INFOcomics Zeit. Ein Sachcomic Leseprobe

Page 1


Craig Callender & Ralph Edney


Impressum www.infocomics.de

Titel: Zeit. Ein Sachcomic Reihe: INFOcomics (hrsg. von Wilfried Stascheit) Autor: Craig Callender Illustrationen: Ralph Edney Umschlag: Edward Bettison Titel der englischen Originalausgabe: Time. A Graphic Guide Icon Books Ltd., London, 2010 © Text: Craig Callender © Illustrationen: Ralph Edney © 2013 deutsche Ausgabe: TibiaPress Verlag GmbH Abigstr. 11, D-88662 Überlingen Tel.: 07551.309272; Fax: 07551.309273 info@tibiapress.de www.tibiapress.de Übersetzung: Wilfried Stascheit Layout: Verlag Die Werkstatt, Göttingen Druck: Druckerei Uwe Nolte, Iserlohn

ISBN: 978-3-935254-38-0

Besucht uns auf Facebook:

www.facebook.com/infocomics



Was ist Zeit? Der große Theologe und Philosoph Augustinus (354-430 n. Chr.) beschrieb dieses Problem in seinem berühmten Buch Bekenntnisse: Nachdem er alle Dinge, die er über die Zeit sagen konnte, ohne zu wissen, was sie ist, dargelegt hat – etwa, dass es Zeit braucht, dies zu sagen – gibt er zu, dass er sich wirklich in einem „beklagenswerten Zustand befinde, denn ich weiß nicht einmal das, was ich nicht weiß!“.

Was ist Zeit? Wenn mich keiner danach fragt, weiß ich es. Aber wenn ich es jemandem, der mich fragt, erklären möchte …

weiß ich es einfach nicht.

Augustinus ist mit seiner Verwirrung nicht allein. Die Frage, was Zeit ist, und damit verwandte Probleme – wie zum Beispiel, ob Vergangenheit und Zukunft real sind, ob Zeitreisen möglich sind, und die Erörterung der Richtung von Zeit – gehören zu den schwierigsten und doch faszinierendsten Fragestellungen. 3


Vielerlei Uhren Im Alltag scheinen wir eher vertraut mit der Zeit zu sein. Dies Vertrauen speist sich aus zwei Quellen: Uhren und unserer inneren psychologischen Zeiterfahrung. Uhren sind überall. Es gibt Standuhren, Armbanduhren, Wecker, selbst Weihrauchuhren, die dir die Zeit durch ihren Geruch anzeigen. Es gibt auch natürliche Uhren.

Uhren gab es schon vor der modernen Erfindung von transportablen, künstlichen Uhren. Vor über 4000 Jahren verwendeten die Ägypter den Schatten von Obelisken als Uhren und Sonnenuhren und Wasseruhren, die die Zeit über den Strom von Wasser durch ein Steingefäß maßen. 4


Schon um 1800 v. Chr. hatten die alten Babylonier den Tag in Stunden, die Stunde in sechzig Minuten und die Minute in sechzig Sekunden eingeteilt. Alle großen Zivilisationen der Vergangenheit nutzten die Positionen der Sonne oder der Sterne, um die Zeit zu bestimmen. Diese Uhren waren sehr genau.

Ein Astronom des Altertums konnte, mit bloßem Auge, die Zeit anhand der Sterne auf 15 Minuten genau bestimmen. Und eigentlich jeder kann die Zeit ungefähr nach dem Stand der Sonne bestimmen. 5


Biologische Uhren Wir tragen außerdem unsere eigenen biologischen Uhren in uns. Das menschliche Herz schlägt im Durchschnitt 70-mal in der Minute. Unsere Stimmungen, unsere Konzentrationsfähigkeit und unser Appetit folgen geregelten Mustern, die von der Tageszeit, dem Mondzyklus und der Jahreszeit abhängen. Unsere biologische Uhr scheint direkt mit einer Gruppe von Nervenzellen im Hypothalamus in unserem Gehirn zusammenzuhängen.

Diese Zellen sind mit der Netzhaut unserer Augen verbunden und regulieren wohl die Zyklen der Hormonausschüttung, die Temperatur unserer Haut und die Zyklen von Ruhe und Wachheit. Das Hormon Melatonin spielt eine zentrale Rolle bei der Kontrolle unseres täglichen (Bio-)Rhythmus. 6


Biologische Uhren sind aber keine menschliche Spezialität. Jedes Lebewesen in der Natur scheint sie zu besitzen. Manche funktionieren so gut, dass sie sogar für eine Nutzung durch den Menschen vorgeschlagen wurden. Der schwedische Naturforscher Carl Linnaeus (1707-1778) dachte daran, Blumen als Uhren zu verwenden.

Passionsblume sprossende Felsennelke

Doldenmilchstern 12 Uhr

gemeiner Rainkohl

Acker­ gauchheil

dornige/ raue ­Gänsedistel

Löwenzahn

kleines Habichts­ kraut

Zaunwinde

aufrechte Sametblume

weiße Seerose

geflecktes Ferkelkraut

Nachtkerze

Überraschenderweise basiert nicht jede biologische Uhr auf dem Tag, dem Mondzyklus, der Jahreszeit oder einem Jahr. Die Zikade ist ein bemerkenswertes zirpendes Insekt, das 17 Jahre in der Erde verbringt. Nach diesen 17 Jahren tauchen die Zikaden zu Tausenden gleichzeitig auf, klettern auf die Bäume, paaren sich dort und sterben innerhalb weniger Stunden, woraufhin der 17-jährige Zyklus von vorne beginnt. Egal ob natürlich oder künstlich, Uhren haben, seit es Menschen gibt, geholfen, dem Leben ein ordnendes Muster zu geben. In der modernen Gesellschaft können sie allerdings auch eine Menge Stress verursachen. 7


Psychologische Zeit Wir fühlen auch, wie die Zeit vergeht. Zusätzlich zur physikalischen Zeit, die von verschiedenen Uhren gemessen wird, gibt es ebenfalls eine psychologische Zeit. Wir haben Erinnerungen an die Vergangenheit und Ahnungen von der Zukunft. Und wir erfahren die zeitliche Dauer auf unterschiedliche Weise. Wir sind uns selbst subjektiv darüber bewusst, dass Zeit vergeht. Jeder kann ungefähr schätzen, wie viel Zeit zwischen zwei Ereignissen verstrichen ist. Manche Menschen können das überraschend gut, als gäbe es kleine innere Uhren in unserem Kopf – die irgendwie mit den biologischen Uhren zusammenhängen.

