Kunstgeschichte

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Kunstgeschichte Antonia Zimmermann





Kunstgeschichte Antonia Zimmermann


All copyrights reserved. © 2013 Antonia Zimmermann Arbeit im Rahmen der Prager Fotoschule Österreich Jahrgang 41 Titelseite: Gestaltung Antonia Zimmermann Linkes Bild: Maler der Grabkammer des Horemhab, 1422-1411 v. Chr. Mittleres Bild: Sebastiano Ricci, Allegorie der Künste, 1690-94 Rechtes Bild: Bild des Schimpansen Congo (1954-64) Alle Bilder von wikipedia.org 4 | Kunstgeschichte

Für Burkhard, der viel Zeit aufgewendet hat, um dieses Buch zu redigieren.


Inhalt

Einleitung

7

Was ist Kunst

9

Prähistorische Kunst Ägypten Griechenland Rom

35000 v. - 3000 v. Chr.

10

2800 v. - 221 v. Chr.

14

500 v. - 100 v. Chr.

18

50 v. - 500 n. Chr.

22

Indien

500 v. - 1800 n. Chr.

26

Südostasien

500 n. - 1500 n. Chr.

30

China

215 v. - 1700 n. Chr.

34

Japan & Korea

500

38

- 1900

Islamische Welt

650

- 1600

42

Persien

900

- 1650

46

Byzanz / Frühchristentum

500

- 1200

50

Mittelalter

800

- 1500

54

Romanik

1000

- 1300

56

Gotik

1300

- 1500

60

Renaissance

1450

- 1600

64

Barock

1600

- 1700

68

Rokoko & Klassizismus

1700

- 1800

72

Romantik bis Jugendstil

1800

- 1900

76

1900

- 1970

82

Klassische Moderne Kunst der Gegenwart Bildnachweis Impressum

ab 1970

90 94 95

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Einleitung Diese Kunstgeschichte habe ich für mich persönlich geschrieben. Die Kunstwerke der einzelnen Epochen waren mir nicht ganz fremd, habe ich doch bereits viele Ausstellungen und Galerien besucht. Besonders in guter Erinnerungen ist mir die Zeit der 1970er- und 1980er-Jahre in München. Im Haus der Kunst und im Lenbachhaus sah ich viele Ausstellungen über die Zeit des Expressionismus und Impressionismus. Sonntag vormittag in eines der großen Museen zu gehen, die Ruhe dort und die Leere der Räume um diese Zeit waren ein Erlebnis (der abschließende Kaffee im Restaurant gehörte natürlich dazu). Später kam die Auseinandersetzung mit der modernen Kunst dazu. So manches Werk eines Gegenwartskünstlers kam in meinen Besitz - das kann sogar süchtig machen. Für diese Ausgabe war es mir wichtig, die Zusammenhänge über die Epochen verständlich zu machen. Wie entwickelte sich die Kunst einer bestimmten Zeit? Welche gesellschaftlichen, politischen und auch künstlerischen Aspekte waren ausschlaggebend für die Entstehung neuer Kunstrichtungen? Die Arbeit wurde immer faszinierender für mich, die inhaltliche Beschränkung durch Zeitmangel iel mir schwer. Es wären noch viel mehr Details aufzunehmen gewesen, die erhellend und faszinierend gewesen wären. So ist dieses Buch ein Mosaikstein in der Auseinandersetzung mit Kunst. Ich hoffe auf weitere Möglichkeiten zu späterer Zeit. Dieses Buch wurde ausschließlich zum persönlichen Gebrauch verfaßt. Da ich kein Experte bin, habe ich Anleihe bei renommierten Kunsthistorikern genommen. Die verwendeten Textpassagen sind immer mit Fußnoten gekennzeichnet. Viele der erläuternden Fotos habe ich in meinem Fundus ausgegraben, ebenso viele jedoch aus dem Internet heruntergeladen und deren Quellen ebenfalls vermerkt.

Freistadt, 25. Februar 2013 Antonia Zimmermann

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Was ist Kunst? Das Wort Kunst bezeichnet im weitesten Sinne jede entwickelte Tätigkeit, die auf Wissen, Übung, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition gegründet ist (Heilkunst, Kunst der freien Rede). Im engeren Sinne werden damit Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit benannt, die nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind. Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Das Kunstwerk steht meist am Ende dieses Prozesses, kann aber seit der Moderne auch der Prozess selbst sein. Ausübende der Kunst im engeren Sinne werden Künstler genannt. Seit der Aufklärung versteht man unter Kunst vor allem die Ausdrucksformen der Schönen Künste: * Bildende Kunst mit den klassischen Gattungen Malerei und Graik, Bildhauerei, Architektur und etlichen Kleinformen sowie seit dem 19. Jahrhundert dem Kunstgewerbe oder Angewandte Kunst genannten Grenzbereich zum Kunsthandwerk. * Musik mit den Hauptsparten Komposition und Interpretation in Vokal- und Instrumentalmusik * Literatur mit den Hauptgattungen Epik, Dramatik, Lyrik und Essayistik * Darstellende Kunst mit den Hauptsparten Theater, Tanz und Film * Oper als Verbindung aller Künste: Musik, Darstellende Kunst (Schauspielerei), Bildende Kunst (Bühnenbild), Literatur (Pesie) Ausdrucksformen und Techniken der Kunst haben sich seit Beginn der Moderne stark erweitert, so mit der Fotograie in der Bildenden Kunst oder mit der Etablierung des Comics als Verbindung Bildender Kunst mit der Narrativität der Literatur. Bei den Darstellenden Künsten, der Musik und der Literatur lassen sich heute auch Ausdrucksformen der Neuen Medien wie Hörfunk, Fernsehen und Internet hinzuzählen. Die klassische Einteilung verliert spätestens seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts an Bedeutung. Kunstgattungen wie die Installation oder der Bereich der Medienkunst kennen die klassische Grundeinteilung nicht mehr.1

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Kunst

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Prähistorische Kunst 35000 - 3500 v.Chr. Gegen Ende der Altsteinzeit, um 35.000 v. Chr., tauchen die ersten Zeugnisse abstrakten, symbolischen Denkens auf. Es ist fraglich, ob diese Artefakte als „Kunst“ bezeichnet werden können. Im Denken dieser Zeit gab es keine Trennung zwischen Abbild und Realität. Vielmehr ist das Abbild wie der Schatten der Realität zu sehen, beide untrennbar miteinander verbunden. (Noch bei Platon inden wir diese Vorstellung.) Daher dienten die „Kunstwerke“ schamanistischen Zwecken.

Venusigurinen Venusigurinen ist ein traditionell verwendeter Sammelbegriff für weibliche Statuetten aus dem Jungpaläolithikum. Diese Kleinkunstwerke stammen vorwiegend entweder aus dem jüngeren Gravettien (von Westeuropa bis Sibirien, in Niederösterreich und Mähren, auch als Pavlovien bezeichnet) oder aus dem Magdalénien (Mittel- und Westeuropa). Sie sind damit zwischen 28.000 und 12.000 Jahren alt.1 Nur zwei Venusigurinen stammen aus dem Aurignacien und sind mindestens 35.000 Jahre alt. Die älteste Venusigurine ist Fanny vom „Venus vom Galgenberg“ Naturhistorisches Museum, Wien

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1 Christine Neugebauer-Maresch: Zum Neufund einer weiblichen Statuette an der Aurignac-Station Stratzing/Krems-Rehberg, Niederösterreich. in: Germania. Mainz 67.1989, 551-559.

Galgenberg. Sie wurde erst 1988 in der Nähe von Krems, Niederösterreich gefunden und ist aus grünem Serpentin. Nur etwa 25 km entfernt ist die Fundstelle der um ca. 7000 Jahre jüngeren Venus von Willendorf. Die Skulptur besteht aus Kalkstein und ist 11 cm hoch und stellt eine fettleibige Frau mittleren Alters dar. Farbreste zeigen, dass die Skulptur ursprünglich mit Rötel bedeckt war. Die weitaus meisten der altsteinzeitlichen Figurinen stellen Frauen dar. Nur wenige Figurinen sind als männlich zu deuten bzw. sind geschlechtlich uneindeutig. Einige Figurinen zeigen stark ausgeprägte weibliche Merkmale mit besonderer Akzentuierung der Brüste und des Gesäßes. Auch Bauch und Schenkel wurden häuig überproportional dargestellt, so dass diese Figurinen entweder hochschwanger oder stark übergewichtig wirken. Andere Statuetten zeigen dagegen schlanke Frauen, so zum Beispiel mehrere Figurinen von Malta (Russland). Auffallend unkonkret ausgeführt oder bewusst weggelassen ist meist das Gesicht der Statuetten. Die Figuren sind gewöhnlich kleiner als 10 Zentimeter. Hergestellt wurden die Venusigurinen aus Stein (z. B. Venus von Willendorf), Knochen oder Elfenbein (z. B. Venus vom Hohlen Fels, Lespugue, Moravany, Venus II von Willendorf), sie wurden aber auch aus Ton und Lehm geformt


und gebrannt (Venus von Dolní Věstonice). Letztere stellen somit einige der ältesten bekannten Formen von Keramik dar. Die Venus von Dolní Věstonice, Mähren, ist eine Frauenigur aus Keramik. Ihr Alter wird auf 25.000 bis 29.000 Jahre geschätzt und damit dem Gravettien zugeordnet. Sie gehört zu den ältesten keramischen Erzeugnissen und besteht aus Lösslehm, der zur Vermeidung von Schrumpfungsrissen mit Tierknochenmehl gemagert wurde. Die Figur ist 11,1 cm hoch, 4,3 cm breit und 2,7 cm dick. Ihre Form gleicht der anderer gleichzeitiger Figuren; d.h. ausladende Brüste und Hüften, keine individuellen Gesichtszüge, Augen sind durch zwei schräge Schlitze angedeutet. Die Venus wird im Mährischen Landesmuseum in Brünn aufbewahrt, aus konservatorischen Gründen aber nicht ausgestellt. Die kulturelle Bedeutung der Venusigurinen ist ungeklärt; einen offensichtlichen Nutzen haben sie nicht. Die meisten Interpretationen beziehen sich auf zwei Deutungsmöglichkeiten: Darstellung oder Förderung der menschlichen Fruchtbarkeit durch Fruchtbarkeitssymbole oder Abbildungen von Göttinnen oder eine Mischung aus beidem. Gelegentlich wurde auch von „paläolithischen Pin-ups“ gesprochen. Ein Zusammenhang mit der Fruchtbarkeit von Feldern ist auszuschließen, da der Ackerbau erst später erfunden wurde. Interpretiert man die Überzeichnung der Formen als Fettleibigkeit, kann auch der Wunsch nach einer guten Versorgung mit Nahrung der Hintergrund sein. Von einigen Autoren wurden die Figurinen als Hinweise auf ein Matriarchat gedeutet. Diese Interpretation gilt in der Fachwissenschaft allerdings als unbelegt.1

Venus von Willendorf Naturhistorisches Museum, Wien

Venus von Dolní Věstonice Mährisches Landesmuseum, Brünn

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Venusigurinen

Prähistorische Kunst | 11


Höhlenmalereien Die ältesten erhaltenen Bilder von Menschenhand stammen aus der Eiszeit (ca. 15.000 v. Chr.). Damals machten gefährliche Ungeheuer die Gegend unsicher, und die Menschen lebten in Höhlen und kannten nur die primitiven Steinwerkzeuge. Aber an den Wänden und Decken solcher Höhlen, vor allem in Südfrankreich und in Spanien, hat man Malereien entdeckt. Sie stellen meistensTiere dar, Mammuts, Rentiere, Wisente und wilde Pferde. Diese Gemälde wirken ganz erstaunlich lebendig und natürlich. Trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass sie dazu bestimmt waren, die Wände dieser dunklen Höhlen zu schmücken. Erstens indet man sie oft sehr tief im Berg, weit weg von den eigentlichen Wohnstätten. Zweitens sind sie oft in wirrem Kreuz und Quer übereinander gemalt, ohne dass auf die Anordnung Wert gelegt zu sein scheint. Es

Bison, etwa 15000 bis 10000 v. Chr. Höhlenmalerei, Altamira, Spanien 12 | Kunstgeschichte

sieht so aus, als ob wir es hier mit den ältesten Zeugnissen für den Glauben an die Macht des Bildzaubers zu tun hätten. Man nimmt an, dass diese primitiven Jäger hofften, sie müssten nur ein Abbild ihrer Beute machen - und es vielleicht mit Spießen oder Faustkeilen bearbeiten - und die wirklichen Tiere würden ihnen dann auch zum Opfer fallen.1 Farben und Techniken Farbe wurde mit Hilfe von Erdfarben, Gesteinen oder Erzen hergestellt. Sind in den Gesteinen Eisenoxide oder Eisenhydroxide enthalten, dann sind sie rot gefärbt. Gelbe Gesteine enthalten Goethit oder Ton. Brauneisenerz diente zur Gewinnung von braunen Farbtönen. Schwarze Pigmente ließen sich aus Mangandioxid, aus der 1 E.H.Gombrich; Die Geschichte der Kunst; Phaidon 2010; S.40-42

Pferd, etwa 15000 bis 10000 v. Chr. Höhlenmalerei, Lascaux, Frankreich


Formensprache der Höhlenmalerei Tierbilder entstanden nach genauen Beobachtungen der dargestellten Tiere. Es wurde versucht, die Linienführung so exakt wie möglich nachzuvollziehen, um eine 3-Dimensionalität und somit eine Körperhaftigkeit zu erreichen.

Kohle von Knochen, aus Horn und Zahnbein oder aus der Holzkohle des Wachholders gewinnen. Zur Verbesserung der Haftfähigkeit auf der rauhen Felsoberläche mischten die Künstler der Steinzeit Kalk und Wasser als Bindemittel zu den Pigmenten. Der Kalk bildete Kristalle, die das Pigment dauerhaft umhüllten. Auch planzliche Harze und Blut wurden als Bindemittel verwendet. Meistens vermischten die Maler aber nur ein Pigmentpulver mit Wasser und trugen diese Paste auf den Fels auf. Im Laufe der Zeit tränkte das Sickerwasser aus der Felswand die Farbkunstwerke. Das darin gelöste Calciumhydrogencarbonat zersetzte sich beim Verdunsten des Wassers zu Kohlenstoffdioxid und Kalk. Letzterer bildete einen Kalksinter in den Farbschichten, der das Kunstwerk extrem dauerhaft konservierte. Die Felszeichnungen handeln meist von Tieren und Menschen, wobei Pferde und Wisente den Hauptanteil ausmachen. Zeichen und unbestimmte Linien ergänzen die Vielfalt der Felskunst, die auch als „Kunst einer Jagdkultur“ bezeichnet wird. Striche und Punkte wurden mit der gefärbten Fingerspitze oder mit Pinseln aus Tierhaar gezeichnet. Bei der Versprühtechnik zerrieb man das Pigment zu einem feinen Pulver, das mit dem Mund oder mit Hilfe eines Röhrchens auf die Wand gesprüht wurde. Hielt der Künstler eine Hand dazwischen, entstanden durch diese Schablonentechnik Handnegative. In der Grotte Chauvet wurde auch die Verwischtechnik angewandt. Flachreliefe entstanden durch das Abmeißeln der umliegenden Fläche. Die wahre Meisterschaft der Höhlenkünstler bestand darin, dass sie die dreidimensionale Wirkung von Rissen und Vorsprüngen des Felsuntergrundes in das Bild mit einbezogen.1

Animismus Animisten betrachten jeden auch nur allzu kleinen Teil der Welt als einen beseelten Ehrfurcht gebietenden Kosmos. Für sie ist die spirituelle Welt die eigentliche Realität. In animistischen Weltanschauungen existiert der gesamte Kosmos in zwei Formen: einer materiellen Welt und einer geistartigen Welt (ähnlich dem christlichen Diesseits-Jenseits-Verständnis). Eine Unterscheidung zwischen dem Natürlichen und dem Übernatürlichen gibt es jedoch nicht, denn alles, was im Kosmos existiert und geschieht, wird als natürlich wahrgenommen. Jedes Ding existiert in zwei identischen Formen: einer sichtbaren, materiellen, und einer unsichtbaren, geistartigen Form, die sozusagen eine Doppelwelt zur materiellen Welt bildet. Während die geistartige Welt in ihrer Gesamtheit als nahezu ideal und unvergänglich gesehen wird, versteht man die materielle Welt als störanfällig und vergänglich.2 Naturphänomene wie Unwetter, Dürren, Seuchen erklärten sich die Menschen dieser Zeit durch Vorhandensein von geheimnisvollen Kräften, wie Dämonen und Geistern. Ohne zu wissen, wie sie aussehen, stellte man sie in Skulpturen und Zeichnungen dar.

1 http://www.seilnacht.com

2 http://de.wikipedia.org/wiki/Animismus

Wichtige Ereignisse v. Chr.: 35000

Aussterben der Neandertaler; Homo sapiens sapiens in Europa um 25000 stilisierte weibliche Figürchen in ganz Europa; erste Höhlenmalereien (Frankreich, Spanien) um 20000 Höhepunkt der letzten Eiszeit

um 10000 Rückgang der Eiszeit; Aussterben der um 9000 um 8000 um 5500 um 5000 um 4500 um 3500

Großsäuger älteste Belege für Weizenanbau (Syrien) Domestizierung von Schweinen (Anatolien); Ackerbau in Südosteuropa Brandkeramik in Mitteleuropa; erste Metallverarbeitung (Südosteuropa) Getreideanbau und Dörfer in Westeuropa; erste Kupferarbeiten (Mesopotamien) Hünengräber in Westeuropa Entstehung von Uruk als erstem Stadtstaat (Mesopotamien); Steinkreise in Nordwesteuropa

Steinwerkzeuge aus der Sahara (Libyen und Algerien) etwa 15000 bis 10000 v. Chr.

Prähistorische Kunst | 13


Ägypten 2800 - 221 v.Chr.

Pyramiden von Gizeh, ca. 2500 v.Chr. Kairo, Ägypten

Pyramiden von Gizeh mit Sphinx, ca. 2500 v.Chr. Kairo, Ägypten 14 | Kunstgeschichte

... die eigentliche Geschichte der Kunst fängt nicht in den Höhlen Südfrankreichs oder bei den Indianern an. Es führt kein Weg von diesen seltsamen und rätselhaften Anfängen zur Kunst unserer Zeit. Die eigentliche Geschichte künstlerischer Überlieferung aber kann man erstaunlich weit zurückverfolgen. Jahrtausende weit, bis in die graue Vorzeit des Landes am Nil. Es gibt eine ungebrochene Tradition vom Meister zum Lehrling, vom Lehrling zum bewundernden Nachahmer, die jedes Bildwerk, das heute gemacht, jedes Haus, das heute gebaut wird, ja, jedes Plakat, das wir sehen, mit Meistern verbindet, die sich vor 5000 Jahren unter der ägytischen Sonne plagten. Wir werden sehen, dass die griechischen Künstler bei den ägyptischen in die Lehre gingen und dass wir alle Schüler der Griechen sind. Daher ist die Kunst Ägyptens für uns von größter Bedeutung.1 Die Pyramiden sind die ältesten Denkmäler menschlicher Baukunst. Sie zeugen von einem gut durchorganisierten Land, wie sonst wäre die Errichtung eines solchen Bauwerkes innerhalb der Lebenszeit eines Herrschers möglich. Tausende Menschen waren an deren Bau beteiligt. Sie mussten organisiert, koordiniert, verplegt und untergebracht werden - und das über viele Jahre hinweg. Sie sind jedoch nicht die einzigen Zeugen der Anschauungen der ägyptischen Frühgeschichte. Denn die Ägypter glaubten, dass 1 E.H.Gombrich; Die Geschichte der Kunst; Phaidon 2010; S.55

es nicht genug sei, den Leichnam vor dem Verfall zu schützen. Blieb auch des Königs Aussehen erhalten, so war man doppelt sicher, dass er für die Ewigkeit bewahrt wird. So befahl man den Bildhauern, das Bildnis des Königs aus hartem, unverwüstlichem Granit zu meißeln und es in der Grabkammer aufzustellen, wo kein Auge es je erblickte und wo sein Zauber es bewirken sollte, dass die Seele in dem Bild und durch das Bild fortdauerte. Eines der ägyptischen Worte für Bildhauer heißt darum: >Er, der am Leben erhält.<. Die ägyptische Kunst richtete sich nicht danach, was der Künstler in irgendeinem Augenblick sehen konnte, sondern es kam darauf an, zu zeigen, was zu einer bestimmten Person oder Szene gehörte. Der ägyptische Künstler baute seine Darstellungen nach festgeschriebenen Regeln und Formen auf. Versteht man diese Konventionen, versteht man auch die Darstellungen. Alles musste von der charakteristischsten Seite gezeigt werden, alles Wesentliche musste sichtbar sein. Beim menschlichen Körper z.B. war der Kopf im Proil am klarsten sichtbar. Das Auge wiederum wurde von vorne darin eingebaut. Schultern und Brust wurden von vorne gezeigt, da so die Ansätze der Arme sichtbar waren. Arme und Beine und von den Hüften abwärts wurden wiederum seitlich dargestellt. Beide Füße wurden als linke Füße, mit Rist und großer Zehe, und in


Anubis, der schakalköpige Gott der Beisetzungsriten

Schrittstellung dargestellt. Solche Darstellungen indet man in den Grabkammern. Hieroglyphen an den Wänden beschreiben, wer hier begraben liegt und welche Ehrungen und Titel er in seinem Leben erworben hat. Reliefs und Wandmalereien zeigen Szenen aus seinem Leben. Auch hier geht es um die Darstellung des Wesentlichen, es mischen sich daher Seitenan- und -aufsichten in ein und demselben Gemälde. In den Darstellungen künden die Größenverhältnisse von der jeweiligen Bedeutung der dargestellten Personen. Götter zeigen sich in Tiergestalt oder in Menschengestalt mit Tierköpfen (Horus, der Himmelsgott als Falke; Anubis, der Gott der Beisetzungsriten als Schakal). Sitzende Statuen hatten die Hände auf die Knie zu legen. Männer mussten mit dunklerer Haut als Frauen gemalt werden. Diese ägyptische Kunst hat sich in 3 Jahrtausenden wenig verändert. König Amenophis IV. aus der 18. Dynastie wagte den Bruch mit diesen Überliefungen. Er führte den Eingottglauben ein. Sein Gott hieß Aton, den er in Gestalt einer Sonnenscheibe darstellen ließ und selbst nannte er sich Echnaton. Er schockierte, da er sich mit seiner Frau Nefertiti darstellen ließ, wie er z.B. seine Kinder streichelte.Er ließ Alltagsszenen darstellen. Auch dass seine Frau in gleicher Größe wie er als Pharao abgebildet wurde, musste als Ketzerei betrachtet werden. Jedoch bereits sein Nachfolger, Tutenchamun kehrte wieder zum Mehrgottglauben und zur üblichen, feierlichen Darstellung der Pharaonen zurück und dies sollte noch ein weiteres Jahrtausend so bleiben.1

Wichtige Ereignisse v. Chr.: um 3400

Keilschrift der Sumerer

um 3300

erste befestigte Städte in Ägypten

um 3200

erste Fahrzeuge mit Rädern

um 3100

erster Pharao Narmer vereinigt Ägypten

um 3000

frühdynastische Zeit (Ägypten)

um 2650

erste ägyptische Pyramide, die Stufenpyramide des Djoser in Sakkara Cheopspyramide

um 2540 um 2300 um 2100

Expansion des Akkadischen Reichs unter Sargon Bau von Stonehenge

Architektur

Echnaton und Nefretiti, 18. Dynastie Aton als Sonnenscheibe 1350 v. Chr.

Die Architektur Ägyptens bildet sich über einen Zeitraum von etwa 3000 Jahren heraus, zu einer Zeit, als das Land von Invasionen weitgehend verschont blieb. Ägypten war reich und wurde geschickt verwaltet. Wohlstand und Kultur waren eng mit den Zyklen des Nil verknüpft. Jedes Jahr, wenn er über die Ufer trat und die Täler fruchtbar

1 E.H.Gombrich; Die Geschichte der Kunst; Phaidon 2010; S.55

Ägypten | 15


machte, drehte sich alles um den Ackerbau, denn man musste Nahrung für den trockenen Rest des Jahres produzieren. Da es nach den Überschwemmungen für die Bauern und ihre Helfer jedoch wenig zu tun gab, stand Ägypten fünf Monate im Jahr ein ganzes Heer von Fach- und Hilfskräften zur Verfügung. So entstanden die Pyramiden und zahlreiche Tempel. Die Pyramiden dienten als Grabmäler für die Pharaonen. Das Grab des Pharao Djoser (um 2650v.Chr.) war das erste große Steinbauwerk der Welt und die allererste ägyptische Pyramide eine Stufenpyramide. Sie ist aus Kalkstein, über 60m hoch und entstand in jahrelanger Bauzeit. Im Alten Reich wurden die Pharaonen in Pyramiden begraben, im Neuen Reich hingegen in Sarkophagen tief unter der Erde in Felsenkammern, den Felsengräbern (in Theben, um 1500v. Chr.). Diese waren reich verziert, teilweise mit Säulenreihen abgestützt und mit einem Labyrinth von Vorkammern versehen.

Abu Simbel, Ägypten

Karnak-Tempel, Luxor

In den Tempeln jedoch verehrte man ausschliesslich die Götter. Jeder Tempel war einem Gott geweiht. Da das ägyptische Pantheon zahlreiche Gottheiten kannte, gab es auch viele Tempel. Der Aufbau war ähnlich. Eine Sphinxallee führte zu einer imposanten Toranlage, oft mit einem Obelisken davor. Im Inneren lag eine Art Kreuzgang mit einem mächtigen doppelten Säulengang. Gewöhnliche Sterbliche gelangten nur bis hierher. Es folgte eine Säulenhalle, hinter der sich das Allerheiligste tief im Inneren des Gebäudes befand. Dies war nun das Reich der jeweiligen Gottheit und ihrer Priester.1

16 | Kunstgeschichte

Reliefkunst Will man etwas über den Alltag und die Umwelt erfahren, muss man sich mit den Basreliefs beschäftigen. Die Wände der Grabmäler wurden oft mit Reliefszenen geschmückt, die nur lach ausgearbeitet und manchmal bemalt waren. Jahrhunderte lang folgten sie ebenfalls stets demselben Stil: Darstellung der Personen im Proil, Ausrichtung der Füße in einer Linie, Verteilung einzelner Szenen auf mehrere Ebenen, Zweidimensionalität. Dominierend in der Darstellung ist der Alltag mit genau gezeichneten ländlichen Szenen, vielen Tieren und Planzen.2

Malerei

Die Bildhauerei gilt als höchster Ausdruck der ägyptischen Kunst. Man fand sowohl vollkommen unversehrte als auch stark beschädigte Plastiken bei Ausgrabungen. Diese Figürchen,

Die Malerei des alten Ägypten ist weniger bekannt als seine Skulptur. Obwohl fast keine Gemälde überliefert wurden, ist zu vermuten, dass diese bei den Ausschmückungen von Palästen und Tempeln eine wichtige Rolle spielten. In den Gräbern, die dazu bestimmt waren, auf immer verschlossen zu bleiben, besaß sie wohl vor al-

1 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.53-55

2 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.29-39

Skulptur

Horus-Tempel, Edfu Innerste Kultkammer

Kleinplastiken, Kolossalstatuen und Basreliefs zählen zu den beeindruckendsten Schätzen, die wir aus dieser Zeit kennen. Die typische ägyptische Plastik ist wahrscheinlich das Produkt einer langen Entwicklung. Sie folgt strengen Konventionen. Denen zufolge muss ein Mann aufrecht mit einem vorangestellten Bein dargestellt werden, oder ruhig sitzend. Er ist mit einem Lendenschurz bekleidet und trägt eine üppige Perücke. Die Frau ist fast immer vom Hals bis zu den Knien mit einer Tunika bekleidet, die die Körperform betont und trägt ebenfalls eine opulente Perücke. Solche Figuren wurden als Abbilder von Verstorbenen in den Gräbern gefunden. Alle diese Plastiken folgen - obwohl sie einen Zeitraum von über dreitausend Jahren abdecken und trotz aller Unterschiede im Detail - immer dem gleichen Konzept.


lem dekorative Bedeutung. Eines ihrer häuigsten Themen ist das Jenseits, allerdings in ästhetisch minderer Form. Selbst hier scheinen den ägyptischen Malern Szenen aus dem Diesseits mehr zu liegen. Skizzen auf Tonscherben belegen eine überraschende Fähigkeit zur Beobachtung der Realität.1

Einteilung der Reiche Frühzeit 1./2. Dynastie

2800 - 2600 v.Chr.

