SCHILFERNTE ŠIMON BREJCHA - HOOKSIEL 2007
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VORWORT Šimon Brejcha wurde im Jahre 2005 für ein Stipendium im Künstlerhaus Hooksiel aus 260 Bewerbungen einer öffentlichen Ausschreibung ausgewählt. Oft haben wir die Chance mitzuerleben, wie sich ein Aufenthalt der Stipendiaten im Wangerland in den Werken, die vor Ort entstehen, niederschlägt. Aus einer völlig anderen Umgebung in den friesischen Küstenraum versetzt, sehen und erleben die Künstler diesen mit äußerst wachen Sinnen. Oft lockern sich Verfestigungen in den Werkphasen. Es eröffnen sich neue Richtungen und das Spektrum wird erweitert. So sehen wir auch hier, wie die Arbeiten aus der Fläche ins spannungsvoll Räumliche hinein geraten. Objekte aus Schilfrohr und korrespondierende grafische Arbeiten, die schon bald nach der Ankunft entstehen und dann später in drei Ausstellungsräumen die ursprüngliche Ausstellung der bisherigen Werke ersetzen. Zurückgekehrt ins heimische Atelier wirkt ein solcher Aufbruch oft noch lange Zeit nach. Aber auch in unserer Region bleibt er nicht ohne Spuren und Nachwirkungen. Vertrautes präsentiert sich anders, es eröffnen sich vielfältige Sehweisen. Die aktive Gruppe der Künstlerhaus-Druckwerkstatt wird die intensiven Anregungen Šimon Brejchas weiter nutzen. Der Ankauf eines Werkes für die Sammlung der Gemeinde ist gute Tradition geworden und hält die Erinnerung wach. Oft ergeben sich später weitere Möglichkeiten für ehemalige Stipendiaten in Hooksiel, wie z.B. in der Form von Meisterkursen. Danken möchten wir Jessica Rabe, Mitarbeiterin am Schloßmuseum Jever, für ihren Beitrag in diesem Katalog und die kunsthistorische Würdigung der aktuellen Arbeiten während des öffentlichen Werkstattgesprächs im Künstlerhaus Hooksiel am 16. September 2007. Dank gilt Šimon Brejcha für seinen persönlichen Einsatz bei der Herstellung dieses Katalogs. Besonders danken wir für die großzügige Unterstützung der EWE-Stiftung und die Mittel des Landes Niedersachsen über die Oldenburgische Landschaft, durch die erst die Realisierung dieses Katalogs möglich wurde.
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Gitta von Chmara
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<< SPANNUNG - OBJEKT 2, 2007, Schilf, Faden, 400 x 150 x 150 cm - Installation im K端nstlerhaus Hooksiel
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SPANNUNG - BOOT , 2007, Schilf, Faden, 3o x 3o x 100 cm
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VOM BODEN IN DIE LÜFTE - AUS DER FLÄCHE IN DEN RAUM Aus der weitläufig flachen friesischen Landschaft ragen ganze Felder aus Schilf zum Himmel empor. Je nach Stärke der hiesigen Winde wiegen sich die sonst nach oben strebenden Schilfrohre sanft in der Brise oder neigen sich dem Boden entgegen. Sie hängen von kräftigen Stürmen zerborsten und gebrochen nach unten, kreuzen und überlagern einander. Šimon Brejcha haben diese bewegten und sich ständig wandelnden Mikrokosmen aus Schilf gleich zu Beginn seiner Arbeit vor Ort gefangengenommen. In ihnen fand er zugleich eine Materialkammer, einen Ort der Ruhe und Inspiration. Aus dem dort gesammelten Schilf entstanden erste aus der Fläche herausragende luftige Konstruktionen, deren mit Fäden verbundene einzelne Schilfrohre vertikal oder horizontal in den Raum streben, einander kreuzen, frei schwingen, leicht gewölbt oder bis zum Äußersten gebogen sind. Šimon Brejcha führt die an sich nach oben strebenden Schilfrohre für seine Raumkörper unter Spannung in verschiedene Ebenen und Dimensionen des Raumes und verbindet diese gleichsam miteinander. Einige seiner ohnedies fragilen Objekte verwandelt er später in reliefartige Gebilde. Zerquetscht, aus dem Raum auf die Fläche gebracht, lassen sie durch ihre Lage die einstige dreidimensionale Form noch erahnen. Mit Papierabdrücken hält Šimon Brejcha die neu entstandenen Strukturen und Materialoberflächen dieser Reliefs fest, die das Ausgangsmaterial für seine weitere grafische Arbeit bilden und so auch immer einen Abdruck des