterleib gebunden, diese rhythmisch mit kaum verhohlenen quasi sexuellen Bewegungen anstoßend: das alte Ritual des „Wolfsauflassens“. Ich könnte unendlich lang Geschichten über meine Reisen in die Provinz erzählen.
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11 Ich habe viele, viele Fragen von Konzertbesuchern in der Provinz beantworten müssen. Manche davon zeugten von einem tiefen Misstrauen gegenüber moderner Musik (was ich immer als eine Herausforderung für ein Gespräch empfinde), manche wiederum waren in ihrer Unbefangenheit viel klüger als die Fragen, die mir bornierte Konzertbesucher in München oder Berlin stellen. Die Provinz ist eines nicht: vorhersehbar. Wer die Provinz besucht, wird mit seinen eigenen Vorurteilen konfrontiert. Sind wirklich alle Ossis AfD-Wähler? Sind alle im Bayerischen Wald ständig betrunken? Sind alle Norddeutschen reserviert? Wer die Provinz befragt, wird viele Antworten bekommen. Manche davon werden niederschmetternd sein – verlassene Orte mit wenig Hoffnung, Orte, an denen das Leben vorbeigezogen ist. An anderen Orten wiederum wird man ermutigt, denn dort haben diejenigen, die eine Vision haben, diejenigen, die noch Träume haben, eine grundsätzliche Wahrheit erkannt: die Provinz ist nämlich freier als alle anderen Plätze. In Amerika spricht man von der „Frontier“, und darin liegt natürlich Westernromantik: Einsame Cowboys, die durch eine endlose Wüste reiten. Deutschland, dieses kleine und auch übervolle Land mitten in Europa, hat es überhaupt eine „Frontier“? Kennen wir diese Freiheit, in der alles möglich ist, in der auch Träume wahr werden? In der Provinz fängt diese Freiheit an. Und gerade, weil es so schwierig ist, gerade, weil immer das Geld fehlt, gerade, weil die Großstadtbewohner immer wieder auf die kleinen Städte herabschauen, sich die Kritiker nur selten dahin verirren, gerade deswegen ist diese Freiheit so wichtig. Wenn ich mir das Programm anschaue, das Thomas Dorsch mit den Lüneburger Symphonikern und deren Partnern realisiert, so weht mich diese Freiheit an, dieses Gefühl der Frontier. Das sind Programme, wie ich sie mir wünsche: aufregend, vielseitig, herausfordernd, zukunftsweisend. Und diese Programme werden wiederum aus der Provinz in die größeren Städte hineingetragen, mit Gastspielen und Koproduktionen, die sich gewaschen haben. Ich habe davor tiefsten Respekt. Es ist kein Geheimnis, dass ich sehr kritisch gegenüber dem großen Konservatismus bin, der generell in der klassischen Musik herrscht, der vollkommen unbegründeten Angst vor dem Neuen, der Beschränkung auf ein immer kleiner werdendes Repertoire, dem Ausverkauf in Richtung Kommerz. Ein großartiges Haus wie die Bayerische Staatsoper steht dadurch unter unzähligen Zwängen, nicht zuletzt, weil sie auch von vielen Touristen besucht wird, die man durch allzu radikale Inszenierungen und vor allem Stücke nicht verschrecken will (was natürlich dennoch immer wieder passiert). Warum werden in den Opernhäusern nicht zu 50 % alte und zu 50 % neue Stücke gespielt, wie es eigentlich richtig wäre? In der Provinz, in der Frontier, könnte gelingen, was in den Großstädten nur schwer gelingen kann: die Mobilisierung eines neuen und offenen Publikums. In der Provinz werden vielleicht auch die Fehler, die man in den vergangenen Jahren in der Nachwuchsarbeit gemacht hat, wesentlich schneller ersichtlich: denn wo noch nicht einmal mehr eine traditionelle Operninszenierung Publikum generiert, könnte man sich doch von vornherein an ein neues Publikum wenden. Wie es aber eben ist in der Frontier: Es herrschen keine Regeln und keine Gesetze. Was in einer Region funktioniert, kann in einer anderen scheitern. Herausfinden kann man das aber nur, wenn man etwas Neues versucht. Und da kehrt es sich plötzlich um, das Verhältnis der großen Städte zu den kleineren. Denn die kleinen können hier nicht nur mithalten, sondern die gerade im Moment so wichtige Pionierarbeit leisten, von der alle anderen lernen können. So wie in Lüneburg.
Moritz Eggert KOMPONIST, PIANIST, PERFORMER, DIRIGENT UND AUTOR Moritz Eggert wurde 1965 in Heidelberg geboren und ist einer der vielseitigsten und innovativsten Künstler der Neuen-Musik-Szene. Als Komponist setzt er sich gerne zwischen alle Stühle, experimentiert mit unterschiedlichen Musikstilen und engagiert sich für ein Umdenken im Zugang und Umgang mit zeitgenössischer Musik. Durch in den Medien viel diskutierte Projekte wie ICH AKZEPTIERE DIE NUTZUNGSBEDINGUNGEN (Auftragswerk zum 100-jährigen Jubiläum der Goethe-Universität Frankfurt 2014) versucht er das gängige Bild der Neuen Musik als Angelegenheit alleine für ein Expertenpublikum aufzulösen. Neben seinem Schwerpunkt im Bereich Musiktheater, für das Eggert bisher 14 Opern schrieb, pflegt er gerne die kammermusikalischeren Zwischentöne, zum Beispiel in seinem Liederzyklus NEUE DICHTER LIEBEN oder seinem Klavierzyklus HÄMMERKLAVIER. Zu den kommenden Projekten gehören unter anderem eine neue Oper für die Komische Oper Berlin (M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER nach dem bekannten Film von Fritz Lang) und eine neue Oper für das Theater Bonn (IWEIN LÖWENRITTER). Für die Stadt Bonn entwickelt Moritz Eggert zusammen mit Axel Brüggemann ein großes stadtübergreifendes Orchesterprojekt zum Beethovenjahr 2020. Im Moment in Arbeit ist das Stück THE COLLECTORS für das holländische Duo Eke Simons/Konstantyn Napolov (Klavier/Percussion), das in diesem Jahr auch auf Tournee gehen wird. Des Weiteren erscheinen in den kommenden Monaten gleich 4 verschiedene CDs mit Moritz Eggert, sowohl mit seinen Werken als auch in seiner Rolle als Kammermusikpartner am Klavier. Eggert tritt regelmäßig als Pianist, Sänger, Dirigent und Performer auf und setzt sich nicht nur für das zeitgenössische, sondern auch für das klassische Repertoire ein. Für die „Neue Musikzeitung“ betreibt er den „Bad Blog of Musick“, den meistgelesenen Blog zum Thema zeitgenössische Musik in Deutschland. Er lebt zusammen mit seiner Frau, der Schriftstellerin Andrea Heuser, Sohn Milo und Tochter Siri in München. Mehr Infos unter: www.moritzeggert.de
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Vielfalt auf engem Raum Das Orchester in der Stadt KATERINE ENGSTFELD BERUFUNG Um es gleich zu sagen: Die Identität eines Orchesters soll sein Klang sein. Dennoch ist der Name die Klammer für die Vorstellung von ihm in jeglicher Hinsicht. Treffen sich an einem Abend 29 Musiker und spielen ein hervorragendes Konzert, ohne sich danach in dieser Konstellation wiederzusehen, dann wird das Konzert mit dem Aufführungsort und den Stücken in Verbindung gebracht. Musizieren die 29 Musiker dagegen unter einem Orchesternamen, ist das Konzert mit diesen Musikern wiederholbar, erinnerbar, vergleichbar. Deshalb steht am Anfang: So ein Orchester muss einen Namen haben! Dieser Ausruf kam aus den Reihen der Lüneburger Symphoniker selbst. Sie erspielten sich ihren Namen mit langem Vorlauf. Jetzt steht er wie bei den namhaften Orchestern für einen Klangkörper, der tief verbunden mit der namengebenden Stadt ist. Lüneburg hat die Lüneburger Symphoniker hervorgebracht und prägte sie, während die Symphoniker wiederum die musikalische Architektur der Stadt veränderten. Mit der Taufe gab es schon keine Zweifel mehr, selbst wenn das Theaterorchester vorher ohne Namen ausgekommen war. Und doch: Muss so ein Orchester einen Namen haben? Warum? So ein Orchester hat schließlich mal klein angefangen und wurde viel in Frage gestellt. Es ist sozusagen bis auf den heutigen Tag ein kleines Wunderwerk der deutschen Orchesterlandschaft: In Zeiten der Kürzungen, des Rück- und Abbaus von kulturellen Institutionen etabliert es sich in einem recht provinziellen Umfeld erst recht (mit neuen Ideen und Projekten, wachsendem Publikum, Konzerten und Reisen in die Provinz ebenso wie Anfragen aus der Großstadt).
Die Mitglieder dieses ursprünglichen Begleitensembles für Bühnenaufführungen kämpften um ihren Status. Sie sorgten dafür, dass genügend ‚E-Musik‘ auf dem Dienstplan stand, um die Kategorie Kulturorchester zu erlangen (und nach Tarif bezahlt werden zu können). Sie wollten eine musikalische Qualität, die über das Theater hinaus reichte. Und schließlich absolvieren sie heute ein breit gefächertes Programm in fast solistischer Besetzung der einzelnen Register, mit bis zu einem Drittel an Gästen bei großen sinfonischen Werken. Nicht zuletzt wollten die Musiker sich mit dem Namen eine Identität geben, weil er Werbung ist. Ein Selbstläufer war das wahrlich nicht, bedenkt man die solide, aber wenig vornehme Herkunft. Am Theater aus einer Kurkapellenbesetzung (11 Orchestermusiker plus Klavier) zum Sinfonieorchester heranzureifen bedeutet, Widrigkeiten noch und nöcher zu trotzen. Wie oft über die Jahrzehnte wurde das Theater fast geschlossen! Fast fusioniert! Fast zusammengestrichen! Welche Folgen das für den teuren Opernapparat gehabt hätte, kann sich jeder denken. Drei Sparten an einem kleinen Haus muss man sich erkämpfen und zu erhalten wissen, besonders mit der Großstadt vor der Tür. Wenn es zeitweise düster aussah, hielten sich die Musiker an dem Gedanken fest, sie könnten als Orchester weiterbestehen, unabhängig vom Theater. Es ist auch eine Historie, die eng mit der kulturellen Entwicklung dieser kleinen Stadt verbunden ist. Als Lüneburg sich (wieder) ein Theater leistete, 1946, begann es als reines Sprechtheater. Mit Kriegsende war die Bewohnerzahl durch Kriegsflüchtlinge und englische Besatzungstruppen um ein Drittel angeschwollen. Die Erlaubnis der britischen Militärregierung von 1945, kulturelle Veranstaltungen in einer Turnhalle stattfinden zu lassen, wurde aus Gründen der Zugangskontrolle umgemünzt in die Anordnung, dass die Stadt Lüneburg ein gemeinnützigen Zwecken dienendes Stadttheater zu gründen habe. Das tat sie dann auch gleich mit Musiksparte. 1947 wurde für die Aufführung von Operetten ein Salonorchester aus Berufsmusikern angestellt. Drei Jahrzehnte konzentrierte sich die Aufgabe des kleinen Ensembles hauptsächlich auf die leichte Muse in Gestalt von Operetten und Musicals. Kleine Wagnisse in Richtung Oper und Ballettmusik waren Herausforderungen, mit denen schließlich auch die Besetzung wuchs.
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15 RÄUME Aber so ein Orchester braucht Platz. Die „Lüneburger Bühne“ zog in eine ehemalige Turnhalle, die nach einem wenige Monate dauernden Umbau über einen Orchestergraben im Keller verfügte. Solch einen hatte das 1953 – leider lange nach der Stummfilmzeit – erbaute britische Besatzungskino nicht. Als die Stadt es für ihr Theater 1959 erwarb und erweiterte, machte der Orchestergraben Scherereien, weil Grundwasser in rauen Mengen an seiner Stelle auftrat, was die Fertigstellung verzögerte. Und als das neue Theater eröffnet wurde, waren weder Orchesterprobenräume vorhanden noch stimmte die Akustik. Drei Sparten wollen eben erst einmal untergebracht sein ... Bis zum nächsten großen Umbau 1996 probte das Orchester im Foyer. Ging dies nicht wegen einer Vorstellung, packten alle ihre Instrumente in einen Bus und fuhren nach Kaltenmoor, ins Johanneum. 36 Jahre lang. Zu eigenen Konzertreihen setzte das Theaterorchester ab Mitte der 1980er Jahre an (davor gab es sporadisch schlecht besuchte Matineen im Foyer). Kaum jedoch war durch den Umbau der Platz geschaffen, sich wie ein richtiges Konzertorchester zu empfinden, ging es voran. Man könnte es auf die Formel bringen: Kein Raum, keine Entfaltung – neue Räume, neue Träume. Bis Anfang der 2000er steigerte sich das Theaterensemble so, dass es zunächst bei den Meisterkonzerten einzelne Abende spielte und sie schließlich bis zum heutigen Tag zu ihrer Referenz und ihrem wichtigsten Markenzeichen machte. Diese Entwicklung bestätigte im Rückblick nicht nur die gewachsene spielerische Qualität des Orchesters, mit ihr wurden auch aus der Theaterkapelle die Lüneburger Symphoniker (denn so ein Kulturorchester braucht einen Namen!). In Rückkopplung änderte sich zwangsläufig mit ihrem In-Erscheinung-treten außerhalb des Theaters die kulturelle Landkarte der Stadt. Musiziert wurde in den Kirchen, dem Klosterhof, der Ratsbücherei, dem Glockenhaus, der Ritterakademie, dem Fürstensaal im Rathaus, im Kurpark und am Theater schon immer, viel von Kirchenchören und Gastensembles. Aber ein heimisches Orchester füllte plötzlich vor Ort eine Lücke, die vorher gar nicht vorhanden schien,
da die Hamburger Symphoniker als „Lüneburger Hausorchester“ (wie die LZ gerne schrieb) fungierten. Nun rückte die gesamte städtische Musikszene nach und nach näher zusammen: Für Oratorien konnte das Symphonie-Orchester herangezogen werden, die Chöre wirkten bei großen Konzerten im Theater mit, die Organisation klassischer Veranstaltungen ging vom städtischen Musikbeauftragten auf den Musikdirektor des Theaters über. Ein erneuter Synergieeffekt zwischen musikalischer Entfaltung und kultureller Entwicklung durch räumliche Möglichkeiten wurde im Jahr 2012 architektonisch provoziert, als die Musikschule neben das Theater zog. Beide städtische Institutionen profitieren davon: Der kleine, aber feine Konzertsaal in der Musikschule dient dem Orchester als Aufführungsort besonderer Projekte und Reihen wie z. B. der „Norddeutschen Kammerakademie“, einige der Musiker unterrichten gleich nebenan, ihre Schüler können an musikalischen Events des Theaters teilnehmen, einer der beiden großen Steinway-D-Konzertflügel wurde der Musikschule zum 50-jährigen Jubiläum als Dauerleihgabe 2017 zur Verfügung gestellt. Die Konzertpauken, spezielle Musikstühle sowie diverses Equipment teilen sich Orchester und Musikschule seit 2018 zum wechselseitigen Nutzen. Außerdem brachte die Eröffnung des Libeskind-Gebäudes der Leuphana-Universität Lüneburg im März 2017 neue Perspektiven für die Kultur- und somit auch Musiklandschaft. „Inmitten der alten Scharnhorst-Kaserne versinnbildlicht der Bau für alle sichtbar den Wandel, den Lüneburg in den letzten 30 Jahren vollzogen hat, nämlich weg von der Garnisonsstadt hin zur Kultur- und Bildungsmetropole“, erklärte Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mägde anlässlich der Einweihung. Das prestigeträchtige und teure Flaggschiff auf dem Universitätsgelände hat nicht nur Symbolcharakter für die Identität der Stadt, es bietet einen echten Mehrwert als kultureller Ort. Zur feierlichen Eröffnung konnten die Lüneburger Symphoniker das Audimax testen – ein akustisch reizvoller Konzertsaal, der geradezu einlädt, sich als Orchester in neuer Musik auszuprobieren und daran weiter zu wachsen. Wie der Zufall es so will, wurden die Lüneburger Symphoniker kurz darauf in die Exzellenzinitiative aufgenommen, eine schöne Koinzidenz: Die Stadt schafft den Raum für den Klang – und die Bedingungen verändern sich wie von Zauberhand.
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17 BEDINGUNGEN Selbstverständlich nicht ganz von allein und nicht immer zauberhaft. So ein Orchester kostet Geld. Erst 1987 erhielten die Orchestermitglieder des Theater Lüneburg einen Haustarifvertrag – nur 90 Prozent der damals offiziell niedrigsten Tarifvertragsstufe bei voller Dienstverpflichtung, aber immerhin. Bis dahin wurde jedes Jahr neu verhandelt und mit Wiedereinstellungszusicherungen sowie mit gesplittetem Weihnachtsgeld die lange, unvergütete Sommerpause überbrückt (eine bundesweite Singularität). Aufgrund von Haushaltsdefiziten wurden Produktionen Mitte der 90er weggekürzt, im Musiktheater gab es eine Operette weniger und kurz darauf, 1997, wurden die Gagen der Musiker bei weniger Diensten auf 80 Prozent gesenkt, was sich bis heute nicht geändert hat. Aus der Not eine Tugend machend, wurden die gestrichenen Vorstellungen im Musiktheater einerseits mit Konzerten gefüllt, andererseits fielen Dienste weg und die Orchestermitglieder suchten sich Nebenjobs wie das Unterrichten – was der Musikschule zugute kam –, um sich zu finanzieren. Dass unter diesen Bedingungen hervorragende Instrumentalisten nach Lüneburg zogen, ist der attraktiven Lage in der Mitte des Nordens in unmittelbarer Nähe zu Hamburg, Hannover und natürlich auch der Nord- und Ostsee ebenso zu verdanken wie der Wiedervereinigung, den magereren Kulturbudgets und der damit einhergehenden Schrumpfung des Stellenmarktes. Weil die Konkurrenz so stark ist, profitierten kleine Häuser mit hochkarätigen Vorspielen. Sowieso bewerben sich Musiker aus der ganzen Welt in Deutschland, auch die Lüneburger Symphoniker setzen sich vollkommen zeitgemäß multikulturell aus mehreren Nationen zusammen. Das hängt nicht zuletzt mit den immer noch funktionierenden Förderstrukturen im kulturellen Bereich zusammen. Die Exzellenz-Initiative des Bundes beruht auf einer Entscheidung der deutschen UNESCO-Kommission, die deutsche Orchesterlandschaft in das nationale Verzeichnis des Kulturerbes aufzunehmen. Diese Geste ging einher mit einem erfreulich offenen Verständnis von ‚Bewahrung’: Um dieses Erbe zu erhalten, müssen neue Wege beschritten werden. Solche auszuprobieren ist Wunsch und Wille der Lüneburger Symphoniker.
AUS DEM ALTEN WÄCHST UNBEKANNTES Während sie einerseits das treue (Abonnenten-)Publikum mit klassischen Programmen bedienen, beschreiten die Symphoniker parallel unbekannte Wege der Musikvermittlung, um ihren Wirkungskreis zu erweitern. Beides zusammen ist zukunftsweisend – und was großstädtische Orchester seit einiger Zeit effektvoll vermarkten, passiert in Regionen außerhalb bereits voller Ideenreichtum von langer Hand, obwohl sich die Bedingungen der Kulturrezeption (durch Medien und Wandel im Lebensstil) massiv verändert haben. Das sinnliche Erleben von Musik findet sein Publikum in allen Räumen, weil diese Erfahrung unersetzlich ist. Mit dieser Gewissheit und in Anbetracht seiner unvorhergesehenen Entwicklung – es hat bewiesen, dass ihm Quantensprünge von der Operette zu Honegger, Strawinsky, Glass möglich sind –, hofft das Orchester nicht nur auf Konsolidierung, sondern auf Wachstum. Wenn die Stadt ein wenig mitträumt, Land und Bund Gelder zur Verfügung stellen, kann mit mehr Stellen ein großes schlummerndes Potenzial geweckt werden. Die Musiker sind bereit, musikalische Zeichen für ihre Stadt und die Bewohner zu setzen. So ein Orchester sind die Lüneburger Symphoniker.
Dank gebührt Herbert Maus, Benedikt Manemann, Andreas Grüll, Wolfgang Söllner, Thomas Korr, Manfred Seer und Dorothea Lewandowski für ihre Bereitschaft, in einem längeren Interview aus der Orchestergeschichte zu berichten und einen Einblick in ihr Musikerleben zu geben.