Altes Reich 2. - 8. Dynastie

2600 - 2200 v.Chr.

Mittleres Reich (Theben, Memphis) 11. -12. Dynastie 2060 - 1800 v.Chr. 1 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.51-55

Wandmalereien in der Grabkammer 11

Hieroglyphen im Luxor-Tempel

Neues Reich (Theben, Karnak, Luxor) 18. - 20. Dynastie 1490 - 1070 v.Chr. Spätzeit 21. - 26. Dynastie

1039 - 526 v.Chr.

Ptolemäerzeit

246 - 221 v.Chr.

Basrelief im Luxor-Tempel

Ägypten | 17


Griechenland 500 - 100 v.Chr.

Parthenonfries, Apollonplatte Basrelief, Athen

Vom 5.Jh. bis zum Beginn der Römerherrschaft um 100v.Chr. bildeten sich in Kunst, Philosophie, Mathematik, Literatur und Politik Ideale heraus, die die abendländischen Kulturen nachhaltig beeinlussten. Angesichts andauernder innerer Unruhen und Bedrohungen von außen ist diese Leistung besonders bemerkenswert. Im Jahr 336v.Chr. begann Alexander der Große seinen Triumphzug durch weite Teile Asiens und Nordafrikas. Nach seinem Tod zeriel sein Reich, die griechische Kultur blieb dennoch überall dominant.1 Waren die Künstler des alten Ägypten noch namenlos, so ändert sich dies in der griechischen Kultur. Die Maler und Bildhauer sind zu erkennbaren Individuen geworden. Zeitgenössische Autoren berichten über deren Werke, schmücken ihr Leben mit Anekdoten aus und beurteilen ihren Stil.2

Die griechische Stadt

Satdtplan von Hierapolis, 3.Jh.v.Chr. Pammukale, Türkei

Die kulturellen Zentren der alten Griechen befanden sich in den Städten bzw. in den Stadtstaaten. Während der griechischen Hochklassik erlebte die griechische Polis ihre Blütezeit als Heimat von Demokratie, Humanismus, Kunst und der frühen Stadtplanung. Hippodamus von Milet (498-408 v.Chr.) war der erste historisch belegte Stadtplaner. Er entwarf Milet, Priene und Olynthos nach einem rechtwinkeligen System aus geraden, parallel zueinander verlaufenden Straßen. Dieser 1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.54,56 2 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.58

18 | Kunstgeschichte

sogenannte „hippodamische Stadtplan“ sorgte für einen optimalen Luftstrom, der die Wohnungen im Winter warm und im Sommer kühl hielt.3

Architektur Griechische Tempel Der griechische Tempel mit seinem dreieckigen Giebel und seinen Säulenreihen hat sich als eine der wichtigsten Referenzen der Baukunst durchgesetzt. Ungeachtet jeder religiösen Bedeutung gelangte sein Konzept von Griechenland nach Rom und von dorthin in die Welt. Der griechische Tempel ist zumeist rechteckig und ruht auf soliden Fundamenten. Die Säulen, die auf mehrstuigen Sockeln stehen, stützen ein Tragwerk und ein Dach, das an beiden Enden von dreieckigen Giebeln begrenzt wird. Der umschlossene Raum selbst kann auf verschiedene Weise aufgegliedert sein. Im Kern des Gebäudes liegt die generell fensterlose Cella. Sie wird von frei stehenden oder einfach in das Mauerwerk eingelassenen Säulen beziehungsweise nackten Wänden umschlossen. Die Säulen sind entweder dorisch, ionisch oder korinthisch, wodurch je nach Ort, Tradition und Geschmack zahlreiche Varianten möglich werden. Etagenbauten waren unüblich. Doch auch „Flachbauten“ verlangen hinsichtlich

3 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.93


Länge, Breite und Höhe sowie der Gestalt des Gebäudes insgesamt mit seinem sichtbarsten Element - der Säule - nach Proportionen. Aus diesem Gleichmaß entspringen ihre sorgsam berechnete Harmonie sowie ihre Schönheit.1

Artemistempel, Ephesos, Türkei

Das griechische Theater Griechische Theater wurden nicht überdacht, was angesichts des milden Klimas unproblematisch war. Sie waren ganz aus Stein gebaut und bestanden aus drei Bereichen: dem Auditorium (Zuschauerraum), der Orchestra (Chorbühne; eigentlich „Tanzläche“) und dem Proskenion mit der Skene, also der Sprechbühne mit dem Bühnenhaus, das den Hintergrund bildete und von dem sich das Wort „Szene“ ableitet. Das Auditorium schmiegte sich im Halbrund entlang eines Hanges um das Orchestra. Die Sitzreihen sind aus Stein und durch Gänge in getrennte Ränge unterteilt. Treppen führen zur Bühne hinab. Die Akustik war exzellent. Lässt man eine Münze auf der Bühne fallen, hört man das Geräusch auch auf den entlegensten Plätzen. Oft sprachen bis zu 50 Schauspieler gleichzeitig als Chor. Ein einziger Schauspieler spielte die Hauptrolle. Erst Aischylos führte einen zweiten Darsteller ein und Sophokles einen dritten.2

Wichtige Ereignisse 505 v.Chr. Einführung der Demokratie in Athen 490 v.Chr. Sieg der Griechen über die Perser in Marathon

461 v.Chr. Perikles übernimmt die Staatsführung in Athen

447 v.Chr. Baubeginn des Parthenon (432 vollendet)

431 v.Chr. Peloponnesischer Krieg (bis 404) 399 v.Chr. Sokrates wird zum Tode verurteilt 385 v.Chr. Platon kehrt nach Athen zurück und gründet die Akademie

384 v.Chr. Geburt des Aristoteles 336 v.Chr. Thronbesteigung Alexander des Großen; Beginn des Persienfeldzugs

333 v.Chr. Alexanderschlacht bei Issos 332 v.Chr. Alexander erobert Ägypten und gründet Alexandria

323 v.Chr. Spaltung des Reichs nach Alexanders Tod

322 v.Chr. Tod des Aristoteles 302 v.Chr. Endgültiger Zerfall des Reichs

Skulptur

Griechisches Theater Ephesos, Türkei

Die wohl bekanntesten Skulpturen sind Statuen aus dem antiken Rom und Griechenland. Die dargestellten Menschen orientierten sich stark an der Realität, waren aber stets idealisiert und perfektioniert. Die griechischen Skulpturen stellen meist athletische Männer oder Gottheiten dar.3 Strahlend weiss und naturgetreu – so haben die griechischen Skulpturen die Menschen im Westen seit Jahrhunderten fasziniert. Heute wissen wir, dass die griechischen Skulpturen ursprünglich farbig und von einer tiefen Symbolik

175 v.Chr. Baubeginn des Zeus-Altars in Pergamon

168 v.Chr. Beginn der römischen Expansion in den östlichen Mittelmeerraum

146 v.Chr. Griechenland und Nordafrika werden römisch

133 v.Chr. Attalos III. vererbt Pergamon an Rom

1 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.61 2 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.100,101 3 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.100,101

Griechenland | 19


Artemis von Ephesos, Marmor 1.Jh. v. Chr.

durchtränkt waren. Köpfe, Büsten, Statuen und Stelen – aus bestem Marmor angefertigt – waren in antiken griechischen Städten überall präsent: Sie schmückten Tempelbezirke, öffentliche Plätze, Straßen und Häuser. Die Statuen zeigten die griechischen Götter in Menschengestalt. Sie erinnerten an große Taten im Krieg oder im Sport. Sie verewigten aber auch die Persönlichkeiten, die mit ihrem Denken und Tun die Gesellschaft prägten: Dichter wie Homer, Philosophen wie Platon, Politiker wie Demosthenes oder Könige wie Alexander. Die besten Bildhauer der Zeit schufen die Statuen in öffentlichen Wettbewerben. Die Stelen auf Friedhöfen zeigten Bilder, die die täglichen Sorgen der antiken Menschen erahnen lassen: Ein alter Vater nimmt Abschied vom Sohn, der im Krieg gefallen ist. Ein verstorbener Jäger hält die lebendige Jagdbeute in der Hand und ein alter Dichter übergibt sein Musikinstrument einem Schüler. Ästhetik und Idealvorstellungen sind in der Skulptur der Griechen harmonisch vereint.1 Die griechischen Werkstätten waren gut organisiert - von der Ausbeutung der Marmorsteinbrüche über die Organisation der Gießereien bis hin zu ganzen Kopistenteams, die einen schwunghaften Export betrieben.2

bung - ist unwiederbringlich verloren. Wir wissen aus vielen antiken Texten, dass die griechische Malerei eine ausserordentliche Blütezeit erlebt haben muss. Die Werke wurden - vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte - von den Städten eifersüchtig behütet und von Reisenden aufrichtig bewundert. Die einzigen Belege der griechischen Malerei sind auf Keramiken überliefert.3

Malerei

Athena und Herakles Staatliche Antikensammlungen

Griechische Malerei hat die Jahrhunderte nicht überdauert. Da die Griechen und auch die Römer ihren Toten keine große Aufmerksamkeit schenkten, können wir noch nicht einmal auf die Grabmalerei zurückgreifen, wie es in Ägypten der Fall war. So blieb nur, die Bedeutung gemalter Dekors anhand der Palast- und Tempelruinen von Mari bis Kreta zu beurteilen. Doch sind die wenigen Stücke, die in den Museen einen Platz gefunden haben, nicht mehr als einzelne unzusammenhängende Puzzleteile. Alles, was die Kunst eines Malers ausmacht - die Kühnheit des Pinselstrichs, die Rafinesse der Zeichnung und der Farbge1 www.antikenmuseumbasel.ch 2 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.80

20 | Kunstgeschichte

3 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.93


Ausgrabungen im Hanghaus 2 Ephesos. T端rkei 2012

Griechenland | 21


Rom Rom 50 v. - 500 n.Chr.

Therme mit Hypokausten Perge, Türkei

Als bedeutende Großmacht der Antike entwickelte Rom nur wenige eigene künstlerische Ausdrucksformen. Die Architektur und die Ingenieurskunst waren geradezu kühn, doch hielt man in der Malerei und Bildhauerei im Wesentlichen an griechischen Vorbildern fest. Wie glorreich Rom seine politische Macht auch inszenierte, die visuellen Mittel dazu stammten letztlich aus zweiter Hand.1 Während des Übergangs zum Kaiserreich unter Augustus (27 v. - 14 n.Chr.) wurden in Rom zahlreiche großartige Werke nach griechischem Vorbild geschaffen. Neben den Dichtungen Vergils, Horaz`und Ovids und den Geschichtsbüchern des Livius entstanden nun erste grandiose Bauten. Die Energie, die von Rom ausging, war Segen und Fluch zugleich. Im selben Maß, wie das Reich wuchs, mussten die Ressourcen und die Truppen verstärkt werden. Die nach Rom strömenden Zuwanderer ließen sich schließlich nur mehr durch „Brot und Spiele“ in Form kostenloser Leistungen und Unterhaltung kontrollieren.2

Architektur

Bogenbrücke Perge, Türkei

Die römische Architektur legt Zeugnis ab von der Kraft und Dynamik eines expandierenden Weltreichs. Von der mystischen Gründung der ewigen Stadt 753 v.Chr. durch Romulus und Remus bis etwa 300 n.Chr. nahm Roms Macht und Einluss 1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.60 2 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.105

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stetig zu. Mit den Legionen und der Pax romana verbreiteten sich römische Bauweisen und -techniken im gesamten Mittelmeerraum und weit darüber hinaus. Von den Baumeistern wurde das Äusserste verlangt. Je rasanter sich das Imperium ausdehnte und sich neue Länder und Völker einverleibte, desto schneller mussten sie planen und bauen. Mit viel Fantasie und Zement ließen die römischen Architekten zahllose Tempel, Arenen, Theater, Thermen und Aquädukte bauen. Als das Römische Reich 476 n.Chr.schließlich zeriel, verlagerte sich das Zentrum der Baukunst nach Konstantinopel - und ihre Blütezeit im vorwiegend griechischsprachigen Ostrom brach an.3 Stilelemente römischer Archtektur Bögen: Die Römer verwendeten Bögen nicht nur aus statischen Gründen, sondern auch zu rein dekorativen Zwecken; Amphitheater mussten jetzt nicht mehr an Hänge angelehnt werden, sondern konnten mit Bögen auf der Ebene errichtet werden (Kolosseum in Rom) Brückenbögen: Mit den Bögen konnten römische Architekten und Baumeister auch Brücken über Flüsse errichten Triumphbögen: Die römischen Kaiser feierten ihre Siege mit

3 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.105


Aquädukt Perge, Türkei

massigen Triumphbögen, die von ihren Erfolgen kündeten Aquädukte: Auf mehrstöckigen Bogenreihen wurde das Wasser in die Städte geleitet, wobei die Wasserleitung auf der obersten Bogenreihe lief Giebelfeld mit Rundbogen Monumentale Inschriften Hypokausten: Zentralheizung, bei der heiße Luft in Leitungen unter dem Fußboden zirkuliert Mosaikböden

Durch die gute Organisation der griechischen Werkstätten entwickelten sich hervorragende Künstler, die sich auch gerne im Ausland niederließen, vor allem in Rom. Daher ist es schwierig, von einer rein römischen Bildhauerkunst zu sprechen.1 Die römische Bildhauerkunst ist unter anderem durch die großen Menge an Porträts gekennzeichnet, die sie hervorbrachte. Dazu gehören Bildnisse von Kaisern und bedeutenden Persönlichkeiten, aber auch von Privatpersonen. Die Verschiedenheit ihrer Stile trotzt jeder Klassiizierung. Zur Zeit Augustus´ (27 v. - 14 n.Chr.) könnte man vom Idealismus sprechen, zur Zeit Vespasians (69-79) vom Realismus, unter Hadrian (117-138) von einer Art Ausgewogenheit und mit Caracalla (211-217) von einer Hinwendung zum Expressiven. Die Bildhauerei dieser Zeit hat uns eine erstaunliche Galerie menschlicher Antlitze hinterlassen, die mit außerordentlichem Freimut gearbeitet wurden.2

Malerei Monumentale Inschriften Ephesos, Türkei

46 v.Chr. Julius Cäsar wird alleiniger Machthaber 27 v.Chr. Oktavian wird als Augustus römischer Kaiser; er stirbt 14 n.Chr.

64 n.Chr. Großer Brand von Rom

Skulptur

Giebelfelder mit Rundbögen Celsus-Bibliothek, Ephesos, Türkei

Wichtige Ereignisse

Das römische Kaiserreich liebte Luxus, sehr zum Verdruss derjenigen, die der Strenge der Republik nachtrauerten. Oft wurde aber Schönheit mit

70 n.Chr. Baubeginn des Kolosseums in Rom (bis 82 n.Chr.)

79 n.Chr. Ausbruch des Vesuv, Zerstörung von Pompeji und Herculaneum

117 n.Chr. Tod Kaiser Trajans; größte Ausdehnung des Römischen Reichs

306 n.Chr. Konstantin wird Kaiser 312 n.Chr. Festigung der kaiserlichen Macht Konstantins I.

313 n.Chr. Toleranzedikt von Mailand (Anerkennung des Christentums im Röm. Reich

325 n.Chr. Das 1. Konzil von Nicäa legt Differenzen innerhalb der Kirche bei

329 n.Chr. Fertigstellung der Petersbasilika in Rom

330 n.Chr. Konstantin wählt Byzanz als neue Hauptstadt des Röm. Reichs und nennt es Konstantinopel 391 n.Chr. Kaiser Theodosius I. setzt das Christentum als alleinige Staatsreligion ein 395 n.Chr. Tod des Theodosius; Aufspaltung Roms in Weströmisches und Oströmisches Reich 410 n.Chr. Die Westgoten plündern Rom

455 n.Chr. Eroberung Roms durch die Vandalen unter Geiserich

476 n.Chr. Plünderung Roms durch die Goten; Ende des Weströmischen Reichs

1 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.80 2 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.84-86

Rom | 23


Pracht verwechselt, und Quantität stand über Qualität. Römische Malereien kennen wir vor allem aus Pompeji, wo sie nach dem Ausbruch des Vesuv 79 n.Chr. lange unter Schutt und Asche verborgen waren. Sie lieferten wichtige Anhaltspunkte für ältere griechische Gemälde, die als Vorlagen dienten. Im Gegensatz zu ihren Vorbildern handelt es sich in Pompeji jedoch fast immer um rein dekorative Wandmalereien in prunkvollen Villen. Sehr beliebt waren Landschaften und Seestücke, ergänzt durch komplexe, illusionistisch gemalte Architekturen. Wie stets in

Säulenskulptur Ephesos, Türkei

Trajanssäule Rom, um 114 n.Chr.

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Fresco in einer Villa Boscoreale, Italien

der römischen Kaiserzeit, waren die repräsentativen Bedürfnisse wichtiger als der Inhalt. Die erhaltenen Wandmalereien stammen eindeutig von meist griechischen Handwerkern, die eher Dekorationsmaler als echte Künstler im klassischen Sinne waren.1

1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.61


rÜmische Porträts obere Reihe: Kaiser Augustus

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Indien 700 v. - 1800 n.Chr. Im Indus-Tal (dem östlichen Ausläufer des fruchtbaren Landes, das zur Wiege der westlichen Zivilisation wurde), siedelte die erste Kultur auf dem indischen Subkontinent. In den Städten Mohenjo Daro und Harappa am Indus entwickelte sich eine Zivilisation mit Verbindungen zur sumerischen Kultur in Mesopotamien. Die Entwicklung der indischen Kultur, wie wir sie heute kennen, dauerte über 1500 Jahre. Sie wurde von zahlreichen Einlüssen geprägt: durch das buddhistische Maurya-Reich, durch die griechische Kultur nach dem Indienfeldzug Alexander des Großen im 4.Jh., durch chinesische Einlüsse, durch die Mogulkaiser (Tadsch Mahal) und später durch die Briten (Palast des Vizekönigs in Neu-Delhi). Die in Südindien herrschenden Dynastien waren immuner gegen fremde Einlüsse. Dort entstanden faszinierende Tempel mit reich verzierten Türmen, die heute als typisch indisch gelten. Buddhistische Kultur vermittelt die Botschaft, dass Götter keine anderen Wesen sind, sondern dass jeder Mensch göttliche Erleuchtung erlangen kann. Im Zuge von Handel, Kriegen und Missionarstätigkeiten verbreiteten sich die buddhistische Lebensweise und die Handwerkskünste über die natürlichen Grenzen des Himalayagebirges nach Tibet und in die Mongolei und weiter nach China, Burma, Thailand und Kambodscha. Tempel Gadaladeniya Raja Maha Vihara Sri Lanka

Architektur Die Geschichte der frühen indischen Architektur ist vor allem die der einlussreichen Volksreligi-

26 | Kunstgeschichte

onen, die ihren Glauben in Monumentalbauten ausdrückten. Buddhismus, Jainismus und Hinduismus spielten jeweils eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Gebäuden, die das Tierreich, die irdischen Freuden, das tranzendentale Streben der Menschen und die vielgestaltige Götterwelt verherrlichten. Die indische Architektur, insbesondere die der Hindu-Tempel, demonstriert auf sinnliche Weise die Liebe zur natürlichen und materiellen Welt und zum Reich der Götter. Zu den schönsten Beispielen zählen die Küstentempel von Mamallapuram aus dem 7. und 9.Jh. südlich von Chennai (früher Madras). Die Liebe zur Natur indet sich überschwänglich ausgedrückt im üppigen plastischen Schmuck an HinduTempeln in ganz Zentral- und Südindien. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte die plastische Ausschmückung der Tempel von bäuerlichen Themen hin zur Darstellung menschlicher Liebe auch der erotischen, die als göttlich inspiriert galt. Hinduistische Tempelanlagen wirken manchmal verwirrend. Der Hinduismus basiert auf dem Brahmanismus und verehrt viele Götter, mit denen alle Lebewesen und Dinge unaulöslich verbunden sind. In ganz Indien würdigen die hohen Stufentürme der Tempel alles, was heilig ist: von Kälbern und Kühen über Götter, Liebespaare und Könige. Die Stufentürme sind also Skulpturen und Bauwerke zugleich und bestehen aus zahllosen miteinander verbundenen Details.1

1 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.136-141


Zahntempel, buddhistisch Kandy, Sri Lanka

Stupa, Pollonaruva, 12.Jh. Sri Lanka

Buddhistische Architektur Zu den ältesten, noch vorhandenen historischen Bauten gehören die Stupas. Die Stupa ist ein halbkugelförmiges Monument, in dem Reliquien von Buddha aufbewahrt wurden. Die Stupa besteht aus einem Unterbau (Medhi) und einer Halbkugel, die sich darüber wölbt. Diese Stupas sind Gedächtnisstätten an Buddha. Sie werden als Abbild des Kosmos betrachtet, und die einzelnen architektonischen Teile als symbolische Repräsentationen der verschiedenen Ebenen des Weltberges Meru. Die Stupas werden von einem runden Schirm, Symbol der Herrschaft und des Schutzes, gekrönt. In der Mitte des Bauwerks steht ein senkrechter Pfosten, der unten im Wasser oder in einem Wassertopf steht. Der Pfosten stellt die Weltachse dar. Um den Mittelpfosten legt sich die Halbkugel der Stupa. Die geometrische Symmetrie symbolisiert die Vollkommenheit und Endlosigkeit des Universum. Die Stupa wird bei der Verehrung rituell umschritten. Diese Umwanderung heißt Pradakshina und symbolisiert die Bewegung der himmlischen Körper um die Sonne. Manchmal sind die Stupas von Mauern umgeben, die durch Tore (Toranas) die Pilger eintreten lassen. Die Toranas von Sanchi mit ihren ausgezeichneten Skulpturen, die symbolisch die buddhistische Lehre darstellen, sind ein besonders schönes Beispiel dafür. Die Stupas waren zu Zeiten von Ashok kleine Hügel. Sie wurden aber im Laufe der Zeit zu riesigen Steinkuppeln, die über einen mehrstuigen Sockel in den Himmel ragten. Neben den Stupas entwickelten sich in dieser Zeit auch die Höhlenkloster mit großen Gebetshallen (Chaitya-Hallen) und einfachen Wohnräumen für die Mönche (Viharas). Sie wurden während der Zeit des Hinayana-Buddhismus errichtet. In den Chaitya-Hallen wurde jedoch nie Buddha selbst dargestellt, da er nie als Gott verehrt werden wollte, sondern Symbole wie der Bodhibaum, das Rad oder seine Fußabdrücke. An einem Ende einer Chaitya-Halle steht eine Stupa. Davor gibt es rechts und links lange Säu

Wichtige Ereignisse 700 v.Chr. Aufkommen des indischen Kastensystems mit Brahmanentum

400 v.Chr. Sanskrit, das sich aus dem Vedischen entwickelte, wird formalisiert

326 v.Chr. Feldzug Alexander des Großen durch 50 499 800 1192 1526 1600

das Industal Apostel Thomas erreicht Südindien und gründet eine christl. Gemeinde der Mathematiker Aryabhata verfasst das erste Algebrabuch Rajput-Kriegsherren gründen Königreiche in Zentralindien und Rajasthan islamische Stammesfürsten aus Afghanistan gründen das Sultanat von Delhi Babur erobert Delhi und wird erster Mogul von Indien Gründung der britischen East India Company, Vorläufer von British-India

Vergoldetes Tor, Zahntempel, Kandy, Sri Lanka

Indien | 27


lenreihen, die skulpturreich sind und prächtige Kapitelle tragen. Eine weitere besondere buddhistische Architekturform sind die Stambhas, monolithische Säulen mit aufgesetzten Kapitellen, auf denen Bäume, Stiere oder Elefanten dargestellt wurden. Sie stehen meist vor dem Eingang der Chaitya Hallen. Kaiser Ashoka ließ viele solche Stambhas mit eingravierten Edikten errichten. Seine Säulen haben jedoch alle Löwenkapitelle. Dieses Symbol stammt aus Westasien. In Ajanta und Ellora indet man die prächtigen Viharas des Mahayana-Stils. Bei den Mahayana Anlagen sieht man auch die Zellen im Inneren, die Bilderschreine haben. Die mittlere Zelle hat immer eine überlebensgroße Buddha-Statue. Buddha-Statue, Polonnaruva, 12. Jh. Sri Lanka

Tempelanlage, Polonnaruva, 12. Jh. Sri Lanka

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Malerei Kunstrichtungen basieren in Indien oft auf einem religiösen Hintergrund, so daß das Verständnis der Werke stets auch gewisse Kenntnisse der Religion erfordert. Die ersten Kunstgegenstände fanden sich im Indus-Tal, das im heutigen Pakistan liegt. Dies waren jedoch nur kleinere, einfache Skulpturen, denn erst in der maurischen Periode der indischen Geschichte erlebte die Kunst eine erste Blütezeit. Diese klassische Schule buddhistischer Kunst erreichte ihren Höhepunkt unter dem mächtigen Herrscher und Buddha-Verehrer Ashoka. Die hervorragenden Skulpturen dieser Periode lassen sich am besten in Sanchi bewundern. Die dann folgenden Sungas setzten diese künstlerische Tradition fort. Als dieses Reich zeriel, bildete sich in Nord-Indien eine neue Kunstrichtung: die Ghandara Schule. Das Gebiet liegt etwa um Peshawar im heutigen Pakistan. Diese neue Schule der Kunst war eine Kombination aus buddhistischer Kunst und starkem griechischen Einluß, der auf die Nachfahren Alexanders des Großen zurückgeht. In diese Periode fallen auch die ersten Darstellungen Buddhas, denn früher verehrte man ihn lediglich durch Symbole, wie Fußabdrücke oder Stupas. Zur gleichen Zeit entwickelte sich zwischen Agra

und Delhi die Kunstrichtung von Mathura. Auch hier war der religiöse Einluß des Buddhismus unverkennbar, jedoch zeigten sich erste Abwandlungen in Richtung Brahmanismus, dem Vorläufer des Hinduismus. In dieser Zeit begann man auch mit der Anfertigung von Yakshinis, Figuren junger Mädchen, die wir heute aufgrund ihrer so reichhaltigen Ausschmückung bewundern. Ein geradezu goldenes Zeitalter erlebte die indische Kunst in der Gupta-Periode von 320-600 n. Chr. Damals entwickelten sich die Darstellungen des Buddha zu ihrer heutigen Form, denn die typischen Merkmale von Bildern und Skulpturen des Buddha, wie z. B. Kleidung und Handhaltung, haben sich bis zum heutigen Tage kaum geändert. Damit war die Kunst des Buddhismus aber auch zu Ende, denn der Hinduismus lebte wieder auf. Zum gleichen Zeitpunkt, als im Norden Indiens die Kunst des Buddhismus während der Gupta-Zeit ihrem Höhepunkt zustrebte, entwickelte sich im Süden des Landes eine starke Hindu-Kultur. Künstler beider Kunstrichtungen schufen Skulpturen, gegossen in Metall nach dem Prinzip der verlorenen Form, und größere Darstellungen aus Stein. Die folgenden tausend Jahre waren gekennzeichnet durch eine langsame, aber stetige Entwicklung der indischen Hindu-Kunst, die bis zum blühenden Mittelalter anhielt. Sehr gut sichtbar ist diese Entwicklung in den Höhlen von Ajanta und Ellora. Dort sind einige der ältesten Wandmalereien von Indien zu sehen. Anhand von Skulpturen kann man die Entwicklung dieser Kunst über ihre gesamte Entwicklung hinweg verfolgen: von den plumpen und steifen älteren Figuren der BuddhaKunst bis hin zu den aussagekräftigen, in Form und Bewegung einmaligen Darstellungen der Hindu-Zeit. Absoluter Höhepunkt dieser Schaffensperiode war die Zeit, in der bildhauerische Elemente und Reliefs Bestandteil der Architektur wurden. Eine klare Grenze zu ziehen und zu sagen, was Bildhauerei und was Architektur ist, fällt schwer. Einige der besten Beispiele sind die Hoysala-Tempel in Karnataka, der kunstvoll gearbeitete Sonnentempel in Konarak sowie die