Realen in sich tragen. In einen neuen Kontext gesetzt, durch Isolation, Gruppierung, Schichtung, Überlagerung oder Streuung, bringt Šimon Brejcha in den Drucken unterschiedliche Facetten des zunächst linearen und zerbrechlichen Materials zum Ausdruck. Neben den flächig-geometrischen Formen in den ersten Drucken überwiegen in den folgenden Arbeiten gewachsene, organische, die aus der Fläche des Blattes hervorzutreten scheinen. Mit den Schilfrohren verbindet Šimon Brejcha Geerdetes mit Luftigem. Dabei sind in den zwischenliegenden Räumen Formen entstanden, die sich zwischen Schwerem und Leichtem, Gespanntem und Zerbrochenem, Kraftvollem und Zartem bewegen und den aufmerksamen Betrachter mit subtilen Details überraschen. Jessica Rabe Schlossmuseum Jever
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<< SPANNUNG - OBJEKT 1, 2007, Schilf, Faden, 150 x 170 x 150 cm
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REKONSTRUKTION - INSEKT, 2007, eigene Tiefdrucktechnik auf B端tten, 63 x 177 cm
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Seit 1988 beschäftige ich mich mit Strukturen, Texturen und Zeichen, die in meiner unmittelbaren Umgebung zu finden sind: elementare Formen, meistens aus der Natur, ins Holz hineingefressene Linien von Borkenkäfern, Hautstruktur von Tieren, Formen der Urpflanzen... aber auch Formen, die aus den Resten menschlicher Existenz stammen, Strukturen in alten Bildträgern, Drähten, Wänden. So entstehen unterschiedliche Werkgruppen für die ich immer versuche, originäre Verfahren zu erfinden, die die versteckten, besonderen Zeichen lesbar machen. In Hooksiel war Schilf das Material, das meine Aufmerksamkeit erweckte. In seiner Biegsamkeit und Zerbrechlichkeit liegt eine hohe Symbolkraft. Daher wurde es mein Ausgangsmaterial für die Arbeiten, die ich in Hooksiel geschaffen habe. Im Künstlerhaus baute ich aus dem Schilf fragile Objekte. Engegen anderen Materialien, aus denen sich Plastiken herstellen lassen, wie z.B. Bronze, Eisen, Kunstoff oder Gips, reagiert der getrocknete Schilfhalm auf geringe Spannung und bricht dann. Er ist nicht beständig. So suchte ich nach anderen Mitteln für die „Konservierung“ meiner Hooksieler Arbeiten: flach machen - prägen - drucken - konstruieren - dekonstruieren - durch den Druck rekonstruieren.... Ich schrieb mir Stichwörter auf, die zu dem Material und zu den neu entstehenden Arbeiten passen könnten: Wachstum - Bewegung - Linie - Bogen - Raum - horizontal - vertikal.... Mit diesen eher abstrakten Begriffen arbeitete ich. Dabei interessiere ich mich für die Strukturen, welche ich überall sehe, also auch im Schilf. Über die Arbeit mit ihm habe ich die Eigenschaften dieses neuen Materials für mich begriffen und langsam entdeckte ich SCHILF-REGELN, die ich bei der Arbeit mit ihm akzeptieren mußte. Die Vielschichtigkeit des Schilfs habe ich über verschiedene Experimente erkannt. Dies wird in meinen Grafikblättern deutlich. Nur mit Spannung kann man den Bogen herausbilden und die Konstruktion nur mit der Abhängigkeit der Einzelelemente untereinander. Die Druckstöcke konnte ich dann nur durch die Zerstörung, die Dekonstruktion der Objekte erstellen. In der darauf folgenden Prägung wurden die zerstörten Objekte in gewisser Weise rekonstruiert, und damit entstand eine andere Realität – parallel zur Natur. Die ganze Arbeit reduzierte sich mehr und mehr auf die einfachsten Liniengeflechte: Horizontale - Vertikale - den beide verbindenden Bogen... Ich folgte ganz unbewußt Mondrians Denken und entdeckte für mich selbst eine fast geometrisch-mathematische Ordnung in der Natur. Ordnung im Chaos des Schilfs. Šimon Brejcha, September 2007 REKONSTRUKTION - FALLE 2, 2007, eigene Tiefdrucktechnik auf Bütten, 64 x 180 cm
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SPANNUNG - COCON, 2007, eigene Tiefdrucktechnik auf B端tten, 63 x 177 cm
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SPANNUNG - BOGEN 1, 2007, eigene Tiefdrucktechnik auf B端tten, 62 x 180 cm