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Der Weg — Auszug aus der Orchesterchronik 1945
gründen Dr. Robert Pessenlehner und Dr. Erdmann Werner Böhme unter dem Namen PHILHARMONISCHES ORCHESTER LÜNEBURG ein Kulturorchester in Lüneburg
28.10.1945
erstes Konzert des Philharmonischen Orchesters Lüneburg, das bis 1957 bestand; Übernahme einiger Musiker in das Orchester des Theaters
1968 1971/72
erstes Musical: KISS ME, KATE von Cole Porter
9.1.1977
Gründung des „Förderkreises“ (später „Freundeskreis“) für das Stadttheater, u. a. zur finanziellen Unterstützung für das Engagement von Gästen und Orchestermitgliedern
9.2.1980
PETER UND DER WOLF von Sergej Prokofieff – erstes Kinder- und Jugendkonzert des Orchesters des Stadttheaters Lüneburg unter der Leitung von Klaus Straube
1980
DER LIEBESTRANK von Gaetano Donizetti mit Ergänzungen aus der Originalpartitur, die sog. „Lüneburger Bearbeitung“ von Klaus Straube; Orchesterverstärkung mit 7 zusätzlichen, vom Freundeskreis finanzierten Musikern
1981/82
Feiern zum 150-jährigen Bestehen des Lüneburger Theaters (die Theatergeschichte reicht bis 1513 zurück)
1981
konzertante Aufführung der Oper DIE BEIDEN SCHÜTZEN von Albert Lortzing anlässlich seines 180. Geburtstags und seines Auftretens in Lüneburg im Jahr 1850 Etablierung des Kinder- und Jugendtheaters; ehrenamtliche Inszenierung der Kinderoper KLIMKA, DER MEISTERDIEB mit Kinder-Darstellern aus Lüneburg; KÖNIG BLAUBART wird in der alten Oper Frankfurt aufgeführt
1946
Neugründung der Lüneburger Bühne unter dem Rat der Stadt
1947
Einstellung eines Salonorchesters (11 Musiker: Flöte, Klarinette, Trompete, Posaune, 3 Violinen, Cello, Kontrabass, Schlagzeug und Klavier)
5.4.1947
Wiedereröffnung des Theaters mit dem musikalischen Lustspiel DIE FRAU OHNE KUSS von Walter Kollo
1947/48
Verstärkung des Orchesters und Einrichtung einer Dirigentenposition für „Gesangsoperetten“, Etablierung als Zweispartentheater
1948/49
Etablierung eines Theaterchores aus einem bis dahin lose zusammengefügten, bei Bedarf eingesetzten Laienchor; in derselben Spielzeit Aufbau einer Tanzgruppe
1982
1950
Verkürzung der Spielzeit, Verkleinerung des Ensembles und des Orchesters, Allgemeinkündigung des Theatervertrages durch den Rat der Stadt und Neuorganisation des Theaterbetriebs unter Intendant Willie Schmitt
1982/83
ab 1951 bis 1974
nur noch achtmonatige Spielzeit, die Musiker sind in den Sommermonaten arbeitslos
1960
drohende Fusion mit Landesbühne Niedersachsen-Mitte, einer reinen Sprechbühne
1960
Umbau des „Globe-Cinema“ für die Lüneburger Bühne
1.10.1961
Matinee, festliche Einweihung des neuen Stadttheaters mit dem Niedersächsischen Symphonie-Orchester aus Hannover
1961
sehr erfolgreiche „Märchenspiele“ mit Ballett und vollem Orchester, Musik von Hünke von Podewills
1962
erste Oper: DIE VERKAUFTE BRAUT von Friedrich Smetana, das Orchester ist durch den Musikkorps der Bundeswehr verstärkt, es folgen 1963 die Opern DER WAFFENSCHMIED von Albert Lortzing und 1964 FRA DIAVOLO von DanielFrançois-Esprit Auber
31.3.1964
Umbenennung in Stadttheater Lüneburg
1964–67
Kurmusik des Orchesters in der Sommerpause, 1968 in 7-Mann-Besetzung
1965
Lortzing, ZAR UND ZIMMERMANN mit Verstärkung durch 10 Staatsopernmusiker zur Aushilfe aus Hamburg (woraus eine Kooperation folgte, die wenige Jahre andauerte)
Partnerschaft mit Harburg, Operetten-Gastspiele
starke Sparmaßnahmen
1983
RIGOLETTO von Giuseppe Verdi mit Verstärkung, finanziert durch den Freundeskreis; Ballett DER FEUERVOGEL von Igor Strawinsky
1985
Thomas Beyer, neuer Intendant, kündigt mit Oberstadtdirektor Dr. Reiner Faulhaber (Mitbegründer des Fördervereins) an, dass sie „zu einer 10 Monate laufenden Spielzeit“ kommen wollen
1985/1986
unter Leitung von Heinz Klaus vier Matineen, ein Konzert und ein Neujahrskonzert
1986
Kooperationsvereinbarung zwischen Theater und Hochschule Lüneburg mit einer Arbeitsgruppe Theaterdidaktik; unter Partizipation von Kindergärten, Schulen, Volkshochschule, Jugendzentren und psychiatrischen Einrichtungen
ab 1986/87 1987
ab 1990 1990
13.9.1991
eigene Orchesterkonzertreihe das Orchester erhält den Status eines „Kulturorchesters“ – die Mitglieder erhalten einen Haustarifvertrag (bis dahin Zeitverträge mit Wiedereinstellungszusage) und eine Altersabsicherung durch die Bayerische Versorgungskammer ganzjährige Spielzeit deutsche Erstaufführung des Musicals METROPOLIS von Joseph Brooks nach Kauf der Rechte; bundesweite Werbeaktion unter dem Motto EINE STADT KAUFT SICH EIN MUSICAL mit überregionalem Echo 1. Konzert unter Michael Dixon mit Wagner, Wolf und Milhaud im Programm
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21 2.2.1994
Besuch des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder auf Einladung des Intendanten Aust und Lüneburger Politikern zur Generierung von Geldern für die Sanierung des Theatergebäudes, Zusage der Staatskanzlei im März
1994
Volker Schmidt-Gertenbach, Musikbeauftragter der Stadt Lüneburg, nimmt das Orchester in die Meisterkonzert-Reihe auf; Michael Dixon wird für seine Leitung und die Entwicklung des Orchesters vom Landkreis mit dem „Kulturpreis“ ausgezeichnet
1995
Überlegungen zur Entlassung des kompletten Orchesters während der Umbauzeit werden von Intendant Jan Aust und Reiner Faulhaber abgewehrt.
1995/96
Umbau des Theaters, Erweiterung und Orchesterprobenräume; unter großem logistischen Aufwand Spielzeit im Theaterzelt auf den Sülzwiesen, Eröffnung mit DAS FEUERWERK von Paul Burkhard; die bis dahin umfangreichste Produktion mit 150 Darstellern (u.a. verdoppelte Orchesterstärke) findet im Zelt statt: ein zweiteiliger Ballettabend von Ingrid Burmeister zur Musik von Carl Orffs CARMINA BURANA; erneute Probleme mit der Restfinanzierung des Umbaus – drohende Spartenschließung
1996
Aufführung von Arthur Honeggers Mysterienspiel KÖNIG DAVID in der St. Michaeliskirche
Musikalische Leiter Erste Kapellmeister 1946/47
Thorsten von Podewils
1948/49
Heinz Gottwaldt
1949–1955
Bernhard Kliemchen
1955/1956
Hans Mayer
1956–1958
Peter Schulz
1958–1961
Siegbert Mees
1961–1963
Ulrich Hollmann
1964/65
Gottfried Stein
1965/66
Rolf Sahm
26.10.1996
Wiedereröffnung des sanierten Theaters mit Konzert des Theaterorchesters und abendlicher Premieren-Gala
1997/98
Einführung eines beim Publikum erfolgreichen neuen Konzeptes unter Musikdirektor Wolfgang Balzer, das die Moderation von Konzerten beinhaltete
1999
Umbenennung des Theaterorchesters in „Lüneburger Sinfoniker“ unter Musikdirektor Urs-Michael Theus, mehr Konzerttätigkeit mit Reihe „Neue Meisterkonzerte“: je drei Gastkonzerte und drei Konzerte des Lüneburger Orchesters
1999/00
Etablierung einer kleinen Kammermusikreihe im Orchesterprobenraum mit wechselnden Formationen aus dem Orchester
1975–1979
Norbert Heinel
Ballett UNDINE mit Musik von Hans Werner Henze
1979–1985
Klaus Straube
Igor Strawinskys Oper THE RAKE’S PROGRESS
1985–1991
Heinz Klaus
Schreibweise „Lüneburger Symphoniker“; zunehmende Etablierung des Orchesters als fester Bestandteil der norddeutschen Orchesterlandschaft; erstes Weihnachtskonzert, mehr Konzerttätigkeit mit Familien- und Kammerkonzerten
1991–1996
Michael Dixon
1996–2001
Sierd Quarré
1996–1998
Wolfgang Balzer
1998–2013
Urs-Michael Theus
2003 2006/07 2013
ab 2013/2014
unter dem neuen Musikdirektor Thomas Dorsch Einführung der Konzertreihe „Die Norddeutsche Kammerakademie“ mit historischer Aufführungspraxis, verstärkt Auftritte im gesamten norddeutschen Raum
ab 2018
die Lüneburger Symphoniker werden durch die Initiative „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“ gefördert
1966–1968
Albert Limbach
1967–1973
Peter Klier
1972–1975
Ernst Barthel
Musikdirektoren
Generalmusikdirektor seit 2013
Thomas Dorsch
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„Die Gedanken sind frei …“ Spielzeit 2018/19 Das titelgebende Motto der Spielzeit 2018/19 steht im Zeichen der freiheitlichen Werte, die sich über die Umbrüche und Restaurationsbestrebungen im 19. Jahrhundert hinweg behaupteten und mit diesem bekannten Lied verfochten wurden. Angesichts der immer häufigeren Konfrontation damit, dass Werte unseres Zusammenlebens, die wir für unverrückbar hielten, anscheinend doch ins Wanken geraten können, steht diese Volksweise für die Aufforderung, zurückzuschauen und hinzuschauen, musikalisch wie politisch. Unser demokratisches Verständnis von einer weltoffenen und toleranten Gesellschaft scheint nicht so selbstverständlich, wie bislang angenommen. In Zeiten wie diesen bedarf es der kulturellen Selbstvergewisserung mehr denn je: Es gilt, die Errungenschaften der Mütter und Väter Europas zu verteidigen, aber ebenso die Herausforderungen der Zukunft beherzt anzugehen und Tradition fortzuschreiben. Mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen – hier mit der Kraft der Musik, an die wir fest glauben. Schließlich spricht sie eine Sprache, die Brücken schlägt und zu einer weltweiten Verständigung beiträgt.
Die Meisterkonzerte MEISTERKONZERT NO. 1 Foxtrott mit der Macht
Klarinette Bettina Aust Lüneburger Symphoniker Dirigent Thomas Dorsch Oft sind der Druck äußerer Umstände oder unerwartete politische Ereignisse inspirierende Auslöser für die Komposition großartiger Werke. Sei es der weltweit als diplomatischer Erfolg gewertete Antrittsbesuch des damaligen amerikanischen Präsidenten Richard Nixon 1972 in China für John Adams, oder die Angst um das eigene Leben in Zeiten des Krieges und des Terrors für Bela Bartok. Im ersten Konzert der Spielzeit erleben Sie wegweisende Meisterwerke, die zugleich als wichtige Denkmäler der Zeitgeschichte den Spagat zwischen Utopie und Realität vor Augen führen. John Adams „The Chairman Dances“ Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur KV 622 Bela Bartok Konzert für Orchester Sz 116 01.09.2018, 20 Uhr / VERDO Hitzacker (Elbe) 02.09.2018, 19 Uhr / Großes Haus
Ganz in diesem Sinne erwartet Sie eine Saison, die sich musikalisch mit unseren nationalen Wurzeln in einer immer globaleren Welt auseinandersetzt. In den Meisterkonzerten widmen wir uns tiefen menschlichen Sehnsüchten und utopischen Assoziationsräumen. Vom beginnenden 20. Jahrhundert ausgehend, richten wir den Blick auf die Romantik und hinterfragen deren Ideale neu.
Die junge Klarinettistin Bettina Aust wurde 2014 mit dem 1. Preis sowie mit fünf Sonderpreisen beim Internationalen Musikwettbewerb Markneukirchen ausgezeichnet und gewann 2015 den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs. Außerdem hat sie sich in der nationalen und internationalen Kammermusikszene mit ihren Ensembles „Duo Aust“ und „Rheingold Trio“ profiliert. Konzertreisen führten sie zuletzt in zahlreiche Länder Europas sowie nach Mexiko, Guatemala, Nicaragua und El Salvador. Als Solistin konzertiert Bettina Aust regelmäßig mit Orchestern wie dem Beethoven-Orchester Bonn, dem Stuttgarter Kammerorchester oder dem Philharmonischen Orchester Lübeck. Seit 2014 ist sie Solo-Klarinettistin der Augsburger Philharmoniker.
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MEISTERKONZERT NO. 2
MEISTERKONZERT NO. 3
Franka Kraneis (Sopran), Signe Heiberg (Sopran), Gulliermo Valdés (Tenor), Christian Oldenburg (Bariton), Milcho Borovinov (Bass) Lüneburger Symphoniker Dirigent Thomas Dorsch
Bariton Christian Oldenburg Lüneburger Symphoniker Dirigent Thomas Dorsch
Vissi d’arte – Sternstunden der Oper in der Adventszeit
In Vorfreude auf das Weihnachtsfest präsentieren Ihnen die Lüneburger Symphoniker eine ganz besondere Gala. Lassen Sie sich von einem hochkarätigen Gesangsensemble verzaubern und in die strahlende Welt der Oper entführen. Als Gäste begrüßen wir den Bariton Christian Oldenburg, der 2017 sein Debüt an der Mailänder Scala gab, sowie den chilenischen Heldentenor Gulliermo Valdés, der bereits im Neujahrskonzert 2018 für Furore sorgte. Milcho Borovinov wird mit seinem sonoren Bass mitreißende Szenen aus LA BOHÈME darbieten. Die drei Gäste bilden zusammen mit den Ensemblemitgliedern Signe Heiberg und Franka Kraneis ein hochkarätiges Solistenquintett für diesen feierlichen Abend.
Rausch und Verführung
Es sind Helden wie Don Juan oder der junge Musiker aus Berlioz’ SYMPHONIE FANTASTIQUE, die über die Jahrhunderte hinweg auf Generationen von Menschen eine starke Faszination ausübten. Ihre Geschichte und ihre Abenteuer spiegeln unsere tiefen, oft verborgenen Sehnsüchte – die Geheimnisse und innersten Wünsche unserer Seele. Rausch und Verführung sind es, die die Balance zwischen Herz und Verstand aus dem Gleichgewicht bringen. Aber ist es nicht auch eine Chance, eigene Grenzen zu überschreiten, wenn die Welt vermeintlich aus den Fugen gerät?
Belcanto: Arien, Duette und Ensembles von Rossini bis Puccini
Richard Strauss „Don Juan“ – Tondichtung op. 20 Gustav Mahler Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ Hector Berlioz „Symphonie fantastique“ op. 14
08.12.2018, 20 Uhr / Großes Haus 09.12.2018, 19 Uhr / Jabelmannhalle Uelzen
26.01.2019, 20 Uhr / VERDO Hitzacker (Elbe) 27.01.2019, 19 Uhr / Großes Haus
Der chilenische Tenor Guillermo Valdés ist Preisträger des Internationalen Gesangwettbewerbs „Maria Callas“ in Sao Paulo, Brasilien. Zudem ist er seit 2014 Stipendiat der Stiftung „Ibáñes-Atkinson“ und seit 2011 Stipendiat der chilenischen Stiftung „Amigos del Teatro Municipal de Santiago de Chile“, die hervorragende junge Künstler auf internationaler Ebene fördert. Sein Debut im Jahr 2011 feierte Guillermo Valdés als Paco der Oper LA VIDA BREVE von Manuel de Falla und als Tamino in der ZAUBERFLÖTE von W. A. Mozart. Von 2001 bis 2010 studierte er Operngesang in seiner Heimatstadt Santiago. Seit 2013 erarbeitet er seinen Master im Fach Gesang an der Musikhochschule Freiburg bei Prof. Reginaldo Pinheiro. Darüber hinaus bekam er wertvolle musikalische Impulse von Plácido Domingo, bei dem Guillermo Valdés 2012 einen Meisterkurs in Santiago de Chile als aktiver Teilnehmer erfolgreich absolvierte. Der bulgarische Bass Milcho Borovinov studierte an der Musikakademie in Sofia und an der Kunstuniversität Graz. Er war Ensemblemitglied an der Vlaamse Opera in Antwerpen und des Theaters Bern und war dort u. a. in Rollen wie Fürst Gremin (EUGEN ONEGIN) als Cesare Angelotti in TOSCA zu erleben war. Mit Beginn der Saison 2011/12 wechselte er an die Oper Leipzig, als Gast tritt er u. a. an der Staatsoper Berlin, der Semperoper Dresden und am Nationaltheater Mannheim auf. Bei den Osterfestspielen Salzburg 2013 debütierte der Sänger unter Christian Thielemann als Titurel in PARSIFAL und wurde auch für die Übernahme dieser Produktion in Peking im Herbst 2013 engagiert. Weitere Stationen seiner Sängerkarriere sind u. a. das Teatro dell‘Opera di Roma, die Deutsche Oper am Rhein und das Slowakische Nationaltheater in Bratislava.
Der Bariton Christian Oldenburg ist in Husum/Nordsee geboren und absolvierte zunächst eine klassische Tanzausbildung in Kiel und Hamburg. Er erweiterte diese um ein Gesangsstudium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin bei Renate Faltin und Julia Varady. Meisterkurse für szenische Gestaltung bei Willy Decker und Peter Konwitschny sowie für Liedinterpretation bei Wolfram Rieger rundeten seine Ausbildung ab. Seither war Christian Oldenburg als Solist sowohl im Konzert als auch im Opernbetrieb u. a. in der Berliner Philharmonie, im Konzerthaus Berlin, im Leipziger Gewandhaus sowie im Festspielhaus Hellerau tätig. Konzertreisen führten ihn mittlerweile in die Schweiz, in die Ukraine, nach Ägypten, Israel, Dänemark und Italien. 2017 gab er sein Debüt an der Mailänder Scala. Christian Oldenburg war am Theater Lüneburg u. a. in DIE HOCHZEIT DES FIGARO in der Titelrolle zu erleben und übernimmt in der Spielzeit 2018/19 die Rolle des Marcello in LA BOHÈME.
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MEISTERKONZERT NO. 4
MEISTERKONZERT NO. 5
Lüneburger Symphoniker Dirigent Christian Simonis
Klavier Fabian Müller Lüneburger Symphoniker Dirigent Thomas Dorsch
„Überm Sternenzelt …“
„Natur und Kunst sind zwei verschiedene Dinge. Durch die Kunst drücken wir unsere Auffassung von dem aus, was die Natur nicht ist.“ (Pablo Picasso) Das Horn ertönt aus weiter Ferne und öffnet das Tor zur Natur. Anton Bruckner ging es in seiner 4. Sinfonie nicht um naturalistische Programmatik. Vielmehr steckt die Kraft der „Romantischen“ in der Symbolik, die der tiefgläubige Katholik entwirft – sie ist getragen von einer Sehnsucht nach Gott, wie sie auch Johann Sebastian Bach und Arvo Pärt inspirierte. Kunst ist das, was Natur nicht ist, sie ist ein Versuch, Transzendenz zwischen Irdischem und Überirdischem zu schaffen. Arvo Pärt Cantus in Memory of Benjamin Britten Johann Sebastian Bach Doppelkonzert d-Moll, rekonstruiert nach BWV 1060 Anton Bruckner Sinfonie Nr. 4 WAB 104 „Die Romantische“ 16.03.2019, 20 Uhr / Kurhaus Bad Bevensen 17.03.2019, 19 Uhr / Großes Haus
Davidsbündler
Im Geiste Jean Pauls erschuf der junge Schumann den fiktiven Kreis der „Davidsbündler“. Neben Florestan und Eusebius gehörten auch Figuren, deren Charaktere durch lebende und teils verstorbene Künstlerinnen und Künstlern inspiriert waren – unter anderem Beethoven, Clara Schumann (Chiara) oder Mendelssohn (Meritis) – dem Bund an. Gemeinsam zogen sie los, um die neuen Ideale der Kunst gegen ein reaktionäres Spießbürgertum zu verteidigen. Das Verhältnis zwischen Johannes Brahms und der Familie Schumann war von wechselseitiger Verehrung geprägt — ob Brahms wohl Platz in dem erlesenen Kreis der Davidsbündler gefunden hätte? Clara Schumann Valses romantiques pour le Piano op. 4 für Orchester gesetzt Robert Schumann Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 Johannes Brahms Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 83* 27.04.2019, 20.00 Uhr / Kurhaus Bad Bevensen 28.04.2019, 19 Uhr / Großes Haus * In Bad Bevensen: Felix Mendelssohn-Bartholdy Konzert für Violine und Orchester, e-Moll op. 64 , Solist Violine: Konradin Seitzer
Christian Simonis, 1956 in Wien geboren, studierte nach seiner Zeit als Wiener Sängerknabe an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst und am Konservatorium seiner Heimatstadt. Bereits als 17-Jähriger gründete er das Jeunesse-Kammerorchester (1973–1980). Prof. Hans Swarowsky bezeichnete seinen Schüler als eine „wienerische Urbegabung“. Für die Bad Reichenhaller Philharmoniker (1985–1990), das Göttinger Symphonie Orchester (1990–2005) und die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie (2005–2013) trug Christian Simonis die Verantwortung als Chefdirigent. Zahlreiche Ehrungen sind Zeichen der Wertschätzung seiner Arbeit. Simonis ist mit den verschiedenen Epochen und Genres der Musik vertraut, unter anderem dirigierte er Zyklen der Symphonien von Gustav Mahler, Anton Bruckner, Jean Sibelius und Dmitri Schostakowitsch. 2015 beriefen die Bad Reichenhaller Philharmoniker Christian Simonis erneut zu ihrem Chefdirigent.