Felsenmalerei „Wolkenmädchen“ 5.Jh. Sigiriya, Sri Lanka

Felsentempel Warana, 1.Jh. Sri Lanka

liegender Buddha, 1.Jh.v.Chr. Höhlentempel Dambulla, Sri Lanka

Chandelas-Tempel in Khajuraho. Bei all diesen Bauten versucht die Architektur, in Konkurrenz zu den bildhauerischen Elementen zu treten, und beides ist sowohl in überwältigender Qualität wie auch in erdrückender Vielfalt vertreten. Ein äußerst interessantes und häuiges Element sind die erotischen Darstellungen. Die himmlischen Jungfrauen einer früheren Zeit sind so deutlich in Szene gesetzt, und zwar was Positionen und Möglichkeiten anbetrifft, daß für Phantasie gar kein Raum mehr bleibt. Die Kunst war damals nicht nur auf die Darstellung von Göttern und Göttinnen beschränkt. Jedem Ereignis des Alltags gab man genügend Raum, und wie man sieht, spielte der Sex zu jener Zeit eine wichtige Rolle im Leben der Inder. Die Ankunft der Moslems hatte auf die Kunst eine verheerende Auswirkung. Sie haßten andere Religionen sowie fremde Götter und zerstörten daher blindlings alles, was ihnen begegnete. Obwohl diese frühen Invasoren sich bei der Kunst fast ausschließlich auf die Malerei beschränkten, erlebte die indische Kunst dennoch ein weiteres goldenes Zeitalter unter den Moguln. Am bekanntesten dürfte die Malerei von Miniaturen sein, die sie meisterhaft beherrschten. Diese unwahrscheinlich detaillierten und außerordentlich farbenfrohen Bilder stellten Ereignisse und Geschehen in den prächtigen Palästen der Moguln dar. Darüber hinaus gibt es noch Bilder mit Jagdszenen oder Planzen sowie Portraits. Zur gleichen Zeit entwickelte sich aber auch eine volkstümliche Kunstrichtung. In ihr indet man eine Kombination aus der Miniaturmalerei der Moguln und der religiösen Kunstrichtungen Indiens. Die Künstler der bekannten Schulen von Rajasthan und Mewar fügten Szenen aus dem Leben Krishnas hinzu. Er wird stets in Blau dargestellt. Die bei den Persern übliche Perspektive übernahmen sie jedoch nicht, sie blieben fast ausnahmslos zweidimensional. Anders war dies in den nordindischen Schulen von Jammu, Basohli und Kangra, wo die PahariMiniaturen einen deutlichen Einluß der Schule der Moguln aufweisen. Ihre oft religiösen The-

men sind allerdings der Rajasthan-Schule näher. Die Malereien von Basohli sind in recht dunklen Farben gehalten und enthalten viele Goldtöne, während die Pahari-Malereien eher blaß und fein gehalten sind.1

1 http://www.indien-reise.com/german/Indische-Kultur.htm

Felsenmalerei „Wolkenmädchen“ 5.Jh. Sigiriya, SriLanka

Indien | 29


Südostasien 500 - 1500

Buddhistische Tempelanlage Borobudur Java 1. Jh.

Indische Bautraditionen gelangten zusammen mit dem Buddhismus und Hinduismus nach Südostasien und breiteten sich so rasch aus, dass schon im 13. Jahrhundert indisch geprägte Stupas, Stufensikharas und lotusknospenförmige Türme in ganz Burma, Kambodscha, Thailand und Indonesien entstanden, die vielfach später verielen und erst im 19. und 20. Jahrhundert wieder aufgebaut wurden. Die hervorragendsten Beispiele der historischen südostasiatischen Architektur sind zweifellos Angkor Wat (Kambodscha) und der Stupa von Borobudur auf Java (Indonesien) - zwei ganz unterschiedliche Heiligtümer, die beide den buddhistischen Weltenberg Meru verkörpern. Angkor Wat hat zahlreiche Innenräume, Borobudur dagegen ist nur Fassade und strahlt wie die Stufenpyramiden Mittelamerikas die mächtige Präsenz eines Berges aus. Er wirkt wie aus einer anderen Welt, aufgeladen mit Bedeutung. Zum Einen wird er mit den fünf buddhistischen Elementen assoziiert: die quadratische Basis verkörpert die Erde, die runde Kuppel das Wasser, der Konus auf der Kuppel das Feuer, der Baldachin die Luft und das Ganze den Kosmos. Einerseits soll dieses Bauwerk den Betrachter spirituell erheben, andererseits ist es ein überwältigend sinnlich-haptischer, reich geschmückter Steinbau, der massiv über einer Kulturlandschaft aufragt. Das Tempelbauieber breitete sich in ganz Thailand und auch in Indonesien aus. An der Bauweise, der Blütezeit und dem Verfall der Tempel

kann man ablesen, wann sich der Buddhismus auszubreiten begann und wann er allmählich vom Hinduismus verdrängt wurde. Mit dem Buddhismus wurden in der Architektur Südostasiens auch chinesische Enlüsse wirksam. Nach einer langen Übergangszeit verschmolzen die verschiedenen Baustile und brachten so unterschiedliche Bauten hervor wie die burmesischen Stupas, die Tempelstädte Kambodschas und die Paläste von Bangkok.1

Malerei Die Wayang-Malerei ist die klassische, ursprüngliche indonesische Malerei. Wayang bedeutet Schatten und leitet sich vom indonesischen Schattentheater Wayang Kulit ab. Die Darstellung der zweidimensionalen, stilisierten Figuren unterliegt einer strengen ikonographischen Ordnung und entspricht der Darstellung der Lederpuppen aus dem Wayang Kulit. So wie das Schattentheater gehören auch die Wayang Bilder zu den „Erzählenden Bildern“. Sie erzählen von historischen Ereignissen, aus Epen wie dem Ramayana, Mahabharata, Bhagavadgita oder lokalen Volksgeschichten. Zu früheren Zeiten wurden sie entweder für den königlichen Hof, für Tempelzeremonien oder für die Aristokratie hergestellt. Sie hatten demnach eine erziehende oder belehrende Funktion. Wayang-Malereien des Kamasan-Stils werden 1 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.151,152

30 | Kunstgeschichte


Hinduistische Tempelanlage Besakih, 8. Jh. Bali

heute in Kamasan, Bali hergestellt. Ihre Geschichte reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Ein bekanntes Beispiel bilden die Malereien im Justizgebäude „Kerta Gosa“ in Klungkung. Vor dem 20. Jahrhundert wurden die Künste durch die Könige gefördert. Heute wird die Nachfrage der Kamasan – Bilder durch private Sammler und den touristischen Kunstmarkt bestimmt. Gemalt werden die Bilder jedoch noch immer genau wie damals nach sehr strikten und komplexen ikonographischen Regeln. Das Wissen um die genaue Technik und die Bedeutungen wird von Generation zu Generation innerhalb der Familien weitergegeben. Der Batuan-Stil ist ebenfalls ein traditioneller Stil aus Bali. Bis in die 60er Jahre hinein wurden diese Bilder eher im klassischen Stil gemalt: Es handelt sich um dunkle, geheimnisvolle Bilder, die sich aus überlieferten Fabeln und Legenden und ihrer übernatürlichen Formenwelt speisen. Ermutigt durch europäische Maler wie Walter Spies, Arie Smit und Hans Snel begannen die Künstler später auch häuig Themen des täglichen Lebens darzustellen. Im Batuan–Stil werden alle Bildgegenstände verkleinert und vervielfältigt. Die Formen sind nicht klar von einander getrennt und die Bildläche ist gleichmäßig und minimalistisch bemalt. Die komplexen Bilder müssen erst genauer betrachtet werden. Dann aber entsteht eine ganze Erzählwelt innerhalb eines Bildes. Der Betrachter könnte den Eindruck kriegen, als würde er die Szene aus der Luft oder aus einer anderen Welt betrachten und als wenn ein Leben nicht ausreichen würde, um all die Aktivitäten der verschiedenen Kreaturen und ihre Welten zeitlich wie räumlich zu entziffern.1 Die Kunst der Altindonesier (Indonesier) bezeugt im Wesentlichen den Seelen-, Ahnen- und Totenkult. Bei der künstlerischen Bearbeitung von Holz (u. a. Skulpturen, Verzierungen für die Häuser), Textilien und Metallwaren (Waffen, Schmuck)

Buddhistischer Thean Hou Tempel Kuala Lumpur

Wichtige Ereignisse um 602 657 711 um 1150 um 1300 1363 1431 1565

Vereinigung der kriegerischen Nomadenstämme Tibets unter Namri Songsten Jayavarman I. gründet die KhmerDynastie in Kambodscha Araber erobern Sindh und Multan (heute Pakistan) Khmer-König Saryavaram II. baut Angkor Wat (Kambodscha) Gründung des Tamilen-Königreichs auf Ceylon Gründung des Sultanats Brunei auf Borneo durch Sultan Mohammed Shah Siam erobert Angkor und vernichtet das Khmer-Reich im Machtkampf der Europäer um Südostasien erobert Spanien die Philippinen

1 http://www.kunst-asien.de

Südostasien | 31


werden immer wieder entsprechende Motive und Symbole verwendet. Teile Indonesiens, besonders Java und Bali, Sumatra und Celebes, kamen bereits in den ersten Jahrhunderten n. Chr. mit Strömungen der indischen Kultur in Berührung. Zu den frühesten erhaltenen künstlerischen Zeugnissen in Indonesien gehören Bronzeiguren des Buddha aus dem 5./6. Jahrhundert im Stil der Guptakunst, gefunden bei Sampaga auf Celebes und Kotabangun auf Borneo.

Hinduistische Tempelanlage Prambanan, 1. Jh. Java

Hinduistische Tempelanlage 19. Jh. Sri Mahamariamman, Kuala Lumpur

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Die Kunst Javas etwa zwischen dem 7. und 15. Jahrhundert wird als indojavanisch oder hindubuddhistisch bezeichnet, weil sie inhaltlich von den indischen Religionen geprägt ist. Stilistisch zunächst von den indischen Kunstschulen der Gupta-, Pallava- und Palazeit beeinlusst, entwickelte sie seit dem 9. Jahrhundert starke eigenständige Züge. Hauptwerke der zentral- oder mitteljavanischen Periode (750-900; benannt nach der Residenz der Herrscher im Zentrum der Insel) sind die shivaistischen Candis auf dem Diengplateau, die Tempelgruppe Gedong Songo am Ungaraberg, der Tempelkomplex Lara Jonggrang bei Prambanan und die buddhistischen Candis Borobudur (um 800), Pawon und Mendut in der Keduebene und Kalasan, Sewu, Plaosan und Sari in der Nähe von Prambanan. Es sind v. a. Bauten mit mehrfach terrassiertem Sockel, Cella und pyramidenförmigem Dach. Neben ihrer Funktion als buddhistische oder hinduistische Tempel sind sie auch Gedenk- und Verehrungsstätten der königlichen Ahnen, deren Asche dort beigesetzt wurde. Das bedeutendste shivaistische Heiligtum Zentraljavas ist der Tempelkomplex Lara Jonggrang aus dem Anfang des 10. Jahrhunderts. Er zeigt beispielhaft die seit dem 9. Jahrhundert in der Stein- und Bronzekunst gewonnene Eigenständigkeit der javanischen Kunst. Im 10. Jahrhundert wurde der Osten Javas zum politischen und kulturellen Zentrum. Im 13. Jahrhundert entstanden hier die Reiche Singhasari und Majapahit. Als bedeutendste Candis der Singhasarizeit (1222-93) sind die von

Kidal, Jago und Singha Sari hervorzuheben. Der reiche Reliefschmuck lässt stilistische Nähe zu den Schattenspieliguren des Wayang erkennen. Aus der Majapahitzeit (1293 bis etwa 1520) sind wenige Tempel erhalten geblieben, da nun Ziegel und Holz die vorherrschenden Baumaterialien waren. Doch in Panataran gibt es noch Reste steinerner Tempel; vollständig restauriert wurde der in das Jahr 1369 datierte »Jahreszahlentempel«. Von besonderem Reiz sind die unglasierten Terrakotta- und Stuckarbeiten dieser Zeit. Es sind Teile von Architekturdekor erhalten, v. a. aber eine Vielzahl menschlicher und tierischer Figuren von hoher Ausdruckskraft und Originalität aus dem profanen Bereich. Charakteristisch für die ostjavanische Periode ist die extrem enge Verbindung von Shivaismus und Buddhismus, sodass seit dem 13. Jahrhundert die höchste Gottheit den Namen Shiva-Buddha trägt. Der Ahnenkult gewann nun größere Bedeutung, die königlichen Vorfahren wurden in den Bildern der Götter verehrt, die teilweise als Porträtstatuen zu verstehen sind. Eine ganz eigene Ausdrucksform javanischen Kunstschaffens sind die Schattenspieliguren, Stabpuppen, Masken und Rollbilder des Wayang, in dem sich autochthon-altjavanische und hindubuddhistische Elemente vermischt haben. Die schrittweise Islamisierung seit dem 16. Jahrhundert bewirkte, dass die Figuren wegen des Verbots, göttliche Personen darzustellen, das Aussehen skurriler Geisterwesen annahmen. Die Kunst des Islam auf Java (ab 16. Jahrhundert) beschränkt sich, dem Bilderverbot gemäß, auf die Architektur, v. a. Moscheen und Friedhöfe (z. B. Sendangduwur im Osten), die in der Anfangszeit noch von javanischen Formen geprägt sind. Bali wurde im Gegensatz zu Java nicht islamisiert, daher bewahrte die balinesische Kunst sowohl präindojavanische als auch balinesischhinduistische Traditionen und Formen bis in die Gegenwart. Die sehr zahlreichen balinesischen Tempel für Götter, für den Toten-(Ahnen-)Kult und für Fruchtbarkeitskulte sind in der Regel in drei


Höfe geteilt, wobei sich das Hauptheiligtum, der Meru, im dritten Hof beindet und, reichlich mit polychromen Reliefs geschmückt, den Sitz der Gottheit enthält; das Haupttor ist in der Form des Candi bentar gestaltet. Die größten Heiligtümer sind Pura Besakih am Südhang des Gunung Agung, die in den Felsen gehauenen »Königlichen Gräber« bei Tampaksiring und die Elefantenhöhle (Goa Gajah) bei Bedulu. Der Tempel von Pejeng zeigt, wie stark Bali von Java beeinlusst war. Die Malerei auf Palmblatt, Tierhaut und Stoff sowie das Kunsthandwerk (Schnitzarbeiten, Kleiniguren aus verschiedenen Materialien, Batikarbeiten, Schattenspieliguren und Masken) sind äußerst feine Arbeiten und stehen seit alters ausnahmslos im Dienste der balinesischen Ausprägung des Hinduismus, vermischt mit alten Toten-, Ahnen- und Fruchtbarkeitskulten.1

Malerei im chinesischen Tempel Georgetown, Penang, Malaysia

1 http://universal_lexikon.deacademic.com

Chinesischer Tempel Georgetown, Penang, Malaysia

Wayang-Figuren Bali

Balinesische Malerei

Südostasien | 33


China 215 v. - 1700 n.Chr.

Chinesische Architektur

Große Chinesische Mauer ab 215 v.Chr.

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Die 2000 Jahre alte Große Chinesische Mauer (gebaut ab 214 v.Chr.) windet sich über 6700 km durch das Bergland von Beijing (Peking) und gilt als Inbegriff der chinesischen Kultur. Als Verteidigungswall erbaut, hat diese Mauer auch isoliert und China über Jahrhunderte vom Rest der Welt abgeschottet. Mit dem Ende des chinesischen Kaiserreichs im Jahre 1912 endet auch die 2000 Jahre alte Geschichte der chinesischen Herrscherdynastien. Für die westliche Welt war China ein sagenumwobenes und geheimnisvolles Land, das durch strenge kaiserliche Gesetze reglementiert war und über schier unerschöpliche Heerscharen von Arbeitern verfügte, die so eindrucksvolle Bauwerke wie die Große Mauer und die Verbotene Stadt (1420) errichteten. Die teils durch selbstauferlegte Isolierung, teils durch die schwer erlernbare chinesische Schrift abgeschottete Kultur des Reichs der Mitte brachte eine besondere, häuig nur auf sich selbst bezogene Kunst hervor. Dennoch war China nicht immun gegen Einlüsse von außen. Schon früh brachte der Buddhismus über die berühmte Seidenstraße (von Istanbul bis Fernost) indische, in Spuren auch persische und griechische Stile ins Land. Im Gegenzug breitete sich chinesisches Gedankengut nach Westen aus, wo man die Kunst und Gelehrsamkeit der Chinesen schätzen lernte.

Architektur Die schiere Größe Chinas hätte eigentlich zu einer Fülle verschiedener Baustile führen müssen,

aber neben regionalen oder durch religiöse und kulturelle Unterschiede geprägten Stilen setzten sich schon früh mit sozusagen rituellem Schwung feste Baunormen durch. 1103 veröffentlichte die Regierung die Schrift Yingzao fashi (Baumethode). Sie wurde in ganz China verbreitet und führte zu einem einheitlichen Stil. Für das Verständnis der chinesischen Architektur ist die Kenntnis dieser Bauvorschriften unabdingbar. Dieser illustrierte Kodex des Baumeisters Li Jie gab über Jahrhunderte gültig gebliebene Anweisungen zur Gestaltung, Konstruktion und Dekoration von Holzbauwerken. So durfte es beispielsweise keine allzu üppigen Ausschmückungen geben. Die Gebäude mussten erdbebensicher gebaut werden, also mit Zapfverbindungen, die bei Beben nachgeben (aber nicht brechen), und ohne Gründungen, so dass sie sich - statt einzustürzen - mit der Erde bewegen. Sie sollten aus Standardkomponenten bestehen, also aus Holzbalken und Holzelementen in Längen und Proportionen, die auf jeder Baustelle produzierbar waren. Li Jie legte auch das Farbschema fest: Rot für die Wände, Säulen, Türen und Fensterrahmen von Palästen und Tempeln; Gelb für Dächer; Blau und Grün für Traufunterseiten und Raumdecken. Gebäudeensembles sollten möglichst axialsymmetrisch angelegt werden. Beim Besuch chinesischer Tempel, Klöster und Paläste fällt auf, dass die Forderungen des Yingzao fashi seit dem Beginn des 12. Jh. durchgängig und heute noch sichtbar umgesetzt wurden, ob in der Verbotenen Stadt in


Peking oder im Hängenden Kloster von Hunyuan (586). Überall sieht man die gleichen Elemente in denselben Farben, die alle eine Art zeitloser Ruhe ausstrahlen. An der Gestaltung so einzigartiger Bauten wie der chinesischen Pagoden kann man die wesentlichen stilistischen Unterschiede erkennen.

Malerei

Buddha, 7. Jahrhundert Longmen

Taube am Strand Huizong of Song, 11.Jh.,

Im Gegensatz zur Malerei des Abendlandes ist die Malerei Chinas nicht um Originalität und einen „persönlichen“ Stil bemüht. Vielmehr führt sie eine Schultradition fort; viele Maler inden erst im hohen Alter einen eigenen Stil. Dies bewirkt eine gewisse Zeitlosigkeit chinesischer Bilder. Für den europäischen Betrachter werden erst die Werke aus der Zeit der Tang-Dynastie leichter fassbar; damals kam nämlich die Landschaftsmalerei auf, die sich zwar sehr von der abendländischen Landschaftsmalerei unterscheidet, aber immerhin einen guten Einstieg bietet. Dem chinesischen Maler ist die naturgetreue Darstellung der Landschaft unwichtig, für ihn zählt mehr die Stimmung und Atmosphäre, die im Betrachter Empindungen wecken soll und weckt. Auch sonst geht es wenig um die exakte Nachbildung eines Objekts, sondern um das Einfangen seines Wesens, seines Entwicklungsmusters, seiner Bewegungen. Auch in der Behandlung der Bilder unterscheiden sich beide Kulturen. Im Abendland werden Bilder eingerahmt und an einem festen Platz an der Wand ixiert, während chinesische Bilder auf Seiden- oder Papierrollen gemalt sind und nur hervorgeholt werden, wenn man sie betrachten will. Die Unterlage für die Bilder ist ein weiterer Unterschied beider Kulturen, der noch einen größeren Unterschied beinhaltet. Die verwendeten Seiden- oder Papierrollen sind nämlich empindlich und ermöglichen keinerlei Korrekturen, was den Maler dazu zwingt, das Bild bereits in seinem Kopf entstehen zu lassen, bevor er es auf Papier bannt. Die geistigen Voraussetzungen sind also völlig anders. Während westliche Maler sehr viel Mühe auf die Darstellung von Licht

Kaiserpalast in der Verbotenen Stadt Peking, 1420

Wichtige Ereignisse 50 105 220 581-618 725 1045 1103 1264 1368 1644 1912

Der Buddhismus erreicht China. Bau der ersten Stupas Ts‘ai Lun erindet das Papier und revolutioniert so die Bewahrung und die Vermittlung von Wissen Ende der Han-Dynastie; Beginn von Kriegen und Teilungen - aber auch neuer Kunstströmungen Vereinigung Nord- und Südchinas durch die Sui-Dynastie Die Provinz Xi‘an wird zur bevölkerungsreichsten Region der Welt Bi Sheng erindet die Druckpresse (400 Jahre vor Gutenberg) Baumeister Li Jie veröffentlicht eine Beschreibung chinesischer Bauweisen und -normen. Die Mongolen erobern China. Kublai Khan gründet die Yüan-Dynastie mit Peking als Regierungssitz. Gründung der Ming-Dynastie durch den buddhistischen Mönch Chu Yuanchang. Qing-Dynastie; kulturelle und politische Blütezeit Gründung der ersten Republik

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und Schatten verwenden, stellt ein chinesischer Tuschmaler Schärfe oder Kontur vor allem durch den gezielten Einsatz der nassen bzw. der trockenen Maltechnik dar, die den bekannten daoistischen Yin-YangGegensatz im Bereich der Kunst widerspiegelt. Der nasse Strich steht dabei für das weibliche, weiche, diffuse Yin-Prinzip, der trockene für das männlich-harte und lichte Yang. Da chinesische Landschaftsbilder oft auch der Meditation dienen, verzichten die Maler auf den übermäßigen Gebrauch von Farbe, die den Betrachter nur ablenken würde. Dafür wird die Farbe aber in den vier anderen Hauptbereichen der chinesischen Malerei stark verwendet. Diese sind: Porträts, erzählende Genrebilder, Tierbilder und Blumen- oder Planzenbilder. In diesen Bereichen wird meist auf Umrisslinien aus Tusche verzichtet, was ihnen die Bezeichnung knochenlos einbrachte. Dem Landschaftsbild hingegen verleihen die Knochen, d.h. Umrisslinien, die Konturen. Die Darstellungen der Tuschmalerei enthalten viel versteckte Symbolik, was dem Bild für den, der sie zu deuten vermag, eine zusätzliche Dimension verleiht. So drückt beispielsweise ein Bild von Kranichen mit einer Kiefer als ein Geschenk zur Pensionierung den Wunsch für ein noch lange währendes Leben aus. Die Verwendung von Schriftzügen, die mit dem Bild harmonieren, ist eine weitere Ei-

genheit der chinesischen Malerei und wird durch die einheitliche Führung des Pinsels erreicht. In China verlangt das Studium dieser traditionellen Malerei einen langen Lernprozess und sehr viel Übung. Der Schüler kopiert die Bilder seines „Meisters“, die oft selbst Kopien älterer Werke sind, so dass oft ein Bild von Generationen von Schülern in deren jeweils eigenem Stil gemalt wird. Die Schüler eignen sich möglichst viel Theorie und Praxis an, um mit überlieferter Technik ein ganz eigenes Original zu schaffen. Ein Werk der chinesischen Tuschmalerei sollte „Qi“ (oder Chi) besitzen, ein nicht leicht zu übersetzender Begriff, der soviel wie „Leben“, „Eigenleben“ oder „Energie“ bedeutet. Auch Stimmung und Charakter des Künstlers beeinlussen das Werk, so dass man bei der Interpretation eines Bildes die Energie seines Schöpfers nicht übersehen sollte. Wie ein chinesischer Lehrer einmal bemerkte, tragen Maler aus dem Orient den kulturellen Hintergrund in ihrer Seele, während ein Künstler aus dem Westen die richtige Atmosphäre erst erschaffen muss.1

Skulptur Vor allem wird die Kunst der Tang-Zeit mit naturbelassenen oder farbig glasierten KeramikSkulpturen assoziiert, die meist Pferde, Kamele und wütende Dämonen („Höllenwächter“) darstellen, aber auch Hofdamen und Musikanten. Die bisweilen erkennbar unchinesischen Gesichtszüge der Dargestellten sind über die kulturellen 1 http://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_Malerei

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Einlüsse aus Westasien und Europa zu erklären, die insbesondere über den regen Handel über die Seidenstraße vermittelt wurden. Bis in die Tang-Zeit (581-960) reichen auch die Ursprünge des in China erfundenen und im Laufe späterer Dynastien immer mehr verfeinerten Porzellans zurück, das aus einer aus Kaolin und Feldspat bestehenden Paste gefertigt wird. Gegenüber herkömmlichen Töpferwaren stellt Porzellan seine Schöpfer schon wegen der Verarbeitungseigenschaften vor erheblich größere Herausforderungen. Berühmteste Fertigungsstätte ist das im Lauf der Geschichte mehrfach umbenannte Jingdezhen in der Provinz Jiangxi. In Anknüpfung an eine bereits unter der SuiDynastie eingeleitete Tendenz entwickelte sich die buddhistische Großplastik auch unter der Tang-Dynastie zunehmend zu einem realistischeren und lebensnaheren Ausdruck hin. Infolge der Weltoffenheit des Tang-Reichs und insbesondere seines kulturellen Austausches mit dem indischen Kulturraum nahmen die buddhistischen Skulpturen der Tang-Zeit (581-690) eine eher klassische, von der indischen Gupta-Kunst beeinlusste Form an. Einen Einbruch erlebte die buddhistische Kunst gegen Ende der Tangzeit, als Kaiser Wuzong 845 alle ausländischen Religionen verbot, um den autochthonen Daoismus wieder in seine alte Position einzusetzen. Er koniszierte buddhistisches Eigentum und zwang die Gläubigen in den Untergrund, worauf auch die Kunst weitgehend zum Erliegen kam. Während die meisten Holzplastiken der Tangperiode die Verfolgungen nicht überlebt haben, ist von der


des Papiers im 1. Jahrhundert auch auf dieses neuartige und billigere Material. Originalwerke berühmter Kalligraphen wurden in China zu allen Zeiten hochgeschätzt, auf Rollen gezogen und bisweilen in der Art von Gemälden an die Wand gehängt. Zu den renommiertesten Vertretern der Kunst zählt Wáng Xīzhī (307–365), der im 4. Jahrhundert lebte und vor allem durch sein Werk Orchideenpavillon (Lántíng Xù) bekannt geworden ist. Es handelt sich hierbei um das Vorwort zu einer Gedicht-Anthologie mehrerer Poeten, die sich in Lan Ting nahe der Stadt Shaoxing (Provinz Zhejiang) zu versammeln und ein Spiel namens „qushui liushang“ zu spielen plegten. Steinkunst erheblich mehr erhalten geblieben. Die großartigsten Skulpturen beinden sich in Longmen, südlich von Luoyang (Provinz Henan).