Das interessante an diesen inneren Uhren ist, dass sie sich für eine Person beschleunigen oder verlangsamen können, was aber keineswegs mit den inneren Uhren anderer Personen parallel laufen muss. 8


Mit Blick auf die Armbanduhr dauert die Fahrt mit einer superschnellen Achterbahn zum Beispiel nur 11 Sekunden. 11 Sekunden können für eine Person bei der Fahrt in der Achterbahn eine Ewigkeit bedeuten, wohingegen sie für eine wartende Person als fast Nichts erscheinen. Ein Basketballspiel erscheint dem mitspielenden Kind in kurzer Zeit vorbeizugehen, aber für Eltern, die 20 solcher Spiele im Monat mitansehen müssen, wird es zur Ewigkeit!

Am Beginn unserer Untersuchungen über die Zeit ist es wichtig zu begreifen, dass Zeit mehr als nur Uhren oder das subjektive Erleben von Zeit ist. Zeit ist nicht einfach nur der Wecker auf deinem Nachttisch oder lediglich etwas in deinem Kopf. Sobald wir uns dies klargemacht haben, warten wundersame und abgründige Fragen an der nächsten Ecke. 9


Existiert Zeit nur im Kopf? Nachdem sich seine anfängliche Panik gelegt hat, argumentiert Augustinus weiter, dass Zeit außerhalb des Kopfes nicht wirklich existiert. Wir messen ­zeitlich nur das, was in unserer Erinnerung hängen bleibt. ­Zeitmessung geschieht nur in meinem Kopf. Ich darf meinem Denken nicht erlauben, auf der Objektivität von Zeit zu bestehen.

Zeit ist nur ein Bestandteil unserer Erinnerungen und Erwartungen.

Ein neugeborenes Baby erlebt nicht, wie Zeit ­vergeht.

Und der französische Philosoph Henri Bergson (1859-1941) bezog ebenfalls diese Position.

Der persische Philosoph Avicenna (Ibn Sina) (980-1037) stimmte ihm zu. 10


Kann dies stimmen? Obwohl sich Menschen in ihrem Gefühl, wie viel Zeit vergangen ist, uneinig sind, gibt es doch eine bemerkenswert einheitliche Bewertung bezüglich der zeitlichen Abfolge von Ereignissen. Nehmen wir an, Vater und Sohn, die gerade vom Basketballspiel nach Hause gehen, haben, seit sie zum Spiel aufgebrochen sind, nicht mehr auf die Uhr geschaut – und außerdem war es bewölkt, sodass sie auch nicht wissen, wo gerade die Sonne steht.

Dann schätzen sie, wie spät es ist, bevor sie tatsächlich auf die Uhr schauen. Ihre Schätzungen können dabei um mehrere Stunden auseinanderliegen. Vielleicht streiten sie sogar darüber, wer richtiger liegt. Aber über die Reihenfolge der Ereignisse, die stattgefunden haben, würden sie nie lange diskutieren. „Wir sind uns einig darüber, dass die Freiwürfe von Smith in der zweiten Halbzeit, etwas später waren als seine Freiwürfe in der ersten Halbzeit …“ „Und Joey brach sich den Finger, als Smith darauf trat.“ Von seltenen Fällen abgesehen, sind sich meist alle (denen dieselben Informationen zur Verfügung stehen) einig über die zeitliche Abfolge von Ereignissen. Es gibt definitiv etwas Objektives und Unabhängiges im Gefühl einer Person, was die Zeitordnung betrifft. Diese Objektivität der Anordnung von Ereignissen in der Zeit beweist, dass in der Zeit mehr steckt als nur unser psychologisches Gefühl für ihr Vergehen. Es gibt den Fakt, dass Ereignisse in einer eindeutigen und vom Beobachter unabhängigen Abfolge in der Zeit ausgelegt zu sein scheinen. 11


Uhren und Zeit Ist diese Einigkeit nur die Einigkeit darüber, was uns die Uhren sagen? Vielleicht sind es ja die Uhren, die uns die Zeit geben? Aber auch das ist schon eine schwierige Frage. Auf den ersten Blick jedenfalls ist die Antwort „Nein“: Wie oft sprechen wir von einer Uhr, die falsch geht. Du sagst zum Beispiel, meine Armbanduhr geht 10 Minuten nach oder ist sogar komplett stehen geblieben. Das kann eine Entschuldigung für das verspätete Eintreffen zu einem Termin sein. Aber ist deine Armbanduhr ein unfehlbarer Führer zur Zeiteinteilung? Nein, denn wir wissen, sie wird jedes Jahr ein paar Sekunden „verlieren“, selbst wenn sie sehr gut ist.

Was bedeutet „Sekunden verlieren”? Was ist überhaupt eine Uhr?

Eine Uhr ist ein ­physikalisches Objekt, das regelmäßige periodische Bewegungen aufweist…

also eine Bewegung, die zu ihrem ursprünglichen Zustand zurückkehrt.

Wir wollen, dass zwischen jedem Ticken der Uhr genau die gleiche Menge an Zeit vergehen soll. Es überrascht uns eher wenig, dass Pendel mit einer regelmäßigen Intervallbewegung als Uhren verwendet werden können. Aber Pendel sind nicht perfekt. Auf einem Schiff mit viel Seegang wird ihre Bewegung gestört, und sie verhalten sich bei heißem Wetter anders als bei kaltem. 12


Betrachten wir ein Pendel, das zweimal vor- und zurückschwingt. Woher wissen wir, dass die Menge an Zeit, die auf seinem ersten Weg vor und zurück vergangen ist, die gleiche Menge an Zeit ist wie auf seinem zweiten Weg? Diese Frage zeigt, was der deutsche Philosoph Hans Reichenbach (18911953) „das Problem der Uniformität der Zeit“ nannte.