Fabian Müller konnte sich in den letzten Spielzeiten als einer der bemerkenswertesten deutschen Pianisten seiner Generation etablieren. Für großes Aufsehen sorgte er 2017 beim Internationalen ARD-Musikwettbewerb in München, bei dem er nicht nur den 2. Preis in der Gesamtwertung belegte, sondern gleich vier Zusatzpreise erhielt. Die Süddeutsche Zeitung kommentierte seine Aufführung von Beethovens drittem Klavierkonzert im Rahmen des Wettbewerbs: „Eminent klar, durchsichtig, spannungsvoll in jeder Phrase und in jedem Ton war das musiziert. So kontrolliert und rund im Anschlag, aber immer mit feinem Ausdruck und Sinn für Struktur und Spannungsverläufe zu spielen, ist ein Glücksfall.“ Bereits 2013 machte Fabian Müller erstmals vor einem großen Fachpublikum von sich reden, als er beim internationalen Ferruccio-Busoni-Klavierwettbewerb in Bozen mit dem Internationalen Pressepreis, einem Sonderpreis für die beste Interpretation eines Werkes von Ferruccio Busoni sowie mit dem Sonderpreis für die Interpretation zeitgenössischer Klaviermusik ausgezeichnet wurde.
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MEISTERKONZERT NO. 6 In Visions of the Dark Night
Violoncello Wolfgang Emanuel Schmidt Oldenburgisches Staatsorchester Dirigent Thomas Dorsch „In visions of the dark night / I have dreamed of joy departed / But a waking dream of life and light /Hath left me broken-hearted“ – Der erste Vers des Gedichtes „A Dream“ von Edgar Allan Poe deutet es an: Eine künstlerische Idee ist vielfach geboren aus dem dunklen Reich des Unbewussten und des Traumes. Hierauf beruht auch die wahre Größe von Antonín Dvořák und Edward Elgar – aus einer Vision heraus schöpften sie Werke von epochaler Größe. Elgar empfing seine Melodie am Morgen nach einer lebensbedrohlichen Operation, Dvořáks Gefühle für sein Vaterland spielten ihm ein Thema zu. Benjamin Brittens „Four Sea Interludes“ wiederum zeichnen ein bedrohliches Bild des Meeres und führen uns in die Tiefen der menschlichen Seele. Benjamin Britten Four Sea Interludes from „Peter Grimes” op. 33a Edward Elgar Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll op. 85 Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70 16.06.2019, 19 Uhr / Großes Haus
Wolfgang Emanuel Schmidt gewann bereits während seines Studiums zahlreiche Wettbewerbe, darunter den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs in Bonn und weitere Wettbewerbe im In- und Ausland. Er spielt Konzerte in Europa, Russland und den USA als Solist mit renommierten internationalen Orchestern wie u. a. dem Gewandhausorchester Leipzig, der Sinfonia Varsovia und dem Tokyo Symphony Orchestra. Dazu widmet er sich intensiv der Kammermusik, er war Mitglied der Chamber Music Society of Lincoln Center in New York und bildet mit Jens Peter Maintz das Cello-Duo „Cello Duello“. Neben seiner Konzerttätigkeit als Solist konzertiert er zunehmend auch als Dirigent an verschiedenen Häusern in Deutschland und im europäischen Ausland. Wolfgang Emanuel Schmidt lehrt als Professor an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar, der Universität der Künste Berlin sowie an der Kronberg Academy.
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Die Lüneburger Symphoniker Streicher Markus Menke Mami Ikuta
Konzertmeister Stellvertretende Konzertmeisterin
Bläser Manfred Seer Idan Levi
N.N.
Violine I
Thomas Korr
Ivan Neykov
Violine I
Alexander Eissele
Gabriele Wiethe
Violine I
Wiltrud Menke
Violine I
Mari Sakai
Stimmführerin Violine II
Andreas Bollwinkel Asako Sugihara
Anna Behrens
Violine II
Andreas Grüll
Violine II
Benedikt Manemann
Dorothea Lewandowski
Violine II
Stephan Schoock
Antje Dampel Wolfgang Söllner
Viola Solo Viola
Ivan Yefimov Vasile Rus Karin Knobloch
Daniel Munck
Violoncello
Rita Arkenau-Sanden
Hyunkil Oh
Violoncello
Dirk Jeß Steffen Happel
Ulrike Setz Christoph Schmitz
Flöte Klarinette Solo Klarinette, Bassklarinette Oboe Solo Oboe und Englischhorn Fagott Solo Fagott, Kontrafagott Horn Solo Horn Horn (Zeitvertrag)
Violoncello Solo
Julia Schumann
Herbert Maus
Flöte Solo
Trompete Solo Trompete Posaune
Kontrabass Solo Kontrabass Kontrabass Solo
Clemens Bütje
Solopauke, Schlagzeug
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Markus Menke
Aus Freude am Entdecken
ERSTER KONZERTMEISTER
Die Norddeutsche Kammerakademie Markus Menke erhielt seinen ersten Geigenunterricht bei dem US-amerikanischen Geiger Mischa Vajagich. Im Alter von 17 Jahren wurde er als Jungstudent in die Klasse von Prof. Werner Neuhaus an der Kölner Musikhochschule aufgenommen. Nach dem Abitur setzte er sein Studium in der Klasse von Werner Neuhaus fort und schloss dieses erfolgreich mit der künstlerischen Reifeprüfung ab. Danach absolvierte er ein Aufbaustudium bei Prof. Helfried Fister in Klagenfurt. Direkt im Anschluss folgte sein erstes Engagement am hessischen Staatstheater Wiesbaden. Weitere Stationen waren das Staatstheater am Gärtnerplatz in München, das Netherland Symphonie Orchestra und das Philharmonische Orchester Bad Reichenhall. Seit 2001 ist Markus Menke 1. Konzertmeister der Lüneburger Symphoniker und künstlerischer Leiter der Kammerkonzertreihe des Theaters.
Samstagabend, die Spannung steigt: Opernpremiere im Orchestergraben des Großen Hauses. Sonntag, auf der Bühne liegen die Noten für ein Familienkonzert auf dem Pult. Bereits Dienstagmorgen um 10 Uhr erklingt in der Probe der erste Ton für das nächste Meisterkonzert, das zwei Wochen später im Spielplan angekündigt ist. Ballett-, Musical- und Operettenvorstellungen aus dem Repertoire gehören ebenso zum Alltag wie Schulbesuche, Kammermusik, das Kirchenkonzert oder eine große Freiluftgala. Die Aufgaben eines Sinfonieorchesters am Theater sind vielfältig und umfangreich. Das Repertoire, das die Musiker stilsicher beherrschen müssen, erstreckt sich von der frühen Barockmusik bis hin zu zeitgenössischen Uraufführungen. Seit einigen Jahren widmen sich die Lüneburger Symphoniker zudem im Rahmen der Norddeutschen Kammerakademie, die sich mittlerweile zu einer weiteren wichtigen Säule der Konzertsparte entwickelt hat, verstärkt der historischen Aufführungspraxis. Dabei geht es nicht darum, als Spezial-Ensemble für alte Musik in Erscheinung zu treten, sondern vielmehr um die Erforschung von Partituren aus Neugier und Freude und darum, die Erkenntnisse aus historischen Quellen auf ein modernes Orchester zu übertragen. Die Norddeutsche Kammerakademie ist das Klanglabor der Lüneburger Symphoniker. Ein besonderes Charakteristikum hier ist, dass die Musiker ihr modernes Instrumentarium durch historische Blechblasinstrumente ergänzen und somit das Farbspektrum des Ensembles erweitert wird. Ein weiteres Merkmal ist die Dramaturgie der Konzerte, die alle moderiert werden, was der Reihe eine eigene Dynamik verleiht: Es werden musikhistorische und gesellschaftsrelevante Themen betrachtet, wodurch die Musik immer in einem Kontext steht und das Hören des vermeintlich Bekannten zu einem neuen Erlebnis wird. Der Erfolg des eingeschlagenen Weges spricht für sich. Neben einer ersten CD-Einspielung mit Kompositionen des 18. Jahrhunderts gab es Gastspiele im gesamten Norddeutschen Raum sowie bereits zwei Konzertzyklen der Norddeutschen Kammerakademie in Lüneburg selbst. 2016/17 interpretierte der Pianist Gerrit Zitterbart gemeinsam mit den Lüneburger Symphonikern alle Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven jeweils auf einem Klavier aus der Entstehungszeit, was den Werken deutliche, charakteristische Konturen gab und die Seele von Beethovens Musik ganz im Geist der frühen Romantik beschwor. Die darauffolgende Saison (2017/18) richtete den Fokus mit drei aufeinander bezogenen Konzerten unter dem Motto „Schläft ein Lied in allen Dingen …“ auf die Entstehung des Bürgertums. Beginnend mit Musik am Hofe eines feudalen Systems über die Entstehung des ersten Musikmarktes im 18. Jahrhundert bis zum Geniekult um Richard Wagner ging es um die Thematik, in welchem Verhältnis Musik zu gesellschaftlichen Umbrüchen steht, welchen Stellenwert sie dabei hat und wie die Wechselwirkungen aussehen. Wenn Musik repräsentieren kann, so die Frage, kann sie dann auch demokratisch sein?
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WENDEPUNKTE NO. 2
Richard Strauss – zwischen Kaiser und Katastrophe „Viele Wege führen nach Rom, nur der Mittelweg nicht“ (Arnold Schönberg). Der Übergang vom 19. Jahrhundert in die beginnende Moderne steckte voller Brüche. Kaum eine andere Epoche war in ihren Anfängen radikaler und gegensätzlicher. Während in Wien Konzerte in Schlägereien endeten oder Komponisten wie Igor Strawinsky mit Ballettaufführungen Skandale verursachten, arbeiteten Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal an einer modernen Opera Buffa nach dem Vorbild Wolfgang Amadeus Mozarts. Es ist das Spannungsfeld zwischen romantischer Verklärung und dem Pulvergeruch der kommenden Katastrophe, in dem sich Richard Strauss bewegt. Doch wer war er, der Komponist des Rosenkavaliers, der bis zu seinem Tod 1949 den deutschen Kaiser verehrte?
„Wendepunkte“ Die Norddeutsche Kammerakademie 2018/19 Wendepunkte sind Momente, in denen sich Dinge verändern und Prozesse einen anderen, oft unerwarteten Lauf nehmen. Unser Leben ist reich an kleinen und größeren Wendepunkten, die unseren Alltag ausmachen und häufig unser Antrieb sind. Mit drei Komponistenporträts tauchen wir in unterschiedliche Musikepochen ein und erzählen Ihnen in moderierten Konzerten Musikgeschichte(n). Diese Spielzeit erwartet Sie eine Reise in das Leben von Georg Friedrich Händel, Wolfgang Amadeus Mozart und Richard Strauss – alle drei Komponisten waren Genies ihrer Zeit, die unter dem Einfluss gesellschaftlicher Phänomene große Kunst schufen. Sie prägen damit nachkommende Musikergenerationen bis auf den heutigen Tag und werden gewürdigt als Wendepunkte der Musikgeschichte sowie als künstlerisches Spiegelbild der Menschheit.
WENDEPUNKTE NO. 1
Georg Friedrich Händel - Musik vereint Europa Man kann Georg Friedrich Händel sicher als ersten europäischen Komponisten von Weltrang bezeichnen: aufgewachsen in Deutschland, Ausbildung in Italien, Karriere in England, wo er heute sogar als Nationalkomponist gilt. Erleben Sie ein Konzert mit (un-)bekannten „Ohrwürmern“ und hören Sie den musikalischen Beweis, dass Händel bereits vor 300 Jahren im Auftrag der UEFA arbeitete! Lüneburger Symphoniker Dirigent Phillip Barczewski Moderation Kristin Thielemann Werke von Georg Friedrich Händel und Zeitgenossen 14.10.2018, 11.30 Uhr / Forum der Musikschule der Hansestadt Lüneburg
Lüneburger Symphoniker Dirigent Ulrich Stöcker Moderation Phillip Barczewski Auszüge aus Werken von Wolfgang Amadeus Mozart, Arnold Schönberg, Igor Strawinsky sowie die „Walzerfolge aus dem Rosenkavalier“ von Richard Strauss 10.02.2019, 11.30 Uhr / Forum der Musikschule der Hansestadt Lüneburg
WENDEPUNKTE NO. 3 Mozart und die Religion
„Wolfgang Amadeus Mozart? Ich komme, um ein Werk bei dir in Auftrag zu geben, eine Totenmesse.“ – Die eindrucksvolle Szene aus dem Stück „Amadeus“, in der ein unbekannter maskierter Bote Mozart mit dem Requiem beauftragt, offenbarte spätestens in dem fiktiven Szenario des gleichnamigen Films einem breiten Publikum das Ringen des Komponisten mit dem Tod und Gott. Als Mozarts Hauptgenres sind vermutlich vor allem die Opern, Konzerte und Sinfonien bekannt. Doch welchen Stellenwert hatte die Kirchenmusik, der Glaube und die Religion im Leben des Genies, der ebenso den Geist der Aufklärung atmete? Zu Gast ist der Theologe Karl Tetzlaff, mit dem wir uns gemeinsam dieser Frage anhand des Opernschaffens und der „Krönungsmesse“ KV 317 widmen. Lüneburger Singakademie Lüneburger Symphoniker Dirigent Phillip Barczewski Moderation Karl Tetzlaff Wolfgang Amadeus Mozart: Auszüge u. a. aus den Opern „Don Giovanni“, „La Clemenza di Tito“ und „Die Zauberflöte“, Krönungsmesse C-Dur KV 317 12.05.2019, 11.30 Uhr / Forum der Musikschule der Hansestadt Lüneburg
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#edufantastisch Die pädagogischen Projekte Der Edufant, das ist ein Elefant, der fantastische Education bietet. In dieser Gestalt halten wir für Neugierige jeden Alters etwas bereit – der Edufant lädt zum Musikentdecken und Mitmachen ein.
Der Elefant als Wappentier des Theater Lüneburg Von außen betrachtet, fällt am Theater Lüneburg zunächst der Elefant auf. Er steht auf dem Dach, aber klein und golden leuchtet er als Logo überall dort, wo das Theater auf sich aufmerksam macht. Das 300 kg schwere Tier – für einen Elefanten ein Leichtgewicht! – ist aus Styropor. Es wurde ursprünglich für eine Produktion der Operette DER VETTER AUS DINGSDA angefertigt. Als Wappentier ist er auf den zweiten Blick sehr sinnig: Er sieht gut aus und bietet sich als Assoziationsfläche an – als Sinnbild für Kraft, Glück und langes Leben, für Stärke, Intelligenz, Energie, Geduld und Souveränität. Seit der Spielzeit 2016/17 steht er auch Pate für das Education-Programm der Konzertsparte. Als Edufant hält er für Neugierige jeden Alters etwas Edufantastisches zum Entdecken bereit.
Zu den Aufgaben eines Kulturorchesters gehört die Musikvermittlung, sie ist auch fester Bestandteil des Tätigkeitsfeldes der Lüneburger Symphoniker. Das Theater Lüneburg pflegt eine lange theaterpädagogische Tradition, der sich das Orchester mit vielfältigen musikpädagogischen Projekten angeschlossen hat. Musik kann ein großes Geschenk und ein kraftvoller Impulsgeber zur Gestaltung des eigenen Lebens sein, sie hat Anteil an der Bildung und dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft. So unumstritten die Bedeutung dieser Erkenntnis ist, will sie doch mit konkreten Ansätzen erst einmal eingelöst werden – und gute Ideen gewinnen bedeutend an Wirksamkeit, wenn sie intensiv vor- und nachbereitet sind und regelmäßig durchgeführt werden. Darauf zielen die musikalischen Lernprojekte in verschiedenen Formaten ab, die die Orchestermitglieder einzeln mit ihren Instrumenten oder als Ensemble gestalten. Das Orchester hat keinen hauptamtlich angestellten Mitarbeiter für Musikpädagogik. Die erfolgreiche Umsetzung hängt entsprechend vom Engagement und dem Einfallsreichtum einzelner Mitglieder ab. Ihre Motivation entspringt dem aufrichtigen Bedürfnis, eine neue Zuhö-
rerschaft zu „bilden“, um der klassischen Musik eine ihr angemessene Rolle in der Zukunft zu sichern. Unser Ansatz ist dabei ganzheitlich und vor allem auf Nachhaltigkeit angelegt. Daher begreifen wir es als schöne Bestätigung, dass das musikpädagogische Programm der Symphoniker maßgeblich dazu beigetragen hat, in die Initiative „Exzellente Orchesterlandschaft“ aufgenommen zu werden. Vielleicht trägt schon die direkte Nachbarschaft mit der städtischen Musikschule – das Theater und das neue Gebäude der Musikschule liegen nebeneinander – zum Gelingen des Projektes bei. Die enge Zusammenarbeit beider Institutionen ermöglicht eine effiziente und aktive Ansprache vieler Menschen. Der Aufbau der Lüneburger Singakademie, die Kooperationsprojekte im Rahmen der Orchesterpatenschaft unter dem Label „Tutti-pro“ und vor allem auch das Wirken von Lüneburger Symphonikern als Lehrkräfte in der Musikschule erzeugen eine Symbiose auf sozialer und künstlerischer Ebene. Darüber hinaus steht ganz konkret ein Steinway-D-Konzertflügel des Theaters als Dauerleihgabe im Konzertsaal der Musikschule und viele Instrumente und logistisches Equipment werden von beiden Instituten gleichermaßen genutzt. Der Bereich der Musikvermittlung zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Stadt und verbindet viele weitere öffentliche Einrichtungen wie die Leuphana Universität oder das ‚Mosaique‘, Haus der Kulturen, mit den Lüneburger Symphonikern. Das seit 2017 bestehende Gemeinschaftsprojekt ‚Orchestercamp‘ mit Lüneburger Schulen werden wir fortsetzen. Zusätzlich laden wir Schul- und Kindergartenkinder ein, uns im Theater zu besuchen! Ziel ist es, durch die durchgehende musikalische Bildung in allen Altersklassen eine nachhaltige Entwicklung zu fördern: Kinder im Kindergarten und in der Grundschule, Jugendliche an weiterführenden Schulen sowie junge Erwachsene an der Universität werden durch ein ihnen gemäßes Format angesprochen. Das sieht im Idealfall so aus, dass die Kinder an der Lüneburger Singakademie im Kinder- und Jugendchor singen und spielen und zugleich beim Erleben von Konzertprojekten Kontaktscheu abbauen und so ‚ihr‘ Instrument entdecken. Davor und danach ebnen den Zugang zur klassischen Musikwelt Konzepte wie das ‚Hörspiel‘ mit dem Titel „The little baby airplane“ für Kinder im Alter von 2 bis 5 Jahren, ein Instrumentenkunde-Projekt, genannt „Die Neunte Sinfonie der Tiere“, für die Klassen 1 bis 3 an Grundschulen, das ‚Orchestercamp‘ (Grundschule 4. Klasse und weiterführende Schulen) und die Zusammenarbeit mit der Universität im Rahmen von ‚StadtRaumKlang‘. Die musikalische Erwachsenenbildung übernimmt unsere Reihe ‚Norddeutsche Kammerakademie‘.