Kalligraphie In den Hofkreisen des alten China galten Malerei und Kalligraphie als die am höchsten geschätzten Künste. Ausgeübt wurden sie vor allem von Amateuren, Adeligen und Gelehrten-Beamten, die allein über die für eine Vervollkommnung ihrer Pinseltechnik erforderliche Muße verfügten. Kalligraphie galt als reinste und höchste Ausdrucksform der Malerei. Gemalt wurde mit einem aus Tierhaaren bestehenden Bürstenpinsel und einer auf der Basis von Ruß und Tierleim hergestellten Tusche ursprünglich auf Seide, nach Erindung

Porzellan Bereits in der Yuan-Dynastie (1279-1368) hatte sich das in China damals schon seit Jahrhunderten bekannte Porzellan gegenüber anderen Keramik-Arten wie insbesondere dem Seladon eine Sonderstellung verschafft. In der Ming-Zeit indes erreichte die chinesische Porzellankunst einen ersten Höhepunkt. Es etablierte sich der sogenannte Blau-Weiß-Stil; die blaue Farbe wurde dabei aus Cobaltaluminat (CoAl2O4) gewonnen. Der Stil erfreute sich unter der MingDynastie (1368-1644) großer Beliebtheit; insbesondere die geradezu sprichwörtlich gewordene „Mingvase“ prägt die europäische Vorstellung von chinesischer Porzellankunst in besonderem Maße. Seinen speziischen Glanz erhielt das Porzellan durch die über der Bemalung aufgetragene Schlussglasur. Neben loral-ornamentalen Motiven herrschten insbesondere Tierdarstellun-

gen vor. Ab dem frühen 15. Jahrhundert legte man immer größeren Wert auf eine Gliederung in ein Zentralmotiv und periphere Ornamentbänder und -friese. Mitte des 16. Jahrhunderts etablierten sich neben dem klassischen Dekorschatz schließlich auch Landschaftsmotive, Szenen aus dem Holeben und der daoistischen Geisteswelt sowie Darstellungen aus Werken der klassischen Literatur. Die Herstellungstechniken wurden fortwährend verfeinert, erstmals kam auch vielfarbiges Dekor auf. In Jingdezhen, bereits seit der Tang-Zeit „Hauptstadt“ des chinesischen Porzellans, entstanden zahlreiche neue Manufakturen. Erstmals wurde auch Porzellan auf portugiesischen Schiffen nach Europa exportiert, wo es an den Fürstenhöfen reißenden Absatz fand.1

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_Kunst

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Japan & Korea 500 - 1900

Die Burg Himeji aus dem 16. Jh

Phönixhalle des Byōdō-in 1053

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In der Mitte des 6. Jhd. beginnt der Buddhismus von China her in Japan Fuß zu fassen. Erste Klöster werden errichtet - so das berühmte Hōryū-ji unweit von Nara, und es gibt rege Gesandschaften mit dem T‘ang-China. Mit dem Buddhismus werden auch dessen Schriften eingeführt. Das bisher schriftlose Japan beginnt, chinesische Schriftzeichen zu assimilieren. Aller Landbesitz ist unter kaiserlicher Kontrolle. 663 scheitert die japanische Flotte bei ihrem ersten Angriff auf das Königreich Schilla (Teil des heutigen Korea). 702 wird der Taihō-Index erlassen - eine Art Rechtsgrundlage. Erste Münzen werden geprägt. 710 wird Nara (nahe Kyoto) zur Hauptstadt erklärt. Die Stadt wird als strenges Schachbrettmuster angelegt. Der Buddhismus wird zur Hofreligion und bildet sechs verschiedene Strömungen aus (davon sind 3 noch heute erhalten). Reger Verkehr mit China. In Nara wird der noch heute existente Buddha-Tempel Tōdaiji erbaut. Erste japanische literarische Werke entstehen. Kaiser Kammu verlegt die Hauptstadt 784 nach Nagaoka, 794 schließlich nach Heian (das heutige Kyōto). Ein mächtiger Clan namens Fujiwara übernimmt mehr und mehr Macht, die vormals immer mächtiger gewordenen Kaiser werden allmählich bedeutungslos. 894 Abbruch der Kontakte zu China. Um die Jahrtausendwende herum Blütezeit der höischen Kultur in Heian. Beachtlich: In der Heian-Zeit wird über lange Zeit auf die Todesstrafe verzichtet. Im 12. Jhd. kommt es zu zahlreichen Kriegen und Aufständen. Ab

1010 Bildung privaten Landbesitzes. 1274 bis 1281 versuchen die Mongolen mit einer großen Flotte (beim ersten Mal 900 Schiffe, beim zweiten Mal 4400 (!) Schiffe mit rund 140000 (!!) Soldaten bei Hakata auf Kyūshū einzudringen, scheitern aber am Kamikaze, dem „göttlichen Wind“, und dem kriegerischen Geschick der Samurai. Die Zeit der Nord-Süd-Dynastien beginnt 1136. Kaiser Go-Daigo lieht aus Kyōto nach Süden und gründet seinen eigenen Hof. 1392 dankt der Südkaiser zugunsten des Tennō in Muromachi ab - das Reich ist wieder vereint. Die Ashikaga - Shōgune haben somit gesiegt und regieren für insgesamt 250 Jahre das Land. Die Zen-Kultur und mit ihr die Teezeremonie verbreitet sich zunehmend und Kyōto erstarkt erneut als Handelszentrum. Malerei und Dichtkunst sowie die Gartenbaukunst erleben eine enorme Blütezeit. Ab der Mitte des 15. Jhd. verarmt der Kaiserhof, der 8. Shōgun ist in seiner Machtposition sehr schwach, die Zentralregierung liegt am Boden. Von 1467 an herrschen 10 Jahre lang Krieg - die sogenannten Ōnin-Wirren beginnen und leiten ein Jahrhundert des Chaos und der Anarchie ein - die Zeit der kämpfenden Provinzen beginnt. Aufstände gegen die hohe Besteuerung, Machtkämpfe, Seuchen etc. sind an der Tagesordnung. Seltsamerweise leisten die Unruhen der Blütezeit der Künste keinen Abbruch. 1543 schließlich landen vermutlich die ersten Europäer - genauer gesagt Portugiesen - in Japan. Sie brachten erstmals Feuerwaffen ins Land und 1549 den


Das Shōkin-tei in der Kaiserlichen Katsura-Villa in Kyōto aus dem 17. Jh

Der Trockengarten des Ryōan-Tempels

Der Garten von Adachi Museum

Jesuitenpater Francis Xavier. Die Christianisierung machte rasche Fortschritte dank der vorläuigen Unterstützung der lokalen Herrscher. Viele europäische Einlüsse (wissenschaftliche Erkenntnisse wie auch Tabak, Kartenspiele etc.) gelangen ins Land. Ab 1587 wird das Christentum jedoch mit zunehmender Härte zurückgedrängt. 1603 wird eine Militärregierung errichtet. Der Katholizismus wird 1609 verboten, der NeoKonfuzianismus wurde zur wichtigsten Religion, der Buddhismus verlor etwas an Bedeutung. Im 18. Jhd. kam es zur Wiederbelebung der urjapanischen Shintō-Religion. Es bildete sich eine Vier-Klassen-Gesellschaft mit den Samurai an der Spitze, gefolgt von Bauern, Handwerkern und zuletzt den Kauleuten. Außerhalb dieser Klassen standen Adel, Kaiser und die Priesterschaft. Der Schwertadel, die Samurai, hängte jedoch nicht selten das Schwert an den Nagel und wurde zu Bürokraten oder gar Kauleuten. Die Wirtschaft in der Edo-Zeit lorierte, und Städte wie Edo und Ōsaka wuchsen rasant. Auch die Kunst erlebte eine weitere Blütezeit. In den letzten Jahren der Edo-Zeit machte sich zunehmend Unzufriedenheit in breiten Schichten der Bevölkerung breit. Man machte sich Sorgen darum, dass Japan das gleiche Schicksal wie China blühen könnte nämlich massiver Einluss von aussen. Der Ruf nach Modernisierung wurde laut. Und so kam es nach Jahrhunderten wieder zu einer Kaiserzeit in Japan. Das Land befand sich im Aufbruch. Angesichts der Bedrohung durch den Westen erkannte man die Notwendigkeit einer schnellen Modernisierung. Man holte ausländische Experten ins Land und sandte Schüler ins Ausland, um zu lernen. Die Industrialisierung griff um sich. Städte wuchsen rasend schnell, und in Tōkyō baute man die erste Eisenbahn. Mit seinem starken Militär und dem aggressiven Imperialismus war Japan fortan nicht mehr von aussen bedroht, sondern wurde umgekehrt eine Bedrohung für die Nachbarn. Man kündigte Abkommen und Verträge und stieg ein in das internationale Machtspiel um Korea. 1910 schliesslich annektierte man Korea. Die Bevökerung hatte sich innerhalb von

Wichtige Ereignisse 313 538 607 1227 1274 1394 1467 1549 1603 1868 1945

Japan übernimmt die chinesischen Schriftzeichen. Der koreanische König von Paekche sendet buddhistische Missionare an den japanischen Kaiserhof. Vollendung der buddhistischen Horyuji-Tempelanlage, eine der ältesten in Japan. Der Mönch Dogen führt den Zen-Buddhismus in Japan ein. Mongolen unter Kublai Khan versuchen, Japan zu erobern, werden aber mit Kamikaze abgewehrt. Gründung der koreanischen ChosonDynastie durch Yi Song-gye mit der Hauptstadt Seoul. Infolge des japanischen Bürgerkriegs Spaltung des Shogunats in viele rivalisierende Feudalherrschaften. Ankunft des katholischen Missionars Franz Xaver in Japan. Verlegung der kaiserlichen Hauptstadt Japans nach Edo (Tokio); Gründung der Tokugawa-Shogun-Dynastie Japan wird Kaiserreich mit dem Tenno an der Spitze Japan wird ein demokratischer Staat.

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Kondō und Pagode im Hōryū-ji, Nara, 7. Jhd.

70 Jahren nahezu verdoppelt, und so wuchsen auch die Städte zu Ungetümen heran. Es kam zu Unruhen in der Bevölkerung (z.B. Reisaufstände 1918), welche die Regierung zu einer liberaleren Linie zwangen. Das Wahlrecht wurde erweitert. Am 1. September 1923 kam es zu einem Beben der Stärke 7.9, das Epizentrum lag in der Sagami-Bucht. Unzählige Häuser stürzten ein und viele Brände brachen aus. Da in Japan traditionell aus Holz und sehr eng gebaut wird, fraßen sich Feuerwalzen durch Tōkyō, Yokohama und weitere Städte. Ein gewaltiger Tsunami erledigte den Rest entlang der Küsten. Natürlich brach heilloses Chaos aus, und das Gerücht, dass die ansässigen Koreaner und Chinesen die Situation nutzten und Brände legten, machte schnell die Runde. Tausende Koreaner und ca. 200 Chinesen wurden gelyncht. Die Bilanz des Bebens: Mehr als 140.000 Tote und Vermisste, 570.000 gänzlich zerstörte Häuser, eine komplett lahmgelegte Infrastruktur und blankes Chaos. Aber - man sah das Beben bald als Zeichen des Aufbruchs, und so stieg Tōkyō bald wie Phönix aus der Asche.1

Architektur Den Wels mit der Kürbislasche angeln 15.Jh

Sesson 16.Jh

Die koreanische Architektur schlägt die Brücke zwischen der chinesischen und der japanischen. Die Holzbauten der Koryo-Periode (935 - 1392) sind trotz einiger Unterschiede im Detail im Wesentlichen chinesische Entwürfe, die sich auf der Halbinsel Korea verbreiteten. Übers Meer gelangte diese Bauweise nach Japan, wo im Zuge subtiler Wandlungen Bauten mit schön geschwungenen Dächern entstanden. Die klassischen japanischen Bauten werden wegen ihrer Feingliedrigkeit, ihrer heiteren Ruhe, ihrer ausgeklügelten Proportionen und ihrer Lage in schönen Gärten bewundert. Wegen Erdbebengefahr gab es keine schweren Bauten. Nutzbares Land war immer knapp, deshalb wurde jedes Fleckchen Land genutzt und selbst die kleinsten Tempel, 1 http://www.tabibito.de/japan/geschichte.html

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Häuser und Gärten zu Orten der Ruhe gemacht. Die Gebäude sind nicht so alt, wie sie aussehen. Baustil und Gliederung mögen alt sein, die Bauteile sind aber vielfach erneuert worden. Shinto-Tempel zum Beispiel werden alle 20 Jahre von Grund auf neu gebaut. Das entspricht dem Wesen der Shinto-Götter, die - so der Glaube jeweils nur für kurze Zeit auf Erden weilen und daher keinen dauerhaften Wohnsitz benötigen. Die klassischen Bauweisen entwickelten und verbreiteten sich zusammen mit dem Buddhismus; aus Einzeltempeln wurden komplexe, ausgedehnte Tempelanlagen, deren Maße und Proportionen zusammen mit denen von Klöstern, Häusern und Innenausstattungen in der Edo-Zeit (1603 - 1868) festgelegt wurden. Das Ergebnis war ein typisch japanischer Baustil, für den wenig Anlass zur Veränderung bestand, bis Japan Mitte des 19.Jhs seine Politik der Isolation aufgab. In Korea blieb dagegen der chinesische Baustil bis in die Moderne wirksam. Japanische Gärten Der japanische Garten entspricht einem Idealbild der natürlichen Landschaft im Einklang mit der buddhistischen Vorstellung von Orten der Kontemplation. Gärten folgen festen Regeln, sind aber auch das Werk einzelner Gartenbaumeister. Obwohl die Miniaturisierung eine Rolle spielt, sind viele Gärten Japans weite Landschaftsparks. Jedes kleinste Detail ist geplant. Der Teezeremonienmeister Sen-no Rikyu (16.Jh.) schuf einen Hausgarten und umgab ihn mit einer hohen Hecke, die vom Haus aus den Blick aufs Meer versperrte. Als der Besitzer zum ersten Mal durch seinen neuen Garten ging, soll er dies sehr bedauert haben, bis er sich bückte, um seine Hände im Wasser des Steinbeckens zu waschen. Als er die Augen wieder hob, erblickte er durch eine Lücke in der Hecke das Meer. Intuitiv hatte er verstanden, wie rafiniert Sen-no Rikyu die Verbindung zwischen dem Wasser im Becken und dem des Meeres - und damit auch seine


Japanische Kirschblüte Ein Zeichen für die Vergänglichkeit aller Dinge (Mono no aware)

eigene mit dem unendlichen Kosmos - gestaltet hatte. Die wesentlichen Elemente japanischer Gartengestaltung sind Wasser, Grünplanzen, Steine, Wasserfälle, Bäume und Brücken, deren exakt festgelegte Anordnung und einwandfreie Präsentation essenziell sind. Es gibt fünf Hauptgartentypen: den Tourengarten, den naturhaften Garten, den Sand- und Steingarten, den Teegarten und den lachen Garten. Dazu gehören immer auch architektonische Elemente. Der Garten ist eine Reise: der Weg ist genau so wichtig wie das Ziel. Deshalb enthalten japanische Gärten so viele entzückende Details. Es sind Orte der Kontemplation.1

Malerei

Teeschale (Wabi Sabi)

Die Kunst japanischer Malerei ist voller asiatischem Charme, wenn man sie von einer rein dekorativen Sicht betrachtet. Aber wenn man mehr darüber lernen möchte, kann es für jemanden, der in die Materie neu einsteigt, auch etwas verwirrend sein. Verschiedene Malschulen und Stile, eine Reihe sehr unterschiedlicher Medien, die tiefe Verwurzelung im Zen-Buddhismus und der Gebrauch von Fachausdrücken aus der japanischen Sprache machen den tieferen Zugang zu dieser Kunstform nicht immer einfach. Zum Verständnis der japanischen Malerei sollte man vor allem wissen, dass diese immer zwischen drei Hauptströmungen hin und hergerissen war - der chinesischen, der japanischen und der westlichen.2

Wabi-Sabi: Ästhetik des Unperfekten Asymmetrie, Rauheit, Unregelmäßigkeit, Einfachheit und Sparsamkeit Iki: Habitus exemplarisch von den Unterhaltungskünstlerinnen (Geishas) verkörpert; „anspruchsvoll zu sein, jedoch nicht übersättigt, unschuldig aber nicht naiv. Für eine Frau bedeutete dies, etwas herumgekommen zu sein, die Bitterkeit des Lebens probiert zu haben, genauso wie die Süße des Lebens“ Yabo: ungeschliffen, primitiv, roh z.B. Industrieprodukte, wenn durch eine besonders grobe Gestaltung eine gute Gebrauchstauglichkeit suggeriert werden soll (zB. Mobiltelefone mit großen Knöpfen für Rentner) Shibusa: schlicht, dezent, sparsam Yohaku-no-bi: „Die Schönheit des übrig gebliebenen Weiß“ ästhetisches Prinzip, bei dem im Kunstwerk stets eine freie (weiße) Stelle bleibt. So nämlich, dass nicht alles dargestellt wird, nicht alles gemalt wird, nicht alles gesagt wird, sondern stets ein Moment der Andeutung verbleibt. Kire: „Abschneiden der Lebenswurzel“ japanische Kunst des Blumenarrangierens Ikebana, bedeutet in wörtlicher Übersetzung „lebende Blume“.3

Japanische Ästhetik Mono no aware und Okashi: „Das Pathos der Dinge“ Gefühl von Traurigkeit, das der Vergänglichkeit der Dinge nachhängt und sich doch damit abindet Ikebana (Kire)

1 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.179, 185 2 http://www.artelino.com/artikel/japanische-malerei.asp

3 http://de.wikipedia.org/wiki/Japanische_ästhetik

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Islamische Welt 650 - 1600 Der Islam verbreitete sich im 7.Jh in Arabien und Nordafrika, ab dem 8.Jh in Spanien, im 10.Jh in Zentralasien, im 11.Jh in Indien und gelangte über das Osmanische Reich nach Europa bis vor die Tore Wiens. Seine unterschiedlichen Schulen - von den mystischen bis zu den asketischen - hatten großen Einluss auf die sakrale und profane Kunst. Ursprünglich waren alle Arten von Bildern verboten. So lebten sich die Künstler des Ostens in Mustern und Formen aus.Sie schufen die reichsten Liniengewebe verschlungener Ornamente, die wir Arabesken nennen. Das Bilderverbot belügelte die innere Phantasie der Künstler und förderte den Erindungsreichtum, die Ausgewogenheit und Farbharmonie. So entstanden die bewundernswerten orientalischen Teppiche und die herrlichen Höfe und Hallen der Alhambra.1

Architektur Die frühislamische Architektur war stark von byzantinischen Stilen beeinlußt, was sich besonders in der Hagia Sophia (573, Istanbul) und der sassanidischen Kunst des vorislamischen Persien zeigt. Später offenbarten sich Einlüsse aus Afghanistan, Nordafrika, China und Nordeuropa. Die verschiedenen Stile wurden aufgenommen und verarbeitet, einzelne Strömungen setzten sich in der gesamten islamischen Welt durch. Die anmutige arabische Schrift beispielsweise und der literarische Reichtum - insbesondere die Große Moschee von Manavgat, Türkei 1 E.H.Gombrich; Die Geschichte der Kunst; Phaidon 2010; S.143

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Schlüsseltexte des Koran - fanden Ausdruck in reicher Ornamentik islamischer Bauten. Einzelne religiöse und profane Formen fanden große Verbreitung. Die sinnfälligste islamische Baustruktur, die Moschee, leitete sich vom Haus des Propheten Mohammed ab und folgt dem Grundriss des arabischen Wohnhofs: einem arkadengesäumten Innenhof mit einem Gebetssaal bzw. einem schattigen Ort zum Beten an der Stirnseite. Ein weiterer religiöser Bau ist die Medrese oder Koranschule, deren Wurzeln in der sassanidischen Architektur liegen. Hier ergänzt eine zweistöckige Halle, der sogenannte Eyvan, die Arkaden beiderseits des Hofs. Das vielleicht unverkennbarste Merkmal islamischer Architektur ist die Kuppel, die sich aus der frühchristlichen Tradition entwickelt hatte. Das älteste erhaltene Beispiel ist der Felsendom in Jerusalem. Ausgehend von der zentralen Kuppel umgaben die osmanischen Architekten die zentrale Kuppel mit Arkaden, auf denen kleinere Kuppeln und Halbkuppeln ruhten (Süleymaniye-Moschee in Istanbul). Die eleganten, spitzen Minarette, oft zu Paaren oder Gruppen angeordnet und Merkmal östlicher Moscheen, entwickelten sich in Persien des 16.Jahrhunderts und wurden in die islamische Tradition integriert. Bei der Ausstattung sind besonders die Farben von großer Bedeutung, oft in Form leuchtender Glas- und Goldmosaiken oder durch die Verwendung von Fliesen in intensiven Blau-, Grün-, Rot- und Gelbtönen an Fassaden und Innenwänden. Es dominieren prächtige


Große Moschee von Konya Türkei

am Suezkanal

Innenhof einer Karavanserei Sultanhani, Türkei

geometrische Muster, die auch die Bedeutung der Mathematik in der arabischen Welt widerspiegeln. Der schwungvolle kalligraphische Stil, der sich aus Buchmalerien der Korantexte entwickelte, zeigt sich sowohl in dekorativer Malerei als auch an den Steinmetzarbeiten an den Moscheen, Minaretten und Profanbauten. In der islamischen Profanarchitektur drehte sich jahrhundertelang alles um herrschaftliche Vergnügungen, wirtschaftlichen Wohlstand und den verschwenderischen Umgang mit Platz. Die Alhambra in Granada (1390, Spanien) beispielsweise versinnbildlichte das Paradies auf Erden für die Privilegierten und Mächtigen. Über die Jahrhunderte hinweg entwarfen die islamischen Architekten fantastische Wassergärten, in die sie ihre Gebäude setzten. In der Alhambra loss Wasser aus den Gärten unmittelbar in die angrenzenden Räume. Muslimische Paläste glichen meist eher kleinen Städten als Einzelbauten, ähnlich wie später die mittelalterlichen Burgen in Europa. Hierbei handelte es sich um lichtdurchlutete Anlagen, die nach Rosen, Mandeln, Zitronen und Orangenblüten dufteten und vom Klang des plätschernden Wassers erfüllt waren. Ihre Komplexität wurzelt im muslimischen Ritual und Glauben. Die Trennung der Lebensbereiche der Geschlechter erforderte auch getrennte Wohnbereiche für Männer und Frauen, wobei der Harem eine extreme Ausprägung war. Paläste dienten mitunter als Schulen, Waffenkammern und Kasernen. Da die Religion bei der Entwicklung der islamischen Architektur eine entscheidende Rolle spielte, griffen viele Paläste, Jagdschlösser und prachtvolle Wohnsitze Stilelemente der Moscheen auf, etwa Kuppeln oder Minarette. Doch anders als in den Moscheen waren ihre Innenräume oft mit prächtigen, sinnlichen Mosaiken geschmückt. Viele spektakuläre frühislamische Bauten verielen und überlebten ihre Erbauer nicht; die Alhambra, erhalten von christlichen Monarchen, bildet eine große Ausnahme.1

Wichtige Ereignisse um 570 630 632 655 711 825 848 1100 1187 1258 1453 1475 1492

1529 1571 16.Jh

Geburt Mohammeds, Prophet und Gründer des Islam, im arabischen Mekka Mohammed und seine Truppen erobern Mekka, welches zum spirituellen Zentrum des Islam wird Mohammed stirbt; sechs Jahre später erobern die Moslems Jerusalem Der Koran, das Mohammed geoffenbarte heilige Buch des Islam, wird von seinen Anhängern fertig gestellt Tarik ibn Sijad besiegt in Südspanien die Westgoten unter Roderich; er bestimmt Cordoba zu seiner Hauptstadt Der persische Mathematiker Al-Charismi begründet die Algebra und entwickelt die arabischen Zahlen weiter Vollendung der Großen Moschee von Samarra, der damals größten Moschee der Welt Muslimische Händler gründen Timbuktu, eine Oasenstadt in der nordafrikanischen Sahara Saladin, Sultan von Ägypten befreit Jerusalem von den Christen Die Moguln vernichten das absidische Kalifat von Bagdad und töten 800000 Menschen Die Osmanen unter Mehmed II. erobern Konstantinopel und nennen es Istinpolin In Istanbul wird das erste Kaffeehaus der Welt eröffnet, „Kiva Han“ Unter Ferdinand II. und Isabella I. befreien die christlichen Königshäuser Spanien von der maurischen Herrschaft Osmanische Truppen stehen vor Wien und lösen Panik in ganz Europa aus Der Sieg über die osmanische Flotte in der Schlacht von Lepanto beendet die islamische Expansion Die „Wolkenkratzer“-Stadt Shibam wird im Jemen aus Lehmziegeln errichtet

1 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.190-193

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Alcazaba, Malaga, Spanien 10.-15.Jh

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Türkei Muhammad-Ali-Moschee, 1824 bis 1884 im osmanischen Stil erbaut, Kairo, Ägypten