Der erste Weg war nach meinem Gefühl genauso lang wie der zweite.

Gut – nur ist diese Antwort aus drei Gründen nicht besonders befriedigend.

Erstens, deine persönliche Zeitschätzungen sind nicht präzise genug für die Wissenschaft. Wir müssen wissen, ob der erste Weg ganz exakt wie der zweite Weg aussah. Zweitens, dein Gefühl für die Menge an verstrichener Zeit ist subjektiv. Du könntest meinen, dass die gleiche Menge an Zeit verstrichen ist, aber dein Freund könnte ganz anders darüber denken. Drittens und am wichtigsten, du misst die verstrichene Zeit mit deinen Gedanken, aber sie sind, das ist plausibel, auch physikalische Prozesse, und so würden wir mit unserer Fragestellung nur einen Schritt zurückgehen: Wir würden dich dann fragen, woher du weißt, wie lange deine Gedanken dauern? 13


Die Darstellung von Dimensionen Ein perfekter mathematischer Punkt ist 0-dimensional. Er hat keine Höhe, Länge oder Breite.

Nun zieh den Punkt etwa 5 cm nach rechts und stell dir vor, er hinterlässt eine Spur aus Tinte.

Du hast nun eine eindimensionale Linie gezogen. Sie hat eine Länge auf dem Papier, aber weder eine Breite auf dem Blatt noch (idealerweise) eine Höhe nach oben oder unten. Wenn wir nun die Linien nehmen und sie 5 cm nach oben ziehen, haben wir eine zweidimensionale Einheit, eine Fläche.

Du kannst dir eine Fläche als das dünnste Papier, das möglich ist, vorstellen, mit überhaupt keiner Dicke. Wenn wir die Ebene nun 5 cm aus der Buchseite herausziehen, erhalten wir einen soliden dreidimensionalen Würfel. Unsere Welt ist voll von dreidimensionalen Objekten.

38


Die vierte oder die Dimension der Zeit Machen wir also weiter. Obwohl wir es uns in unserem Kopf nicht wirklich visualisieren können, ist es möglich, diese Prozedur beliebig oft zu wiederholen. Wir nehmen jedes Mal ein Objekt, das n-dimensional sein soll und stellen uns vor, dass es, im rechten Winkel zu den anderen Richtungen, in eine Richtung gezogen wird, um so jeweils ein höheres, n+1-dimensionales Objekt zu erhalten. Lass uns das also einmal machen. Und nennen wir diese neue Dimension Zeit. Unglücklicherweise können wir das nicht zeichnen, obwohl es einfach zu verstehen ist, wie wir gleich sehen werden.

Wahrscheinlich kennst du ein „Daumenkino“. Man zeichnet kleine Strichmännchen in die unteren Ecke der Seiten eines Notizblocks. Jedes Männchen sieht ein bisschen anders aus als das vorher. Wenn du dann die Seiten schnell umblätterst, scheinen sich die kleinen Strichmännchen zu bewegen. Blättere einmal die Seiten langsamer um, und du hast unsere Idee. Die Welt ist wie dein Notizblock: ein Bündel dreidimensionaler Entitäten, die auf bestimmten Raumkoordinaten (Orte auf den einzelnen Blättern) zu verschiedenen Zeiten (verschiedene Blätter) liegen. 39


Diagramme von Raum und Zeit Schnippe mit den Fingern. Dieses Schnippen soll einen Augenblick der Zeit markieren. Genau in diesem Moment haben alle Objekte der Welt eine definierte räumliche Lage: Deine Hände sind da, wo sie sind, die Menschen im Flugzeug da oben befinden sich in einer bestimmten Entfernung und in einer bestimmten Richtung zu deinen Händen usw. Jetzt schnippe noch einmal mit den Fingern. Nun haben sich deine Hände leicht bewegt (Handbewegung/ Erddrehung), genauso wie das Flugzeug. Dieses Schnippen markiert verschiedene Orte in Raum und Zeit.

Zweites Schnippen

Flu

gze

ug

Zeit

Hand

Wir können uns das besser vorstellen, wenn wir uns darauf einlassen dreidimensionale räumliche Objekte zweidimensional oder sogar eindimensional abzubilden. Die „Höhe“ (y-Achse) in unserem Diagramm bildet diesmal nicht die Höhe ab, sondern die Zeit. Deine Hand und das Flugzeug (vergiss die RestWelt) bilden je eine „Weltlinie“ in unserem Diagramm ab, und deine Schnippser zeigen Zeitpunkte auf diesen „Weltlinien“ an.

Erstes Schnippen

Raum 40


Gehst du im Diagramm nach oben, zeigt dir dies an, wie viel Zeit vergeht, gemessen an der vertikalen Achse. Die räumliche Entfernung wird durch die horizontale Achse gemessen. Die wachsende Entfernung zwischen Flugzeug und Hand wird also dargestellt durch den wachsenden Abstand zwischen den entsprechenden „Weltlinien“. Nehmen wir das einfachste Beispiel, ein unbewegt liegender Felsen (wir ignorieren die Bewegung der Erde) würde folgendermaßen aussehen.

Felsen

Zeit

Raum

Zwei zusammenstoßende Billardkugeln würden so aussehen … Zeit

r iß e We ll Ba

z ar hw c S ll Ba

er

Raum Und so zwei herumgewirbelte

Zeit B

A

Laternen

Raum

41


Das Bild eines nicht-temporalen Lebens Aus der nicht-temporalen oder „Block“-Sicht existiert alles: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In diesem Fall könnte dein Leben so aussehen …

Zeit

Tod 2050 New York

Geburt 1970 Berlin

Raum

Es stimmt, wir wissen nicht, wann oder wo du traurigerweise sterben wirst.