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Familienkonzerte und mehr FAMILIENKONZERT ZUM THEATERFEST Die Instrumente des Orchesters #edufantastisch / Ab 5 Jahre Lüneburger Symphoniker Dirigent Thomas Dorsch Speziell für Kinder und Jugendliche sei auf das Eröffnungskonzert des Theaterfestes hingewiesen: Benjamin Brittens YOUNG PERSON‘S GUIDE TO THE ORCHESTRA ist ein faszinierendes, ja, überwältigendes Werk, das in die Welt unserer Orchesterinstrumente einführt. Benjamin Britten The Young Person’s Guide to the Orchestra op. 34 „Variationen und Fuge zu einem Thema von Purcell“ 26.08.2018, 11 Uhr / Großes Haus
das neue Volkslied! Was also spricht für dieses Angebot? Erst einmal (ver-)bergen die überlieferten Volkslieder einen wahren Schatz an Poesie und Geschichte(n). Sie erzählen über die Natur und die Liebe, über alte Berufe und unterschiedliche Landschaften, über Jahreszeiten und Lebensweisheiten und auch über Abschied und Tod. Und sie vermitteln Haltung und Gefühl: Mal sind sie heiter, mal ernst, mitunter albern und dann wieder geradezu politisch. Die Fülle der Volkslieder umspannt das ganze Leben, und genau daraus sind sie ja auch entstanden: aus dem alltäglichen Leben. Doch was ist ein Volkslied überhaupt? Was zeichnet es aus? Wie und wann entstanden die Volkslieder, und welche werden noch heute gesungen? Danach fragen in diesem Familienkonzert zwei junge Menschen: aus echtem Interesse eine junge Dänin (Signe Heiberg), weil sie Germanistik studiert und Volkslieder erforscht; eher unfreiwillig ein junger Mann (Sascha Littig), der zu einem Casting gehen will und erkennt, dass sein Allerwelts-Popsong vermutlich nicht der Schlüssel zum Erfolg sein wird. Sie kommen ins Gespräch und machen gemeinsam mit dem Publikum eine Reise in die bunte Welt der Volkslieder. Und schließlich haben sie einen Einfall: Wie wäre es mit einem neuen Volkslied? Wie würde es klingen, wovon erzählt ein heutiges Volkslied? Die beiden machen sich an die Arbeit ... 30.09.2018, 11.30 Uhr / Libeskind-Auditorium Ein Mitsingkonzert im Rahmen des Chorfestivals, mit Unterstützung der Hansestadt Lüneburg
FAMILIENKONZERT NO. 1
Pult an Pult: Sinfonie für junge Leute #edufantastisch / Ab 5 Jahre Horn Ivan Yefimov Lüneburger Symphoniker Dirigent Ulrich Stöcker Felix Mendelssohn Bartholdy Streichersinfonie Nr. 10 h-Moll MWV N 10 Richard Strauss Konzert für Waldhorn und Orchester Es-Dur op. 11 Franz Schubert Sinfonie Nr. 8 h-Moll „Die Unvollendete“ op. posth. D 759 16.09.2018, 11.30 Uhr / Dannacker & Laudien GmbH, August-Horch-Straße 22, 21337 Lüneburg Mit freundlicher Unterstützung der Dannacker & Laudien GmbH
FAMILIENKONZERT NO. 2
„Die Gedanken sind frei …“ - Variation über Volkslieder #edufantastisch / Ab 5 Jahre Lüneburger Symphoniker Dirigent Phillip Barczewski Gesang und Text: Signe Heiberg und Sascha Littig Idee, Text und Musik: Hilke Bultmann, Thomas Dorsch „Volkslieder singen“ – das klingt selbst in Zeiten des Revivals eines Heimatbegriffes altbacken, wenn nicht sogar gleich der schale Beigeschmack von Deutschtümelei mitschwingt. Pop ist
ANGEBOTE FÜR SCHULEN UND KINDERGÄRTEN
Hörspiel #edufantastisch
Für die Klassenstufen 7—10 Bei diesen interaktiven Konzertvormittagen geht es um eine gemeinsame musikalische Entdeckungsreise.
Hörprobe #edufantastisch
Für Kindergärten und Schulen bis Klassenstufe 7 Wie arbeitet ein Orchester? Wie funktionieren die einzelnen Instrumente? Wie fühlt es sich an, zwischen den Musikerinnen und Musikern zu sitzen? Wir laden ein zu einem Blick hinter die Kulissen.
Orchestercamp #edufantastisch
Im Orchestercamp erarbeiten Projektklassen in Kooperation mit den Mitgliedern der Lüneburger Symphoniker ein gemeinsames Programm, das in einem großen Abschlusskonzert präsentiert wird.
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„DIE NEUNTE SINFONIE DER TIERE“ UND „THE LITTLE BABY AIRPLANE“
Zwei lernpädagogische Konzertprojekte für die Kindergärten und Grundschulen der Stadt Lüneburg „Die Neunte Sinfonie der Tiere“ Kurz vor der Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie hat der Dirigent alle Mühe, sein tierisches Orchester zur Ordnung zu rufen: Der Fuchs jagt die Gans, die Katze die Maus und der Wolf das Schaf. Nur mit einem Trick schafft es der Dirigent, dass jedes Tier schließlich im Orchester an seinem Platz sitzt und die Probe beginnen kann. Unser Konzert für die Grundschulen der Stadt Lüneburg erzählt die Geschichte der Aufführung der 9. Sinfonie durch die Tiere des Waldes als Kinderkonzert, mitreißend von einem Schauspieler in der Rolle des „berühmten Dirigenten Karavan“ vorgetragen und mit großartigen musikalischen Passagen aus Beethovens berühmtestem Werk. So lernen die jungen Zuhörer die Instrumente eines Sinfonieorchesters und ihren Platz im Orchester kennen. Friedrich von Schillers Quintessenz der „Ode an die Freude“, „Alle Menschen werden Brüder“, wird von allen Kindern gemeinsam zum Schluss des Konzertes gesungen: „Alle Tiere werden Brüder“. Die Schüler werden in einer mehrwöchigen Vorbereitungsphase gemeinsam mit den Lehrern für das Fach Musik von den Musikern der Lüneburger Symphoniker in ihren Klassen mit den Instrumenten und den Melodien aus Beethovens Sinfonie vertraut gemacht. In diesem „Instrumenten-Karussell“ können die Kinder die Instrumente ausprobieren, die ersten eigenen Töne entdecken. Das abschließende Konzert präsentiert auf unterhaltsame Art und Weise die bereits bekannten Instrumente innerhalb des Werkes, die hohe Identifikation zwischen den Musikern und den Schülern sichert ein nachhaltiges und intensives Erleben. Die „Die Neunte Sinfonie der Tiere“ ist Teil der musikalischen Vermittlungsarbeit der Lüneburger Symphoniker im Rahmen unseres Programmes #edufantastisch. Das Orchester hat das Werk für den Ravensburger Verlag aufgenommen und gemeinsam mit Rufus Beck als Hörbuch veröffentlicht.
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„The little baby airplane“
Ein bilinguales Konzert für die kleinsten Konzertbesucher im Alter zwischen 3 und 5 Jahren.
Die Geschichte kann herkömmlich in deutscher Sprache vorgelesen werden, das Orchester bebildert das Geschehen klangmalerisch. Ursprünglich entstand diese Arbeit der Lüneburger Symphoniker als bilinguales Hörbuch für chinesische, taiwanesische und koreanische Kinder gemeinsam mit der amerikanisch-taiwanesischen Autorin Eva Lou und der „Madaleine Edition“, Paris. Die Lüneburger Symphoniker transformierten dieses Konzept mit zwei Schauspielern in ein szenisches Spiel mit deutschem und englischem Text. Idealerweise wird der englische Text von einem nativ sprechenden Jugendlichen vorgetragen, um den Kindern durch die Identifikation mit dem/der Jugendlichen den Zugang zu erleichtern, da sie zunächst die englische Sprache nicht verstehen. Alternativ übernehmen den Sprechpart ein Schauspieler, der Dirigent oder der Pianist, ein anderer Schauspieler kommentiert und übersetzt und stellt so den Kontakt zu der anderen Sprache für die Kinder her. Das Konzert wird durch sehr eindrucksvolle Illustrationen der französischen Zeichnerin Elise Follin visuell untermalt.
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StadtRaumKlang Das Projekt „StadtRaumKlang“ — ein Experiment mit und in der Stadt PROF. DR. MICHAEL AHLERS StadtRaumKlang bezeichnet einen Teil der Musikvermittlung unter dem Label #edufantastisch. Während sich die Projekte „Familienkonzert“, „Hörspiel“ und „Hörprobe“ eher an heranwachsende Zuhörende wenden, versuchen die Lüneburger Symphoniker hier eine – nach Publikums-Evaluationen – ungeheuer schwer zu erreichende Gruppe der Gesellschaft, namentlich diejenigen zwischen 16 und 30 Jahren anzusprechen. Klassische Konzerte, womöglich mit einem Anteil an zeitgenössischer Musik, finden aus Erfahrung der Programmplaner kaum Zuspruch und sind meistens eher schlecht besucht.
Die Lüneburger Symphoniker gehen gemeinsam mit dem Institut für Kunst, Musik und ihre Vermittlung (IKMV) der Leuphana Universität Lüneburg in ihrem frisch aufgelegten Konzertund Vermittlungsformat StadtRaumKlang einen neuen Weg. Lange Zeit waren Konzertaufführungen gleichgesetzt mit einem fixen Ort, einer bestimmten Kleidungs- oder Verhaltensweise sowie Ritualen, welche sich über hunderte von Jahren etabliert haben. Dabei sind der Ort bzw. der Raum, in dem ein Konzert stattfindet, aber auch Zeitpunkt oder Lichtverhältnisse allesamt Einflussfaktoren, die das Gesamterlebnis der Zuhörenden oder der auftretenden künstlerischen Akteurinnen und Akteure selbst beeinflussen. Unter Einbeziehung all dieser Parameter können
bestenfalls magische Momente oder unvergessliche Erlebnisse für alle Beteiligten entstehen. Die Grundidee von StadtRaumKlang lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Wir tragen die Musik in Räume in der Stadt, scheinbar „theaterferne“ Räume. Wir sprechen hiermit Menschen an, denen der Weg ins Theater oder in den Konzertsaal hinein bisher zu fern schien. Die Lüneburger Symphoniker wiederum gewinnen durch diese neue Herausforderung, Inszenierung und Zuhörerschaft wichtige Ideen und Impulse. So werden durch die genreübergreifende Verbindung von Uraufführungen zeitgenössischer Kunstmusik, etabliertem klassischen Repertoire, improvisatorischem Tanz, Lichtinszenierungen und weiteren Elementen für die Teilnehmenden Grenzüberschreitungen und Horizonterweiterungen ermöglicht. Die Vorbereitung findet in einem kooperativen Seminar mit Studierenden der Universität unter Anleitung von Professoren und Theaterschaffenden statt. Es wird zunächst völlig frei an einem Konzept gearbeitet, welches mit Erwartungen bricht und dabei Menschen mit unterschiedlicher Nähe zur Kunstmusik abholen oder bewusst in neue musikalische und performative Gefilde und Klangwelten begleiten will. Bei der Umsetzung eines Konzertes werden dann der Ort, die Architektur, das Licht und das performative Setting berücksichtigt – in Bezug zur Musik, die darin erklingt. In der Spielzeit 2018/19 fließen stark gesellschaftliche Aspekte in die gemeinsame Arbeit mit ein. Die Studierenden der Leuphana Universität erforschen unter dem Motto „Auf Mes-
sers Schneide“ Musik im historischen und geopolitischen Kontext. Es entsteht eine moderierte, durch Einführungen, Exponate, Referate und eine Podiumsdiskussion begleitete Konzertreihe, welche bedeutende Musikwerke gleichzeitig in den Bezug zur Zeit ihrer Entstehung und zu aktuellen Entwicklungen setzt sowie zwei Uraufführungen einer jordanisch-kanadischen Komponistin und eines syrischen Komponisten zur Diskussion stellt.
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Rückblick Programm des ersten StadtRaumKlangKonzertes in der Spielzeit 2017/18 LUDWIG VAN BEETHOVENS „EROICA“
im Kontext von vier Uraufführungen von Studentinnen und Studenten der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover Ludwig van Beethoven EROICA, 2. Satz Matti Heininen THE RIVER „No man ever steps in the same river twice“ (UA) Ludwig van Beethoven EROICA, 3. Satz Arsalan Abedian DERE KANNTE REMDE (UA) Ludwig van Beethoven EROICA, 4. Satz Jieun Noh VANITÉ (UA) Örnólfur Eldon Þórsson ORIGAMI (UA) Ludwig van Beethoven EROICA, 1. Satz Räumliche Klanginstallation Beethoven / Heininen / Abedian / Noh / Þórsson Tanzperformance: Gabriela Luque
Beethoven als geistiger Pate oder warum wir Neue Musik brauchen Auszug aus dem Programmheft des 1. Konzertes
PHILLIP BARCZEWSKI Als Ludwig van Beethoven im August 1804 seine Symphonie in Es-Dur op. 55 dem Verlag Breitkopf und Härtel anbot, hatte er mit ihr eine bewegte und emotional aufreibende Entstehungsgeschichte hinter sich. Nicht nur die große Begeisterung des damals 34-jährigen Beethoven für die Ideale und die Bewegung der Französischen Revolution mit ihrem Motto „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ haben Einzug in die Partitur gehalten, sondern ebenso das persönliche Ringen und die Enttäuschung über den „Heilsbringer” Napoleon, der sich dann zum Kaiser krönen ließ – ein Verrat an dem Ideal, den Beethoven nie verzeihen konnte. Der Name ist Programm: Die „Eroica“ oder auch „heroische Symphonie“ stellt einen markanten Umbruch dar. In Beethovens persönlichem Schaffen kann sie als möglicher Beginn eines sinfonischen Emanzipationsprozesses gesehen werden. Im musikgeschichtlichen Kontext ist sie zweifelsohne das Fundament, auf dem sich das sinfonische Schaffen Robert Schumanns und Johannes Brahms’ hin zu Gustav Mahler oder Anton Bruckner entfaltet.
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49 Die 3. Symphonie ist ein Werk des radikalen Aufbruchs, das den Geist seiner Zeit atmet und musikalisch spiegelt. Beethoven beschreitet in der Harmonik, in der Form und in der Instrumentation völlig neue Wege. Der emotionale Gehalt des Werkes übersteigt alles, was bis zu diesem Zeitpunkt komponiert wurde. Ist es heute nicht gerade als Kulturorchester unsere Aufgabe, uns der Pflege des klassischen Erbes und der Tradition aufklärerischer Werte zu widmen? Und kann Tradition in diesem Sinne dann nicht nur „Fortentwickeln“ aus ihr heraus bedeuten? Wir leben in einer spannenden und schnelllebigen Zeit voller Umbrüche, vergleichbar vielleicht mit dem gesellschaftlichen Wandel, den Beethoven erlebte und spürte. Wir brauchen heute umso mehr Neue Musik und Komponisten, die den Mut haben, sich mit dem (unserem) Leben auseinanderzusetzen und (sich) Fragen der Zukunft zu stellen. Natürlich laufen wir Gefahr, dass neue Kompositionen von diesem symphonischen „Koloss“ (Beethoven) zerrieben werden. Schaffen es die vier Uraufführungen in die Ahnengalerie der Orchestermusik? Diese Frage wird sicherlich bis zum letzten verklungenen Ton des heutigen Abends, wenn nicht noch viel länger, unbeantwortet bleiben. Wenn wir aber gar nicht erst versuchen aufzubrechen und den geebneten Weg ins Unbekannte voranzutreiben, so wie es Beethoven selber heroisch tat, wird die Antwort immer im Verborgenen bleiben. Die Gesellschaft des 21. Jahrhundert wäre dann die erste mit nie gewesenen Möglichkeiten, die voller Ignoranz zwar auf das Erbe schaute, aber nicht in der Lage war, selber zu vererben.
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„Auf Messers Schneide“ StadtRaumKlang 2018/19 In Zusammenarbeit mit dem Institut für Kunst, Musik und ihrer Vermittlung (IKMV) der Leuphana Universität Lüneburg entsteht eine moderierte, durch Einführung, Referate und eine Podiumsdiskussion flankierte Konzertreihe, welche bedeutende Musikwerke in den Bezug zur Zeit Ihrer Entstehung sowie zu aktuellen Entwicklungen stellt. Die Musikwerke werden im historischen und geopolitischen Kontext betrachtet. Die inhaltlichen Schwerpunkte spiegeln einige der aktuellen Brennpunkte unserer Welt. Vergangenheit in Deutschland – „Ich wandre durch Theresienstadt” Deutschland und Syrien – EastWestDanceMelody Russland und Nordkorea – Die Ingenieure der Seele
Die Konzeption und Leitung der Reihe obliegt Prof. Dr. Michael Ahlers von der Leuphana Universität Lüneburg gemeinsam mit Thomas Dorsch. Die Begleittexte zu den jeweiligen Konzerten wurden von Studierenden der Leuphana Universität im Rahmen des Seminars Musik und Macht verfasst. Sie beschäftigen sich nicht nur allgemein mit den musikalischen Werken, sondern werfen auch einen interdisziplinären Blick (weit hinein) in unsere Gesellschaft.
Begleittexte von Studierenden des Seminars „Musik und Macht“ RACE Daniel Matthes Die Rede von der „menschlichen Rasse“ ist ein veraltetes Konstrukt des Kolonialismus und des Nationalsozialismus. Durch die Einteilung von Menschen aufgrund unterschiedlicher äußerlicher Merkmale, Religion oder Herkunft sollte ein System etabliert werden, in dem eine Rasse den anderen Rassen überlegen ist. Basierend auf ihren Rassentheorien rechtfertigten die europäischen Großmächte grausame Verbrechen während der Kolonialzeit (Kattmann 2015). Zu den Theorien der Rassenlehre lässt sich auch der Sozialdarwinismus in der Interpretation von Arthur de Gobineau zählen, der in seinen Schriften Charles Darwins Evolutionstheorie, „Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl“, nacheiferte (Lenzen 2015). Interpretationen wie diese waren es, welche die Nationalsozialisten in Deutschland zur historisch verfremdenden Übernahme des Begriffes „Arier“ als „höchstem aller Menschen“ verleitete. Sie forcierten die Ausbreitung „arischer Menschen“ unter der Doktrin ihrer Überlegenheit über andere Rassen. Doch obwohl die Idee einer biologischen Klassifizierung menschlicher Rassen längst wissenschaftlich widerlegt ist und auch in großen Teilen der Gesellschaft keine Substanz mehr besitzt, findet man strukturelle Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Aussehens, ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer Herkunft auch aktuell immer noch in Deutschland (Wittlif 2018). Bekannt sind die deutlichen sozialen und ökonomischen Unterschiede als Ausdruck ethnischer Stereotypisierungen vor allem aus den USA. Trotz Quotenregelungen und Regierungsprogrammen existiert immer noch eine breite schwarze Unterschicht, die lediglich 15.000 Dollar im Jahr verdient und keine Chancen hat, sich aus ihrer Situation zu befreien. Ähnlich verhält es sich mit anderen Bevölkerungsteilen der ‚People of color‘ wie den Hispanics, die ebenfalls eine hohe Armutsquote aufweisen (Nagler 2014). Um einen neuen Umgang mit strukturellem Rassismus und Benachteiligung anzustoßen, gibt es seit 1989 die sogenannte Critical Race Theory (CRT). Diese besagt, dass der Begriff der Rasse nicht biologisch begründbar ist, sondern als soziales Konstrukt existiert, um die Vorherrschaft einer weißen Klasse zu sichern, welche selbst Urheberin dieses Konstrukts ist. Ungleichheit drückt sich hier vor allem in unterschiedlichen Einkommensverteilungen aus (Curry 2016). Ebenso versuchen die Critical Whiteness Studies (CWS) die Strukturen sichtbar zu machen, die die Privilegien der weißen Bevölkerung gegenüber dem Rest der Gesellschaft fördern und (re-)produzieren (Applebaum 2016). Diese neue kritische Herangehensweise an das Thema Rasse und Rassismus ist begründet. Im Mai 2018 – am 25. Jahrestag der Weltkonferenz für Menschenrechte – warnte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Al Hussein, vor global ansteigenden rassistischen Tendenzen und sich ausbreitendem Fremdenhass. Man müsse sich mit Leidenschaft dafür einsetzen, dass die Wiener Erklärung von 1993 über die Einhaltung der Menschenrechte respektiert werde (Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa 2018).
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GENIEKULT UND MÄNNLICHKEITSBILDER Luka Zimmer Beethoven, Brahms, Mahler, Schumann. Versucht man eine Aufzählung einflussreicher Komponisten der Kunstmusik der letzten Jahrhunderte, wird eines schnell deutlich: Wir haben es mit einer Aneinanderreihung männlicher Künstler zu tun. Wo sind die Frauen geblieben?, mögen wir uns fragen. Um der Frage nachzugehen, bedarf es eines spezifischeren Blickes nicht nur auf die Produktionsverhältnisse, unter denen Frauen Musik komponieren konnten bzw. nicht konnten, sondern auch auf die gesellschaftlichen Unterdrückungsmechanismen, die Männer als das starke, herrschende, vom künstlerischen Blitz getroffene Geschlecht darstellen. Auf letzteres Bild soll hier kurz eingegangen werden. Eine ihm zugrundeliegende gesellschaftliche Erklärungsstrategie des aufkommenden 19. Jahrhunderts war der sogenannte Geniekult. Wir haben es hier mit einer Zeit nach der Aufklärung zu tun, in der zwar die Vorherrschaft kirchlicher Kultur gebrochen war und unter anderem das Laienmusizieren aufblühte. Doch das fast schon religiöse Gebaren, mit dem die Musik praktiziert wurde, blieb bestehen. So wurde der bürgerliche Konzertsaal zum Kirchenersatz und der Komponist zum göttlichen Stellvertreter (Rieger 1981, S. 105). Franz Liszt soll in Bezug auf Niccolo Paganini einmal gesagt haben: „Das Genie ist die Macht, Gott der menschlichen Seele zu offenbaren“ (Schilling 1844, S. 241).