Jemen, Sana‘a

Islamische Welt | 45


Persien

und angrenzende islamisierte Länder

900 - 1650 Um 636 - etwa fünf Jahre nach dem Tod des Propheten Mohammed - erobern seine Anhänger Persien. Später ielen die Seldschuken und Mongolen in das Land ein, das aber unter Shah Abbas I., der 1587 im Alter von 16 Jahren den Pfauenthron bestieg, seine kulturelle Vorherrschaft zurückgewann. Abbas machte die Stadtoase Isfahan zu seiner Hauptstadt - und zu einer der schönsten Städte der Welt. Mit seinen prachtvollen, blau und türkis geliesten Gebäuden beeinlusste es auf subtile Weise einige der schönsten Gebäude und Städte in Europa und Zentralasien, etablierte aber auch einen Architekturstil, der damals ebenfalls in Nordindien, dem Reich der Mogulkaiser, seine Blütezeit erlebte. Der Isfahaner Baustil zeigt sich auch bei den in der Regierungszeit von Shah Jahan I. (16281658) entstandenen Gärten und Bauten wie etwa der Roten Burg in Delhi und dem Tadsch Mahal in Agra. Das Mogulreich entstand mit der Eroberung Indiens (von Turkestan aus) durch Babur den Tiger, der von 1526-1530 regierte. Mit nur 12 000 Mann, die aber mit Feuerwaffen ausgerüstet waren, iel er in Hindustan ein. Die Portugiesen hatten sich bereits im südindischen Goa festgesetzt, sodass neben den Moguln auch die Europäer im Vomarsch waren. Schon ab etwa 1760 kontrollierten die Briten de facto ganz Indien, begannen die hoch entwickelte Bau- und Gartenkunst sowie das Kunsthandwerk der Moguln aber erst allmählich zu schätzen. Der Mogulstil hat Persien und

- über die Seidenstraße und durch die mongolischen Eroberungen - auch China viel zu verdanken, erlebte jedoch nur eine kurze Blütezeit. Während seiner langen Regierungszeit ließ Shah Akbar nicht nur eine neue Stadt bauen, Fatehpur Sikri, sondern gründete auch die Religion Dini-Ilahi, eine Synthese aus den Lehren Mohammeds, der Veden, der Jainas und Zarathustras. Auf Grund von Wassermangel wurde Fatehpur Sikri wieder verlassen, bleibt aber eins der schönsten erhaltenen Beispiele einer Baukunst von fast transzendentaler Ausstrahlung.1

1 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.211

46 | Kunstgeschichte


Isfahan, Iran 17. Jh

Persien | 47


Moogulreich in Indien, 16. + 17. Jh

Fatehpur-Sikri, Uttar Pradesh um 1580

Mausoleum von Sheikh Salim Chishti, Fatehpur Sikri, Uttar Pradesh, um 1580

48 | Kunstgeschichte

Lal Qila (Rote Burg), Delhi 1648

Tadsch Mahal, Agra, 1653 unten: Krypta des Taj Mahal


Zitadelle von Bam, Iran um 1700

Fliesenkuppel,Gur-I-Emir Samarkand, Usbekistan, 1404

Rukn-I-Alam, Multan, Pakistan 1324

Emin-Minarett und Moschee, 1778 Turpan, Xinjiang, China

Kalon-Moschee und Minarett, 1127 Buchara, Usbekistan Rukn-I-Alam, Multan, Pakistan 1324

Persien | 49


Byzanz / Frühchristentum 500 - 1200

San Vitale Ravenna

50 | Kunstgeschichte

Während das Westreich mit der Hauptstadt Rom im 5.Jahrhundert nach Einfall der Germanen unterging, blieb das Ostreich mit der Hauptstadt Konstantinopel bis ins 15.Jahrhundert bestehen. Der Versuch Kaiser Justinians (482-565), im 6.Jahrhundert, die beiden Gebiete wieder zu vereinen, blieb erfolglos. Erst von diesem Zeitpunkt an lässt sich tatsächlich von einem Byzantinischen Reich sprechen. Bis ins 10.Jahrhundert hinein war Byzanz in dauerhafte Kriege mit den Persern im Osten, den Awaren, Slawen und Bulgaren im Norden und den Arabern, die weite Teile des Mittelmeerraums beherrschten, im Süden verwickelt. Zudem kam es im 8. und 9.Jahrhundert zu inneren gesellschaftlichen Konlikten. Im so genannten Bilderstreit entfachte sich die Spannung zwischen Kaiser und Kirche. Als sich Kaiser Leon (um 675-741) gegen die Verehrung von religiösen Bildern und für die Einführung des Kreuzes als Symbol aussprach, entfachte er einen mehr als hundertjährigen Kampf mit großen Teilen der herrschenden Kirche, vorwiegend mit dem Mönchtum. In der Mitte des 9.Jahrhunderts erlebte Byzanz seine politisch und kulturell glanzvollste Periode. Innenpolitisch wurde Byzanz unter den Kaisern aus dem Geschlecht der Makedonen reformiert. Außenpolitisch erhöhten Siege gegen Araber und Bulgaren sowie die Missionierung der Bulgaren und Russen den Einluss des Reichs. Das byzantinische Territorium dehnte sich bis zum beginnenden 11.Jahrhundert nördlich bis

an die Donau und das Schwarze Meer aus und reichte im Osten bis an den Tigris. Im Süden übernahm Byzanz die Herrschaft über Zypern und Kreta sowie Teile Süditaliens und schloss sogar Serbien, Bulgarien und Griechenland mit ein. Im ausgehenden 11.Jahrhundert bedrohten Turkvölker die Grenzen des byzantinischen Gebiets. Als Reaktion des Westens kamen die Kreuzzüge auf, die für Byzanz jedoch vermehrte Probleme, wie die Versorgung und den Schutz der Pilger darstellten. Die Gründung von Kreuzfahrerstaaten auf byzantinischem Boden verlagerte zudem die wirtschaftlichen und politischen Interessen im östlichen Mittelmeerraum. Am Ende des 12.Jahrhunderts wurde das geschwächte Reich von Normannen, Venezianern, Bulgaren und Seldschuken dominiert. Die Venezianer zerschlugen im Jahre 1204 Byzanz letztendlich, indem sie Konstantinopel eroberten und dort ein Reich mit einem lateinischen Kaiser an dessen Spitze errichteten. Jedoch waren die Venezianer nicht in der Lage, das große Gebiet zu beherrschen. Es folgten noch im selben Jahr drei Nachfolgestaaten, wobei sich der Staat von Nikaia politisch durchsetzte und ab 1261 mit der Rückgewinnung Konstantinopels die Funktion des früheren Byzantinischen Reichs übernahm. Das Territorium des Byzantinischen Reichs verkleinerte sich jedoch deutlich, es umfasste im 13.Jahrhundert nur noch Griechenland, Teile


Hagia Sophia Istanbul

Serbiens und Bulgariens sowie kleine Gebiete am Schwarzen Meer und geriet immer stärker in Abhängigkeit vom westlichen Handel. Zudem stellten die Turkvölker, vor allem die Osmanen, seit dem 13.Jahrhundert eine wachsende Gefahr dar. Im Jahr 1453 eroberten die Osmanen Konstantinopel und errichteten ein muslimisches Reich anstelle des christlich-byzantinischen.

Wichtige Ereignisse 532 533 um 547 555

Bis 1923 blieb Konstantinopel die Hauptstadt des Osmanischen Reichs. Im Jahr 1930 wurde Konstantinopel, das frühere Byzantion, schließlich in Istanbul umbenannt. 1

Architektur Der byzantinische Architekturstil wird in der Sakralbaukunst deutlich, da nahezu keine Profanbauten erhalten sind. Im 5. und 6.Jahrhundert erlebte in der gesamten christlichen Welt die drei- oder fünfschifige Basilika ihre Blütezeit. Auch für die byzantinische Baukunst war die Basilika grundlegend, obwohl die Architektur zudem von orienta Nikolauskirche Myra, Türkei

558 692 726 751 843 864 1054

1 http://www.goruma.de/Wissen/KunstundKultur/BauKunststile/byzantinisch.html

Baubeginn der Hagia Sophia in Konstantinopel (537 geweiht) Justinian I. (527-565) beginnt die Rückeroberung Westroms Mosaiken in San Vitale, Ravenna Byzanz erobert Italien und den Süden der iberischen Halbinsel Einsturz der Kuppel der Hagia Sophia die trullanische Synode erlaubt die Christusdarstellung in menschlicher Gestalt Kaiser Leo III. verbietet die Ikonenverehrung und löst damit den byzantinischen Bildersturz aus die Langobarden erobern Ravenna als letzte byzantinische Stadt Italiens Triumph der Orthodoxie: ofizielle Wiedereinführung der Ikonenverehrung das orthodoxe Christentum breitet sich in Osteuropa aus endgültige Spaltung der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche

Byzanz / Frühchristentum | 51


Nikolauskirche, Bodenmosaik Myra, Türkei

Kaiser Justinian I., Mosaik San Vitale, Ravenna

Isaaks Opfer Chormosaik San Vitale Ravenna 52 | Kunstgeschichte

lischen und islamischen Einlüssen geprägt ist. In diesem Sinn ist der Zentralbau zu nennen, der im Osten besonders beliebt war, jedoch mit Elementen des basilikalen Grundrisses verbunden werden konnte. Während der basilikale Grundriss von römischen Profanbauten herrührt, stammt der Zentralbau direkt von antiken Mausoleen ab und setzte sich in der byzantinischen Architektur gegenüber der Basilika durch. Ein besonderes Merkmal byzantinischer Kirchen mit basilikalem Grundriss ist die Kuppel. Diese wurde teils aus Holz, und zwar wegen des leichten Gewichts, teils aber auch aus Ziegelsteinen gebaut. Die Kuppel stellte bei Zentralbauten kein allzu großes tektonisches Problem dar, da die Anzahl der Säulen, die rechteckig im Bau angeordnet wurden, nach Bedarf erhöht werden konnte. Der Kuppelbau wurde zur Hauptaufgabe byzantinischer Architektur. Als Beispiele der Basilika mit kreuzförmigem Kuppelbau lassen sich hier die Hagia Sophia in Saloniki und die Klemenskirche in Ankara nennen. Die Apostelkirche in Konstantinopel und die Johanneskirche in Ephesos, beide mit einer Folge von Kuppeln gestaltet, dienten als Vorbild für den Markusdom in Venedig. Als stilprägendster Bau Byzanz` ist jedoch die Hagia Sophia in Konstantinopel (heute Istanbul) anzuführen. Die Krönungskirche der oströmischen Kaiser wurde unter Kaiser Justinius 532537 erbaut. Es ist kein antikes Vorbild bekannt, doch gingen die Architekten vom Grundriss der Kuppelbasilika aus, der die Hagia Sophia entspricht. Es handelt sich um eine dreischifige Basilika, die beinahe quadratisch gestaltet ist, der Bau ist 77 m lang und 71 m breit, und große Nähe zum Zentralbaugrundriss aufweist. Auf vier gewaltigen Pfeilern ruht eine große Hauptkuppel, die den zentralen, quadratischen Innenraum überwölbt. Die außergewöhnliche Wirkung des Innenraums wird durch die enorme Höhe des Baus, die Breite und die aufeinandergetürmten Halb- und Zentralkuppeln hervorgerufen. Der Außenbau der Hagia Sophia wird von massigen Strebepfeilern sowie Halb- und Zentralkuppeln

bestimmt. Nur die eleganten Minarette aus türkischer Zeit verleihen dem schwerfälligen Komplex einen gewissen Schwung. Nach dem Einfall der Osmanen in Byzanz wurde die Hagia Sophia zur Moschee umgewandelt. Seit 1934 ist sie als Museum zu besichtigen.

Mosaike Das Mosaik als Wandschmuck fand seine größte Pracht im Sakralbau. Der byzantinische Stil des Mosaiks wird als Erzählstil bezeichnet. Dargestellt sind Szenen aus Altem und Neuem Testament. In erster Linie galt die bildhafte Erzählung Analphabeten, die durch die Anschauung lernen sollten. Besonders reiche Mosaike beinden sich in den Kuppeln der byzantinischen Kirchen. Als herausragend sind die prachtvollen Mosaiken des Chora-Klosters im heutigen Istanbul zu nennen, das nach dem Einfall der Osmanen 1453 in eine Moschee umgewandelt wurde. Die erzählenden Mosaiken entstanden um das Jahr 1320. Das größte Bild zeigt die Geburt Marias, die drei kleineren Bilder weisen die Verkündung an die Hirten, König Herodes, der den Befehl zum Kindermord gibt und Kaiser Theodoros, den Auftraggeber der Mosaiken, auf. Die vier Bilder sind in leuchtendem Gold gehalten und bestechen durch ihre feine Gestaltung und Ästhetik. Auch die Mosaiken in der Chorwölbung des Klosters Hosios Lukas in Mittelgriechenland zählen zu den bedeutendsten Denkmälern byzantinischer Kunst. Dargestellt ist das Ausgießen des Heiligen Geistes über die Apostel. Zum ältesten Bildschmuck in Kirchen gehört die Darstellung des herrschenden Christus in der Apsis. In der Kirche des Klosters Theotokos Pammakaristos in Istanbul lässt sich ein Mosaik dieses Themas bewundern. Auch in der Hagia Sophia indet man ein Mosaik mit der Darstellung des segnenden Christus, das um 1300 gestaltet wurde.


Malerei

Verkündigung, Doppelikone Konstantinopel, 14.Jh.

Höllenfahrt Christi, Fresko Kirche von Mileseva, Serbien

Die byzantinische Malerei zeigt sich vorwiegend in der Ikone. Diese, meist auf Holz gemalten, transportablen Kultbilder weisen Christus-, Marien-, Heiligen- oder Bibeldarstellungen auf. Sie wurden entweder für die private, häusliche Andacht in kleinem Format oder in großen Formaten für den öffentlichen Gottesdienst geschaffen. Entstanden ist die Ikone aus den antiken Bildnissen von Kaisern oder Verstorbenen, die auf Holz, selten auch auf Glas gemalt wurden. Im 6.Jahrhundert verlor der, bis dahin in Griechenland stark ausgeprägte, Reliquienkult seine Bedeutung zugunsten der Ikonenverehrung, die in allen Gesellschaftsschichten ausgeprägt war. Die Ikone sollte etwas vom göttlichen Wesen und der Heiligkeit sowie eine übernatürliche Kraft besitzen, die Wunder vollbringen konnte. Diese Verehrung ging so weit, dass in speziellen Fällen angenommen wurde, die Ikone sei nicht von menschlicher Hand geschaffen. Der Bildhintergrund der byzantinischen Ikone ist meist mit Gold ausgelegt. Die dargestellten Heiligen fallen durch ihre Feingliedrigkeit von Gesicht und Händen auf, besonders Nase und Finger sind oft sehr lang und dünn gestaltet. Die Heiligenscheine sind kreisrund, die Köpfe der Dargestellten genau in den Mittelpunkt des goldenen Scheins gesetzt. Seit dem 13.Jahrhundert beschlug man die Holztafeln häuig mit Gold, so dass ausschließlich Gesicht und Hände sichtbar blieben. Es lassen sich verschiedene Typen der Ikone erkennen. Insbesondere die Mariendarstellung variiert stark. Der in Byzanz weit verbreitetste Typus war die Hodegetria, die Mutter mit dem Christuskind auf dem linken Arm, die den Gläubigen den Weg weist. Ein anderer Typus ist die stehende Mutter Gottes mit dem Kind vor der Brust, das sie kaum hält, sondern nur leicht berührt. Als das Kaisertum im 8.Jahrhundert Bedenken gegenüber der Bilderverehrung äußerte, kam es zum so genannten Bilderstreit (726-843), der mehr als hundert Jahre andauerte. Die Ikonoklasten auf

der einen Seite sprachen sich nicht nur gegen die Verehrung, sondern gegen die christlichen Bilder im allgemeinen aus, während die Befürworter für die Verehrung des Bildes und die Ikone kämpften. Das Ergebnis des Streits war schließlich die Legitimierung der Ikonen und der Darstellung Christi, Mariä und der Heiligen. Neben der Ikonenmalerei stellt auch die Buchmalerei einen eigenen Bereich der byzantinischen Malerei dar. Die klassische Illustration galt, wie auch in den wenig erhaltenen Wandmalereien, biblischen Szenen und Darstellungen von Christus, Maria und den Heiligen. Byzantinische Fresken sind heute leider selten zu inden. Sie sind vor allem in den Beständen des Katharinenklosters auf dem Sinai zu betrachten.1

1 http://www.goruma.de/Wissen/KunstundKultur/BauKunststile/byzantinisch.html

Byzanz / Frühchristentum | 53


Mittelalter 800 - 1500 Ab dem 5. Jahrhundert brachen im gesamten Abendland „dunkle“ und unruhige Zeiten an. Es dauerte fast ein Jahrtausend, bis Ausgewogenheit und Glanz der antiken Welt zurückgewonnen waren. Dieser lange Zeitraum wird als Mittelalter bezeichnet. An vielen Orten - die über Jahrhunderte Hochburgen künstlerischen Schaffens waren - war nicht einmal mehr eine Vorstellung von der Bedeutung der Kunst geblieben. Das einst begehrte und verehrte Kunstwerk zog sogar Hass und Zerstörungswut auf sich (Bildersturm). Es wurde ein langer Weg heraus aus den Zeiten von Mord und Plünderung hin zu einer neuen kulturellen Blüte. Es war keineswegs ein Wiederauleben antiker Kultur, sondern es entwickelte sich eine neue Einstellung zum Menschen und zum Menschlichen. Es war die Geburt des Humanismus.1 Im 8.Jh. stieg das Frankenreich zur führenden Macht unter den nachrömischen Staaten auf. Die größte Ausdehnung besaß es unter Karl dem Großen im frühen 9.Jh., als es das heutige Frankreich, Deutschland, die Niederlande und den größten Teil Italiens umfasste. Unter Karl dem Großen setzte eine kulturelle Erneuerung ein, die die Entwicklung der mittelalterlichen Kunst nachhaltig prägte.2 Oktogon, Pfalzkapelle Aachener Dom

1 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.134 2 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.68

54 | Kunstgeschichte

Architektur Die abendländische Architektur musste sich zunächst der Aufgabe stellen, ein Konzept für den Kirchenbau zu entwickeln. Es gab ja keine überlieferten Modelle. Der antike Tempel war nicht dafür konzipiert, großen Menschenansammlungen Raum zu geben. Je mehr die städtische Bevölkerung zunahm und der Einluß des Klerus wuchs, umso dringlicher wurde das Problem. Das christliche Byzanz hatte mit der Hagia Sophia in Konstaninopel einen hohen Maßstab gesetzt. Es entstand eine Vielzahl neuer Lösungen entlang der Pilgerwege und eine große Formenvielfalt.3 In Hispanien und England dominierten Saalkirchen aus Stein, östlich des Rheins waren zunächst Holzkirchen verbreitet, von denen fast nichts erhalten ist. In Italien wiederum waren Basiliken üblich. Es entwickelten sich allmählich neue Bautypen, oft aus Italien inspiriert und mit Mosaiken geschmückt, was bereits in der Spätantike üblich war. Die Monumentalarchitektur wurde seit der Zeit Karls des Großen wieder geplegt, der Massenbau mit mehreren Pfeilern beruhte auf antiken Kenntnissen. In karolingischer Zeit entstanden schließlich mehrere Herrscherpaläste, wie die Aachener Königspfalz, die in der Gesamtkomposition ebenfalls an römischen Vorbildern orientiert waren. Nach 814 gibt es einen gewissen Einbruch in der Monumentalarchitektur im Frankenreich. Es wurden zunächst 3 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.142,143


nun eher kleinteilige, aus einzelnen Raumzellen zusammengefügte Kirchenbauten bevorzugt. In ottonischer Zeit knüpfte man bewusst an die karolingische Tradition an, es wurden wieder mehrere große Kirchenbauten errichtet.

Alkuin Fuldaer Handschrift 830/4 ÖNB Wien

771

Karl der Große wird König der Franken

772

Beginn der Eroberung Sachsens (802 abgeschlossen) Karl erobert das Langobardenreich

774

Malerei

Fresken, Langhaus St.Georg Oberzell

Wichtige Ereignisse

Im Frühmittelalter gingen einige antike Kunstkenntnisse verloren. Dies betrifft etwa die Dreidimensionalität und die Darstellung des Menschen in seinen natürlichen Proportionen. Es entwickelte sich ein recht statischer Aufbau. Hinzu kamen neue künstlerische Charakteristika, so keltische und germanische Ornamentik. Grundlage der frühmittelalterlichen Wandmalerei ist die spätantike Monumentalmalerei, von der im Frühmittelalter mehr als heute erhalten war. Von verschiedenen frühmittelalterlichen Wandmalereien sind zudem nur Teile erhalten. In Kirchen waren Wandmalereien mit Darstellungen aus dem Leben Jesu Christi besonders beliebt, aber auch zahlreiche andere biblische Szenen wurden verwendet. Das Mittelschiff von St. Georg in Reichenau-Oberzell (10. Jahrhundert) ist wohl das beste Beispiel für die Innenausmalung eines Kirchenraums, die in karolingischer und ottonischer Zeit recht üblich war.1

792 800

Baubeginn der Pfalzkapelle zu Aachen (805 vollendet) Kaiserkrönung Karls des Großen in Rom

814

Tod Karls des Großen

820

St. Gallener Klosterplan (Idealgrundriss)

843

Vertrag von Verdun; Dreiteilung des Karolingerreichs die Wikinger plündern Paris

845 910 962

Gründung der Benediktinerabtei in Cluny (Frankreich) Otto I. wird zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gekrönt

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Frühmittelalter

Buchmalerei Karl I. mit Papst Gelasius und Gregor I. 9.Jh.

Mittelalter | 55


Romanik 1000 - 1300 Nach den Bedrohungen durch die Wikinger , Magyaren und Araber hatten sich die christlichen Länder Europas bis zur ersten Jahrtausendwende langsam stabilisiert. Die Kirche als grenzübergreifende Institution spielte dabei die wichtigste Rolle. Die frühmittelalterliche Kunst, vor allem die Architektur, stand fast ausschließlich im Dienst der Religion.

Architektur

Santiago de Compostela, Spanien romanischer Innenraum, 1211

Schon bald entstand eine neue Architektursprache, die romanische. Als Spiegel des kirchlichen Machtanspruchs wurden die Gotteshäuser bewußt so groß und glanzvoll gestaltet, dass sie alles bis dahin Bekannte in den Schatten stellten. Die 1120 im baskischen Santiago de Compostela gebaute Kathedrale besitzt die für diese Zeit typische Masse und Würde der Architektur im Übermaß. In den dicken Mauern und riesigen Tonnengewölben scheint sich die unerschütterliche Stellung der Kirche widerzuspiegeln. Etwa zur gleichen Zeit entstand in Frankreich eine neue Art der Bauplastik. Im Tympanon über dem Haupteingang der Kathedrale von Autun sieht man z.B. Christus als Weltenrichter, um die Gläubigen beim Betreten der Kirche an ihre Sterblichkeit zu erinnern.1 Die klassische romanische Kirche war eine Weiterentwicklung der römischen Basilika. Äbte und Könige förderten diesen Typus in der 1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.70,71

56 | Kunstgeschichte

Hoffnung, an Macht und Glanz des alten Rom anknüpfen zu können. Die Frühromanik wurde zum Markenzeichen Karls des Großen (768-814) und verbreitete sich rasch, nachdem Papst Leo III. den fränkischen König zum ersten Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gekrönt hatte. Der Grundriss der romanischen Kirchen basierte meist auf dem lateinischen Kreuz. Chorumgänge waren für die Pilger gedacht, um sie an den Reliquien vorbeiführen zu können. Die Mauern waren dick, die Steingewölbe ruhten auf mächtigen Säulen. Die Fenster waren klein, um die Statik zu gewährleisten. Solche Kirchen wirkten duster und trutzig. Sie passten wohl in diese Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen. Sie waren ein Zeichen der Macht. Neben den Sakralbauten wurde auch ieberhaft an Burgen gebaut. Im Norden war es ein Wettrennen um den imposantesten Bau, der weithin sichtbar sein und Macht demonstrieren sollte. Es waren Festungen, um die Feinde in Schach zu halten. Im Süden war die Festung auch als Palast gedacht. Sie sollte auch schön und luxuriös sein und war eine Mischung aus maurischem und europäischem Stil. Die meisten dieser Anlagen ielen im Laufe der Zeit dem Schießpulver zum Opfer.2

2 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.229


Skulptur

Kathedrale, Campanile, Mittelschiff Pisa, Italien nach 1063

Aus der antiken Tradition stammte die Angewohnheit, Bronzetüren an heiligen Orten anzubringen. Kirchen und Baptisterien erhielten daher schon früh solche Türen, die mit historischen Szenen oder ornamentalem Schmuck überzogen waren. Leider konnten nur wenige dem Metallbedarf für Glocken und Kanonen entgehen.1 Skulpturen treten nun nach und nach aus den Säulen und Pilastern hervor und erobern sich eine eigene Präsenz. Die Faltenwürfe der Plastiken sind elegant, von expressivem Schwung und lassen die Silhuette des Körpers erahnen. Das kontrastreiche Spiel von verschiedenen Körperhaltungen, Gesten und Mimik bringen Emotionen zum Ausdruck. Dies ist eine neue Sprache. Dabei ist die Skulptur stets eine Kunst der festen Formen und an den tiefen Gewandfalten zeigt sich, dass sie auch eine Kunst des Hell-Dunkels ist.2

Bronzetür Hildesheimer Dom 1015

Wichtige Ereignisse 1031

1096

Beginn der christlichen Reconquista in Spanien Älteste bekannte Glasmalerei-Fenster Europas (Augsburger Dom) Eroberung Englands durch die Normannen Kaiser Heinrich IV. muss Papst Gregor VII. um Absolution bitten und stärkt so dessen Macht Baubeginn der dritten Abteikirche von Cluny. Lange Zeit die größte Kirche des Abendlandes Gründung der ersten Universitäten Europas in Padua, Ravenna und Bologna Erster Kreuzzug (bis 1099)

1098

Gründung des Zisterzienserordens

11301144 1147

Umbau von St. Denis.Erstes gotisches Kirchenbauwerk Zweiter Kreuzzug (bis 1149)

1154

Heinrich II. wird König und einigt Teile Englands und Frankreichs

1065 1066 1077 1085 11.Jh

1 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.159,160 2 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.168-180

Tympanon, Kathedrale Sainte-Lazare Autun, Frankreich, von Gislebertus, 1130-1140

Romanik | 57


Malerei

Adam, um 1260 Stein, Farbreste Hôtel de Cluny, Musée national du Moyen Âge Paris

Ecclesia und Synagoga, Notre-Dame Straßburg, 1225

58 | Kunstgeschichte

Ihre Kennzeichen sind die Flächigkeit durch den Verzicht auf Raumtiefe, feste Umrisslinien, symmetriebetonte Anordnung der Bildgegenstände und ausdruckstarke Gebärdensprache. Auch hier wird die Körperlichkeit der Figuren negiert und durch sinnbildliche Funktion von Farbe und Proportion ersetzt. Die Menschen im Mittelalter konnten mit Ausnahme der Geistlichkeit nicht lesen und schreiben. Die Bibel lag nur in griechischer oder lateinischer Sprache vor, die Predigt der Gottesdienste erfolgte ebenso nur in Latein. Um diesen Menschen die Heilige Schrift nahe zu bringen, waren die Wände romanischer Kirchen mit monumentalen Fresken (Fresko ist eine Maltechnik auf nassem Putz) überzogen. Man spricht von der biblia pauperum, der Bibel für die geistig Armen (= des Lesens und Schreibens Unkundigen). In den klösterlichen Schreibstuben entstehen die Buchmalereien als bildhafte Vermittlung des Textes. Die Glasmalerei der romanischen Fensterrosetten vermittelt einen ersten Eindruck himmlischer Pracht. Die Malerei auf beweglichem Bildträger -in der Romanik zumeist Holz,- die Tafelmalerei, nimmt einen zarten Anfang auf ihrem Weg durch die abendländische Kunst. Großformatige Wandteppiche dienen ebenfalls der bildlichen Erzählung historischer und biblischer Geschichten.1 Glasmalerei ist schon für das 9. Jh. bezeugt, die ältesten Scherbenfunde stammen aus der Abtei Lorsch. Die Glasfenster ersetzten die bunten Vorhänge, mit denen früher die Fensteröffnungen verschlossen wurden. Wegen der entrückten Höhe der Obergadenfenster mussten deren Glasbilder großformatig sein. Dabei wurde die Fensterform in den Ornamentbändern aufgenommen und betont. Die Technik bestand in musivischem Zusammensetzen bunter Glasstücke und nur sparsamer Verwendung von SchwarzlotMalerei. Im 12. Jh. inden sich bereits große, die gesamte Fensterläche füllende Figuren (etwa in den Oberfenstern des Augsburger Doms). 1 http://www.artefax.de

Der Stil ist dem der romanischen Wandmalerei nachempfunden. Es überwiegen monumentale Einzelgestalten, etwa Propheten, Heilige, Könige (z.B. die Kaiserigur in einem Glasfenster des romanischen Straßburger Doms, um 1200). Daneben entwickelten sich teppichartige Kompositionen aus kleinformatigen Medaillonbildern. Für Bauten der Zisterzienser erließ Bernhard von Clairvaux 1134 ein Verbot farbiger Fenster. Im Spätmittelalter wurde diese Regel nicht mehr streng ausgelegt, und es erschienen auch in Zisterzienserkirchen wieder Fenster mit buntem ornamentalem Schmuck.2

2 hosting-agency.de


Buchmalerei, Hunterian Psalter Glasgow University Library 1170 Fresko, Lambacher Christus Oberösterreich, 11.Jh

Karner, Mauthausen, OÖ 13.Jh.