Aber dieser Tod wird stattfinden – also existiert er irgendwo in diesem Raster.

Wir müssen aufpassen, wenn wir diese Theorie beschreiben. Es darf nicht so klingen, als ob die Vergangenheit und die Zukunft schon jetzt existierten. „Jetzt“ hat in dieser Theorie keine privilegierte Position. „Jetzt“ ist lediglich die Zeit, in der du das Wort „jetzt“ aussprichst. Wenn du sagst: „Jetzt beschreibt dieses Buch eine seltsame Theorie der Zeit“, dann bezieht sich das auf die Ereignisse, die gleichzeitig mit dieser Äußerung stattfinden. Sagst du es früher, dann bezieht es sich auf frühere Ereignisse. 42


Das Hier und Jetzt „Jetzt“ funktioniert genauso wie die räumliche Wahrnehmung von „hier“. „Ich bin hier“ bezieht sich auf den Ort, an dem du dich befindest, wenn du den Satz aussprichst – in New York bezieht er sich auf New York, in Berlin auf Berlin und auf dem Mond auf den Mond. Im scharfen Gegensatz zur temporalen Theorie ist bei dieser Betrachtungsweise Vergangenes, Gegenwärtiges oder Zukünftiges immer relativ zum Ort, an dem du dich auf dem Raum-ZeitBlock befindest. Diese Theorie kommt einem zunächst ziemlich verrückt vor.

Absurd ist, dass Zukunft und ­Vergangenheit gleichrangig real sollen, ich kann sie doch gar nicht sehen.

Wo sind sie, wenn sie so real sind?

Dein Einwand gründet sich auf einen Fehler.

Wir stimmen gerne zu, dass Boston, London und Moskau alle auf die gleiche Weise real sind, auch wenn du von einem Ort nicht zum anderen sehen kannst. Der Grund ist, dass sie an verschiedenen Orten liegen. Und so ist es hier auch: Die Ereignisse Geburt und Tod existieren, aber zu verschiedenen Zeitpunkten. 43


Das Problem der Bewegung und Veränderung Manche Menschen stört es auch, dass es in der nicht-temporalen Theorie keine Bewegung oder Veränderung gäbe. Das ist auf eine Weise richtig, auf die andere Weise falsch. Falsch ist es dann, wenn man Veränderung nur definiert als unterschiedliche Eigenschaften zu verschiedenen Zeiten (oder Bewegung als unterschiedliche räumliche Orte zu verschiedenen Zeiten).

Es ist plausibel, dass für Dr. Jekyll seine Verwandlung in Mr. Hyde nur bedeutet, in einer Zeit ein normaler Mensch zu sein …

in einer anderen Zeit zum Monster zu werden

und dann ein richtiges Monster zu sein usw.

So dachte der Philosoph und Nobelpreisträger Bertrand Russel (1872-1970) über Veränderung. So gesehen, gibt es definitiv Veränderung und Bewegung in dieser Theorie. Deine Teetasse hat anfangs die Eigenschaft, warm zu sein, und dann zu einer anderen Zeit weniger warm und zu einer weiteren Zeit noch weniger warm zu sein usw. Der Mond hat die Eigenschaft, zu einer Zeit an einem bestimmten Ort zu sein und zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort usw. Ersteres beschreibt die Veränderung von heiß zu kalt, Letzteres die Veränderung, die als Bewegung bekannt ist. Alles, was sich aus dieser Sichtweise verändert, ist ein dreidimensionales Objekt, das zu verschiedenen Zeiten verschiedene Eigenschaften besitzt, und natürlich kann so etwas in der nicht-temporalen Theorie vorkommen. Bewegung und Veränderung sind in den vier Dimensionen bereits verschlüsselt. 44


Natürlich sind in der nicht-temporalen Theorie die zeitlichen Relationen zwischen allen vierdimensionalen Objekten völlig festgelegt, und zwar ein für alle Mal. Aus vierdimensionaler Sicht gibt es keine Veränderung. Die Außerirdischen in Kurt Vonneguts Roman Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug (1969) konnten vierdimensionale und nicht nur dreidimensionale Objekte sehen. So konnten sie die Geschichte der Erde, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vor ihnen ausgebreitet, festgelegt und unveränderlich sehen. Da es keine fünfte Dimension gibt, zu der sich vierdimensionale Objekte relativ verändern könnten, kann eine Russel‘sche Veränderung auf dieser Ebene nicht auftreten. Und das sollte sie auch nicht, sagt der „Non-Temporale“ (Gegner temporaler Theorie).

Alles, was wir wahrnehmen, sind dreidimensionale Objekte mit einer räumlichen Ausdehnung (uns selbst eingeschlossen), die zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Eigenschaften besitzen. Alles Weitere ist unnötig.

Als ein Verteidiger der temporalen Theorie habe ich Einwände. Meine abkühlende Teetasse ist nicht nur ein Prozess von verschiedenen Eigenschaften zu unterschiedlichen Zeiten …

… es ist auch das ExistentWerden von kälteren Temperaturen und das Aufhören der Existenz von heißeren Temperaturen.

Die Eigenschaft, 100 °C zu einem Zeitpunkt t zu haben, ist nicht ganz simpel nicht am Zeitpunkt t+1 lokalisiert, sie ist auch in die Vergangenheit gerutscht. Man sagt also, dass dieses „Extra“ gebraucht wird, um wirkliche zeitliche Veränderung von einfacher Variation (z. B. die Veränderungen der Farben auf einer Flagge) zu unterscheiden. In dieser robusteren Auffassung von Veränderung gäbe es keine Veränderung in der nicht-temporalen Theorie. 45


McTaggarts Argumentation Mit der „Unwirklichkeit der Zeit“ (1908) präsentierte der schottische Philosoph J.E. McTaggart (1866-1925) eine Argumentationsweise, die unter Philosophen inzwischen berühmt ist. McTaggart schlussfolgerte, dass Zeit nicht existiert, oder besser gesagt, es existiert nichts, das es wert wäre, Zeit genannt zu werden. Aber in McTaggarts Argumentation gibt es für beide Parteien etwas: für Temporale („Tenser“) als auch Nicht-Temporale („Detenser“). Die „Tenser“ werden wohl die These mittragen, dass eine echte Veränderung voraussetzt, dass die temporale Theorie der Zeit richtig ist. Für McTaggart reicht es nicht, wenn man sagt, dass die Teetasse zum Zeitpunkt t heiß und zur Zeit t* nicht heiß ist, wobei t* später als t liegt.