Schnell etablierte sich die Vorstellung eines aus der Romantik geprägten Bildes von der an Göttlichkeit grenzenden Genialität des Mannes. Asketisch, leidend, ungebunden steht er einsam am Rand oder – besser wohl – über der Gesellschaft. Dieser Mann wurde, wie von Zauberhand, von einem Schaffensprozess befallen und schuf so seine genialen Kompositionen. Die Produktionsbedingungen eines Werkes wurden dadurch indes verschleiert. Handwerkliches Können aus jahrelangen Studien, Fleiß, Konzentration sowie günstige Umstände, zu denen Frauen keinen Zugang hatten, verschwanden unter dem Mantel der Genialität. Die Auffassung von der Binarität des dunklen, unklaren, unentwickelten Bewusstseins der Frau und des hellen, klaren Bewusstseins des Mannes in Verbindung mit dessen Fähigkeit zum scharfen Denken sickerte immer tiefer in den gesellschaftlichen Diskurs. Dies ist im doppelten Sinne eine Diskriminierung der Frau: Sie konnte weder genial sein, noch diese Genialität voll erfassen. Der Heroenkult manifestierte sich jedoch nicht nur in kultureller Produktion, sondern auch durch Monarchen, Feldherren und Philosophen, die gemeinsam eine Männerherrschaft bildeten. Die Nachwehen des Geniekults werden uns heute beim Versuch, Komponistinnen aufzuzählen, schmerzlich bewusst.
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SCHLÜSSELWERK DES POSTKOLONIALISMUS: „THE LOCATION OF CULTURE“ VON HOMI K. BHABHA Lynn Barthels Der indische Kultur- und Literaturwissenschaftler Homi K. Bhabha wurde mit seinem Konzept des Dritten Raumes des Aussprechens, der Hybridität und der Mimikry, hier nicht im biologischen, sondern im menschlich-kulturellen Kontext, zu einem der wichtigsten postkolonialen Theoretiker. 1949 in Mumbai geboren, veröffentlichte er 1994 sein Hauptwerk „The Location of Culture“ (Bhabha 1994). In dieser Aufsatzsammlung versucht er, die Kultur in den Räumen zwischen dominanten sozialen Formationen zu verorten. Beispielsweise widmet er sich der britischen Kolonialherrschaft in Indien und der dadurch entstandenen komplexen Beziehung zwischen den Kolonisatoren und den Kolonisierten. In diesem Zusammenhang stellt er die Frage nach der Identitätsbildung innerhalb des kolonialen Diskurses. Den Postkolonialismus sieht Bhabha nicht als Bruch zwischen Kolonialismus und der Zeit danach, sondern als voranschreitende koloniale Gegenwart und eine dynamische Beziehung zwischen Kolonisator und Kolonisierten. Er fordert bzw. schlägt bewusst keine Handlungen vor, sondern bietet Denkanstöße und Perspektiven auf koloniale Machtsysteme. Bhabha unterscheidet zwischen der kulturellen Diversität und der kulturellen Differenz. Erstere beschreibt die Anerkennung der Unterschiedlichkeit von Kulturen, wodurch ihnen bestimmte Bräuche und Werte zugeschrieben werden, woraus ein Bild der Geschlossenheit
und festen Totalität entsteht. Durch diese multikulturelle Vorstellung wird die Vormachtstellung einer dominanten Kultur nicht überwunden. In seinem Konzept der kulturellen Differenz werden deshalb die sich in stetigem Wandel befindenden Kulturen nicht als in sich homogen und geschlossen verstanden, sondern als sich immerzu gegenseitig infrage stellend sowie als ihre kulturelle Differenzen auch anerkennend. Diese Verzahnung von Kulturen, diese Hybridisierung, findet an Orten des Grenzverkehrs statt. Diese Orte nennt Bhabha den „Dritten Raum“ bzw. „third space“. In diesen hierarchielosen kulturellen Artikulationsräumen, die er auch als „Dazwischen“ bezeichnet, werden die kulturellen Zeichen und Bedeutungen immer wieder neu verhandelt, bewertet oder gar ignoriert. Kultur ist demnach ein stetiger dynamischer Prozess des Aushandelns. Die daraus resultierenden menschlichen Hybriden passen sich zu ihrem Schutz durch Mimikry an. Da jedoch sowohl der Kolonisator als auch der Kolonisierte sich nicht vom anderen verändern oder gar unterdrücken lassen will, ist diese Nachahmung niemals ganz perfekt: So ist man zwar gleich, aber nicht ganz: „As a subject of a difference that is almost the same, but not quite“, „almost the same but not white“ (Bhabha 1994, S. 86, 89). Homi K. Bhabha ist somit ein Wegbereiter der postkolonialen Studien und der Abwendung vom multikulturellen Verständnis.
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59 genommen und die Lebensweise der Bewohner/-innen als (sexuell) ungehemmt und naturverbunden dargestellt. Armut wird in diesem Kontext oft romantisiert. Darüber hinaus werden nichtwestliche Kulturen als zurückgeblieben, unzivilisiert und hilfsbedürftig dargestellt. Der Rest wird schließlich zum Gegenteil von dem, was den Westen charakterisiert, und nimmt sich selbst als unterlegen wahr. Noch immer hat der Westen ein paternalistisches Verhältnis zur übrigen Welt, welches sich zum Beispiel in Ansätzen der sogenannten Entwicklungshilfe, in Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sowie in der Politik finden lässt. Auch die heutige Musikproduktion sowie das Musikverständnis sind geprägt von kolonialen Machtstrukturen. Dies zeigt sich beispielsweise in der Vormachtstellung der sogenannten europäischen Kunstmusik, welche – gern als ‚Hochkultur‘ betitelt – populären bzw. volkstümlichen Musikformen gegenübergestellt wird. Das Genre Weltmusik kann als weiteres Beispiel genannt werden: Üblicherweise wird unter diesem Sammelbegriff nichtwestliche Musik jeder Art zusammengefasst. Häufig mit der Erwartung, dass jene Musik exotisch, anders und tanzbar klingen soll.
MUSIK – IMMER AUCH POLITIK? Ann-Kathrin Jahn
STUART HALL – DER WESTEN UND DER REST Inga Müller Auch im 21. Jahrhundert, viele Jahre nach dem offiziellen Ende des Kolonialismus, sind die für ihn charakteristischen Machtstrukturen in vielen Bereichen noch präsent. Die Postkoloniale Theorie thematisiert dies, macht auf die Machtverhältnisse aufmerksam und ruft zum Widerstand gegen vorherrschende Denkweisen auf. Stuart Hall nimmt eine zentrale Rolle in der Postkolonialen Theorie ein. 1932 in Jamaica geboren, wuchs er in einem kolonialisierten Land auf, welches von Spannungen innerhalb der Bevölkerung geprägt war. Anfang der 1950er Jahre ging er zum Studium nach England; ein Land das ihm durch westlich geprägte Bildung und kolonialisierte Kultur bereits sehr vertraut war. Zugleich erfuhr er jedoch dort als schwarzer Exilant Fremdheit und Ausgrenzung. In seinem Text „Der Westen und der Rest. Diskurs und Macht“ (Hall 1994), welcher ein Schlüsselwerk der Postkolonialen Theorie darstellt, untersucht Hall die Gegenüberstellungen des sogenannten Westens mit dem Rest der Welt. Schon seit der Aufklärung wird der Westen als Zentrum des Fortschritts und als anderen Ländern überlegen angesehen, wodurch die Kolonialisierung gerechtfertigt wurde. Der Westen wurde und wird als Repräsentant (oder Repräsentation) für Entwicklung, Industrialisierung, Wissenschaft gehandelt, der Rest hingegen wird mit Unterentwicklung/Primitivismus und Ländlichkeit assoziiert. Durch diese strikte Zweiteilung werden sowohl der Westen als auch der Rest als in sich homogen dargestellt und deren Diversität verkannt. Hall zählt verschiedene Strategien auf, mithilfe derer der Westen dem Rest gegenübergestellt wird: Zum einen werden die nichtwestlichen Kulturen als exotisch und schön wahr-
Musik ist heutzutage allgegenwärtig. Ob im Autoradio, bei Geburtstagsfeiern oder im Fußballstadion in Form von Nationalhymnen – man kann ihr nur schwer entkommen. Gerade deshalb ist sie, vor dem Hintergrund ihrer politischen Wirkung betrachtet, ein äußerst spannendes Phänomen. Dokumentiert ist schon für die Periode der Bauernkriege, dass Musik als geeignetes Mittel galt, um dem Leid eine Stimme zu geben, Kraft zu sammeln, um gleichzeitig die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht zu verlieren (Klug 2017). Wie genau gehören Musik und Politik nun aber zusammen und kann es so etwas wie apolitische Musik überhaupt geben? Musik selbst ist, salopp gesagt, erst einmal nichts weiter als Schallwellen beziehungsweise eine Kombination aus Melodie, Harmonik und Rhythmik. Erst ihr Rezeptionsprozess ist es, der sie politisch machen kann (Rösing 2004, S. 165). So wurden „Les Préludes“ von Liszt politisch aufgeladen, als ein Stück davon zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges dazu diente, den Wehrmachtsbericht im Radio anzukündigen. In erster Linie unpolitische Musik kann also durch ihren Kontext politisiert werden (Titel, Text, Äußerungen der Musiker/-innen, Aufführungsrahmen etc.). Im Gegensatz dazu ist es wiederum möglich, dass politische Inhalte und Botschaften von ästhetischen oder emotionalen Aspekten überschattet werden. Den im Frauenkonzentrationslager geschriebenen Liedern von Ludmilla Peškarová wird beispielsweise nachgesagt, dass politische Aspekte der Musik in den Ohren der Zuhörerschaft der heutigen Zeit vom emotionalen Ausdruck der „Klage, seelische[r] Erschütterung und Sehnsucht nach Geborgenheit“ überlagert würden (Rösing 2004, S. 163 f.). Der Musiker Tom Morello behauptet hingegen in einem radikalen Statement: „100 percent of the music is political. Music either supports the status quo or challenges the status quo. (…) If you’re not questioning authority, you’re tacitly submitting to authority” (Rolling Stone 2016). Es sei dahingestellt, ob Musik nun genuin politisch ist oder erst politisch aufgeladen oder eben auch entladen werden kann. Interessant ist vor allem, das in diesem Zusammenhang entstehende Machtpotenzial: Die musikalische Botschaft ist nicht fix, sie kann sich verändern, die Musik missbraucht oder aber auch gebraucht werden (Rösing 2004, S. 165 f.). Mit der Komposi-
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61 tion, der Aufführung und dem Einsatz von Musik geht also immer auch eine immense Verantwortung einher. „You are a political agent, and if you don’t have your hands on the steering wheel, someone else does” (Rolling Stone 2016).
MUSIK-DISKURSE ALS SPIEGELBILD GESELLSCHAFTLICHER MACHTVERHÄLTNISSE Johanna Heß Unsere Sprache ist geprägt durch gedankliche Gegensätze und sogenannte Dichotomien wie gut und böse, Kultur und Natur, stark und schwach, aber auch Mann und Frau. Diese Binarität ist ebenfalls in Musik-Diskursen stark verbreitet. So wurde Männlichkeit und Weiblichkeit musikalisch konstruiert und auch auf die Ebene der Musikanalyse lässt sich diese geschlechtsspezifische Dualität übertragen. Dur, abgeleitet von dem Lateinischen „durus“ = „hart“, gilt als das männliche Tongeschlecht, während die Moll-Tonarten, lateinisch „mollis“ = „weich“, als weiblich gelten. In der Vergangenheit wurde entsprechend in der Sonatenhauptsatzform das erste, das dominante Thema mit dem Männlichen assoziiert und das zweite, untergeordnete Thema nahm den weiblichen Part ein. Das einflussreiche Musiklexikon „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ schrieb in seiner ersten Ausgabe zu der Sonatenform: „Zwei Grundprinzipien des Menschen sollen in beiden Hauptthemen Gestalt werden: das tätig nach außen drängende männliche erste Thema und das still in sich beruhende weibliche zweite Thema. Das zweite
Thema […] soll vor allem ein Folgethema sein, ein solches von geringer Selbständigkeit, das erste abwandelnd und doch Ausdrucksgegensatz zu ihm“ (Müller-Blattau 1955, Sp. 549). Diese Bezeichnungen bedienen sich der Stereotype. Während die männlichen musikalischen Motive oft mit den Merkmalen der Kraft, der Lebensfreude, der Spannung, Stärke oder dem Drang nach außen beschrieben wurden, waren mit den weiblichen Motiven die Eigenschaften der Zartheit, des Gefühlsüberschwangs, der Weichheit oder Selbstlosigkeit und Innigkeit assoziiert. Die Charaktereigenschaften sind jedoch in keinem Falle normativ und übertragbar. Deshalb stellt sich die Frage: War dies bloß eine unbedachte Sprachwahl, die zu der Typisierung der Geschlechter, dem streng hierarchischen Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie der starken Diskriminierung der Frau führte, oder ist die Sprache möglicherweise das Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse gewesen? Im Zuge des Feminismus und der Gender Studies, die das Ziel der Gleichberechtigung aller Geschlechter und sexuellen Identitäten verfolgen, sollten wir uns bewusst machen, dass diese dichotomische soziale Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit der Vergangenheit angehört und wir uns wohlbedacht mit unserer Sprache auf allen kulturellen Ebenen auseinandersetzen müssen, um diese konventionellen Stereotype nicht (weiter) zu bekräftigen.
MUSIK-KULTUREN UND SOZIALE KLASSEN: DIE SALONMUSIK Nike Bekemeier Ganz unabhängig davon, welches Zeitalter wir betrachten, eine Gliederung der Gesellschaft in Stände, Klassen oder soziale Schichten gibt es seit ältester Zeit. Schon im alten Römischen Reich spielte eine vertikale Einteilung der Gesellschaft eine entscheidende Rolle (Ritsert 1998, S. 11). Den Begriff „Klasse“ allerdings verbindet heute fast jeder mit dem Gesellschaftstheoretiker und Philosophen Karl Marx, der die Gesellschaft anhand von sozialen und wirtschaftlichen Merkmalen in Klassen differenziert hat. Karl Marx wurde vor genau 200 Jahren in eine Zeit hineingeboren, die zum einen die Anfangszeit der Industrialisierung, aber auch die Blütezeit der Romantik markiert. Zu dieser Zeit entstehen langsam neue soziale Schichten, z.B. die der Großbürger, Unternehmer oder Arbeiter, die die feudale Gesellschaftsordnung letztendlich ablösen werden (Tewinkel 2010). Auch Musik ist nun nicht mehr nur ein Privileg der Aristokratie oder Kirchen, und Konzerte finden nicht nur am Hofe der Adligen statt, sondern auch in den Salons wohlhabender Bürger. Es entsteht das Genre der Salonmusik, das zunächst von der gebildeten großbürgerlichen Klasse in privaten oder halböffentlichen Räumen genossen wird. Das Klavier ist meist der Mittelpunkt und wohl das wichtigste Instrument der Salonmusik. Namhafte Komponisten der gehobenen Salons sind unter anderem Frédéric Chopin oder Franz Liszt (Ulrich 2010). Neben den großbürgerlichen Salons entstehen im Laufe des 19. Jahrhunderts auch einfache Salons, in denen die Musik eine unterhaltende und eher kommerzielle Funktion für eine breitere Öffentlichkeit hat. Auch Cafés und Hotelhallen werden zu Orten dieser einfachen Formen der Salonmusik, die allerdings aufgrund der einfachen Melodien und Anspruchslosigkeit, die ihnen nachgesagt werden, bald in die Kritik geraten (Saary 2001). Anhand der Salonmusik lässt sich somit eine Entwicklung nachzeichnen, die auch in den meisten anderen durch Klassen bzw. Schichten geprägten Sozialräumen zu beobachten ist. Als Abgrenzungsmittel eines aufkommenden Bildungsbürgertums entstanden, wird die Salonmusikkultur im 19. Jahrhundert von einem exklusiven zu einem Massenphänomen.
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STADTRAUMKLANG NO. 1
THERESIENSTADT
Konzert mit anschließender Podiumsdiskussion
Bernadette Heigl
Ich wandre durch Theresienstadt
Kinder- und Jugendchor der Lüneburger Singakademie Leitung Anna Schwemmer Lüneburger Symphoniker Dirigent Phillip Barczewski Die Kinderoper BRUNDIBÁR des Prager Komponisten Hans Krása (1899–1944) wurde im Konzentrationslager Theresienstadt über 55 Mal von Kindern für Kinder gespielt und konnte – so berichten Zeitzeugen – den grausamen Alltag der Häftlinge für kurze Momente erhellen. Nachdem das Werk nach der Befreiung des Lagers lange verschollen war, wurde es 1985 nach einer Rekonstruktion erstmals wieder auf die Bühne gebracht. Seither gehört BRUNDIBÁR zu den meistgespielten Stücken seiner Gattung und wurde zum musikalischen Denkmal für Schrecken und Terror in Theresienstadt. Werke u. a. von Hans Krása, Pavel Haas und Viktor Ullmann 18.08.2018, 17 Uhr / Fürstensaal, Rathaus Lüneburg
Terezín [Theresienstadt] liegt in der heutigen Tschechischen Republik, ist benannt nach der österreichischen Kaiserin Maria Theresia und wurde im Jahr 1780 zur Garnisonsstadt. Im Jahr 1941 funktionierten die deutschen Besatzer die Stadt zum Konzentrationslager für Juden aus dem Protektorat Böhmen und Mähren um. Bei der Wannseekonferenz im Januar 1942 wurde sodann eine grundlegende Änderung der Organisation und Funktion Theresienstadts geplant. Das Lager sollte zu Propagandazwecken als Vorzugslager oder auch als Musterghetto dienen, in dem in erster Linie prominente jüdische Bürger, Künstler, Wissenschaftler oder ehemalige höhere Staatsbeamte untergebracht werden sollten. Versteckt hinter der Fassade eines scheinbar angenehmen Aufenthaltsortes (die Nazis nannten es „Altersghetto“) für Juden, hatte es allerdings die Funktion eines Transitlagers. Viele der Ghettobewohner und Ghettobewohnerinnen wurden im Laufe der Jahre in die Vernichtungslager Treblinka oder Auschwitz deportiert. Um den Schein zu wahren, wurde den Bewohnern eine (stark eingeschränkte) Selbstverwaltung gestattet. So gab es einen Ältestenrat, der für die Zuweisung der Unterkünfte und die Einteilung der Arbeitskommandos zuständig war. Dennoch waren die Lebensumstände in Theresienstadt katastrophal. Die ursprünglich für etwa 3000 Zivilisten und 10 000 Soldaten ausgelegte Stadt war mit bis zu 60 000 Bewohnern vollkommen überfüllt, pro Person blieb etwa 1,5 qm an Lebensraum – was in etwa der Größe der Matratze entsprach, die einer Person zur Verfügung stand. Dieser Umstand ließ keinen Raum für Privatsphäre und in Kombination mit der notorischen Nahrungsknappheit förderte dies die Ausbreitung von Krankheiten und Seuchen aller Art. Bereits vor einer weiteren Deportation in ein Vernichtungslager kamen 21 Prozent der Inhaftierten in Theresienstadt durch Krankheiten, Hunger, Kälte und physische Verletzungen ums Leben. Laut Aufzeichnungen starben allein im September 1942 durchschnittlich 131 Menschen am Tag. Um das Lager 1942 vorzeigbar zu machen, wurde die Mitnahme von Musikinstrumenten erlaubt und die musikalische Kultur fächerte sich im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten auf. Es entstand die Abteilung „Freizeitgestaltung“ unter jüdischer Selbstverwaltung, welche zum kulturellen Zentrum des Ghettos wurde. Allein deshalb konnten Künstler wie Hans Krása wieder ihrer Berufung nachgehen und erhielten gar einen gewissen Schutz vor den Ost-Transporten und der harten körperlichen Arbeit. So unwahrscheinlich es auch klingen mag, gab diese Möglichkeit der Kultur den Ghettobewohnern für kurze Zeit doch auch etwas Hoffnung, Mut und ein wenig Heiterkeit.