Fresken, Karner, Mauthausen, OÖ 13.Jh.

Buchmalerei, Liber Scivias der Hildegard von Bingen (Original verschollen)

Romanik | 59


Gotik 1300 - 1500 Ab 1347 gelangte die Pest mit Schiffsratten aus dem Orient nach Europa und raffte ein Drittel der Bevölkerung dahin. Das war eine der zahlreichen Katastrophen dieser Epoche: im 13.Jh. hatten die Mongolen Teile Osteuropas erobert; 1315 bis 1319 gab es verheerende Missernten; Mitte des 14.Jh. wurde der Südosten des Kontinents von den aggresiv expandierenden Osmanen bedrängt. Europa war für diese Bedrohungen schlecht gerüstet. Es war technisch wenig entwickelt, politisch zersplittert und der Gunst seiner mächtigeren Nachbarn ausgeliefert. Zudem bekriegte man sich untereinander.Die Kriegserklärung Edwards III. von England 1339 an Teyn-Kirche, Altstädter Ring Frankreich löste den Hundertjährigen Krieg aus, Prag, 1356 und gegen Ende des Jhs. wurde die Kirche durch die Jahrzehnte währende Teilung (Schisma) erschüttert. Trotz allem erholte sich Europa wieder. Es entstand ein Gemeinschaftsgefühl, das vor allem auf zunehmend engen Wirtschaftsbeziehungen basierte. Im Laufe des Mittelalters hatten sich Handelswege etabliert, die gegen Ende des 14.Jhs. weite Teile des Kontinents zu Lande und zur See miteinander vernetzten. Man tauschte Geld und Waren aus, aber auch Ideen, und so nahm der allgemeine Wohlstand zu. Vorreiter waren die durch den Orienthandel reich gewordenen Stadtstaaten Venedig und Genua, doch auch Veitsdom Chor und andere holten rasch auf. Durch den ZusamKapellenkranz menschluss der Hanse 1356 etwa entstand ein Prag nordeuropäischer Städtebund, der mit dem zuvor Auf der Burg übermächtigen Mittelmeerraum mithalten konnte. 1344

60 | Kunstgeschichte

Ebenso bedeutsam waren im 14.Jh. die Bankgeschäfte des Fuggerschen Handelshauses, durch welche die Fugger in Augsburg mit der Zeit zu einer der reichsten Familien Europas wurden. Gotik beschrieb den damals als barbarisch empfundenen Architekturstil der Goten, die die Kunst und Architektur des Römischen Reichs in Schutt und Asche gelegt hatten. Der Begriff bezeichnet vorrangig einen Baustil, der von 1100 bis 1500 nördlich der Alpen vorherrschte, umfasst jedoch auch die Bauplastik dieser Epoche. Sie war meist reich verziert und sehr realistisch, dabei gab es für die Art und Weise der Darstellung aber keine einheitlichen Vorschriften. Um die Wende zum 15. Jahrhundert kam unter Einluss der höischen Kunst ein eleganterer Stil mit aufwendigen Verzierungen in Mode, den man als Internationale Gotik kennt.1

Architektur Nun strebte man nach oben. Man wollte Gott näher sein und die Bauten sollten dies auch zeigen. Es setzte ein Wettlauf um die höchsten Gewölbe, Türme und Fialen (verlängerte Säulen als Türmchen) ein. Mit Hilfe von Strebewerken konnte man die Wände entlasten, durch zierlichere Säulen ersetzen, die das Gewicht des Daches abfangen konnten. Die Fenster wurden 1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.73,74


Veitsdom, Mosaik „Letztes Gericht“ Prag, Auf der Burg, 1344

vergrößert, der Spitzbogen eingeführt. Er verteilte den Druck von oben gleichmäßiger nach unten. Das Können der Steinmetze brachte kunstvolle Verzierungen an Fenstern, Säulen, Fialen hervor und führte zu immer prächtigeren Gewölbeformen. Bunte Glasfenster ließen den Kirchenraum erstrahlen und erzählten wie eine Laterna Magica biblische Geschichten, oft auch in Rosettenform. Das Volk lebte jedoch in armseligen Behausungen. Wie mächtig muß der Eindruck gewesen sein, in solche Bauten zu schreiten. Wie groß die Ehrfurcht vor Gott. Die Steinmetze und Baumeister erlangten zunehmend Berühmtheit und waren ständig europaweit unterwegs. Man reiste überhaupt viel in diesen Zeiten. Soldaten, Kauleute, Pilger und Geistliche waren stets unterwegs. Man sprach Latein und konnte sich so gut verständigen. Für die Unterbringung entstanden die ersten Herbergen und Gasthöfe.

Wichtige Ereignisse um 1300 Zur Förderung des Nordhandels lässt Venedig den Brenner-Pass ausbauen Giotto malt den Fresken-Zyklus in der Arena-Kapelle in Padua 1339 Beginn des Hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich 1347 Die große Pestepidemie löscht ein Drittel der europ.Bevölkerung aus 1356 Gründung der Hanse um 1380 Aufstieg der Fugger in Augsburg

1303-05

1378

Skulptur Ab 1300 entmaterialisierten sich die Körper wieder und verschwanden hinter immer üppigeren Gewändern. Der durch die Verwendung des Kontrapost in der Darstellung entstandene leichte Schwung wurde so lange verstärkt, bis der „gotische Hüftschwung“, die bisweilen stark übertriebene S-Linie spätgotischer Figuren, entstanden war. Trotzdem wirken die Figuren dadurch weniger standfest. Zu dieser Zeit werden die Figuren auch wieder lacher und – gleich der Architektur – im Ausdruck spröder. Insgesamt ließe sich sagen, dass das Individuelle zugunsten des Typischen wieder aufgegeben wird.

1387 1389 1415 1425 1429 1436 1453 1450

Gleichzeitig fand jedoch die Dekorfülle erheblichen Auftrieb. Die Bildhauer verwendeten ihre Künste nun mehr auf die Gewänder der Figuren und deren Fall und Faltung.1

1454 1469 1492

Veitsdom, Westportal Prag, Auf der Burg, 1344

1 http://www.kirchengucker.de/2007/07/10/gefuhl-und-korperlichkeitskulptur-der-fruh-und-hochgotik

Großes Schisma, Wahl zweier Päpste (Rom und Avignon, bis 1417) Gründung der Medici-Bank in Florenz Schlacht auf dem Amselfeld: Osmanen erobern den Balkan Jan Hus wird als Ketzer verbrannt; Auslöser der Hussitenkriege in Böhmen Masaccios Fresko der Dreifaltigkeit in Sta. Maria Novella, Florenz Durch Jeanne d‘Arc endet die Besetzung von Orléans Fertigstellung der Domkuppel von Florenz Osmanen erobern Konstantinopel; Ende des Hundertjährigen Krieges Das Bündnis zwischen Florenz, Neapel und Mailand beherrscht Nord- und Mittelitalien Als erstes Buch wird die GutenbergBibel mit beweglichen Lettern gedruckt Lorenco de‘Medici (il Magniico) wird Stadtherr von Florenz Mit der Rückeroberung Granadas endet die Reconquista. Kolumbus landet vor Amerika.

Gotik | 61


Malerei

Der Mosesbrunnen Skulptur von Claus Sluter Dijon, um 1400

62 | Kunstgeschichte

Die gotische Malerei entwickelte sich in derselben Phase wie die gotische Architektur, vom 12. Jahrhundert bis ins 16. Jahrhundert. In ihrer frühen und mittleren Phase war sie ganz Bedeutungsmalerei, bei der meist nicht die naturalistische Darstellung von Personen oder die räumliche Perspektive im Vordergrund standen, sondern die Anordnung, Proportionierung und Farbgebung nach religiösem Sinngehalt („Bedeutungsperspektive“). In der Wahl der Motive herrschte eindeutig das Religiöse vor (Flügelaltäre, Andachtsbilder, etc.), andererseits wurden aber durchaus auch weltliche Motive wie das höische Leben, Jagd und Feste aufgegriffen. Die Internationale Gotik bevorzugt weiche Gesichtszüge, eine geschwungene Haltung der dargestellten Personen (S-Kurve) und eine ließend weiche, üppige Darstellung des Faltenwurfs. Um 1420 trennte sich die Entwicklung. In Italien begann die Frührenaissance, im Norden traten die lämischen Primitiven auf, die der höischen Eleganz bürgerliche Schlichtheit entgegensetzten. Der Goldgrund wich endgültig. Stattdessen wurde die Landschaftsdarstellung perfektioniert, die Verblauung entwickelt, und immer häuiger schuf man Szenen in Innenräumen. Es gelang ihnen, eine stimmige Perspektive zu zeigen, obwohl diese nicht wie in Italien konstruiert wurde. Ein Mitbegründer dieser neuen Richtung war Robert Campin. Jan van Eyck etablierte die Ölfarbe durch Verwendung eines neuen Bindungsmittels. Ölfarben haben gegenüber den Temperafarben den Vorteil, länger ihren Glanz zu bewahren. Ein Schüler von Campin, Rogier van der Weyden, stellte Menschen in einer neuen psychischen Intensität dar und perfektionierte die Wiedergabe von Stoflichkeit. Außerdem verband er den Naturalismus der Flamen mit der Formensprache der Gotik. Hieronymus Bosch stellte der Natürlichkeit der Anderen eine bizarre, verschreckende Welt voller Endzeitstimmung entgegen und blieb der Spätgotik stärker verhaftet. In der Phase der Spätgotik trat verbreitet Endzeitstimmung auf, da

Veitsdom, Hauptturm Südseite Prag, Auf der Burg 1344


Madonna im Rosenhag von Stefan Lochner, Köln, WRM (um 1448, Malerei auf Holz)

Buchmalerei An der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert trat die kommerzielle Buchherstellung an die Seite der monastischen Buchproduktion. Ausgangspunkt für diesen gravierenden Einschnitt waren die Universitäten; für die Buchmalerei war jedoch der hohe Adel bedeutsamer, der wenig später als Auftraggeber weltlicher höischer Literatur hinzukam. Der meistillustrierte Buchtyp war das für den privaten Gebrauch bestimmte Stundenbuch. Mit der Herausbildung kommerzieller Ateliers traten in der Gotik immer mehr Künstlerpersönlichkeiten namentlich in Erscheinung. Ab dem 14. Jahrhundert wurde der Meister typisch, der eine Werkstatt leitete, mit der er sowohl in der Tafel- als auch in der Buchmalerei tätig war. Stilistische Charakteristika, die während der gesamten Gotik gültig blieben, waren ein weicher, durchschwungener Figurenstil mit geschmeidigem, kurvig linearem Duktus, höische Eleganz, überlängte Figuren und ließende Faltenwürfe. Weitere Kennzeichen waren die Verwendung zeitgenössischer architektonischer Elemente zur

dekorativen Gliederung der Bildfelder. Ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts fanden in ganz Europa meist rote und blaue FleuronnéInitialen als typische Dekorform der Manuskripte des unteren und mittleren Ausstattungsniveaus Verwendung. Selbständige Szenen als historisierte Initialen und Drolerien am unteren Bildrand boten Raum für phantasievolle, vom illustrierten Text unabhängige Darstellungen und trugen wesentlich zur Individualisierung der Malerei und zur Abkehr von erstarrten Bildformen bei. Ein naturalistischer Realismus mit Perspektive, räumlicher Tiefenwirkung, Lichteffekten und realistischer Anatomie der dargestellten Personen setzte sich, ausgehend vom Realismus der Kunst der südlichen Niederlande, im Laufe des 15. Jahrhunderts zunehmend durch und wies auf die Renaissance.1

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Malerei_in_der_Gotik

Wilton-Diptychons , Altarbild, rechte Seite National Gallery, Londen, um 1395 (Meister unbekannt)

Geburt Johannes des Täufers, Très Belles Heures de Notre-Dame, Meister G des Mailänder Gebetsbuches (evtl. Jan van Eyck), Mailand, 1422

man glaubte, 1500 könnte die Welt untergehen. Es war eine Zeit des Umbruchs, in der man sich vermehrt mit der Passion Christi beschäftigte und diese immer drastischer darstellte. Andererseits wurde der Einluss der Renaissance immer stärker. Einer der letzten großen Maler der Gotik war Matthias Grünewald, den man als geistigen Antipoden Dürers sehen kann. Seine Darstellungen der Kreuzigung zählen zu den drastischsten, der Isenheimer Altar gilt als sein Meisterwerk. Nach dieser Zeit (ca. 1525/30) setzte sich die Renaissance endgültig durch. Nur in England blieb die Gotik in der Malerei wie auch in der Architektur noch einige Zeit erhalten; ein Beispiel sind die Porträts von Elisabeth I.

Gotik | 63


Renaissance 1450 - 1600

Leonardo da Vinci Der vitruvianische Mensch, Proportionsstudie 1492

64 | Kunstgeschichte

Für die Entwicklung der Renaissance, wörtlich „Wiedergeburt“, im frühen 15.Jh. in Italien waren drei Neuerungen grundlegend: ein systematisiertes Studium der Antike, das fortan Maßstab jeglichen Kunstschaffens war, die Auffassung vom Menschen als Mittelpunkt der Welt und die Beherrschung der Linearperspektive. Diese Aspekte revolutionierten die abendländische Kunst. Während sich in Italien die Renaissance entwickelte, gelangte die Kunst auch in den Niederlanden zu einer bedeutenden Blüte. Nördlich der Alpen fand zwar keine „Wiedergeburt“ der Antike statt, aber ausgehend von der lämischen Malerei vollzog sich in diesem Teil Europas eine entscheidende Entwicklung - die Perfektionierung der noch neuen Ölmalerei. Im 16.Jh. bildet sich ein Ideal heraus, dem sich alle großen europäischen Herrscher bis ins 20.Jh. hinein verschrieben und das die Kunst nachhaltig beeinlusste. Zentral für das neue Selbstverständnis war die Doppelrolle als starker, furchtloser Feldherr und großzügiger, gebildeter Förderer der schönen Künste. Um 1511 herrschten in Europa vier Großmächte unter Führung durchsetzungsfähiger Männer, die die Kunst benutzten, um ihren Machtanspruch zu untermauern. Nach der Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Osmanen war die Römische Kirche das letzte Bollwerk des Christentums. Mehrere energische Päpste machten Rom zum künstlerischen Aushängeschild ihres spirituellen und politischen Status. Der mächstigste weltliche Herrscher Europas war der Habsburger Karl V.

als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, dem auch Spanien, Österreich, die Niederlande und Süditalien unterstanden. Franz I. von Frankreich machte diesen beiden Männern entschieden Konkurrenz, während der englische König Heinrich VIII. die britische Macht in Europa ausweiten wollte. Zunächst bestand eine gewisse Balance zwischen den rivalisierenden Mächten. Ihr Bestreben, sich um jeden Preis wechselseitig kulturell auszustechen, bildete einen hervorragenden Nährboden für die Kunst. Die Hochrenaissance (1500-1600) markierte einen Höhepunkt in der Kunst, an dem sich noch spätere Generationen orientierten. Gegen Ende der 1520er-Jahre allerdings brach Krieg in Europa aus, die Kirche verlor an Macht. Das lange Zeit gültige Weltbild, demzufolge die Erde Mittelpunkt des Universums und der Mittelmeerraum Zentrum der bewohnten Welt gewesen war, geriet ins Wanken. Was als kulturelle Konkurrenz begann, wurde bald zum Vernichtungskrieg. 1525 marschierten die Franzosen in Italien ein. 1527 überielen die Truppen Karls V. Rom und legten die ewige Stadt mit vielen Kunstwerken in Schutt und Asche. Die katholische Kirche wurde ab 1517 durch die Reformation nachhaltig geschwächt. Luther und seine Anhänger wollten die Kirche eigentlich stärken, indem sie ihre Korruptheit anprangerten, bewirkten jedoch letztlich eine Spaltung. 1568 begann der niederländische Freiheitskampf gegen die Habsburger, die mit entschlossenem Widerstand gegen die antikatholische Revolte ihren


Machtanspruch zu festigen suchten. Das Konzil von Trient (1545-1563) sollte die Vormachtstellung der römischen Kurie wiederherstellen, doch längst hatte Italien seinen Einluß verloren. Mitte des 16.Jh. gewann Spanien die Herrschaft über den größten Teil Südamerikas. Die ungeheuren Schätze, die aus den neuen Kolonien lossen, machten es zum reichsten Land Europas. Ende des Jahrhunderts konzentrierten sich die kolonialen Bestrebungen Englands und Frankreichs auf Nordamerika.1

Wichtige Ereignisse

1519

1434-64

1519-22

1450 1452-55 1456 1469

1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.86-129

1469-92 1475 1475 1492 1498 1500 1502 1504 1508-12 1509 1517

Florenz wird von Cosimo de‘Medici regiert Rogier van der Weyden reist vermutlich nach Rom und Florenz Johannes Gutenberg druckt die erste Bibel mit beweglichen Lettern Van Eycks zunehmende Berühmtheit zeigt sich durch eine Kritik aus Neapel Donatellos David aus Bronze ist die erste freistehende Statue seit der klassischen Antike Lorenzo der „Prächtige“ de‘Medici regiert in Florenz Veröffentlichung von Leon Battista Albertis De re aediicatoria (Über die Baukunst) Hugo van der Goes schickt sein Portinari-Altarbild nach Florenz Christoph Columbus entdeckt die Karibik-Inseln Leonardo vollendet in Mailand das Abendmahl-Fresko Der Portugiese Cabral entdeckt Brasilien Donato Bramante liefert mit dem Tempietto San Pietro in Montorio ein Vorbild für die Renaissancearchitektur Michelangelo stellt in Florenz den David fertig, die größte Statue seit der Antike Michelangelo malt die Decke der Sixtinischen Kapelle aus Die Spanier besiedeln Mittelamerika. Erindung der tragbaren Uhr durch Henlein („Sackuhr“) Luthers 95 Thesen prangern die Verfehlungen der Kirche an

1521 1534 1543 1547 1559 1563 1565 1570 1571 1572 1588 1591 1598

Karl V. von Habsburg wird zum deutschen Kaiser und römischen König gewählt Mit der ersten Weltumseglung eröffnet Magellan dem Welthandel neue Wege Cortés erobert das Aztekenreich Mit Gründung der anglikanischen Kirche durch Heinrich VIII. endet die Macht des Papstes in England Kopernikus veröffentlicht Über die Umläufe der Himmelskörper Iwan der Schreckliche wird erster Zar von Russland Der Friedensvertrag von Chateau-Cambrésis sichert Frankreich die Vorherrschaft in Italien Das Konzil von Trient unter Papst Pius IV. mündet in die Gegenreformation, angeführt von Rom Niederländischer Freiheitskampf gegen Spanien. Spanier erobern die Philippinen Andrea Palladio veröffentlicht seine Quattro libri dell‘architettura über die Baukunst Schlacht von Lepanto: Die vereingte christliche Seemacht besiegt die osmanische Flotte In der Bartholomäusnacht werden in Paris unzählige Hugenotten grausam ermordet Die spanische Armada versucht vergeblich, die britische Flotte zu besiegen, die Eroberung Englands scheitert Die Kuppel der Peterskirche in Rom wird nach Michelangelos` Entwürfen fertig gestellt Das Edikt von Nantes beendet nach 30 Jahren die Hugenottenkriege

Renaissance | 65


Architektur

Torre de Belém, Portugal, um 1600

Kuppel Petersdom, Rom, 1591 Michelangelo Buonarotti

66 | Kunstgeschichte

Die Renaissance-Zeit ist eine Hoch-Zeit in der Architekturgeschichte. Mit Hilfe des neuen Buchdrucks ließen sich die neu entwickelten Ideen der Architekten leicht verbreiten. Italien hat die Zeit der Gotik weitgehend “verschlafen”. Jetzt wollten die aufstrebenden Fürsten, Kauleute und der Klerus die glorreiche Zeit des römischen Reiches wieder auleben lassen (daher Re-naissance = wörtl. Wiedergeburt). Architekten studierten die Bauten der Antike und verbanden ihre Erkenntnisse mit den Errungenschaften der Gotik. Dies führte zur großen architektonischen Neuerung dieser Zeit, zum Kuppelbau und zur Erarbeitung der Perspektive. Stand im Mittelalter bisher Gott im Mittelpunkt, so war es jetzt der Mensch in all seinen Facetten. Man studierte seine Anatomie (Leonardo da Vinci), erforschte alle seine Bewegungen (Michelangelo), Freiheit und Eigenständigkeit des Einzelnen waren Grundlage dieses neuen Humanismus. Baumeister und Künstler wurden von Päpsten und Fürsten hoiert. Schulen wurden gegründet. Der Meister war für die Entwürfe zuständig, die Schüler für die Ausführung. Wissenschaftlich, mit präzisen mathematischen Methoden wurden die wesentlichen Elemente der Architektur (Quadrat, Kubus, Kreis, Kugel) und die idealen Proportionen der Gebäude erforscht. Querverweise zur Musik (3Klang) und Natur wurden eingeführt. Der Mensch war nach dem Ebenbild Gottes erschaffen, so sollte man auch in den Bauwerken den Schöpfer erkennen können. Bücher lehrten diese Grundsätze und wie man daraus exakte Zeichnungen fertigt. Von nun an reisten die Ideen um die Welt, nicht mehr die Baumeister. Nicht mehr nur die Kirche und die Fürstenhäuser ließen bauen, sondern auch eine wachsende Zahl von Bürgern, die zu Reichtum gekommen waren und ihn auch darstellen wollten. Antike Säulen zierten Fassaden und trugen Giebel, Kollonaden (Brüstungen) umrundeten die Gebäude und waren mit teils lebensgroßen Statuen ge

Il Redentore, Venedig Andrea Palladio, 1576


Malerei

Frühling, Sandro Botticelli, um 1480 Tempera auf sieben verbundenen Pappelbrettern 203 x 314 cm, Florenz, Ufizien

Jan van Eyck, Die ArnoliniHochzeit 1434 National Gallery London

Tizian, Bacchus und Ariadne, 1520-23 National Gallery, London

Sandro Botticelli war in der zweiten Hälfte des 15.Jh. der bedeutendste Florentiner Maler. Sein rafinierter sinnlicher Stil fand gerade in dieser unruhigen Zeit bei den gebildeten Florentinern großen Anklang. Seine Hauptwerke sind die großen mythologischen Gemälde, in denen es ihm gelang, komplexe literarische Stoffe umzusetzen und ein neues Schönheitsideal zu entwickeln. Während sich in Italien die Renaissance entwickelte, gelangte die Kunst auch in den Niederlanden zu einer bedeutenden Blüte. Nördlich der Alpen fand zwar keine “Wiedergeburt” der Antike statt, aber ausgehend von der lämischen Malerei vollzog sich in diesem Teil Europas eine entscheidende Entwicklung - die Perfektionierung der noch neuen Ölmalerei. Fast ebenso bedeutsam war die Staffeleimalerei. Die Auffasung, dass Gemälde in sich geschlossen und von ihrer Umgebung unabhängig sind, entstand erst in dieser Zeit. Anders als Tempera und Fresko trocknet die Ölfarbe langsam und kann deshalb präzise nachgearbeitet werden. Sie lässt sich in kleinen Mengen schichtweise auftragen und trocknet zu glänzenden Farblächen. Auf harten Holzarten wie Eiche entstanden so leuchtende, detailreiche Darstellungen. Schon in den 1430er-Jahren hatten Maler wie van Eyck eine Variante der linearen Perspektive entwickelt, die den italienischen Konzepten ebenbürtig war. Dazu kam die Farbperspektive, also der allmähliche Übergang von warmen zu kalten Farben, um räumliche Tiefe vorzutäuschen. Die Figuren erscheinen stets wie aus Fleisch und Blut, offenbar nach dem Leben gemalt. Details des Alltags werden mit extremer Sorgfalt wiedergegeben und oft mit allegorischen oder symbolischen Bedeutungen befrachtet. Van Eyck schafft mit unzähligen Details ein völlig glaubhaftes Ambiente. Um 1500 war für die Kunst in Italien eine ungemein fruchtbare Zeit. Bedeutende Werke entstanden im Auftrag des energischen und auf Selbstdarstellung bedachten Papstes Julius´II.