Um vollständig zu erfassen, was geschieht, müssen wir zusätzlich sagen, dass die Teetasse heiß war…

…und jetzt kalt ist. Diese Aussagen beziehen sich auf die Änderung der nicht-relationalen Eigenschaften von Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem.

Also folgert McTaggart, dass die temporale Theorie der Zeit am besten zu unserer Erfahrung passt. 46


Das Komische daran ist, dass er feststellt, dass die Zeiten zwar am besten passen, sie aber eigentlich inkohärent sind. Es überrascht wenig, dass dies der Teil der Argumentation ist, den die „Detenser“ favorisieren. Die Beweisführung ist trügerisch simpel, da sie sich aus lediglich zwei Behauptungen der temporalen Theorie entwickeln lässt.

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind inkompatible Eigenschaften. Ein vergan­ genes Ereignis kann nicht gegenwärtig sein.

Aber jedes Ereignis hat alle drei dieser Eigenschaften. Sokrates’ Tod war einst Zukunft, dann G ­ egenwart und ist nun ­Vergangenheit.

Behauptung 1 und 2 sind beide laut temporaler Theorie der Zeit wahr, aber sie sind logischerweise unvereinbar.

Daher muss die temporale Theorie der Zeit falsch sein. Aber da er nun einmal glaubt, dass sie die beste verfügbare Darstellungsweise von Zeit und Veränderung ist, rettet er seine Argumentation durch die atemberaubende Feststellung, dass die Zeit selbst irreal ist! 47


McTaggarts Falle vermeiden Es gibt zwei generelle Strategien, um diese Schlussfolgerung zu umschiffen. „Detenser“ leugnen einfach, dass die non-temporale Theorie eine nur unzulängliche Darstellung dessen ist, was wir als Veränderung empfinden. Warum ist das Postulieren einer sich bewegenden Gegenwart – ein zusätzliches Rauschen in der Welt – überhaupt notwendig?

Was soll das ganze Theater um McTaggart? Wir akzeptieren den zweiten Teil seiner These.

Wir wissen genau, dass die temporale Theorie der Zeit logisch inkohärent ist.

Wir befreien uns von der Widersprüchlichkeit seiner Thesen durch den Hinweis, wir würden gar nicht davon ausgehen aus, dass Ereignisse gleichzeitig Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind.

Sokrates’ Tod ist im Jahr 2000 n. Chr. Vergangenheit, soweit wir wissen, im Jahr 399 v. Chr. Gegenwart und im Jahr 500 v. Chr. Zukunft, nicht Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zur gleichen Zeit, wie es Behauptung Nr. 2 sagt. 48



Die kosmische String-Theorie Eine andere Idee stammt von J.R. Gott. Er bewies, dass eine Entität, bekannt als „kosmischer String“, in der Lage wäre, die nötigen Bahnen für Zeitreisen zu schaffen. Kosmische Strings sind bislang erst theoretisch behauptete Relikte des Urknalls – extrem dünne Fäden nahezu purer Energie, die das Universum ausdehnen.

Wenn zwei schnelle k­ osmische Strings einander sehr nah ­passieren … … wird die Interaktion der Schwerkräfte zwischen beiden die Raumzeit so krümmen, dass Wege in die Vergangenheit entstehen können.

114


Wurmlöcher in der Raumzeit Kip Thorne (geb. 1940), seine kalifornischen Kollegen und der Russe Igor Novikov (geb. 1935) gingen entschlossen einer weiteren Idee nach. Sie behaupten, dass man durch „Wurmlöcher“ in der Raumzeit Zeitreisen machen kann. In Carl Sagans Science-Fiction-Roman Contact werden Wurmlöcher als Beförderungsmittel verwendet. Der Roman wurde 1997 mit Jodie Foster in der Hauptrolle verfilmt. Es stimmt wohl wirklich, dass die Arbeit von Thornes Team durch Carl Sagan angeregt wurde. Denn von ihm kam die Frage an Thorne nach einem physikalisch möglichen Beförderungsmittel, um sehr schnell durch den Weltraum zu reisen! Das Hauptkonzept ist leicht zu verstehen. Ein Wurmloch ist ein Tunnel aus Raumzeit, der zwei Punkte der Raumzeit miteinander verbindet. Stellen wir uns die Raumzeit noch einmal als Gummidecke vor. Wir können erkennen, dass sehr massereiche Objekte einen langen „Hals“ in der Raumzeit erzeugen. Wir bekämen ein „Wurmloch“, wenn das geschlossene Ende des Halses offen wäre und sich mit einem anderen Stück Raumzeit verbinden würde. Der Tunnel wäre eine Verbindung zwischen zwei verschiedenen Punkten.

massereiches Objekt

Es könnte, wie bei Sagan, eine ­Verbindung zwischen zwei ­verschiedenen Orten sein, aber genauso auch eine Verbindung zwischen zwei ­verschiedenen Zeiten.

115


Wurmlöcher können Zeitreisen nicht ermöglichen Die Möglichkeit von Wurmlöchern ist schon sehr früh (1935) in der allgemeinen Relativitätstheorie bekannt. Da aber die Schwerkraft eine anziehende Kraft ist, möchte sie den Hals von Wurmlöchern immer schließen.

Wurmlöcher wurden nie als Beförderungsmittel zwischen zwei Regionen gesehen.

Der Eintritt eines massereichen Objektes (z. B. einer Person) in ein Wurmloch würde es schließen, bevor irgendjemand es durchqueren könnte.