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MUSIK IM KZ Mia Fritsch Musik in den Zusammenhang mit Konzentrationslagern des Dritten Reichs zu bringen, klingt im ersten Moment absurd. Wozu sollte es Musik, mit der die meisten Menschen doch etwas Positives verbinden, in Lagern geben, die der Vernichtung von Menschen dienen? Und doch war Musik in fast allen KZs ein fester Bestandteil des Lageralltags (Fackler 1992, S. 57). Es gab jedoch kein homogenes Musizieren, sondern die Umstände und Absichten sowie Art, Ort und Publikum variierten stark. Die musikalischen Aktivitäten in KZs können zunächst grob anhand der Voraussetzungen unterschieden werden: auf der einen Seite das fremdbestimmte Musizieren unter Zwang und auf der anderen das freiwillige, d.h. selbstinitiierte Musizieren der Inhaftieren. Das fremdbestimmte Musizieren fand in Form von musikalischer Zwangsarbeit und Singen auf Befehl statt. Auch Musik war ein perfider Bestandteil der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie. Sie wurde zum Instrument der SS, indem sie sie gezielt zur Manipulation, Repression und Erniedrigung der inhaftieren Menschen einsetzte. So mussten Häftlinge zum Beispiel in angesetzten Singstunden, beim Marschieren oder bei der Arbeit singen (Fackler 2000, S. 330). Dabei standen die gesungenen Lieder mit meist nationalsozialistischem Inhalt oft in eklatantem Widerspruch zu der von den Häftlingen erlebten Realität. In fast jedem Lager gab es ein Orchester, eine Kapelle oder einen Chor aus Inhaftierten. Diese bestanden sowohl aus Profimusikern und -musikerinnen als auch aus Laien, die gegenüber den anderen Häftlingen privilegiert waren. So hatten sie bspw. eine eigene Baracke oder eigene Kleidung. Trotzdem bedeutete das Musizieren für die Beteiligten im wahrsten Sinne des Wortes Zwangsarbeit. Sie hatten dabei verschiedene Aufgaben: Bei offiziellen Anlässen dienten sie der Unterhaltung und als Vorzeigeinhaftierte, den SS-Mitgliedern mussten sie zum Freizeitvergnügen Privatkonzerte geben und sie hatten ihre Mithäftlinge beim Marschieren und zu den Appellen zu begleiten. Fania Fénelon, Mitglied des Frauenorchesters in Auschwitz, schreibt: „In Birkenau zählt Musik wirklich zum Besten und zum Schlechtesten. Das Beste: sie schluckt Zeit und schenkt Vergessen, wie eine Droge, hinterher ist man betäubt und ausgelaugt. Das Schlechteste: unser Publikum – zum einen die Mörder, zum anderen die Opfer – und wir, werden wir zwischen den Fingern der Mörder auch zu Henkern?“ (Fénelon 2008, S. 186) Im Gegensatz zur musikalischen Zwangsarbeit entstand in vielen Konzentrationslagern eine eigeninitiierte Musikkultur. Häftlinge spielten und sangen heimlich für sich und ihre Mithäftlinge (Fackler 1992, S. 57). So konnten sie trotz der Torturen emotionale und psychische Bedürfnisse stillen und ihrer Realität eine kurze Zeit lang entfliehen (Fackler 2000, S. 181). Besonders im KZ Theresienstadt waren mehrere bekannte Musikerinnen und Musiker sowie Komponistinnen und Komponisten inhaftiert und es gab dort eine große Anzahl musikalischer Aktivitäten.
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MUSIK UND IDEOLOGIE DER NATIONALSOZIALISTEN Lea Pollmanns Die deutsche Musik sollte die vom Nationalsozialistischen Regime beanspruchte deutsche Vormachtstellung in der Welt kulturell legitimieren. Ebenso wie die bildende Kunst und die neuen Massenmedien wurde die Musik von den Nationalsozialisten zum Instrument ihrer Politik. Nach den Nürnberger Gesetzen 1935 und der Reichsprogromnacht 1938 kam es 1941 zu den ersten Deportationen in Konzentrationslager und einer systematischen Auslöschung von Menschen jüdischen Glaubens sowie sogenannter rassisch unerwünschter Musikschaffender. Besonders perfide daran war, dass alles auf der Grundlage eigens dafür geschaffener Gesetze und Institutionen geschah. Alle Musikschaffenden mussten zum Beispiel Mitglied in der Reichsmusikkammer (RMK) sein, welche sich gegen alles ‚Undeutsche‘ wendete, das gemäß der nationalsozialistischen Ideologie von den Juden personifiziert wurde. Anhand von Fragebögen, die schon 1933 erstellt worden waren, konnten die Daten systematisch durchsucht werden. Bei Angabe einer jüdischen Herkunft erfolgte automatisch der Ausschluss aus der RMK. Die Unsinnigkeit dieser Vorgehensweise erkennt man spätestens daran, dass mit den jüdischen Komponisten und Komponistinnen bzw. Künstlerinnen und Künstlern in Deutschland wichtige Träger des nationalen Musiklebens betroffen waren. Der Ausschluss aus der RMK bedeutete gleichzeitig ein Berufsverbot mit der Folge, dass den jüdischen Musikschaffenden die Existenzgrundlage genommen wurde. Um arbeitslose Künstlerinnen und Künstler wieder zu beschäftigten (und organisational zu überwachen), wurden sie zur Mitgliedschaft im „Kulturbund deutscher Juden“ gezwungen. Der Name wurde nach kurzer Zeit in „Reichsverband jüdischer Kulturbünde in Deutschland“ geändert, da der vorherige politisch unerwünscht war. Gleichzeitig ‚deutsch‘ und ‚jüdisch‘ zu sein schloss sich aus, die Adjektive sollten nicht gemeinsame Bestandteile eines Titels sein. Die Propagandalüge vom „jüdischen Kulturparasitismus“ und das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ untermauerten diese Trennung und mündeten in ein Verbot der Eheschließung sowie des außerehelichen Geschlechtsverkehrs zwischen Juden und Nichtjuden. Im Auftrag des Reichs-Propaganda-Ministeriums öffnete die Ausstellung „Entartete Musik“, die 1938 die Reichsmusiktage in Düsseldorf begleitete, ihre Türen. Die Ausstellung sollte die Deutschen belehren, welche Musik erwünscht war und welche sie zu meiden hätten. Ausgangspunkt waren Jazz, Blues und Swing als sogenannte ‚Negermusik‘. Um objektive Beschreibungskriterien liefern zu können, erfand man beispielsweise den Germanischen Dreiklang. Alles Ungermanische galt hingegen als entartet, dazu zählten auch die Zwölftonmusik sowie jegliche Form von Atonalität.
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KOMPONISTEN IN DER NS-ZEIT Max Hartwig Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 wurde die Verfolgung von unerwünschten Gruppen und Individuen unter anderem durch die Gleichschaltung von Politik und von gesellschaftlichen Strukturen ermöglicht. Eines der Instrumente zur Gleichschaltung war die Reichskulturkammer. Unter dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, war es das Ziel dieser Behörde, alle Elemente aus der deutschen Kunst- und Kulturszene zu unterdrücken, zu verbieten und zu entfernen, die den Nationalsozialisten missfielen. Jeder Kulturschaffende und damit auch alle Komponisten und Komponistinnen mussten Mitglied in einer der Kammern der Reichskulturkammer sein. Wobei es gleichzeitig strenge Auflagen gab, die bestimmten Gruppen und Individuen den Beitritt zumindest erschwerten oder gar ganz unmöglich machten. Für alle in diesem Zusammenhang als Nichtarier und Kulturbolschewisten abgestempelten Betroffenen kam dies quasi einem Berufsverbot gleich, das vor allem jüdische Künstler/-innen traf. Diese hochgradige Repression führte dazu, dass vielen nur noch der Rückzug ins Privatleben oder die Flucht ins Exil übrig blieb, wobei letzteres durch strenge Ausreisebeschränkungen und hohe Steuern erschwert wurde. In jüdischen Gemeinden, wo im Rahmen des Kulturbundes deutscher Juden die Ausübung von Kunst zum Teil noch möglich war, sammelten sich so immer mehr jüdische Künstler/-innen. Der Kulturbund wurde vom Nationalsozialistischem Regime dazu genutzt, um unter dem Deckmantel der Förderung der jüdischen Kunst für Juden dessen Mitglieder zu täuschen, zu beruhigen, zu kontrollieren und zu konzentrieren. 1935 wurde von Goebbels eine Liste mit 108 Komponisten und Komponistinnen veröffentlicht, die nun nicht mehr selbst spielen und deren Werke nicht mehr gespielt werden durften. Nur bei einem Fünftel der Liste war die Musik selbst der Grund – meist wurde ihnen die Ausübung von Kunst aufgrund ihrer Herkunft oder politischen Gesinnung verboten. Diese Liste entsprach erneut einer hochgradigen Repression, da sie vor allem zeitgenössische und noch praktizierende Künstlerinnen und Künstler traf, die finanziell auf ihr Schaffen angewiesen waren. Es gab aber einige Komponisten, die geduldet oder sogar unterstützt wurden. Eine wichtige Quelle hierfür ist die sogenannte Gottbegnadeten-Liste, welche von Goebbels und Hitler zusammengestellt wurde und Kunstschaffende unterschiedlicher Bereiche vom Kriegsdienst befreite und zur Kulturpropaganda verpflichtete. Darunter waren klassische, unpolitische Komponisten, aber auch aktive Unterstützer des Nationalsozialistischen Regimes, die zum Beispiel Kampf-, Propaganda- und Soldatenlieder komponierten oder auf Partei-Veranstaltungen auftraten und die nationalsozialistische Ideologie unterstützten. Komponistinnen und Komponisten waren also wie fast alle Kulturschaffende zur NS-Zeit der Kontrolle, Unterdrückung und Verfolgung ausgesetzt, wenn sie eine bestimmte Herkunft oder politische Meinung hatten, nicht mit den Nationalsozialisten kooperierten oder von diesen unerwünschten Kunstformen nachgingen.
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STADTRAUMKLANG NO. 2 EastWestDanceMelody
Syrian Expat Philharmonic Orchestra Lüneburger Symphoniker Ballett des Theater Lüneburg Bewegungschor Bildungswerk Lüneburg Dirigent Thomas Dorsch Die Beziehungen zwischen Syrien und Deutschland sind vielfältig. Wir wollen einige dieser Bezugspunkte in unserem integrativen Tanz- und Konzertprojekt widerspiegeln: Die Lüneburger Symphoniker vereinen sich mit dem Syrian Expat Philharmonic Orchestra zu einem großen Klangkörper. Das Ballett des Theater Lüneburg erarbeitet mit einer Gruppe von syrischen Flüchtlingen eine Tanzchoreographie. Obwohl arabische und westliche Musikformen scheinbar im Kontrast stehen, können sie über Rhythmus und Melodie zu einem Ganzen verschmelzen. Dem weltberühmten BOLERO von Maurice Ravel und dem bahnbrechenden und skandalumwitterten Tanzstück LE SACRE DU PRINTEMPS von Igor Strawinsky stehen zwei Uraufführungen der syrischen Komponisten Jehab Jazbeh und Suad Bushnak gegenüber. Unterstützt wird das gesamte Projekt durch das Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft in Lüneburg. 24.11.2018, 20 Uhr / VERDO Hitzacker (Elbe) 25.11.2018, 19 Uhr / Libeskind-Auditorium
MUSIK UND FLUCHT Luca Heinle Seine Heimat zu verlassen, vielleicht sogar verlassen zu müssen aufgrund irgendeiner Zwangslage, ruft starke Emotionen hervor. Musik kann Ausdruck von Emotionen sein, Träger einer Botschaft. Musik vermittelt, regt häufig sogar stärker an als Sprache oder Bilder es (ohne Musik) tun. Musik ist allerdings nicht nur Trägermedium von Emotionen, sondern gleichzeitig für viele Menschen selbst ein Stück Heimat. Obwohl „Heimat“ ein schwammiges Konstrukt ist, so ist es doch nicht inhaltsleer, vielmehr ist es ein politisch aufgeladener Begriff. „Heimat“ ist unbestimmt und wird für Marketingzwecke und zur Abgrenzung verwendet, der Begriff hat aktuell wieder Konjunktur. So hat Deutschland seit dieser Legislaturperiode ein ‚Heimatministerium‘. Nichtsdestotrotz markiert Heimat auch immer eine lokale Identifizierung, die andere Identifikationen natürlich nicht ausschließt. So drückt der Heimat-Begriff ein Verhältnis von Individuen zu sozialen und geografischen Räumen und innerhalb dieser aus (Jäger 2017). Die Musik ist ein wichtiges Element des sozialen Raumes, Teil unserer Sozialisierung und Teil der beweglichen Heimat – der kulturellen Verortung. Wanderbewegungen und Flucht verändern auch immer die Kultur- und Musiklandschaften der jeweiligen Länder: So bringen Menschen aus unterschiedlichen Kulturräumen neue Musikstile, neue Instrumente und Melodien mit. Die Migration von Menschen geht immer Hand in Hand mit der Migration von Musik. Diese Verknüpfung lässt sich beispielsweise verdeutlichen an der Migration türkischer Arbeiter/-innen ab 1961 nach Deutschland sowie der daraus resultierenden Musikproduktion und musikalischen Entwicklung hier: Die Migrationserfahrungen wurden in sogenannten Gurbetçi-Liedern verarbeitet. Es waren Lieder über das Heimweh nach der Türkei und die Auswanderung nach Deutschland. Waren die Inhalte neu, so knüpften diese Lieder musikalisch jedoch an Volkslieder von Saisonarbeitern und -arbeiterinnen im Osmanischen Reich an. Ganz deutlich wird diese Übertragung bei einigen der singenden Arbeiterinnen und Arbeiter: Die Âşık-Sänger und -Sängerinnen, die nach der anatolischen Tradition Geschichten, häufig begleitet von der Langhalslaute (die „Saz“) erzählten, brachten diese Tradition mit nach Deutschland. Diese Geschichten allerdings drehten sich nun um die Anwerbung in der Türkei, das ungewohnte Leben in deutschen Wohnheimen, über die Lieben in der Heimat und nicht zuletzt um die komischen Deutschen (Greve 2011). Für viele wurde somit ein Stück alte Heimat durch neue Einflüsse und Erfahrungen als gewandelte Wirklichkeit in eine neue Heimat überführt.
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MUSIK UND FLUCHT – DAS NIEDERSÄCHSISCHE WELCOME BOARD
SUAD BUSHNAQ
Kira Schäfer
Elena Liegl
Die Gründe dafür, sein Heimatland zu verlassen – ob freiwillig oder erzwungen – sind vielfältig. Das zeigen insbesondere die Ereignisse der letzten Jahre. Dass auch Musik eine Fluchtursache darstellen kann, kommt einem dabei vermutlich nicht in den Sinn. Im Iran ist dies der Fall. Dazu beigetragen hat die Islamische Revolution von 1979. Seitdem ist es Frauen gesetzlich verboten, vor einem Publikum Solo zu singen – Background-Gesang und Instrumentalspiel sind in einigen Fällen erlaubt. Weiter gelten strenge Regeln, was die Art der Musik, die Kleidung der Musizierenden, die Texte und Instrumente, die Werbung usw. betrifft. Jede musikalische Aktivität muss vom Ministerium für Kultur und Islamische Führung im Voraus genehmigt werden. Der Konflikt zwischen der Regierung mit ihren Reformen auf der einen und den Konservativen sowie islamischen Extremisten auf der anderen Seite führt nicht selten dazu, dass Ordnungskräfte bereits genehmigte Konzerte eigenmächtig wieder absagen. Viele Künstlerinnen und Künstler beenden ihre Aktivitäten aus diesen Gründen oder arbeiten im Untergrund weiter, was recht gefährlich ist. Musikerinnen und Musiker, die der Justiz auffallen, werden wegen unterschiedlicher Belange verfolgt und ähnlich behandelt wie politische Aktivisten, nicht selten landen sie mit hohen Kautionsforderungen im Gefängnis. Diese Umstände sind für viele Menschen ein Grund, ihr Heimatland zu verlassen, um andernorts frei Musik machen zu können. So auch für den Iraner Omid Jalali: „Man konnte nicht einfach so Musik machen, wie man wollte. Damals durften wir nicht mit unserem Instrument auf die Straße kommen. Wir durften nicht öffentlich Musik spielen. Wenn die Polizei wusste, dass jemand ein Instrument zu Hause hatte, konnte das strafbar sein, manchmal musste man ins Gefängnis.“ Omid Jalali ist Mitglied des Netzwerks Welcome Board des Musiklands Niedersachsen in Kooperation mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur. In seiner Arbeit hat das Welcome Board laut interner Statistik seit Mitte 2016 knapp 100 Musiker und Musikerinnen interviewt, die nach Niedersachsen geflüchtet sind. Ein Großteil kommt aus Syrien, gefolgt von Iran, Afghanistan und dem Irak. Insgesamt stammen die Menschen im Netzwerk aus 20 verschiedenen Nationen. 89 Prozent von ihnen sind männlich, das Durchschnittsalter beträgt 33 Jahre. Die meisten der Musikerinnen und Musiker spielen Zupfinstrumente (bspw. Oud oder Saz), dicht gefolgt von Gesang, Tasteninstrumenten und Percussion. Doch trotz Unterstützung stoßen sie auch hier auf einige Schwierigkeiten, die weit über Sprachbarrieren und fehlende Kontakte hinausgehen. So konnten viele keine Instrumente mitbringen, es fehlen Zertifikate, die die jeweiligen Qualifikationen nachweisen, oder das Arbeitsrecht erlaubt keine Auftritte.
Suad Bushnaq ist eine der wenigen weiblichen zeitgenössischen arabischen Komponisten. Sie wuchs in Jordanien bei ihrer syrischen Mutter und ihrem palästinensisch-bosnischen Vater auf. Bereits mit vier Jahren begann sie Klavier zu spielen und komponierte ihr erstes Stück mit neun Jahren zum Geburtstag ihres Bruders. Da sie ihre große Leidenschaft, die Musik, zur ihrer Karriere machen wollte, ging sie für ihre musikalische Weiterbildung auf das Higher Institute of Music in Damaskus. Nach eigener Aussage waren diese Jahre für sie eine glückliche Zeit in einem wunderschönen Land und sie sind für ihre Kompositionen weiterhin prägend. Es fiel ihr sehr schwer, Syrien zu verlassen, als sie auf die renommierte McGill University in Kanada wechselte, um dort ihre Ausbildung abzuschließen. Ihre Musik umspannt eine große Vielfalt an Genres, ihre Arbeiten sind stark beeinflusst von ihrem familiären Hintergrund und ihren Weltreisen. Ihre Musik enthält Jazz, arabische Melodien und gelegentlich bosnische Volksmelodien, je nach ihrer momentanen Inspirationsquelle. Es ist Bushnaq ein wichtiges Anliegen, den Menschen – besonders im Westen – ein Bild von Syrien als ein auch wunderschönes, hoch intellektuelles, kulturelles und vielfältiges Land zu präsentieren. Denn Syrien ist mehr als nur das omnipräsente Bild der Flüchtlinge, des Kriegs und der Diktatur. Ihre Familie mütterlicherseits und viele ihrer Freunde leben weiterhin in Syrien, weshalb sie immer noch einen engen Bezug dorthin hat. Ihre Musik soll eine friedliche Brücke zwischen den Kulturen, besonders der ihrer Wurzeln und dem Westen, sein. Suad Bushnaqs Kompositionen werden oft als „ernsthaft schön“ oder als „besinnlich und berührend“ bezeichnet. Orchester wie das Vermont Symphony Orchestra oder das Syrian Expat Philharmonic Orchestra haben ihre Werke in Europa, Nordamerika und dem Nahen Osten aufgeführt. Zudem komponiert sie Soundtracks für Filme wie z.B: „The Road to Jenin“, einer Dokumentation zum Thema Israel-Palästina-Konflikt. Die 36-jährige Film- und Konzertkomponistin lebt aktuell in Toronto und arbeitet an vielen verschiedenen Musikprojekten.