Gleichzeitig standen Raffael und Michelangelo in seinen Diensten. In Venedig deinierte Tizian die Grenzen der Malerei völlig neu. Die Idealisierung des Dargestellten wird mit unterschiedlichen Mitteln erreicht. Raffael drückt seine Vorstellung davon durch starke Charaktere, technische Meisterschaft und Anmut aus. Eleganz zusammen mit differenzierter psychologischer und naturwissenschaftlicher Beobachtung war Leondardos Ansatz. Michelangelo und Tizian fanden zu einer Synthese heroischer und persönlicher Darstellung, Michelangelo vor allem durch seine Figuren, Tizian besonders in der Farbgebung. Die Vision der Hochrenaissance war eine ideale Verbindung des Menschlichen mit dem Göttlichen, von Christentum und heidnischer Antike, Natur und Fantasie. Der “nach Gottes Ebenbild” erschaffene Mann war das zentrale Motiv Michelangelos,das er oft in absichtlich überhöhten heroischen Posen für sakrale wie weltliche Themen nutzte. Religiöse Themen überwogen weiterhin, doch kamen antikisierende Szenen, Landschften und Porträts hinzu. Das Repertoire der abendländischen Kunst wuchs beachtlich. Tizians poetische, traumhafte “Bildgedichte” erkundeten erstmals die Wechselwirkung von Figuren und Landschaft.1

1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.86-139

Renaissance | 67


Barock 1600 - 1700

Karlskirche, Wien 1713

Schloß Schönbrunn, Wien 1743

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„Barock“ nannte man zunächst geringschätzig etwas gekünstelt Extravagantes, unnötig Kompliziertes. Erst seit einiger Zeit meint man damit die Kunst und Architektur des 17.Jahrhunderts. In dieser Epoche entstanden einige der spektakulärsten Gebäude, Gemälde und Skulpturen der gesamten Kunstgeschichte. In ihrer Üppigkeit erinnern Kunst und Architektur des 17.Jh. immer wieder an die Oper, die in dieser Zeit in Italien entstand. Auch die Künstler traten selbstbewußter auf als je zuvor und agierten häuig auch als Impressarios, Kunsthändler, Hölinge und Diplomaten. Den Hintergrund für so viel Extravaganz bildeten tief greifende ideologische und religiöse Diskrepanzen in Europa. Auf der einen Seite standen die glühenden Verfechter der unantastbaren Autorität der katholischen Kirche und der Königwürde „von Gottes Gnaden“ mit ihrer Forderung nach rückhaltlosem Gehorsam. Auf der anderen Seite kämpften die Anhänger der Reformation für persönliche und nationale Selbstbestimmung. Die Kunst der Gegenreformation sollte den Betrachter überwältigen, wie z.B. die bombastischen Barockkirchen und Brunnen Roms oder das Schloss Versailles bei Paris. Die Protestanten dagegen verachteten irdischen Prunk. Sie zerstörten viele sakrale Kunstwerke, überdeckten Wandmalerein in Kirchen und zerstreuten Kunstschätze von Königs- und Adelshäusern in alle Winde. Die Folgen dieser widerstreitenden Bewegungen zeigten sich vor allem an drei Orten. In England wurde Charles

I. 1649 hingerichtet und seine Kunstsammlung verschleudert, weil er auf das Gottesgnadentum seiner Herrschaft pochte. Das puritanische Commonwealth of England unterdrückte fortan jegliche Form des künstlerischen Ausdrucks. In den Niederlanden versuchten die Habsburger, die protestantische Revolte niederzuschlagen. Sie mussten jedoch einen Kompromiss eingehen, dessen ofizielle Anerkennung das Land fortan in das protestantische Holland im Norden und das katholische Flandern im Süden spaltete. Das neue Holland war eine Republik der Kauleute und Bürger, die ihre Handelsmacht stärkten und bis nach Ostindien ausweiteten. Der Kunst verhalf dieser neue Wohlstand zu reicher Blüte. Ihre feinen Stadthäuser schmückten die Holländer am liebsten mit Landschaften, Seestücken, Stillleben und Genrebildern. Auch in Böhmen sahen sich die österreichischen Habsburger mit einem protestantischen Aufstand konfrontiert. Bis 1618 hatten sich die Unruhen zu einem Krieg ausgeweitet, in den weitere Mächte eintraten: die baltischen Staaten, Dänemark und Schweden fochten auf Seiten der Reformation gegen die Habsburger und ihre katholischen Verbündeten. Der ursprünglich religiöse Konlikt entwickelte sich in den 1630er-Jahren zur Machtprobe zwischen Frankreich und Habsburg - der 30jährige Krieg. Aus dem Westfälischen Frieden ging schließlich 1648 Frankreich als mächtigster Staat Europas hervor. Ludwig XIV. sicherte sich über 54 Jahre seine Macht von Versailles aus.


Den mit Zentralisierung, Militärpräsenz, Prunkentfaltung und striktem Zeremoniell inszenierte Absolutismus imitierten schon bald andere europäische Herrscher, allen voran Zar Peter der Große. Letztlich war die Extravaganz der Barockkunst ebenso unhaltbar wie die Vorstellungen, die sie vermittelte. Die Zukunft lag nicht in blindem Gehorsam und Glauben, sondern in der Unabhängigkeit. Am Ende des Jahrhunderts veriel die politische und wirtschaftliche Macht Spaniens, Mitteleuropa lag in Schutt und Asche, und das Papsttum musste die Konkurrenz anderer christlicher Kirchen akzeptieren. Die Situation in Frankreich war stabil, doch rückte England mit seiner neuartigen konstitutionellen Monarchie stärker in den Vordergrund und lief Holland als weltweit führende Handelsnation den Rang ab.1

Architektur Es war die Zeit des Überschwangs im Italien des frühen 17. Jahrhunderts. Alles musste üppig, spektakulär, bildhaft, illusionistisch, extravagant sein. Besonders die Kirche wollte so, in Antwort auf Luther´s Aufruf zur Rückkehr zum Wesentlichen des Glaubens, ihre Macht und Größe demonstrieren. Sie entfaltete eine rege Missionstätigkeit, der Orden der Jesuiten war dabei federführend. Die Architektur wurde dabei zu einem Instrument der Glaubensverbreitung. Durch ausdrucksstarke Hell-/ Dunkeleffekte entstanden die geradezu überirdischen Innenräume der neuen Kirchen und Kathedralen. Der Gegensatz zwischen den insteren, unbeleuchteten Straßen, die von Schmutz und Elend stanken, und der glänzenden Märchenwelt in den Kirchen und den Sälen des Adels muss überwältigend gewesen sein. Die Symmetrie der Renaissancebauten wurde wieder von Lang1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S. 163-165

schiffen mit vorne einem Altar abgelöst. So ließen sich mehr Menschen in der Kirche unterbringen. Nicht nur Kirchen, auch Schlösser und Landsitze wurden mit großartigen Kuppeln, Heerscharen von kleinen Putten, dramatischen Gemälden und scheinbar schwerelosen Skulpturen - immer in Bewegung -, und mit viel Gold ausgestattet. Ja ganze Plätze wurden so gestaltet. Brunnen, Obelisken, heroische Skulpturen erhöhten die Sinnlichkeit dieser Inszenierungen. Die Stadt sollte so zu einer einzigen Bühne werden. Dieses Barock der katholischen Gegenden war üppiger und pathetischer als das Barock der protestantischen Gebiete des Nordens, der Niederlande und Englands. In Deutschland kam die Barockarchitektur erst nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) in Mode und besaß mehr Leichtigkeit. Der Barock drang bis Russland und Lateinamerika vor. Die Elemente dieser Architektur sind schnell zu erkennen. Säulen, meist auch nur Halbsäulen oder Pilaster - oft in doppelter Anordnung - tragen Gesimse, auf denen das nächste Stockwerk ruht. Ein großes Mitteltor, meist von einer hohen Attika gekrönt, wird oft von zwei kleineren Seitentoren begleitet. Das ganze Ensemble soll an einen Triumphbogen erinnern. Das Ganze wird über die Teile gestellt, alles bildet eine Einheit, nichts ist überlüssig oder entbehrlich. Selbst die Schnörksel dienen dem ästhetischen Zusammenhalt. So sonderbar diese Motive oft anmuten, in den Händen der großen Architekten sind sie immer Mittel zum höheren Zwecke eines Ganzen.2

Skulptur Für den frommen Katholiken Gian Lorenzo Bernini (1598-1680) war Kunst emotionale Inspiration und Verherrlichung göttlicherr Reinheit. Obwohl er ein begabter Maler war, verachtete er dieses Fach, denn nur die Plastik drückte in seinen Au-

Wichtige Ereignisse 1601 1602 1608 1610 1616 1618 1621 1633 1634 1642 1648 1649 1653 1656 1659 1660 1661 1663 1667 1683 1689 1699 1700

Caravaggio malt die erste seiner beiden Versionen von Christus Emmaus Gründung der Niederländischen Ostindien-Kompanie Erindung des Teleskops (in Holland); Ende der Niederl. Befreiungskriege Gründung der Utrechter Schule. Mitglieder wie Terbruggen begeistern sich für den italienischen Realismus Frans Hals stellt das erste der fünf Gruppenbildnisse für die Schützengilde fertig Beginn des Dreißigjährigen Krieges Erneut Unruhen zwischen Spanien und den Niederlanden Die Inquisition verurteilt Galilei wegen Ketzerei Rubens vollendet die Deckenmalerei im Londoner Banqueting House Charles´ I. Rembrandt malt Die Nachtwache Der Dreißigjährige Krieg endet mit dem Westfälischen Frieden Hinrichtung Charles I. in England Jan Vermeer wird Mitglied der Delfter Malergilde (Lukasgilde) Diego Velázquez malt Las Meninas Selbstbildnis Rembrandts. Erster Künstler dieses Genres Wiederherstellung der Monarchie in England Beginn der Regentschaft Ludwigs XIV. Beginn der umfassenden Umgestaltung von Versailles durch Ludwig XIV. Bernini vollendet den Peterplatz in Rom Nach der Belagerung von Wien können die Osmanen zurückgedrängt werden Zar Peter der Große besteigt den russischen Thron Die Habsburger erobern Ungarn von den Osmanen zurück Beginn des Großen Nordischen Krieges (bis 1721)

2 Antonia Zimmermann; PRAG. 18 Baustile; S. 27

Barock | 69


Apollo und Daphne, Gian Lorenzo Bernini 1622-25 Marmor Rom Galleria Borghese

gen „Wahrheit“ aus. Bernini löste die Bildhauerei scheinbar aus den Fesseln der Schwerkraft; er befreite sie von der Intellektualität der Renaissance, um sie in Bewegung zu versetzen und ihr eine bis dahin undenkbare Lebendigkeit und Dramatik zu verleihen.1 In Anlehnung an Michelangelo wollte er dem Marmor die poetische Idee unmittelbar einschreiben. Bernini fand jedoch eine entgegengesetzte Lösung zu Michelangelos Ansatz, den Marmor „erbeben zu lassen“. Es gelang ihm mit diesem Material Phänomene auszudrücken, die dem Stein eigentlich fern liegen: Bewegung, Leichtigkeit, einen Augenblick. Die französische Skulptur konnte sich ohne weiteres mit der italienischen messen. Die riesige Baustelle Versailles zog Künstler an und zeigte deren Werke. So entstand hier ein Schatz an Wissen und Prestige, der in ganz Europa als Vorbild galt. Nicht zufällig entstand in dieser Zeit (1648) in Frankreich mit der Académie Royale eine übergeordnete Ausbildungsstätte. Hier bildete sich während der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts eine weitere Kunstform heraus: das Porträt. Niemals zuvor wurden so viele Büsten gemeißelt und modelliert. Auch auf diesem Gebiet hat Bernini den Weg vorgegeben. Sein Genie zeigt sich im Porträt von Herzog Franz I. von Este (165051). Auffallend ist die aufwändige Gestaltung der lockigen Perücke, des feinen Spitzenkragens und die durchgängige rhythmische Gliederung des gesamten Marmorblocks, der bis in die verborgendsten Partieen belebt scheint. Der Bildhauer strebte keine Nachahmung der Natur an, sondern es ging ihm um das Herausarbeiten von Gefühlen aus dem Marmor. Der dauerhafte Erfolg der Porträtbüsten verdankt sich dem Umstand, dass sie nicht allein dem Vergnügen, sondern vor allem dem Prestige dienten. Erst der Realismus von Jean-Baptiste Pigalle (1714-1785) beendete diese Art der Porträtplastik. Eine weitere Form der Skulptur entwickelte sich in Europas protestantischen Ländern, auch in Italien und Frankreich: die Grabskulptur. Im 1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S. 173

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Petersdom zeugen die Gräber der Päpste von dieser wunderbaren Kunst der Inszenierung, bei der die Statue des Verstorbenen (teils über einer Tür platziert) von monumentalen Figuren begleitet und einem reichen Marmordekor umgeben wird. Auch in diesem Fall war Bernini richtungweisend (Gräber Urban VIII. und Alexander VII.). Nach und nach setzten sich jedoch theatralische Inszenierungen durch. Selbstsicher wagten sich die Künstler an die schwierige Gestaltung ganzer Skulpturengruppen. Auch bei der Gestaltung von Brunnen brachte dieses Jahrhundert komplexe, überschwängliche Kompositionen hervor. Die in dieser Zeit entstehenden, meist königlichen Parks mit ihren Grotten, Becken, Fontänen und Wasserfällen boten in ganz Europa neue Möglichkeiten, Statuen in den verschiedensten Posen zu platzieren, und zwar nicht im Dunkel eines Kirchenraumes, sondern unter freiem Himmel zwischen Bäumen, Blättern, Wasserbecken und Flüsschen im wechselnden Licht der Tages- und Jahreszeiten. Erneut übte Bernini großen Einluß auf die Entwicklung aus, als er die, zur Volksbelustigung teils gelutete, Piazza Navona in Rom mit Brunnen schmückte (Vierströmebrunnen; 1648-51). Der Kirchenraum als Gesamtkunstwerk: innerhalb der Vielfalt plastischer Gestaltung darf die Originalität der deutschsprachigen Länder nicht unerwähnt bleiben. Infolge der Gräuel des Dreißigjährigen Krieges ein wenig ins Abseits geraten, war das allgegenwärtige Beispiel Berninis kaum über die Alpen gedrungen. So bevorzugten deutsche Steinmetze meist weiterhin Holz und Stuck zur Gestaltung der Innenräume von Kirchen und Palästen. Dies geschah mit viel Feinheit und Schwung, drohte aber mitunter auch ein wenig naiv und ungeschickt zu wirken. Farbige Fassungen belebten die Form, schufen Bewegung und trugen zur großen Gesamtinszenierung bei. Von Altar zu Altar, von Sockel zu Sockel treten die Figuren zueinander in Beziehung, sodass man von einer verstreuten Gruppe von Heiligen sprechen


kann, die über und rund um die Gläubigen herum verteilt ist. Die einzelne Statue bedeutet wenig, die übergreifende Ausschmückung des Gesamtraums beinah alles. Einige Künstler gingen so weit, die Kirchen komplett zu inszenieren, wovon die illusionistische Verwendung von Gold und andere Farben sowie die verschiedenen Marmorsorten zeugen (Z.B. Asamkirche, München).1

Caravaggio Bacchus um 1596

Peter Paul Rubens Boreas entführt Oreithya 1620

Rembrandt van Rijn Danaë 1636-1643

Malerei Rom war das bedeutende Zentrum Italiens im Seicento (17. Jahrhundert). Von den dort ansässigen Malern Annibale Carracci und Michelangelo da Caravaggio gingen die entscheidenden Impulse für die Entwicklung der Malerei im übrigen Europa aus. Die Malerei wurde im Laufe des 17. Jahrhunderts verstärkt funktionalisiert; entweder von der Kirche in den Dienst der gegenreformatorischen Bewegung gestellt oder von den absolutistischen Höfen programmatisch zur Verherrlichung des Regenten eingesetzt. Das Tafelbild entwickelte sich zu einem immer begehrteren Sammelobjekt für Adlige, Könige, Hölinge und das sich emanzipierende Bürgertum. Bedeutende Maler der Barockzeit in Italien sind die Gebrüder Agostino und Annibale Carracci, Michelangelo da Caravaggio, Guido Reni und Giovanni Tiepolo, in Spanien El Greco, Bartolomé Murillo und Diego Velázquez, in Frankreich Nicolas Poussin, Claude Vignon und Claude Lorrain, in Deutschland Adam Elsheimer, Cosmas Damian Asam, Johannes Zick und dessen Sohn Januarius, Joseph Wannenmacher, in Tirol Stephan Kessler und in den Niederlanden Peter Paul Rubens, Rembrandt und Vermeer. Durch perspektivische Verkürzungen erreichte man außerordentliche Tiefenwirkungen und weitete auf diese Weise die Räume illusionistisch aus. Ein bewegungsreicher Figurenstil, kontraststarke Farben und die Betonung von Licht und Schatten sind für die Malerei des Barocks kennzeichnend. Die Malweise indet sich auch in Theaterdekorationen wieder. Haupt1 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.344-363

themen waren die Darstellung des Göttlichen und Profanen (Weltlichen), Historienbilder und die Mythen der Antike.2 In Holland entwickelte sich ein neuer Kunsttypus, der holländische Realismus. Erwünscht waren kleine Formate, saubere Machart, eine Fülle von Symbolen und Anekdoten. Die Sujets waren im Wesentlichen weltlich und im Hier und Jetzt angesiedelt: Landschaften, Stilleben und Genrebilder. Beliebt waren auch Porträts, die als Spiegelbilder der bürgerlichen Lebenswelt fungierten. Landschaftsbilder zeigten selten bestimmte Orte, sondern sie führten die Besonderheiten Hollands beispielhaft vor Augen: akkurat bewirtschaftete, weite Felder. Kanäle und Schifffahrt sind beliebte Sujets, beides gehört zu den Grundlagen des neu erworbenen Wohlstandes durch den Handel. In der Gärtnernation durften aber auch Blumenstücke nicht fehlen. Auf Stillleben sind kostbare exotische Waren und viel Glas, das ein Luxusgut war, zu sehen. Die Genrebilder handeln von Liebe, Moral und häuslichen Tugenden wie Sauberkeit, Ordnung und Sparsamkeit. Nur auf den ersten Blick scheinen Stillleben ein einfaches Abbild der Wirklichkeit zu sein. Die exotischen Güter, erloschenen Kerzen oder leeren Krüge stehen jedoch symbolisch für die Belanglosigkeit unserer irdischen Besitztümer. Totenschädel sollen den Betrachter daran erinnern, dass auch der reichste Bürger nicht dem Tod entrinnt. So wird ein scheinbar dekoratives Gemälde zur nüchternen kalvinistischen Mahnung.3

2 http://de.wikipedia.org/wiki/Barock#Malerei 3 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.196/7

Barock | 71


Rokoko & Klassizismus 1700 - 1800

Bischöliches Palais Prag, Auf der Burg

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Das 17.Jh. war geprägt von religiösen Konlikten und Kriegen. Dagegen war das 18.Jh. eine relativ friedliche Epoche, in der sich in allen Künsten eine besondere Rafinesse und Eleganz herausbildete. Eine zentrale Grundlage der Gedankenwelt und der Politik dieses Jahrhunderts war die Aufklärung. Man war überzeugt, dass der menschliche Verstand die politischen und religiösen Probleme lösen, das Wesen der Welt, des Universums und der menschlichen Natur erklären und Harmonie schaffen würde. Aberglaube, Tyrannei und Sklaverei sollten ein Ende haben. Das Streben nach Glück war die Maxime in allen Lebensbereichen: Familie, Kinder und die Liebe unter Eheleuten gewannen zunehmend an Bedeutung. Auch Bereiche wie Stadtplanung, Gartenarchitektur, Festlichkeiten, Musik, Diskussionen oder auch Lebenskomfort wurden nun wichtiger. Die Aufklärung liebte intellektuelle und emotionale Gegensätze, weil sie für die Möglichkeit der Wahl an sich stehen, die zur Entfaltung des Individuums gehören. So inden sich in Kunst, Literatur und Philosophie des 18.Jh. zahlreiche Verweise auf die Unterschiede zwischen Verstand und Empindsamkeit, Frivolität und Moral, Vernunft und Gefühl, Genuss und Mäßigung sowie zwischen Sinnlichkeit und Selbstverleugnung. Diese Dualismen spiegeln sich in den beiden bedeutendsten Kunststilen des Jahrhunderts wider: im Rokoko mit seinen lebensfrohen und unbeschwerten Bildthemen, der weichen Farbgebung und den asymmetrischen

Schwüngen einerseits, andererseits im Klassizismus mit seinen klassischen Sujets, der strengen Linienführung und den prächtigen Konturen, der Sittlichkeit und Selbstverleugnung thematisierte. Die Prinzipien der Aufklärung fanden ihren Niederschlag auch in der Politik der beiden wichtigsten Großmächte, Frankreich und England, allerdings auf erstaunlich unterschiedliche Art. Beide Nationen proitierten von wissenschaftlichen Entdeckungen, vom Bevölkerungswachstum und von Neuerungen in der Landwirtschaft. Zudem hatten beide Länder Kolonien (vor allem in Indien und Nordamerika), die von starken Streitkräften zu Wasser und zu Land gestützt wurden. Allerdings ging es bei der Rivalität zwischen England und Frankreich um mehr als Macht. Die Nationen standen für grundsätzlich unterschiedliche Regierungsformen. Das katholische Frankreich blieb dem absolutistischen Modell treu, das Ludwig XIV. perfektioniert hatte. Im protestantischen England entwickelte sich schon bald eine frühe Form der parlamentarischen Demokratie. Ab 1763, nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges, zeichnete sich die britische Vorherrschaft deutlich ab. Die Franzosen waren aus Indien und Nordamerika vertrieben worden, während die Überlegenheit der britischen Seestreitkräfte, das Fundament für die Herrschaft über die Weltmeere, eindrucksvoll bestätigt wurde. Das Selbstbewußtsein Großbritanniens erhielt 1776 durch die amerikanische Unabhängigkeitserklärung einen


gehörigen Dämpfer. An den politischen und philosophischen Prinzipien der Aufklärung orientiert, basiert diese auf der französischen wie der englischen Verfassung. Großbritannien jedoch erholte sich vom Verlust der amerikanischen Kolonien. Es baute ein neues, globales Imperium auf - eine Unternehmung, die das Selbstverständnis der britischen Nation prägte und den Wohlstand, der sich durch moderne Landwirtschaft und die industrielle Revolution entwickelte, noch vermehrte. Frankreich dagegen war instabil, teils durch die unheilvolle Allianz aus Sonderrechten für Aristokraten, Korruption und Staatsverschuldung, teils durch eine schwache Monarchie bedingt. Die Unruhen der Französischen Revolution brachten dieses anfällige Gebilde 1789 schließlich zum Kollaps. Der Schlachtruf „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ erwies sich bald als hohle Phrase. Blutvergießen und Tyrannei des „Schreckensregimes“ (ou la morte) sowie die anschließende Diktatur Napoleons führten die Prinzipien der Aufklärung ad absurdum. Der Einluss und die Macht der österreichischen Habsburger (Kaiserin Maria Theresia), Preußens (Friedrich der Große) und Russlands (Katharina die Große) nahmen zu, auch wenn sie im Gegensatz zu Frankreich und England auf Europa beschränkt blieben. Polen war im Begriff, von der Landkarte zu verschwinden. Italien und Spanien spielten nur noch eine untergeordnete Rolle. Das Osmanische Reich verlor ebenfalls an Einluss und musste Gebiete abtreten. Um die Jahrhundertwende waren die Türken nur mehr ein unbedeutender Zaungast.1

Architektur Das Rokoko leitet seinen Namen von rocaille, Muschelwerk ab. Es ist der frivole, säkulare Nachfolger des Barock. Dieser spielerischdekorative Stil nahm seinen Ausgang in Frank-

Wichtige Ereignisse 1702 1703 1714 1717 1729 1738 1740 1750 1751 1761 1765 1762 1763 1767 1769 1776 1748 1788 1789 1793 1798 1799

Palais Goltz-Kinksy Prag, Altstädter Ring

Der in Flandern geborene Watteau zieht nach Paris Gründung von St. Petersburg durch Peter den Großen Tod Ludwigs XIV. Watteau malt sein elegisches Werk Einschiffung nach Kythera Uraufführung der Matthäuspassion von J.S. Bach Beginn der Ausgrabungen in Herculaneum (1748 in Pompeji) Friedrich II., der Große, von Preußen beginnt den Österr. Erbfolgekrieg (bis 1748) Tiepolo verbringt drei Jahre in Würzburg. Dort vollendet er 1752/53 das Fresko der Kontinente in der Residenz Diderot veröffentlicht den ersten Band der französischen Encyclopédie (bis 1780) Großbritannien besiegt die französischen Streitkräfte in Indien Boucher wird zum Leiter der Königlichen Akademie ernannt Thronbesteigung Katharinas der Großen von Russland Der Vertrag von Paris besiegelt die britische Vorherrschaft in Nordamerika Fragonard malt sein schwerelos wirkendes Meisterwerk Die Schaukel James Watt erhält das Patent für die erste Dampfmaschine Unabhängigkeitserklärung der amerikanischen Kolonien Der Schwur der Horatier, J.L. David Die ersten britischen Siedler lassen sich in Australien nieder Französische Revolution Der Louvre wird öffentliches Museum Napoleon beginnt seinen Feldzug in Ägypten Ein Staatsstreich bringt Napoleon in Frankreich an die Macht

1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.219-221

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reich. Er war farbenfroh, charmant, voller Schmuckelemente, vergoldeter Stuckaturen, Spiegel und Chinoiserien, ein heiterer Stil eben. Meist bringt man diesen Stil (der streng genommen kein eigener ist, sondern eine Form des Barock) mit Ludwig XV in Verbindung, sein Höhepunkt war jedoch in Bayern (zB. in der Gestaltung des Innenraums der Kirche von Rottenbuch). In seiner geglücktesten Form war es eine unbekümmerte Stilrichtung, die der akademischen Architektur Leichtigkeit und Heiterkeit verlieh und in extravaganten Kirchen, überschwänglichen Fassadengestaltungen mit freistehenden Giebeln, herumtollenden Putti, verspielten Stuckaturen, Palasttürmen und den damals populären Grotten sichtbar wurde. Hauptsächlich jedoch fand er in der Innendekoration und der Malerei seinen Platz. Das Rokoko stieß jedoch bald auf Ablehnung und kam mit einer neuen, zunehmend ernsteren Geisteshaltung in Konlikt. Einlussreiche Denker der Archtiektur (wie Jacques-Francois Blondel 1705-1774) lehnten das “lächerliche Durcheinander von Muscheln, Drachen, Schilf, Palmen und Planzen” ab. So wich das Rokoko mit seiner großen Heiterkeit der neuen Zeit, dem Klassizismus.1

Skulptur

Detail am Palais Goltz-Kinksy Prag, Altstädter Ring

Die Bildhauerei im Rokoko diente fast ausschließlich zur plastischen Dekoration von Gebäuden, sowohl im Innenraum als auch an der Fassade. Daneben gab es plastische Figuren als Gartenschmuck. Wie bereits in vorangegangenen Epochen steigerten Skulpturen die Wirkung von Bauwerken, insbesondere von Kirchen. Man legte Wert auf rafinierte Effekte und die Wirkung von Material, Licht und Farbe. Die Rokokoskulptur erhält ihren Reiz durch die Gesamtkomposition unendlich vieler Details. Die eingebauten Details unterstreichen die Festlichkeit des Kunststils. Anmutigkeit ist bei der Thematik wichtiger als Erhabenheit. Die für die Bildhauerei des Rokoko 1 Antonia Zimmermann; PRAG. 18 Baustile; S. 31

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beliebtesten Materialien waren Blei, Bronze, Marmor und Porzellan. Im Rokoko entstand ein Trend für chinesisches Porzellan, sowie die Neigung zum Exotischen und Bizarren. Diesen Trend bezeichnet man als Chinamode oder Chinoiserie. Es entstanden in dieser Zeit viele chinesische Pavillons, Teehäuschen und Porzellankabinette. Porzellan war aufgrund seiner Zerbrechlichkeit nicht für den Alltagsgebrauch gedacht, sondern für festliche Stunden und wurde daher von Adligen bevorzugt. Allerdings gab es auch eine Blütezeit der einfachen Keramikkunst. Das Leitmotiv der Kunstskulpturen des Rokoko war die Rocaille und ihr bewegtes Spiel ineinander übergehender S- oder C-förmiger Wellen.2

Malerei Die Darstellung des neuen Lebensgefühls entfernt sich von der bisherigen Staatsidee der Malerei unter Ludwig XIV. und mündet in der wiedergefundenen Freude am Malen, im Spiel der Farben und in geschwungenen Linien.Die wachsende Intimität des höischen Lebens führt zu einer deutlicheren Aufhellung der Farbskala, zur Hinwendung zu Pastellbildern mit dem Brechen aller Töne ins Silbrig-Graue. Weiß zeigt sich als materialisiertes Licht mit dekorativen, heiter-festlichen Effekten. Das spielerische Element indet sich in kleinformatigen Bildern, in der Porzellanmalerei und besonders auch in den Chinoiserien. In der Ikonographie lässt sich eine Tendenz zur Verweltlichung, eine sinnliche Ästhetik und eine erotische und laszive Darstellung der galanten Welt beobachten. In den Bildprogrammen verlieren Helios-Apoll oder Herkules ihren Vorrang an Venus und Pan und an die „niederen Götter“. Der Wunsch nach einem Leben in Arkadien äußert sich in Liebesszenen, stimmungsvollen Idyllen, bukolischen Landschaften und Festlichkeiten im Freien. Die Tradition der pastoralen Malerei lebt