Der Fortschritt von Thorne und anderen liegt in den Überlegungen, wie man ein Wurmloch öffnen und es lange genug offen halten kann, damit jemand es passieren könnte. Das von Thorne und Novikov geleitete „Consortium“ macht auch interessante Studien zur Konsistenz solcher Szenarien. 116


Wir haben gesehen, dass die Relativität viele Methoden für Zeitreisen erlaubt. Diesen Arbeitsergebnissen widerspricht in einem bestimmten Sinn ein Theorem des Cambridge-Physikers Stephen Hawking. Es besteht natürlich keine wirkliche Gefahr, dass Geschichte veränderbar würde. Aber Hawking glaubt, dass Zeitreisen verhindert werden. Und zwar durch die allgemeine Relativitätstheorie und einige solide Annahmen über die Verteilung von Materie und Energie in der Welt. Die allgemeine Relativitätstheorie plus einige begründete Hypothesen werden die gekrümmte Raumzeit, die Zeitreisen erlaubt, eliminieren.

Mein „Chronology Protection Theorem” aus dem Jahr 1992 schließt bestimmte Typen von Zeitreisen in bestimmten Typen von Universen aus.

Aber die Reichweite deines Theorems und ähnlicher anderer ist begrenzt und erlaubt immer noch bestimmte Zeitreisen.

Interessante Theoreme, die in diese Richtung gehen, sind hoch diffizil und daher selten. Zumindest vorerst liegt die Beweislast bei Hawking und anderen Gegnern von Zeitreisen. Sie müssen zeigen, dass Zeitreisen nicht möglich sind (eher als die anderen zeigen müssen, dass sie es sind). 117


Exotische Möglichkeiten für die Zeit Die Zeitreise ist nicht die einzige merkwürdige Eigenschaft von Zeit, die durch einige allgemeine relativistische Raumzeiten erlaubt wird. Schauen wir uns nun ein paar andere mögliche Besonderheiten der Zeit an, die seltsam sind. Zuerst die Idee von einer „nicht-orientierbaren“ Zeit. Die Nicht-Orientierbarkeit kann man am besten verstehen, wenn man sich wieder ein Blatt Papier vornimmt. Schneide einen Streifen davon ab und zeichne kleine Pfeile darauf. Alle Pfeile müssen in die gleiche Richtung zeigen und die Tinte dunkel genug sein, dass du sie von beiden Seiten des Papiers gut sehen kannst. Nun klebst du die beiden Enden zusammen.

Wenn du das Blatt rundum betrachtest, siehst du, dass alle Pfeile in die gleiche Richtung zeigen.

Wir wiederholen das Ganze. Aber diesmal verdrehen wir den Papierstreifen einmal, bevor wir die Enden zusammenkleben.

118


Wärst du eine kleine Person und gingest den Papierstreifen entlang, würdest du Folgendes bemerken: Die Dinge, die vorher oben waren, sind ab einem bestimmten Punkt unten …

Oben ist unten und unten ist oben.

Die kleinen Hände wechseln von rechter Hand zu linker Hand.

Und das geschieht ohne irgendeinen Taschenspielertrick. Es gibt keine Risse, Beulen oder Dehnungen. (Wir stellen uns vor, dass das Papier einfach so aussah, ohne dass wir es kleben mussten.) Dieses Stück Papier repräsentiert eine Oberfläche, die man als Möbiusband kennt. Der Name kommt von dem deutschen Mathematiker und Astronomen August-Ferdinand Möbius (1790-1868). Ein Möbiusband ist nicht-orientierbar, d. h., es dreht Dinge um. Zum Beispiel: Rechte Hände werden in linke Hände verkehrt und nach oben zeigende Pfeile in nach unten zeigende Pfeile umgedreht. 119


Der wahrscheinlichste Zustand der Entropie Entropie wird also zu einem Maß für die Wahrscheinlichkeit eines Zustands. Sehr wahrscheinliche Zustände (wie die 10-10-Verteilung von Billardkugeln) haben eine hohe Entropie. Während 0-20-Verteilungen eine niedrige Entropie haben.

Das neue zweite Gesetz heißt also: Mit der zeitlichen Entwicklung eines Systems nimmt seine Entropie wohl eher zu, ohne dass sie aber zunehmen muss.

Diese Erkenntnis war eine der großen ­wissenschaftlichen ­Leistungen im späten 19. Jahrhundert.

Hohe Entropie

Zukunft

Niedrige Entropie

Zukunft

Nach dieser Darstellung der Boltzmann’schen Theorie sollten wir nun ein Problem sehen. Boltzmanns Erklärung des thermodynamischen Verhaltens verwendet im Grundsatz nur newtonsche Mechanik und etwas Mathematik. Aber diese Erklärung des Molekülverhaltens ist unverändert gültig auch bei einer Zeitumkehr. Nichts von dem, was wir entwickelt haben, sagt etwas aus über die Richtung des wahrscheinlichsten Verhaltens, also über die Richtung, die wir „Zukunft“ nennen. 148


Das Loschmidt-Paradox Eigentlich sieht es aber so aus, als ob wir die Begründung auch umkehren könnten. Nehmen wir einen unwahrscheinlichen Ist-Zustand – z. B. die kürzlich geöffnete Flasche Chlorgas. Es folgt nach der vorigen Argumentation, dass frühere Zustände – genau wie alle anderen Zustände – auch wahrscheinlichere Zustände sein können. Aus der Annahme, dass wahrscheinliche Zustände solche mit hoher Entropie sind, folgt für Boltzmanns Erklärung: Die Entropie war höher, bevor die Flasche geöffnet wurde.

Entropie

Boltzmanns große Theorie sagt also nicht nur, dass Entropie in Richtung Zukunft zunimmt, sondern auch in Richtung Vergangenheit.

Vergan­ genheit

Zukunft

Wenn das stimmt, müsste Wärme auch in Richtung Vergangenheit von heiß nach kalt wandern.