Mehr Infos zur Arbeit des Welcome Board unter www.welcomeboard-niedersachsen.de
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JEHAD JAZBEH Lasse Seelhoff Als einer der führenden Violinisten seines Landes zählt Jehad Jazbeh zur musikalischen Elite Syriens. Schon im Alter von sieben Jahren lernte er Geige spielen und fasste schnell Fuß in der musikalischen Welt. Der 1985 in Aleppo geborene Musiker begann früh zu improvisieren und beschäftigte sich neben der klassischen Musik vor allem mit arabischem Pop und traditioneller syrischer Musik, zwei Stilrichtungen, die auch heute noch einen starken Einfluss auf seine Kompositionen haben. Während seines Studiums in Damaskus spielte Jehad Jazbeh im Syrian National Symphony Orchestra und im Syrian National Orchestra for Arabic Music. Zudem arrangierte er für zahlreiche andere Orchester diverse Stücke, darunter auch Jazz und orientalische Musik. Nach seinem Abschluss am Konservatorium in Damaskus im Jahr 2008 war er auf mehreren Alben berühmter arabischer Musiker zu hören und spielte zahlreiche Konzerte innerhalb und außerhalb Syriens. Aufgrund des im Jahr 2011 beginnenden Krieges in Syrien floh Jehad Jazbeh dann im Jahr 2013 zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in die Türkei. Dort verbrachten sie mehrere Monate, bis Jehad Jazbeh nach Berlin eingeladen wurde. In Deutschland angekommen, wurde Bremen das neue Zuhause der Familie Jazbeh und zusammen mit seinem Bruder Raed begann er auch in Deutschland zu musizieren und Musiker/-innen zusammenzubringen. 2015 gründete Raed Jazbeh das Syrian Expat Philharmonic Orchestra, das nur aus syrischen Musikern und Musikerinnen, die über ganz Europa verstreut leben, besteht. Durch dieses Projekt sollen syrische Künstlerinnen und Künstler zusammengebracht werden, egal welchen Glaubens oder welcher politischen Gesinnung, ganz allein die Musik steht im Vordergrund. Seit nunmehr drei Jahren tritt das Orchester erfolgreich international auf und legt dabei weiterhin großen Wert auf den Bezug zur Heimat Syrien; Jehad Jazbeh spielt erste Geige und ist Konzertmeister. Neben diesem Orchester gründete Jehad das Damascus String Quintet, das einzige rein syrische Streichquintett der Welt, mit dem er bereits internationale Erfolge feierte. Außerdem komponiert er Stücke für Orchester und Quintett. Ihn selbst verbindet immer noch sehr viel mit Syrien, da ein großer Teil seiner Familie weiterhin dort lebt. Diese starke Bindung zu seinem Heimatland spiegelt sich oft in seinen Kompositionen wider und lässt den Zuhörer in die Welt der traditionellen syrischen Musik eintauchen.
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„LE SACRE DU PRINTEMPS“ VON IGOR STRAWINSKY Johannes Leidenbach LE SACRE DU PRINTEMPS ist ein 1913 fertiggestelltes Werk des russisch-französischen Komponisten Igor Strawinsky (1882–1971). Strawinsky gilt als ein wichtiger Vertreter der Klassischen Moderne und erlangte vor allen Dingen durch SACRE große Berühmtheit. Das Werk, ursprünglich als Begleitmusik für eine Ballettaufführung komponiert, wird heutzutage häufig ohne eine Choreografie aufgeführt. Bei der Entstehung des Stückes ließ Strawinsky sich von einer Reise durch Osteuropa inspirieren. Dies erkennt man einerseits an den Melodien, die er aus osteuropäischen Volksliedern übernahm, und andererseits an der Handlung des Balletts, welche im heidnischen Russland spielt und ein zeremonielles Frühlingsopfer darstellt. Musikalisch war das Werk für die damalige Zeit revolutionär und wird oft als „seiner Zeit voraus“ bezeichnet. Dies weniger wegen der Melodik als wegen der anspruchsvollen Harmonik sowie insbesondere der komplett neuartigen, sehr komplexen Rhythmik. Auch bei der Instrumentation ging Strawinsky unkonventionell vor, da er Instrumente in ungewöhnlich hohen oder niedrigen Registern spielen ließ. Diese Neuartigkeit sorgte in Kombination mit einer experimentellen Choreografie dafür, dass es bei der Uraufführung am 2. April 1913 zu einem bis heute legendären Theaterskandal kam: Schon während der ersten Takte gab es laute Unmutsbekundungen aus dem Publikum, die sich mit der Zeit immer mehr steigerten und in einem regelrechten Tumult endeten. Einige Berichte schreiben nicht nur von Pfiffen und Beleidigungen, sondern auch von Schlägereien im Zuschauerraum. Trotz dieses Chaos wurde das Stück bis zum Ende aufgeführt. Über diese Uraufführung wurde viel berichtet, auch in England und Amerika, was sehr zur Popularität von SACRE beitrug. Im weiteren Verlauf wurde es noch einige Male aufgeführt, wobei es aber weitgehend ruhig blieb. Die Kritiken zum Stück waren anfänglich eher schlecht. Nach dem Ersten Weltkrieg ließ Strawinsky LE SACRE DU PRINTEMPS erneut aufführen, diesmal allerdings ohne Choreografie, nur von einem Orchester. Nun änderte sich die Meinung des Publikums sowie der Kritiker, die begeistert waren und den revolutionären Charakter des Stückes anerkannten. Diese neue Popularität gipfelte in der Nutzung des SACRE DU PRINTEMPS in FANTASIA, einem frühen Film Walt Disneys aus dem Jahr 1940. Heutzutage gilt das Stück als eines der wichtigsten musikalischen Werke des 20. Jahrhunderts, mit großem Einfluss auf nachfolgende Komponisten und Komponistinnen und ihre Werke.
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STADTRAUMKLANG NO. 3 Ingenieure der Seele
Lüneburger Symphoniker Dirigent Thomas Dorsch Der sozialistische Realismus hat seinen Ursprung 1932 in der berühmt-berüchtigten Losung Stalins an 40 ausgewählte Moskauer Schriftsteller: „Unsere Panzer sind wertlos, wenn die Seelen, die sie lenken müssen, aus Ton sind. Deshalb sage ich: Die Produktion von Seelen ist wichtiger als die von Panzern ... Und deshalb erhebe ich mein Glas auf euch, Schriftsteller, auf die Ingenieure der Seele.“ Doch was bedeutete dies für die Künstler? In Erinnerung an das Schicksal vieler Komponistinnen und Komponisten erklingt Musik von Dmitri Schostakowitsch und dem koreanischen Komponisten Isang Yun. Isang Yun „Engel in Flammen“ mit Epilog für Orchester, Sopran solo und Frauenchor (1994) Dmitri Schostakowitsch Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47 02.02.2019, 20 Uhr / Libeskind-Auditorium
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SOZIALISTISCHER REALISMUS IN DER MUSIK Jana Holfter Der Begriff des „Sozialistischen Realismus“ oder auch „Sozialrealismus“ wurde erstmals am 23. April 1932 durch den Beschluss des Zentralkomitees der KPdSU zur verbindlichen Leitlinie in sowjetischer Musik, Kunst, Literatur und Film – kurz, innerhalb des kulturellen Lebens – erklärt. Der Sozialrealismus diente dem Zweck, den kulturellen Apparat der Sowjetunion als propagandistisches Werkzeug zu nutzen; von den Kulturschaffenden wurde strikte Parteilichkeit verlangt, Westliches wurde verboten. Ein sozialistischer Mensch sollte durch sozialistische Kultur erschaffen werden, die für den einfachen Arbeiter verständlich sein, an seine Realität anknüpfen sollte und keine Kritik am System üben durfte. Gerade unter Stalin erwies sich diese Doktrin als Instrument, welches seinen Personenkult förderte und durch Zensur und Verbot kulturelles Leben beschnitt (Rüther 1991; Jäger 1995; Christ 1999). Die Musikgeschichte der Sowjetunion trägt deutliche Spuren jenes radikalen Eingriffs in die künstlerische Freiheit. Die ideologisch begründete Stilrichtung sorgte für eine Schere im Kopf vieler Musiker/-innen: Sie passten ihre Werke dem propagandistischen Zeitgeist an, um drohenden Konsequenzen vorab zu entgehen. Zuvor waren es vor allem zwei große Musikverbände, die das Musikleben der UdSSR bestimmten – der Russische Verband für proletarische Musiker (RAPM) und die Assoziation für Zeitgenössische Musik (ASM). Beide mussten sich dem neuen Diktat beugen, da sowohl der Dilettantismus der RAPM als auch die avantgardistische Richtung der ASM nicht dem Sozialrealismus entsprachen. In der ersten Zeit ließ der Sozialrealismus durchaus noch einige Freiheiten zu, dies änderte sich jedoch spätestens 1948. Die Oper DIE GROSSE FREUNDSCHAFT von Wano Iljitsch Muradeli wurde zum Politikum, die Kritik an ihrer Musik ausschlaggebend für eine Resolution, die den Formalismus stark verurteilte und dazu führte, dass sich die Komponistinnen und Komponisten spätestens jetzt der sozialistischen Leitlinie beugen mussten (Täuschel 2016; Redepeening 2008). Doch was bedeutete dies? Der Sozialrealismus steht im Grunde der Romantik nahe, er fußt auf eingängigen Melodien und traditioneller Formgebung. Sein Tenor ist jedoch optimistisch – Weltschmerz oder gar negative Stimmungsmache waren in der UdSSR verpönt, wenn nicht verboten. Nationalistische Folklore hielt Einzug, Allgemeinverständlichkeit wurde gefordert. Das Massenlied – betont schlicht gehalten in Melodie und Harmonie – sollte sozialistisch und geeignet dafür sein, von vielen gesungen zu werden, so die Vorgaben. Als paradigmatisches Beispiel wird oft die INTERNATIONALE genannt. Der Tod Stalins 1953 besiegelte schließlich das Ende des Sozialistischen Realismus (Klempke 2007; Blaukopf 1982).
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K-POP ALS INSTRUMENT DER PSYCHOLOGISCHEN KRIEGSFÜHRUNG Rüymeysa Özcelik Nach einer Unterbrechung von 11 Jahren wurde Ende August 2015 die Beschallung Nordkoreas mit K-Pop, wie man (süd-)koreanische Popmusik seit den 1990er-Jahren auch bezeichnet, wieder aufgenommen. Grund für die erneute Propagandabeschallung sei eine Minen-Platzierung, bei der zwei südkoreanische Soldaten ums Leben kamen. Darauf reagierte Nordkorea mit Kriegsdrohungen. Nach mehreren Verhandlungen einigten sich die beiden Staatspräsidenten auf eine Deeskalation (Welt 2016). Bereits im Januar 2016 nahm Südkorea nach einem Atomtest des Nachbarstaats die Beschallung wieder auf. Vertreter des südkoreanischen Verteidigungsministeriums gaben keine Auskunft darüber, ob sich versteckte Botschaften in den Liedtexten befinden könnten: „Wir haben eine breite Auswahl der jüngsten beliebten Hits getroffen, um es interessant zu machen“ (Welt 2016). Ein Refrainauszug der Boygroup „Big Bang“, deren Lieder unter anderem zur Beschallung dienten, zeigt, dass es sich durchaus um metaphorische Propaganda handeln kann: „Wie du erschossen wurdest, bang, bang, bang.“ Ein neuerliches Gipfeltreffen mit Nordkorea veranlasste Südkorea, die Beschallung zu unterbrechen. Die militärischen Spannungen sollten reduziert werden, um friedlichen Gesprächen nicht entgegenzuwirken (Welt 2016). Wie bekannt, stehen Süd- und Nordkorea seit langem in einem Konflikt. Beide Staaten streben danach, sich gegenseitig zu übertrumpfen und eine Wiedervereinigung ziehen sie bisher nur unter jeweils eigener Regie in Betracht (Kern/Köllner 2005). Mit dem Übergang Südkoreas zur Demokratie im Jahr 1987 wurde der Zivilgesellschaft verfassungsgemäß die Freiheit zugesichert. Die Parteizeitung „Rodong Simmun“ erläutert indes die nordkoreanische Haltung Songun (engl. „military first“) mit der Aussage, dass die Nation über den Klassen und das Vaterland über der Ideologie stehe. Jede Liedzeile in Pjöngjang (Nordkorea) ist dabei staatlich dirigierte Propagandamusik. Musik ist streng zweckgebunden und somit eine Angelegenheit des Staatschefs: „Der Staat sorgt dafür, dass die Schöpfer und Künstler mehr Werke mit hohem ideologischen und künstlerischen Gehalt schaffen und die Massen an der literarisch-künstlerischen Tätigkeit teilnehmen“ (Verfassung Nordkoreas, Abschnitt 3, Artikel 52, zit. n. Benninghoff 2018). Das populäre Genre K-Pop wird den nordkoreanischen Einwohnern vorenthalten, denn, so weiter im Verfassungsartikel: „Der Staat bewahrt unsere Sprache vor jeglichen Formen der Überfremdung.“ Nur der Schwarzmarkt ermöglicht den Nordkoreanern Zugriff auf K-Pop – und, noch weniger erstrebenswert, bei neuerlicher Eskalation des Konflikts die feindliche Propaganda aus dem koreanischen Süden.
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ISANG YUNS „ENGEL IN FLAMMEN“ Lisa Helene Kramer „Wie weit ist für mich Korea, oder wie nah ist Korea für mich von Berlin aus? Mit dieser Frage lebe ich täglich, beim Komponieren, beim Denken, beim Erinnern. […] So sind für mich dreißig Jahre vergangen, aber die Erinnerung, wie ich dort gelebt habe, ist wie von gestern, so klar und so frisch […] Meine musikalische Quelle entspringt dort. Insofern ist Korea so weit und trotzdem so nah.“ (Isang Yun 1986) Der Komponist Isang Yun, geboren am 17. September 1917 im heutigen Südkorea, beschrieb in diesem Zitat seinen heimatverbundenen Kompositionsansatz und seine musikalische Inspirationen, die er aus seinen asiatischen Wurzeln schöpfte. Isang Yun wuchs in Tongyeong auf, das damals zum Japanischen Kaiserreich gehörte, und erlebte selbst mit, wie sich unter dem Einfluss japanischer Fremdherrschaft die koreanische Kultur veränderte. Mit seinen Kompositionen versuchte er die koreanische Musikkultur zu erhalten und wieder aufleben zu lassen, während sie unter der Herrschaft Japans eliminiert werden sollte. Isang Yun studierte bis 1943 zunächst Violoncello und Musiktheorie in Japan und Korea. Durch die Auszeichnung mit dem Kulturpreis der Stadt Seoul 1956 und dem damit verbundenen Preisgeld konnte er seine musikalische Ausbildung in Paris und West-Berlin fortführen. Neben seinem musikalischen Engagement war er auch politisch aktiv. Er äußerte sich kritisch über die politischen Entwicklungen in Südkorea unter der Regierung von Park ChungHee und besuchte 1963, über Ost-Berlin, die Demokratische Volksrepublik Korea. Die Kritik an der südkoreanischen Regierung führte 1967 zu seiner Entführung aus Deutschland nach Seoul durch den südkoreanischen Geheimdienst, wo er zu lebenslanger Haft wegen Landesverrates verurteilt wurde. Nach internationalen Protesten und mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes konnte er nach drei Jahren Südkorea wieder verlassen und wurde 1971 Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Auch während seiner Zeit im Gefängnis erlaubte man ihm, seine Kompositionsarbeit fortzuführen und bereits begonnene Werke zu vollenden. Er komponierte im Laufe seines Lebens Stücke in unterschiedlichen musikalischen Stilen, die von individueller Vielfalt geprägt sind, darunter Kammermusikwerke, Solostücke und Orchesterwerke. Mit seinen Kompositionen strebte er nach einer Verschmelzung der koreanischen Musiktradition mit der westlichen musikalischen Avantgarde. Eines dieser Orchesterwerke ist das Stück ENGEL IN FLAMMEN – geschrieben 1994, ein Jahr vor seinem Tod. Begleitet von Sopran und Frauenchor befasst sich das Werk mit dem Geschehen in seinem Heimatland – den im Jahr 1991 eskalierenden politischen Protesten, bei denen junge Südkoreaner und Südkoreanerinnen in Verzweiflung Selbstverbrennungen begingen. Sie betitelte Yun dabei als „Engel“, nicht im religiösen Sinne, sondern als Bezeichnung für Menschen mit altruistischen Motiven und reiner Seele. Ein halbes Jahr nach seinem Tod am 3.11.1994, wurde das Stück erfolgreich in Tokio uraufgeführt.
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Sonderkonzerte
Auch beim kommenden Neujahrskonzert ist das Programm vorab streng geheim. Doch seien Sie gewiss: Es wird wieder eine besondere Mischung ganz unterschiedlicher Werke und Musikrichtungen geben. Und wie immer haben wir einen hochkarätigen Überraschungsgast für Sie engagiert!
CANTALUNA
01.01.2019, 17 Uhr / Großes Haus 02.01.2019, 20 Uhr / Großes Haus
Lüneburger Singakademie und Chöre der Region Lüneburger Symphoniker Dirigent Thomas Dorsch
EISSELE MEETS THE BEATLES
Abschlussveranstaltung des Chorfestivals „Lüneburger Chorseptember“
Erstmalig initiiert der Kreis-Chorverband Lüneburg e.V. in Kooperation mit den Lüneburger Symphonikern und der Leuphana-Universität ein Festival der Chöre. Unter dem Namen „Lüneburger Chorseptember“ startet das Gemeinschaftsprojekt seine erste Auflage und bietet allen Chören aus Stadt und Region eine Plattform, um sich an verschiedenen Tagen mit ihren Programmen einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Zum Festivalfinale Cantaluna erklingt im Abschlusskonzert Carl Orffs monumentales Werk CARMINA BURANA, gesungen von der Lüneburger Singakademie und vielen Sängern aus den Chören der gesamten Region. Carl Orff Carmina Burana 30.09.2018, 19 Uhr / Libeskind-Auditorium, mit Unterstützung der Hansestadt Lüneburg
WEIHNACHTSKONZERT
„A hard day‘s night“
Lüneburger Symphoniker und Band Leitung Alexander Eissele Den unzähligen Erfolgsprojekten unseres musikalischen Grenzgängers Alexander Eissele, zuletzt mit den BEST OF 80’s und WE WILL ROCK YOU, fügen wir in der Spielzeit 2018/19 ein weiteres Highlight hinzu: EISSELE MEETS THE BEATLES – „A HARD DAY’S NIGHT“. Das Multitalent ist als Klarinettist im klassischen Sinfonieorchester in Lüneburg und als deutschlandweit tätiger Bigband-Leader der Lumberjack Bigband Göppingen ein Garant für stimmungsvolle und mitreißende Konzertabende. Für das neue Cross-over-Projekt der Symphoniker hat sich Eissele eine der wegweisendsten Bands der Popgeschichte ausgesucht: The Beatles. 10.04.2019 und 11.04.2019, 20 Uhr / Großes Haus 12.04.2019, 20 Uhr / Jabelmannhalle, Uelzen
A Tribute to Liza Minnelli
Alexander Eisseles musikalischer Werdegang verlief immer zweigleisig: Auf der einen Seite ging er einen klassischen Weg mit einem Klarinetten-Studium „Orchestermusik“ an den Hochschulen Freiburg i. B r. und Frankfurt a. M. Darauf folgten Konzerttätigkeiten in diversen, auch europäischen Orchestern, darunter das von Claudio Abbado gegründete Mahler Chamber Orchestra die Deutsche Kammerphilharmonie oder jüngst das Philharmonische Staatsorchester Hamburg. Seit 1998 ist er 2. Klarinettist am Theater Lüneburg. Parallel hat er sich in der Bigband-Musik spezialisiert und lotet deren musikalische Möglichkeiten mit seiner Göppinger Lumberjack Bigband aus. Ihre Offenheit und Experimentierfreudigkeit führte u. a. zur Zusammenarbeit mit Künstlern wie Thomas Quasthoff, Max Mutzke, Peter Kraus, Paul Kuhn, Cassandra Steen, Klaus Doldinger, Helge Schneider.