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SPANNUNG - BOGEN 2, 2007, eigene Tiefdrucktechnik auf B端tten, 64 x 180 cm
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REKONSTRUKTION - FALLE 1, 2007, eigene Tiefdrucktechnik auf B端tten, 64 x 180 cm
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DEKONSTRUKTION - FALLE 1, 2007, Objekt, 50 x 50 cm >>
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STILLE, 2007, eigene Tiefdrucktechnik auf B端tten, 64 x 178 cm
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FLACHE KONSTRUKTION - SPANNUNG, 2007, eigene Tiefdrucktechnik auf B端tten, 64 x 178 cm
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SPANNUNG - VERBINDUNG, 2007, eigene Tiefdrucktechnik auf B端tten, 62 x 178 cm
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FLACHE KONSTRUKTION - EINDRINGLINGE, 2007, eigene Tiefdrucktechnik auf B端tten, 64 x 178 cm
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1963 1985-94 1997 2001 2002 2007
geboren in Karlsbad, (Tschechische Republik) Studium an der Pädagogischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag Kunststipendium im Wilke Atelier, Bremerhaven Stipendium FCCA Prag in der Grafikwerkstatt Dresden Kunststipendium im Wilke Atelier, Bremerhaven Stipendium des Künstlerhauses Hooksiel
EINZELAUSSTELLUNGEN ( AUSWAHL ) 1994 Ausstellungshalle der Tschechischen Sparkasse, Prag 1996 Ikonenmuseum, Frankfurt am Main Ausstellungshalle der Tschechischen Sparkasse, Prag Galerie Pecka, Prag 1997 Wilke Atelier, Bremerhaven Stadtmuseum, Karlsbad, Tschechische Republik 1999 Neustädter Rathaus, Prag 2000 Kulturkirche St.Stephani, Bremen 2001 Galerie U prstenu, Prag Kulturrathaus Dresden / mit Dagmar Langova / 2002 Wilke Atelier, Bremerhaven De fakto, Prag 2004 Galerie Pintner, Frankfurt am Main - Hofheim 2005 Neue Halle, Prag 2006 Galerie Professorium, Würzburg 2007 Galerie Kabinet, Brünn, Tschechische Republik Künstlerhaus Hooksiel
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AUSSTELLUNGSBETEILIGUNGEN ( AUSWAHL) 1994 Triennale des Druckes, Osaka, Japan Triennale der Europäischen Avantgardgrafik, Prag 1997 International Print Triennial Krakau, Krakau, Polen International Intergraphia, Katowice, Polen Picturale, Est, Strasbourg, Frankreich 1998 Triennale der Grafik, Labyrinth, Prag Triennale des Holzschnittes, Banska Bystrica, Slowakei Triennale Krakau 97, Nürnberg 1999 Tschechische Grafik, Galerie der National Bank Pretoria, Republika Südafrika Biennale der Grafik, Györ, Ungarn Biennale des Druckes, Varna, Bulgarien Triennale Krakau 97, Rio de Janeiro, Brasilien 2000 Biennale des Druckes, Sapporo, Japan 2002-2006 Grafikblatt des Jahres, Prag 2007 International Print Triennial Krakau, Krakau, Polen International Print Triennial Krakau, Wien, Östereich Gallerie Hollar, Prag PREISE 1994 Preis der Kunstkritik, Triennale Europäischen Grafik, Prag 1998 Preis der Sammler Ex Libris der Tschechischen Republik 1999 Grant der Stadt Prag für Kultur ANDERE AKTIVITÄTEN (AUSWAHL ) 2001-2007 Gastdozent VHS Diepholz, Bassum, Workshop Zeichnung, Druckgrafik 2002-2007 Gastdozent VHS Bremerhaven, Druckgrafik Workshop 2004 Workshop, Kunsthalle Bremerhaven, Deutschland 2007 Workshop, Kunsthalle Bremerhaven, Deutschland SAMMLUNGEN
Staatsgalerie Banska Bystrica, Slowakei Art Museum Györ, Ungarn Nationalgalerie Prag Tama Art Universität Tokyo, Japan Firmen- und Privatsammlungen im In- und Ausland
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IMPRESSUM Herausgeberin: Gitta von Chmara, Leiterin des Künstlerhauses Hooksiel Künstlerhaus Hooksiel, Lange Str. 16, 26434 Hooksiel info@kuenstlerhaus-hooksiel.de www.kuenstlerhaus-hooksiel.de Tel.: 04425 - 81408 Texte: Gitta von Chmara, Jessica Rabe, Šimon Brejcha Fotografien: Šimon Brejcha ( Objekte ), Joachim Fliegner ( Drucke ) Gestaltung: Šimon Brejcha ( simon.brejcha@seznam.cz ) Druck: Me.R Druck Bremen Auflage: 500 Exemplare ISBN: 3-938285–06-0 © 2007
Gitta von Chmara Šimon Brejcha Förderverein Künstlerhaus Hooksiel e.V.
Unser Dank gilt:
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