Aber Letzteres widerspricht allen Erfahrungswerten und ist offenkundig falsch. Jetzt haben wir ein formelles Problem. Es nennt sich Loschmidts Reversibilitätsparadox und wurde nach Joseph Loschmidt (1821-1895) benannt, einem Lehrer Boltzmanns. Er verwies auf eine ähnliche Konsequenz aus Boltzmanns früherem Versuch, den Zeitpfeil zu erklären. 149


In welcher Richtung nimmt die Entropie zu? Roger Penrose, ein Mathematiker und Physiker aus Oxford, stellt das LoschmidtProblem folgendermaßen dar: Boltzmanns statistische Mechanik sagt voraus, dass die Entropie in beiden Richtungen zunimmt. Dagegen sagt uns die Erfahrung, dass sie nur in einer Richtung zunimmt (in Richtung Zukunft).

Entropie

Vergangenheit

e telba r Un m it e n he it g n Ve r g a

Zukunft Gegen­ wart

Zeit

Würde sie in Richtung ­Vergangenheit zunehmen, dann sähe diese in etwa so aus wie in Dicks Roman (S. 133) …

…und nicht wie unsere ­Erinnerungen.

Boltzmanns Entgegnung war sehr überraschend und clever.

Obwohl signifikante Abweichungen vom Gleichgewicht extrem ­unwahrscheinlich sind, werden sie irgendwann dennoch ­auftreten.

150


In unserem Beispiel mit den zwei Kisten und 20 Bällen werden wir am Ende eine Verteilung mit „niedriger Entropie“ erhalten. Zum Beispiel 5 Bälle in Kiste A und 15 in Kiste B. Wir müssen im Zweifelsfall nur lange genug darauf warten. Wenn wir alle Bestandteile des Universums – also ein kleines bisschen mehr als 20 – einbeziehen, müssten wir uns noch eine ganze Weile länger gedulden. Hätten wir unbegrenzt lange Zeit, könnten wir irgendwann einen Wechsel zu niedriger Entropie erwarten.

Entropie

Boltzmanns aufsehenerregende Hypothese war folgende: Das ganze beobachtete Universum ist lediglich ein Übergangszustand mit niedriger Entropie in einem immens älteren Universum.

Urknall

Zeit

Die Bewohner eines solchen Universums würden die Zukunft als Richtung einer zunehmenden Entropie definieren. Dabei ist es egal, auf welcher Seite des Gefälles sie leben.

151


Die statistische Entwicklung des Universums Boltzmann erklärt, warum wir den Fluss der Zeit nur in einer Richtung fortschreiten sehen. Denken wir noch mal an die zwei Kisten. Wir wissen dann Folgendes: Wenn wir in einer 5-15-Verteilung gestartet sind, erwarten wir als nächstes eine 6-14-Verteilung, dann 7-13, dann 8-12 usw., bis ein Gleichgewicht erreicht ist. Genau das geschieht in unserer Welt. Das Universum ist ein großes Spiel dieser zwei Kisten. Die meiste Zeit existiert es in einer 9-11- oder 10-10-Verteilung. Aber dann springt es in eine 5-15-Verteilung. Das ist zwar unwahrscheinlich, aber in ausreichend großen Zeiträumen zu erwarten.

Physikalisch korrespondiert das mit der Erschaffung eines neuen ­H aufens von Quellen niedriger Entropie z. B. Sternen.

Das ist äußerst unwahrscheinlich.

152


Boltzmanns Überlegungen sagen uns, dass die Entropie von diesem Startpunkt aus zunehmen sollte.

Unser Stern, die Sonne, ­versorgt die Erde mit frei ­nutzbarer Energie.

Diese ­versorgt wiederum Pflanzen und Tiere, die uns ­versorgen usw.

Im Gegensatz dazu spuckt die Erde stark verminderte Energie in das Sonnensystem. Und wir erwarten umgekehrte Prozesse deswegen nicht, weil der gegenwärtige Zustand des Universums bereits so unwahrscheinlich ist. Dass es noch unwahrscheinlicher wird, ist sehr unwahrscheinlich. 153



Index Absolute Zeit 18-23, 26-28, 166 Ägypter 4 All You Zombies 88 Allgemeine Relativitätstheorie 169 Analysis 26 Arbeitsgruppe, die 116 Aristoteles 22-23 Atomuhr 17-18, 21, 30-31, 92 Augustine, siehe St. Augustine Avicenna 10 Babylonier 5 Barbour, Julian 168 Bergson, Henri 10 Bewegung 40-42 Galiläische Relativität 52-55 und Veränderung 44 Biologische Uhren 6-7 Biorhythmus 6 Blockuniversum, siehe nicht temporale Theorie Boltzmann, Ludwig 143-156 Broad C.D. 36, 51 Carnot, Sadie 141 Chronology Protection Theorem 117 Clausius, Rudolf 141 Descartes, René 123 Dick, Philip K. 133 Die Zeit läuft rückwärts 133 Dimensionen 38 Dirac, Paul 30-31 Egan, Greg 163 Eigene Zeit, die 65 Einstein, Albert 27, 56-60, 94 Endlicher Raum 123-5 Entropie, Gesetz der 141, 148-160 Ereignisse, Ordnung der 11 Ewige Wiederholung 127 Fallender Körper, Geschwindigkeit 19 Fünfte Dimension 96