Gesang Asita Djavadi Lüneburger Symphoniker Dirigent Thomas Dorsch Ein Abend ganz im Zeichen der berühmten amerikanischen Sängerin und Schauspielerin Liza Minnelli: Ihre Interpretationen bekannter Musicalsongs und ihre Rollen in vielen Filmen haben eine ganze Generation begeistert. Asita Djavadi hat das bewegte Leben Minnellis zu einem halbszenischen Konzertabend zusammengefasst. Sie singt Minnellis schönste Stücke, sie tanzt und führt durch ein Programm, das auch Minnellis Leben abseits des Showbiz beleuchtet. Die Lüneburger Symphoniker unter der Leitung von Thomas Dorsch begleiten sie und schaffen die Atmosphäre für einen Abend voller Emotionen und brillantem Entertainment! 21.12.2018, 20 Uhr / Großes Haus 20.12.2018, 19.30 Uhr / Kurhaus Bad Bevensen 05.01.2019, 20 Uhr / Philharmonie, Berlin
NEUJAHRSKONZERT
Operettenzauber - wieder mit Überraschungsgast Lüneburger Symphoniker Dirigent Ulrich Stöcker Moderation Friedrich von Mansberg
MUSICAL HOTSPOT Uraufführung
Das Theater Lüneburg ist in seiner jungen Geschichte immer ein Ort des Musicals gewesen. Wir wollen diesen Ruf nicht nur festigen, sondern bieten mit MUSICAL HOTSPOT seit der Spielzeit 2017/18 eine neue Initiative an. Der diesjährige Titel wird noch bekannt gegeben – aber eines ist gewiss: Sie können sich auf eine einzigartige Uraufführung freuen! 13.06.2019, 20 Uhr / Großes Haus
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Kammerkonzerte KAMMERKONZERT NO. 1
„J. S. Bach, Solissimo: Sonaten und Partiten für Violine solo“
J. S. Bach hat mit seinen sechs Sonaten und Partiten für Violine das zentrale Werk für Violine Solo geschaffen. Markus Menke, der Konzertmeister der Lüneburger Symphoniker, spielt neben den beiden Sonaten g- und a-Moll die Partita in d-Moll mit der berühmten Chaconne. 23.09.2018, 17 Uhr / MOSAIQUE — Das Haus der Kulturen
KAMMERKONZERT NO. 2
„Sag beim Abschied leise Servus“
Der Solo-Kontrabassist der Lüneburger der Symphoniker verabschiedet sich vom Theater Lüneburg in einem Kammerkonzert mit Werken der klassischen Salonmusik. Kontrabass Herbert Maus, Klavier Martin Rohlfing, Violine Alexander Desch, Andreas Grüll, Rezitation Karin Lawitschka 14.10.2018, 17 Uhr / Forum der Musikschule
KAMMERKONZERT NO. 3
„3 x Brahms – Die Sonaten für Violine und Klavier“
Mit den drei Sonaten für Violine und Klavier von Johannes Brahms Violine Markus Menke Klavier Matthias Veit 18.11.2018, 17 Uhr / Forum der Musikschule
KAMMERKONZERT NO. 4 „Flöte trifft Streicher“
Mit Werken u. a. von Wolfgang Amadeus Mozart, Paul Ben-Haim Flöte Manfred Seer, Violine Markus Menke, Viola N.N., Violoncello N.N. 20.01.2019, 17 Uhr / Forum der Musikschule
KAMMERKONZERT NO. 5 „Mazel Tov!“
Jüdische Hochzeitsmusik, klassische Musik über jüdische Themen und Klezmer sowie Werke von Bernstein, Auer, Dvori u. a. Mit dem Ensemble „Hevenu Shalom“, das Ensemble für jüdische Musik Flöte Idan Levi, Violine Ivan Neykov, Akkordeon Manolis Stagakis 17.02.2019, 17 Uhr / Forum der Musikschule
KAMMERKONZERT NO. 6
„Bach beeinflusst! – Schwerpunkt Frankreich“
Mit Werken von J. S. Bach, G. F. Händel, F. Couperin u. a. Flöte Manfred Seer, Gambe Roswitha Conrad, Cembalo Daniel Stickan 12.05.2019, 17 Uhr / Forum der Musikschule
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Menschen und Orte Die Musikschule der Hansestadt Lüneburg In der Hansestadt Lüneburg ist in den vergangenen Jahren eine Kulturlandschaft gewachsen, die selbst wesentlich größeren Städten zur Ehre gereichen würde. Während in den Krisenjahren nach 2008 andernorts freiwillige Leistungen gekürzt wurden, investierte die Hansestadt mit Mut und Konsequenz innerhalb von 5 Jahren rund 40 Mio. Euro in ihre Kultur- und Bildungseinrichtungen. Auch die städtische Musikschule erhielt 2012 einen Neubau, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Theater Lüneburg, mit dem sie seitdem in intensiver Projektarbeit Synergieeffekte noch besser nutzen kann. Das neue Gebäude bietet in klassisch-moderner Architektur neben 40 Unterrichts- und Ensembleräumen auch spezielle Räume für den Rock-Pop-Bereich, Tonstudio, Tanzstudio und, als Herzstück des Gebäudes, einen Konzertsaal mit 199 Sitzplätzen. Dieser Saal, mit seiner hervorragenden Akustik gerade auch für die Kammermusik vorzüglich geeignet, ist inzwischen im Kulturleben der Region fest etabliert. Rund 2000 Schülerinnen und Schüler besuchen Woche für Woche die Lüneburger Musikschule, nicht mitgezählt die rund 500 Kinder im niedersächsischen Musikalisierungsprogramm „Wir machen die Musik!“, die von Lehrkräften der Musikschule wöchentlich in Kitas und Grundschulen unterrichtet werden. Kurse für Krabbelkinder werden ebenso angeboten, wie Jazzensembles für Senioren. Im Hauptfachunterricht kann man alle Orchesterinstrumente erlernen, außerdem Tanz und Gesang in den verschiedensten Genres, Tasteninstrumente, historische Streich- und Blasinstrumente und natürlich die gesamte Bandbreite des Instrumentariums aus Jazz, Rock und Pop. Typisch Musikschule: die vielen Ensemble- und Ergänzungsfächer sind das Salz in der Suppe des täglichen Musizierens. Die Musikschule der Hansestadt ist in der Region durch Projektarbeit engmaschig vernetzt mit allgemeinbildenden Schulen und Kulturinstitutionen wie dem Theater Lüneburg oder dem Kulturforum Lüneburg. Intensiv pflegt sie auch ihre internationalen Kontakte zu Partnermusikschulen in Frankreich, Schweden und Spanien.
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Das Wir! zählt — Die Lüneburger Singakademie LÜNEBURGER SINGAKADEMIE bedeutet gemeinsames Singen mehrerer Generationen: Drei Chöre – der Konzertchor, der Kinderchor und der Jugendchor – vereinen sich unter dem Dach einer Akademie. Gestartet wurde das Gemeinschaftsprojekt der Musikschule der Hansestadt Lüneburg und des Theaters als eine weitere Konsequenz hervorragender Zusammenarbeit und Kooperation in der Spielzeit 2016/2017. Die Chöre widmen sich in ihrer wöchentlichen Arbeit einem breiten Repertoire und treten in verschiedenen Veranstaltungen des Theaters, der Musikschule oder in der Lüneburger Öffentlichkeit in Erscheinung. Ergänzt werden die Proben durch professionelle Stimmbildung. Der Konzertchor der Lüneburger Singakademie konzentriert sich auf die weltliche Chormusik wie beispielsweise Felix Mendelssohn Bartholdys DIE ERSTE WALPURGISNACHT oder Carl Orffs berühmte Kantate CARMINA BURANA. Parallel dazu hat sich das Ensemble zum Ziel gesetzt, ein Repertoire an A-cappella-Werken aufzubauen. Proben: • montags 18:15–20:00 Uhr • Theater Lüneburg •K ontakt: phillip.barczewski@theater-lueneburg.de
Der Jugendchor richtet sich an alle musikbegeisterten Jugendlichen ab 15 Jahre und setzt seinen Schwerpunkt auf Musical-, Pop- und Rocksongs. Die Mitglieder sollten möglichst eine musikalische Vorbildung und erste Chorerfahrung mitbringen. Genau wie der Kinderchor wirkt auch der Jugendchor bei Konzerten in der Musikschule der Hansestadt Lüneburg sowie bei Musiktheaterproduktionen des Theater Lüneburg mit. Proben: • freitags 19:15–20:45 Uhr • Musikschule der Hansestadt Lüneburg • Kontakt: anna.schwemmer@gmail.com
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Anna Schwemmer LEITERIN DES KINDER- UND JUGENDCHORES Anna Schwemmer ist gebürtige Berlinerin. Nach ihrer Ausbildung an der HdK Berlin wurde sie für diverse Musicalproduktionen engagiert. Wichtige Stationen waren dabei die Anstellung bei Stage Entertainment, wo sie von 1996 bis 2002 bei der Show BUDDY HOLLY die Vi Petty spielte. Auch in Lüneburg stand sie unter anderem als My fair Lady, Sally Bowles (CABARET) und Annie in ANNIE GET YOUR GUN auf der Bühne. Weitere Engagements führten sie nach Berlin, Hannover, Paderborn und Jagsthausen. Im Jahr 2004 verabschiedete sie sich mit dem Soloprogramm REISE DER SEHNSUCHT vom Bühnenleben und arbeitete fortan als Gesangslehrerin an der Musikschule Lüneburg, wo sie ihre Liebe zur Chormusik wiederentdeckte und ihren ersten Jugendchor (Luna) gründete. Zeitnah schrieb sie mehrere Jugendmusicals, die im Rahmen der Musikschule Lüneburg zur Aufführung kamen. Am Gymnasium Oedeme inszenierte sie das Musical ANNIE und am Theater Lauenburg das Musical HONK!. Im Jahr 2012 gründete sie den Frauenchor MissTöne, der seitdem im Konzertleben Lüneburgs seinen Platz behauptet und mit 50 Mitsängerinnen der größte Frauenchor Lüneburgs ist. Anna Schwemmer leitet außerdem den Be(Hör)denChor, der seit einigen Jahren bei Festivitäten der Landesschulbehörde zum Gelingen beiträgt. Zusätzlich arbeitet sie mit Friedrich von Mansberg im Zuge der Musicalproduktion im T.3 am Theater Lüneburg eng zusammen, wo sie die Jugendlichen als Vokal-Coach auf die Stücke vorbereitet.
Der Kinderchor heißt Mädchen und Jungen im Alter zwischen 10 und 14 Jahren willkommen. Der Schwerpunkt liegt auf kindgerechter zwei- bis dreistimmiger weltlicher Chorliteratur. Neben regelmäßigen Auftritten in der Musikschule der Hansestadt Lüneburg stehen die jungen Sängerinnen und Sänger zudem bei Musiktheaterproduktionen des Theater Lüneburg auf der Bühne. Proben: • freitags 16:00–17:00 Uhr • Musikschule der Hansestadt Lüneburg • Kontakt: anna.schwemmer@gmail.com
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Menschen vor und hinter dem Orchester Musizieren ist ein Gemeinschaftserlebnis und auch bei der Einstudierung von Musik kommt es auf eine gute menschliche Zusammensetzung an. Das Team des Theater Lüneburg könnte nicht besser aufeinander abgestimmt sein. „Die Chemie stimmt“ und so möchten wir Ihnen die uns so wichtigen und unentbehrlichen Mitarbeiter hinter den „musikalischen Kulissen“ auch persönlich vorstellen.
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Thomas Dorsch GENERALMUSIKDIREKTOR UND CHEFDIRIGENT Thomas Dorsch studierte Schulmusik, Komposition und Dirigieren in Hannover und Detmold. Er ist nach Stationen seiner Kapellmeister-Laufbahn in Hildesheim, Wuppertal, Mainz und Oldenburg seit der Spielzeit 2013/14 als Generalmusikdirektor am Theater Lüneburg engagiert. Zum Repertoire des Dirigenten Thomas Dorsch gehören neben den zentralen Werken der deutschen Opernbühnen u. a. auch DIE WALKÜRE und PARSIFAL von Richard Wagner, DER ROSENKAVALIER von Richard Strauss, KATJA KABANOWA von Leoš Janáček und WOZZECK von Alban Berg. Als Konzertdirigent profilierte sich Thomas Dorsch in den letzten Jahren auch mit Uraufführungen von Werken zeitgenössischer Komponisten, darunter Luca Lombardi, Oliver Schneller, Anton Plate, Alfred Koerppen und Anno Schreier. Daneben dirigierte er Werke der klassischen Moderne: Debussys LA MER, die großen Tondichtungen von Richard Strauss, Strawinskys LE SACRE DU PRINTEMPS und AMÉRIQUES von Edgar Varèse. Als Gastdirigent ist er auch im Ausland tätig. 2011 unternahm er eine ausgedehnte Südostasien-Tournee, weitere Konzerte führten ihn nach Japan und Korea. Er ist Gastdirigent bei zahlreichen deutschen Orchestern, u. a. bei den Nürnberger Symphonikern und der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz. Für das Label CPO obliegt ihm die musikalische Leitung einer CD-Serie mit Werken des norddeutschen Komponisten Felix Woyrsch (1860–1944). Ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf den Werken der Wiener Klassik. Seit 2013 führt die ‚Norddeutsche Kammerakademie‘ mit Mitgliedern der Lüneburger Symphoniker unter seiner Leitung Werke des Barock, der Frühklassik und der Wiener Klassik bis hin zu Schubert und Schumann auf historischen Instrumenten in aufführungspraktisch orientierter Lesart in ganz Norddeutschland auf. Im Rahmen dieser Arbeit ist ebenfalls eine CD mit Mozart-Klavierkonzerten auf Hammerflügel mit dem Pianisten Gerrit Zitterbart in einer Kooperation mit dem NDR entstanden. Am Theater Lüneburg zeichnet er verantwortlich für die musikalische Leitung verschiedenster Musiktheaterproduktionen und die Leitung der Konzertreihen der Lüneburger Symphoniker. Thomas Dorsch komponierte die Musik für die Uraufführung von DIE GESCHICHTE VON BLANCHE UND MARIE, Tanzstück von Olaf Schmidt nach dem Roman von Per Olov Enquist. Die gemeinsame Arbeit findet ihre Fortsetzung in der Spielzeit 2018/19 in der Uraufführung von DER KLEINE PRINZ nach Antoine de Saint-Exupéry.
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Kanako Sekiguchi
Phillip Barczewski
BALLETT- UND SOLOREPETITORIN
ZWEITER KAPELLMEISTER UND CHORDIREKTOR
Kanako Sekiguchi wurde in Yamanashi (Japan) geboren. Ab dem dritten Lebensjahr erlernte sie das Klavierspiel und studierte ab 1997 bei Prof. Keiko Misawa. Im Jahr 2007 schloss sie ihr Masterstudium am Senzoku Gakuen College of Music im Hauptfach Klavier ab. Seit 2008 wohnt sie in Europa und ergänzte ihren Abschluss mit dem Studium des Fachs Diplomkorrepetition an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig (Abschluss 2010). Anschließend studierte sie im Master Korrepetition mit dem Hauptfach Vokal-Korrepetition bei Prof. Helga Sippel sowie Liedgestaltung bei Prof. Phillip Moll. Während dieser Zeit war Kanako Sekiguchi auch am „Conservatorio di musica Giuseppe Verdi die Milano“ im Rahmen eines Erasmus-Programms. Von 2013 bis 2015 studierte sie am Accademia Teatro alla Scala in Mailand vokale Korrepetition. Im Jahr 2014 schloss sie den Masterstudiengang Korrepetition an der HMT Leipzig ab. Ab 2015 Mai bis zum Ende der Spielzeit 2015/16 war sie als Solorepetitorin (Elternzeitvertretung) an der Oper Leipzig engagiert. Seit der Spielzeit 2016/17 ist Kanako Sekiguchi als Ballettrepetitorin sowie Solorepetitorin mit Dirigierverpflichtung am Theater Lüneburg engagiert.
Ulrich Stöcker ERSTER KAPELLMEISTER UND STUDIENLEITER Ulrich Stöcker wurde 1988 in Lübeck geboren. 2010 begann er sein Studium in den Fächern Dirigieren, Musiktheorie und Gehörbildung in München, welches er 2015 in Mailand mit Auszeichnung abschloss. Während dieser Zeit trat er als Dirigent des Georgischen Kammerorchesters Ingolstadt, der Bad Reichenhaller Philharmonie und der Münchner Symphoniker in Erscheinung. An der „Jungen Oper Schloss Weikersheim“ dirigierte er 2015 eine Vorstellung von Mozarts LE NOZZE DI FIGARO. Des Weiteren leitete er die Uraufführung des Balletts GRADUS AD PARNASSUM im Prinzregententheater München und repetierte an der Bayerischen Staatsoper. Er absolvierte Meisterkurse u. a. bei Mark Stringer im Rahmen des Dirigentenforums sowie bei Daniele Gatti. Von April 2016 bis Juli 2017 war er als Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung am Theater Lübeck und dirigierte in dieser Position mehrere Vorstellungen THE FAIRY QUEEN von Henry Purcell und SUNSET BOULEVARD. Seit der Spielzeit 2017/18 ist Ulrich Stöcker als Erster Kapellmeister und Studienleiter am Theater Lüneburg engagiert. Er hatte dort die musikalische Leitung der Stücke SUGAR, HÄNSEL UND GRETEL und AMADÉ inne und leitete mehrere Vorstellungen von LE NOZZE DI FIGARO sowie CARMEN.
Phillip Barczewski wurde 1988 geboren und war von 2008 bis 2015 beim IMPULS-Festival für neue Musik in Sachsen-Anhalt als Musikalischer Leiter der Musiktheater-Jugendprojekte engagiert und dirigierte verschiedene Konzerte mit Solisten wie Carmen-Maja Antoni, Axel Prahl und Jaecki Schwarz. Als Gast stand Barczewski unter anderem am Pult der Anhaltischen Philharmonie Dessau, der Kammerakademie Halle, des Philharmonischen Kammerorchesters Wernigerode, der Lüneburger Symphoniker, der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie Schönebeck, des Orchesters des Nordharzer Städtebundtheaters und der Staatskapelle Halle. Im Sommer 2013 und 2014 assistierte und dirigierte er bei den Operncamps der Wiener Philharmoniker im Rahmen der Salzburger Festspiele FALLSTAFF, DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG, IL TROVATORE und FIERRABRAS in Fassungen für Kinder. Am Theater Lüneburg studierte er die Opern NEUES VOM TAGE sowie DIE ZAUBERFLÖTE als Assistent mit ein und übernahm die musikalische Leitung von Strawinskys DIE GESCHICHTE VOM SOLDATEN in einer Produktion des Theater-Konglomerats Lüneburg. Phillip Barczewski studierte Musikwissenschaft und Geschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Am Institut für Musik arbeitete er dort für Prof. Tomi Mäkelä. Am Conservatorium Maastricht schloss er sein Studium im Fach Dirigieren bei Enrico Delamboye, Thomas Dorsch und Jan Stulen im Sommer 2016 ab. Barczewski ist Richard-Wagner-Stipendiat. Seit August 2016 ist er Chordirektor mit Dirigierverpflichtung und stellvertretender Studienleiter am Theater Lüneburg, seit der Spielzeit 2017/18 Chordirektor und Zweiter Kapellmeister.
Der Orchestervorstand Der Arbeitsplatz eines Orchestermusikers ist immer auch ein emotionaler Raum. Hier ist es nun die Aufgabe des Orchestervorstandes, zwischen den unter Umständen divergierenden Ansichten der verschiedenen Teile eines Theaters, innerhalb und außerhalb des Orchesters zu vermitteln. Der Orchestervorstand steht immer zwischen allen Stühlen. Diese sensible Aufgabe erledigen bei den Lüneburger Symphonikern unser Soloflötist Manfred Seer, die Bassistin Ulrike Setz und der Violonist Andreas Grüll.
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Die Menschen, ohne die auch die beste Kunst keine Chance hat Markus Cherouny PROJEKTLEITER Unentbehrlich für unsere vielen Aktivitäten ist auch eine perfekte Abstimmung der organisatorischen Abläufe. Unser Projektleiter Markus Cherouny hat hierfür die Verantwortung übernommen. Er hat bereits während seiner Schulzeit in Lüneburg eine starke Verbindung zum Theater aufgebaut, ging dann aber zunächst für ein Studium der Anglistik, Linguistik und Germanistik nach Düsseldorf und Wuppertal und arbeitete als Eventmanager für das Rektorat der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. 2014 wechselte er als Projektmanager in eine dort ansässige Online-Agentur. Nebenher baute er ein heute erfolgreiches Importunternehmen für Zigarren und Genussmittel aus Mittel- und Südamerika auf. Anschließend nahm er sich eine berufliche Auszeit und verlegte seinen Lebensmittelpunkt vom Rheinland zurück nach Lüneburg. Seit November 2017 unterstützt Markus Cherouny als Projektleiter die Arbeit des Orchesters und des Generalmusikdirektors, eine Stelle, die durch die Initiative „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“ ermöglicht wird.
Manfred Seer ORCHESTERINSPEKTOR Unser Soloflötist ist auch gleichzeitig unser Orchesterinspektor. Dieser ist dafür verantwortlich, dass im Alltag alle Musiker zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle sind. Was relativ einfach klingt, ist in der Praxis bedingt durch Krankheiten, Verschiebungen und Programm- oder Probenänderungen oftmals ein Sisyphusaufgabe, eine logistische Meisterleistung. Manfred Seer studierte Flöte an der Musikhochschule des Saarlandes in Saarbrücken bei Kurt Cromm und am Münchener Richard-Strauss-Konservatorium bei Dr. Jochen Gärtner. Interpretations- und Kammermusikkurse bei Andreas Adorjan, Gustav Scheck, Peter Lukas Graf, William Bennett, André Jaunet und Toke Lund Christiansen ergänzten sein Studium. Seit August 1981 ist Manfred Seer Mitglied der Lüneburger Symphoniker. Neben der Orchestertätigkeit widmet er sich intensiv der Kammermusik und ist pädagogisch an der Musikschule der Hansestadt Lüneburg tätig.
Alexander Desch ORCHESTERWART Ohne ihn, unseren Orchesterwart, ginge gar nichts: Alexander Desch ist studierter Violinist und seit vielen Jahren als Geigenlehrer und Lehrbeauftragter an der Universität Oldenburg und in der Region Lüneburg tätig. Als Musiker weiß Alexander Desch, der auch regelmäßig in den Reihen der Symphoniker spielt, bestens über die Empfindlichkeiten und die klangspezifischen Bedingungen des Orchesteraufbaus Bescheid. Bei der Platzierung der Instrumente, Pulte und Stühle ist zentimetergenaue Arbeit und ein genaues Know-how aller Instrumente gefragt – er beherrscht das Metier aus dem Effeff.
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