Galiläische Relativität 52-55 Gegenwart, die 34 Relativität der 43 Geroch, Robert 126 Geschwindigkeit der Zeit 50 siehe auch Relativität Gibbs, J. Willard 143 Gödel, Kurt 100-112 Gott 26-27 Gott, J. R. 114 Große Kollaps, der 158 Hafele, Joseph 92 Hawking, Stephen 78, 117, 128 Hogarth Phase, 133 Hypothalamus 6 Jetzt 43-57 siehe auch Gegenwart, die Kanonische Quantengravitation 164-167 Kausale Kreisläufe 74-5, 99, 109-111 Keating, Richard 92 Kelvin, Lord 143 Kommunikation, zeitverkehrt 162 Konventionalismus 28-29 Koordinierte Weltzeit 17 Kosmische Stringtheorie 114 Kreislauf, siehe kausaler Kreislauf Krümmen der Raumzeit, siehe Raumzeitkrümmung Krümmung 94-96 Lewis, David 78 Leibniz, Gottfried 26-27 Licht, Geschwindigkeit des Einstein 56-57 Galileo 58 Minkowski 60 Newton 59 Raumzeit 61 Lichtkegel 62-64 Singularität 129 und Krümmung 103-106 Linnaeus, Carl 7 Logik und Zeitreisen Kausale Kreisläufe 74-75 Persönliche Zeit 80-93 173


und Physik 89 Wells, H.G. 68 Widerspruch 77-83 Zeitdilatation 89-93 Lorentz, H.A. 67 Loschmidt-Paradox 149 MacBeath, Murray 163 McTaggart, J.E. 46-49 Malament, David 108 Maxwell, James Clark 143 Melatonin 6 Milne, Arthur 30-31 Minkowski, Hermann 60 Möbius, A.F. 119 Möbiusband 119-121 Murray, Bill 127 Nachtkerze 7 Newton, Sir Isaac Absolute Zeit 18-23 Relativität 59 und Leibniz 26-29 Newton’sche Physik 142, 146 Nicht-temporale Theorie 33, 37, 42-51 und Relativität 66 Nicht-orientierte Zeit 118, 126 Nietzsche, Friedrich 127, 130 NIST F-1 Atomuhr 17 Novikov, Igor 115-116 Partikel 136, 142 Pendel 12-13, 14-15, 20 Penrose, Roger 128, 150, 155 Persönliche Zeit 80-93 Physik, Gesetze der 18-19, 21, 98 und Zeitreisen 89 Poincaré, Henri 28 Präsentismus 36 Price, Huw 157 Prior, A.N. 36 Psychologische Zeit 8-11 Putnam, Hilary 66, 109 Quanten Gravitation 164-167 Mechanik 136, 142

Rabi, Isidor 127 Raum 37, 40 Endlich oder unendlich 123-125 Raumzeit 61 Hawking 117 in einem rotierenden Universum 102 Krümmung 97-99, 104 Möbiusband 120-121 siehe auch Gödel, Kurt Taub-NUT-Misner 106 Realismus 21 siehe auch Absolute Zeit Reichenbach, Hans 13, 28 Relationalismus 22-27 Relativität 33-6, 169 Einstein 27, 56-65, 94 Galiläische 52-55 und nicht-temporale Theorie 66 siehe auch spezielle Relativitätstheorie Rotation des Universums 100-102 Russell, Bertrand 44 Sagan, Carl 115 Schnellerwerden der Zeit 15 St. Augustine 3, 10 Shoemaker, Sidney 24 Singularität 128 Sokrates 35 Sonne als Uhr 16 Spezielle Relativitätstheorie 56, 67, 89, 109-110 Statische Theorie, siehe nicht-temporale Theorie Statistische Mechanik 143, 169 Sterne als Zeitmesser 16 Superstringtheorie 164 Tag, einteilen 5 Taub-NUT-Misner Raumzeit 106 Temporaler Doppelstandard 157-158 Temporale Zeit 33-36 Gödel gegen 109-112 Wells, H.G. 68 Terminator (Film) 75 Thermodynamik 138-140 Thorne, Kip 115-116 Tipler, Frank 113 174


Uhren Atom- 17-18 Verlangsamende, siehe Zeitdilatation Zuverlässigste 16 Umgekehrte Bewegung, siehe Zeit, Richtung Unendlicher Raum 123-125 Uniformität der Zeit 13 Universum 18 Bewegung des 23-25 Ende (Großer Kollaps) 158 Grenze 154-155 Rotierendes 100-102 Statisches 165 Unvollständigkeitssatz 100 Urknall der, 128-129, 157-158

Mehr als eine 31 Nichtexistenz 109, 168 Richtung Boltzmann 148-156 Entropie 141, 148-160 Großer Kollaps 158 Hogarth-Phase 133 Irreversibel 134 Loschmidt-Paradox 149 Partikel 136, 142 Statistische Mechanik 143 Thermodynamik 138-140 Umgekehrtes Universum 160-163 Zeitumkehr Beständigkeit 135-136, 148 Psychologische 8-11 Reisen Gödel 100-112 Kausale Kreisläufe 74-75 Kosmische Stringtheorie 114 Krümmung 94-96, 104-105 Logik von 68-93 Möbiusspirale 119-121 Persönliche Zeit 80-93 Rotierendes Universum 100-102 Taub-NUT-Misner 106 Temporale Theorie 109-112 und Physik 89 und Relativität 94-96, 98 Vergangenheit verändern 84-88 Widersprüche 76-83 Wurmlöcher 115-117 Zukunftskompatibilität 83 Was ist sie? 3 Zeitmaschine, die 68 Zeitmessung 14-15 Zeitverkehrt Kommunikation 162 Zikade 7 Zukunft Austauschbarkeit 83 Lichtkegel 62 Verändernd 84-88 Zylindrische Raumzeit 99, 106, 111, 131 Zwillingsparadox 89-91

Veränderung und Bewegung 44-49 und Zeit 22-25 Vergangenheit 43 Lichtkegel 63 Siehe auch temporale Zeit Verändern 84-88 Verlangsamende Zeit, siehe Zeitdilatation Verzweigende Zeit 122, 126 Vierdimensional Krümmung, siehe Krümmung Vierte Dimension 37, 39 Wahre Zeit, siehe absolute Zeit Wärme, Wissenschaft von der siehe Thermodynamik Weingard, Robert 78-79 Wells, H.G. 68 Wheeler-DeWitt-Gleichung 165-166 Wiederholung, siehe ewige Wiederholung Wiederholende Phasen, sich siehe ewige Wiederholung Widersprüche, logische 76-83 Williams, D.C. 50 Wurmlöcher 115-117 Zeit Beständig gegen Umkehr 135-136, 148 Ende der 164 Dilatation 89-93 Geschlossen/offen 131 175



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.