2 www.neuropool.com/berichte/gesellschaft/wie-erkennt-man-bildhauereiim-rokokostil-.html


Pont du Gard, Nîmes William Marlow 1767

Goethe in der Campagna Johann Heinrich Wilhelm Tischbein 1787

wieder auf. Die Darstellung des galanten Lebens indet sich in dem neuen Bildtyp des fête galante besonders in den Bildern der französischen Malerei. Im Vordergrund stehen die Komposition des Bildes, Details wie Stoffe, Möbel und weniger psychologische Elemente kennzeichnen den Dekorationsstil des Rokoko. Zu den großen Hauptmeistern des französischen Rokoko gehören Antoine Watteau, der Maler des fête galante, Jean-Honoré Fragonard mit der Darstellung von Schäferspielen und François Boucher, der Meister des Dekorationsstils, der mit seinen Gemälden voll starker Erotik, die 40er-Jahre des französischen Rokoko in der Zeit Ludwig XV. geprägt hat. In Italien entstanden in Venedig Veduten und Capricci, wie sie Francesco Guardi und Canaletto malten. Daneben waren Karnevalsdarstellungen, Portraits und Genre-Szenen beliebte Themen. Giovanni Battista Tiepolo, der letzte Großmeister der venezianischen Malerei, schuf sein Meisterwerk in der prächtigen hellen Farbigkeit mit der Ausgestaltung der Würzburger Residenz. In England zählen William Hogarth, Joshua Reynolds, Thomas Gainsborough und in Spanien Francisco Goya zu den hervorragenden Malern des Rokoko. Im sakralen Bereich neigen die Maler zu Gefühl, Andacht und Heiligenlegenden. Ganz im Gegensatz dazu steht aber die Verherrlichung in der Deckenmalerei, die sich auch der Stilmittel der Illusionsmalerei bedient. Besonders in süddeutschen und österreichischen Residenzen und Kirchen entsteht eine bisher nicht bekannte Integration von Freskomalerei und Architektur und Ornamenten. Hier entstehen die großartigen Meisterwerke europäischer Freskomalerei, mit den Vertretern Giovanni Battista Tiepolo, Johann Georg Bergmüller, Johann Baptist Zimmermann, Mathäus Günther, Daniel Gran, Franz Anton Maulbertsch, Paul Troger.1

wegung zum Rokoko und dessen Vorliebe für dekorative Elemente. Ziel war die Rückbesinnung auf Formen und Werte der Antike. Im Gewand der Klassik wurden aktuelle Aussagen gemacht. Dem Maler David gelang es, auf radikale Weise zeitgenössische politische Vorstellungen mit einer neuen künstlerischen Ausdrucksweise zu verbinden.1 1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.250

Der Schwur der Horatier Jaques Louis David 1748

Klassizismus Der Klassizismus war eine bewußte GegenbeAntonio Canova Paolina Bonaparte Borghese als siegreiche Venus 1808 1 http://de.wikipedia.org/wiki/Rokoko#Malerei

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Romantik bis Jugendstil 1800 - 1900

Palmenhaus Kew Gardens London 1848

Eiffel Turm Paris 1889

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Die Kunst des 19.Jh. war komplex und vielgestaltig. Radikale Neuerungen lösten starke Reaktionen beim Publikum aus - Protest oder aber Begeisterung. Alte Stile wurden wiederentdeckt und neu kombiniert. Während manche Maler gezielt für den Markt produzierten, waren andere bereit, für die Reinheit ihrer Kunst zu hungern. Die romantische Bewegung sprach diejenigen an, die inmitten eines rapiden Wandels den Begriff von Kunst und Menschlichkeit neu interpretieren wollten. Dagegen stellten sich die Vertreter der akademischen Kunst, die sowohl die Kunst als auch den kulturellen und sozialen Status quo erhalten wollten. Diese Spaltung der Kunstszene relektierte die komplexe soziale und politische Situation des 19.Jh. Prägendes Ereignis zu Beginn des Jahrhunderts war das Wiedererstarken Frankreichs unter Napoleon. Was 1789 als Freiheitskampf begonnen hatte, mündete nun in einen Eroberungskrieg. 1812, auf der Höhe der napoleonischen Triumphe, beherrschte Frankreich fast ganz Westeuropa mit Ausnahme von Großbritannien, Portugal und Skandinavien. Auf Napoleons Niederlage und den Wiener Kongress 1815 folgte die Restauration. Doch die Idee der Freiheit hatte bereits Wurzeln geschlagen. Aufstände in Belgien, Griechenland, Serbien und Rumänien führten zur Unabhängigkeit dieser Staaten, nationalistische Bewegungen in den Splitterstaaten Italien und Deutschland resultierten jeweils in der Einigung. Die konservativen Monarchen blockierten Selbständigkeitsbestre-

bungen rigoros. 1848 eskalierten die Konlikte, die Revolution erfasste ganz Mittel- und Osteuropa. Auch in Frankreich, dessen König in der Julirevolution 1830 gestürzt worden war, begannen die Volksaufstände erneut. Sie zwangen den Bürgerkönig Luise-Philippe zur Abdankung und brachten indirekt Napoleon III. an die Macht, der 1852 das Zweite Kaiserreich proklamierte. Die Niederlage Frankreichs im Krieg 1870/71 gegen Deutschland gab den letzten Anstoß für die Gründung des Deutschen Reichs. In der Folge schlossen sich die süddeutschen Staaten dem mächtigen Kaiserreich an; Frankreich rief nach dem Sturz Napoleons III. die Dritte Republik aus. England hielt sich indessen aus europäischen Angelegenheiten heraus. Hier lag die Konzentration auf der Verwaltung des riesigen Empire und den Folgen der fortschreitenden Industrialisierung. Nach dem Vorbild Großbritanniens entwickelten sich alle europäischen Nationen ab 1850 von bäuerlichen zu städtischen Gesellschaften, verbunden mit massiven gesellschaftlichen Umwälzungen. Frankreich und vor allem Deutschland wurden ernst zu nehmende Konkurrenten Englands. Es enstanden große Industriestädte, Eisenbahnen und Dampfschiffe wurden ebenso gebräuchlich wie die Telegraie, die eine Revolution in der Kommunikation auslöste. Für Amerika waren der traumatische Bürgerkrieg 1861-1865 sowie die Landnahme im Westen bestimmend. Die USA entwickelten sich nun auch zu einer bedeutenden Industriemacht.


Die erste Fotograie stellte Louis-Jacques-Mandé Daguerre 1839 der Öffentlichkeit vor. Zunächst setzte man das Verfahren als preiswerte Alternative für gemalte Porträts ein. Nach und nach lösten Fotos auch Zeichnungen ab, wenn ein Gegenstand oder Geschehen unmittelbar festgehalten werden sollte. In den 1870er-Jahren schließlich benutzte der in den USA lebende englische Fotograf Edward Muybridge eine ganze Reihe von Kameras mit kurzer Belichtungszeit für Bewegungsstudien von Menschen und Pferden. Erstmals wurde so beim galoppierenden Pferd die Schrittfolge festgehalten.

Wichtige Ereignisse 1804 1815 1825 1830

Hotel Europa Prag

1837 1838 1848 1850 1852 1855 1859 1863 1867 1869 1870 1874

Napoleon krönt sich selbst zum Kaiser von Frankreich Napoleon wird bei Waterloo besiegt. Der Wiener Kongress ordnet Europa neu Erstes Passagierdampfschiff (GB) Abdankung Karls X. von Frankreich und Beginn des liberalen Regimes unter Louis-Philippe Thronbesteigung Königin Victorias (GB) Erindung des elektrischen Telegrafen Sturz des letzten französischen Königs Courbets sozialkritische Steinklopfer werden im Salon ausgestellt Thronbesteigung Napoleons III. Neben der Weltausstellung veranstaltet Courbet eine eigene Ausstellung Darwin veröffentlicht Über die Entstehung der Arten Der Pariser Salon lehnt Manets Frühstück im Grünen ab; erster „Salon des Refusés“ Doppelmonarchie Österreich-Ungarn Zola veröffentlicht seinen großen naturalistischen Roman Thérèse Raquin Monet und Renoir entwickeln beim Malen an der Seine die Hauptmerkmale des Impressionismus Monet und Pissaro liehen vor dem Deutsch-Französischen Krieg nach London. Sisley folgt ihnen 1871 Ein Kritiker prägt anlässlich der ersten Ausstellung ironisch die Bezeichnung „Impressionismus“

1876 1881

1886

1888 1889 1890 1891 1892

1895 1897

1898 1900

Die Firma Bell lässt in Großbritannien das Telefon patentieren Letzte Impressionisten-Ausstellung Renoir wendet sich zunehmend vom Impressionismus ab Carl Benz baut das erste Automobil Cézanne zieht endgültig in die Provence. Der Begriff „Neoimpressionismus“ kommt auf. Van Gogh geht nach Arles, wo er schwere psychische Krisen erlebt Edvard Munch arbeitet in Paris. Sein Schrei (1893) ist nordische Melancholie in symbolischer Bildsprache Monet beginnt seine großen Bildzyklen Gauguins erste Tahiti-Reise, 1895 folgt die zweite, auf der er stirbt Die Ablehnung von Munchs Frühwerken durch die Berliner Künstlervereinigung führt zur Gründung der Münchner Sezession Marconi erindet die drahtlose Telegraie Cézannes erste Einzelausstellung Klimt löst sich vom Künstlerhaus, der wichtigsten österreichischen Akademie und Auftraggeberin, und richtet eine ungeheuer erfolgreiche Ausstellung aus; er gründet die Zeitschrift Ver Sacrum Der führende deutsche Impressionist Max Liebermann ruft die Berliner Sezession ins Leben Hector Germain Guimard beginnt mit Jugendstil-Entwürfen für die Pariser Métro

Romantik bis Jugendstil | 77


Schloss Neuschwanstein Bayern, Deutschland 1886

Zugleich veränderte sich die Einstellung zu den europäischen Kolonien in Übersee. Ihr Sinn und Zweck war ursprünglich nicht Besiedelung, sondern Handel gewesen. In hektischem Wettstreit versuchte jeder der europäischen Staaten nun, sich ein möglichst großes Stück vom Globus zu sichern. Für die kontinentaleuropäische Kunst, vor allem Frankreichs, hatte dieser tiefgreifende Wandel nachhaltige Folgen, während er Großbritannien und die USA nur mäßig berührte. Ab 1870 lockerten sich die Grundsätze, die über 400 Jahre lang die abendländische Zivilisation geprägt hatten: Die Moderne hatte begonnen.1

Architektur

Masaryk-Kai Prag

Klassizistisches Wohnhaus Smetana-Kai, Prag

Mitte des 18.Jh. begann in England die Industrielle Revolution. Die Einführung von Dampfmaschinen, neue, weltumspannende Transportmöglichkeiten, die Ausbeutung der Kolonien und der Aufstieg eines selbstbewussten Mittelstandes waren nur einige Gründe dafür, dass sich die Industrialisierung gerade in Großbritannien so rasch entwickelte. Konservative Architektur geriet dabei ins Hintertreffen. Die ersten Industriebauten waren erstaunlich attraktiv, so die 1779 gebaute Eisenbahnbrücke über den Fluss Severn in den englischen Midlands. Mit den ästhetischen Vorgaben der herkömmlichen Architektur hatten solche Bauwerke nichts mehr gemeinsam. Viele der ersten von ihnen waren das Werk von Ingenieuren und nicht von Architekten. Die revolutionären neuen Materialien der Ingenieure, allen voran Stahl und Stahlbeton, hielten dennoch allmählich Einzug in die Architektur und eröffneten ihr ganz neue gestalterische Wege. Bisher mussten die Wände der Gebäude ihr eigenes Gewicht tragen, doch jetzt konnte man sie mit leichten, nichttragenden Vorhangwänden verkleiden. Paxtons Londoner Kristallpalast war ein damals schockierender und auch heute noch erstaunlicher Prototyp der modernen Fertigbauweise. Die Industrielle Revolution traf die Architektur ebenso wie 1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.259-61

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die Ästhetik in ihren Grundfesten, jedoch nicht sofort. Zunächst setzten Anhänger der Neugotik und des Neoklassizismus die neuen Baustoffe und Verfahren mit Begeisterung ein, um die von ihnen gewünschten Effekte zu erzielen. Letztlich jedoch setzte sich eine neue Ästhetik durch. Decimus Burton und Richard Turner setzten bei ihrem Design des Palmenhauses der Londoner Kew Gardens Guss- und Schmiedeeisen bahnbrechend ein. Das Glas passte sich den weichen Wölbungen des Gerüsts geschmeidig an. Gebäude aus vorgefertigten Stahl- und Glasteilen galten als Wunderwerke der Technik. Geschwungene Dächer, zierliche Verstrebungen und riesige Flachglasdächer machten Joseph Paxtons Kristallpalast (1851) zu einem lichtdurchluteten Ausstellungsgelände. Gewaltige Fachwerkträger sind das Markenzeichen der Eisenbahnbrücken. Tonnengewölbe gotischer Kathedralen wurden aus Stahl und Glas nachgebildet. Chicagos 14 Stockwerke hohes Reliance Building von 1895 galt als revolutionär. Trotz der geschwungenen Fassade und gotischer Details wurde es zum Modell für zahllose stählerne Bürotürme des 20. Jhs. Neu geschaffener Wohlstand und die neuen Bauweisen scheinen neben Nostalgie und der Besinnung auf europäische Traditionen die wichtigsten Faktoren gewesen zu sein, die ab Mitte des 19.Jhs. und um die Jahrhundertwende eine Flut wilder und exzentrischer Bauwerke entstehen ließen. Von Märchenschlössern bis zu Bauten des Art déco - allen ist der Hang zum Dekorativen gemeinsam.2

Malerei

Romantik Der Rationalismus der Aufklärung ging in den blutigen Wirren der Französischen Revolution unter: Die Künstler waren nun mit einer Welt konfrontiert, die aus scheinbarer Gewissheit in

2 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.374-409


Philipp Otto Runge Die Eltern des Malers 1806

Gustave Courbet Die Steinklopfer 1849

blankes Chaos gestürzt war. Die künstlerischen Reaktionen darauf waren höchst unterschiedlich. Inhaltlicher Schwerpunkt der Romantik sind das Individuum und der Bruch mit überholten Konventionen. Sie läßt sich nicht ohne weiteres in Kategorien gliedern oder klar deinieren. Die Auffassung, dass der Künstler nicht nur befähigt, sondern verplichtet sei, die menschliche Seele zu erforschen, prägte unterschiedliche Stilrichtungen. Der Wunsch, alles übermäßig groß erscheinen zu lassen, äußerte sich oft in starken Farben und markantem Duktus, vor allem aber in bestimmten Bildthemen, allen voran Liebe, Tod, Heldentum und die gewaltige Natur. Besonders dem nordeuropäischen Empinden - Künstler in Deutschland, England und Frankreich - kam diese Sichtweise entgegen. Romantiker wagten es, meist unterdrückte Gefühle ins Zentrum zu stellen. Ihre Mittel waren Bewegung, Farbe und Dramatik, dazu ein Hauch Exotik. In ihrer Sicht war die Welt von elementaren, oft destruktiven und von Menschen nicht steuerbaren Mächten regiert. Die Landschaften wurden weit, düster und bedrohlich. Erstmals erkannte man das Unbewußte als wesentliche Quelle menschlichen Tuns. Ganz anders als im 18.Jh. galt der Mensch nun als erbärmlich winzig und der Natur ausgeliefert. Die Romatiker glaubten an individuelle Freiheit. Held oder Versager - einen Zwischenweg gab es nicht. Eugène Delacroix, Théodore Géricault, Caspar David Friedrich, Peter von Cornelius, Philipp Otto Runge, John Constable, David Cox, James Ward, J. M. William Turner, Hans Makart, Thomas Cole Realismus Mitte des 19.Jh. war der Realismus (oft gleichgesetzt mit Naturalismus) die progessive Strömung in der Kunst und Literatur vor allem Frankreichs. Der Durchbruch erfolgte 1855 mit einer CourbetAusstellung. Zentrales Werk war Das Atelier des Künstlers. Nach der Ablehnung für die Welt-

ausstellung zeigte Courbet es in einem eigenen Pavillion. Dazu verfasste er das Manifest Le Réalisme. Dem Realismus ging es um die soziale Wirklichkeit. Anstatt Ideale und Schönheit wollte er Fakten zeigen. Die Realisten wollten die doppelte Moral der Gesellschaft anprangern, und das nicht nur in der Kunst: Mit engagierter politischer Agenda setzte sich die Bewegung für einen sozialen Wandel ein und propagierte demokratische Denkweisen. Es inden sich in dieser Strömung unterschiedliche Gattungen, von Porträts und Gruppenbildern über Landschaften bis hin zu Genreszenen. Unter bewußtem Verzicht auf historisches und pastorales Idyll gibt der Realismus den brutalen Alltag mit Verfall und Armut ebenso wieder wie natürliche Landschaften und menschliche Gefühle. Während Notleidende und ihr bitteres Los traditionell romantisiert wurden, wollten die Realisten die Wahrheit zeigen, vorrangig anhand alltäglicher Szenen und der Widrigkeiten der Natur. Courbets frühes Meisterwerk stellt ein Manifest des Realimus dar und verdeutlicht seine Überzeugungen. Max Liebermann, James Tissot, Carl Larsson, Gustave Courbet, Edouard Manet, Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir Impressionismus Mit dem Impressionismus beginnt die Geschichte der modernen Malerei. Die Strömung zielte vor allem darauf ab, die sichtbare Welt wirklichkeitsgenau wiederzugeben. Weil diese Sehweise jedoch Zufällen wie dem Wandel des Lichts unterliegt, bedingte sie eine radikal andere Bildsprache. Dies war der Abgesang auf die seit der Renaissance etablierte naturalistische Tradition. Typisch sind nun zarte, mosaikartig aufgetragene Pinselstriche, die den lüchtigen Augenblick und das vielfältig gebrochene Licht festhalten sollten. Dabei ging es um mehr als Spontaneität: Anstelle ließender Farbübergänge erzielten die Impressionisten Schatten und Tiefenwirkung mit vielen

Romantik bis Jugendstil | 79


kleinen Tupfern reiner Farbe und veränderten so letztlich die visuelle Wahrnehmung. Das Hier und Jetzt steht im Mittelpunkt: Picknicks, Bootspartien, Stillleben, Bahnhöfe, Stadtansichten und sonnendurchlutete Landschaften - im Grunde alles, was den Maler umgab, bot sich als Sujet an. Ein besonderes Anliegen war die Darstellung der modernen Welt. Der Arbeitsplatz des Malers war nicht mehr das Atelier, sonder die freie Natur. Dies erforderte nicht nur schnelleres und direkteres Arbeiten, sondern sorgte auch für den Eindruck der Unmittelbarkeit in den Gemälden. J.M.W. Turner Konstanz am Bodensee 1842

James Whistler, Nocturne in Schwarz und Gold: Die fallende Rakete 1875

80 | Kunstgeschichte

Camille Pissarro, Alfred Sisley, Edgar Degas, Auguste Rodin, Georges Seurat, J.A.McNeill Whistler Symbolismus Ausgehend von der Literatur entwickelte sich Mitte des 19.Jh. in ganz Europa eine Kunst, in der das Visionäre durch Symbolik und fantastische Bilder ausgedrückt wurde. Der Symbolismus zeigte die Abgründe einer Traumwelt voller Leid, Tod und übersteigerter Sexualität - die Kehrseite der fortschrittsgläubigen Gesellschaft. Der Dichter Théophile Gautier forderte die Abschaffung der bürgerlichen Moral und postulierte den Primat der „reinen Empindung“. Er regte damit eine Reihe französischer Dichter und Maler zu einer Weltsicht an, in der die Fantasie die Realität ersetzte. Gustave Moreau und auch der etwas konventionellere Pierre Puvis de Chavannes setzten der igürlichen akademischen Malerei eine neue Bildsprache voller fantasiereicher Anspielungen entgegen. Odilon Redon ging noch einen Schritt weiter: Seine späten Werke verarbeiteten unmittelbare Träume. Monströse Wesen bevölkern seine fantastischen Landschaften, die sein ans Abstrakte grenzender Stil noch mysteriöser wirken lässt. Kunst diente nun keinem höheren (moralischen, spirituellen oder politischen) Zweck mehr, sonder hatte um ihrer selbst willen Bestand.

Gustave Moreau, Odilon Redon, Maurice Denis, Arnold Böcklin, Aubrey Beardsley, Thomas Wilmer Dewing, J. Sorolla y Bastida, Anders Zorn Postimpressionismus So befreiend der Impressionismus auch war, so schränkte die Konzentration auf oberlächliche Wirkung und den lüchtigen Moment seine emotionale Reichweite doch deutlich ein. Etwa ab 1880 bemühten sich diverse Maler, die visuelle Freiheit des Impressionismus durch eine stärkere Betonung von Form und Inhalt zu bereichern. Eine Vielfalt bot sich den modernen Malern. Seurat vertrat eine neue Monumentalität mit großen Figurengruppen aus präzise angebrachten Farbtupfern. Für Cézanne stand die Balance aus einer neuen Art der Perspektive mit der Farbgebung im Vordergrund; immer wieder überarbeitete er seine Bilder, um den Blick für die wirkliche Welt zu revolutionieren. Gauguin und van Gogh suchten nach Ausdrucksformen für ihre intensive, oft beängstigende Gefühlswelt. Leuchtende Farben und betonte Konturen waren ihre Mittel. Allein die Vielzahl von Stilen, die man unter dem Begriff zusammenfasst, verdeutlicht einen wesentlichen Punkt in der ästhetischen Debatte dieser Zeit: Die seit der Renaissance als absolut geltenden Normen hatten ausgedient. Kunst war nun, was der Künstler aus ihr machte. Um die „Wahrheit“ darzustellen, brauchte man die Welt nicht zwangsläuig in ihrer äußeren Erscheinung abzubilden. Die verschiedenen Ansätze suchten nach einer Methode, subjektives Sehen und das Empinden für das Gesehene auszudrücken. Dabei kam der Farbe eine zentrale Rolle zu: sie diente der Imitation. Damit wurde der Postimpressionismus zur Brücke zwischen Impressionismus und Expressionismus. Paul Gaugin, Vincent van Gogh, Paul Sérusier, Henri de Toulouse-Lautrec, Félix Vallotton, Paul Cézanne, Pierre Bonnard, Ferdinand Hodler, Lovis Corinth, Carl Milles


Vincent van Gogh, Selbstporträt mit Strohhut 1887

Wiener Secession und Jugendstil In den 1890er-Jahren brachen gleich mehrere Künstlergruppen in Wien, München und Berlin mit dem ofiziellen Akademiebetrieb und propagierten neue Ideen und Stile. Unter der Bezeichnung Secession riefen ihre avantgardistischen Ausstellungen einen Aufschrei der Empörung hervor. Die Wiener Bewegung spaltete sich nach internen Querelen in verschiedene Gruppen auf. Gustav Klimt, der Mitbegründer der Wiener Secession, wollte Wien durch progressive Konzepte und Verbindungen zu anderen europäischen Avantgardekünstlern ins internationale Rampenlicht rücken. Es ging ihm vor allem um eine Verknüpfung zwischen den bildenden Künsten (Malerei, Bildhauerei, Architektur) und der angewandten Kunst, dem Kunstgewerbe. Der Jugendstil entstand in den 1890er-Jahren, als man anstelle historisch gewachsener Einzelstile einen umfassenden, einheitlichen Stil für sämtliche Künste entwickeln wollte. Das französische Art Nouveau ist organisch und bevorzugt ließende Formen, in Großbritannien (Arts and Crafts) und im deutschsprachigen Raum - Jugendstil und Secessionsstil - waren eher geometrische Formen prägend. Die neuen Formen kamen vor allem in der angewandten Kunst und der Architektur zum Tragen.1

Gustav Klimt Dame mit Fächer 1917

Skulptur Im Bereich der Skulptur kam es zu einer großen Wende durch Auguste Rodin (1840-1917). Er brach mit der Schwere des Materials und der monumentalen Vereinfachung. Er setzte auf das Spiel von Licht und Schatten, das er virtuos beherrschte.2

Paul Gauguin Selbstporträt 1893

1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.259-339 2 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.519

Bürger von Calais, Auguste Rodin Gips, 1884-1895

Romantik bis Jugendstil | 81


Klassische Moderne 1900 - 1970

Bauhaus, Dessau Walter Gropius, 1925-26

Guggenheim Museum, New York Frank Lloyd Wright, 1956

82 | Kunstgeschichte

Junge Künstler und Schriftsteller in Westeuropa hatten hohe Erwartungen an das neue, das 20. Jahrhundert: Sie waren sicher, dass ein neues Zeitalter begann. Es würde von technologischem Fortschritt und demokratischen Idealen geprägt sein. Die wirtschaftliche und soziale Situation der Menschen insgesamt würde sich nun verbessern. Vor allem Künstler, Architekten und Ingenieure sollten diese schöne neue Welt erschaffen. Sie sollte anders sein, als das bisher Dagewesene und Vieles ließ sich auch umsetzen. Schnell folgten unzählige neue Stile und technische Neuerungen aufeinander und trugen zu einer radikalen Veränderung von Kunst und Leben bei. Bisweilen herrschte eine schon verwirrend vielfältige Meinungs- und Ausdrucksfreiheit. Die Idealisten unterschätzten jedoch die massive Gegenbewegung: Es gab durchaus Versuche, diese neuen Freiheiten einzuschränken und möglichst ganz zu unterbinden. Niemand rechnete mit den drastischen politischen Konlikten, die folgen sollten, und erst recht nicht mit der Vernichtung von Menschenleben und materiellem Erbe in Europa. Die schrecklichste Auswirkung der internationalen Spannungen waren die beiden Weltkriege 19141918 und 1939-1945. Nach den zermürbenden Schlachten an der Westfront konnten Großbritannien und Frankreich 1919 ihre Vormachtstellung in der Welt behaupten, auch wenn die USA inanziell und politisch immer mehr Gewicht erlangten. Zugleich kamen in Deutschland und der Sowjetunion totalitäre Regime an die Macht.

Obwohl sie diametral entgegengesetzt schienen, hatten sie Gemeinsamkeiten. Schon bald nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Frankreich 1940 von den Deutschen besetzt. Großbritannien rüstete unter Churchill zur Gegenwehr. Den Ausschlag für den Sieg über die Nationalsozialisten gab letzten Endes die zuvor undenkbare Allianz zwischen der wirtschaftlichen Macht der USA und dem ungeheuren militärischen Aufgebot der UdSSR. In der Nachkriegszeit musste sich Europa an die Vormachtstellung der USA in der westlichen Welt gewöhnen. Die Bemühungen Frankreichs und Großbritanniens, nach Kriegsende ihre Weltreiche zu erhalten, waren zum Scheitern verurteilt. In Europa begann eine Zeit der Knappheit und der Besinnung auf das Wesentliche. Ende der 1940erJahre bahnte sich der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion an, der in der Folge die internationalen Beziehungen überschattete. Im Gleichgewicht der Weltmächte stand zudem ab 1949 mit der Atombombe ein ganz neuer Faktor im Raum: Erstmals konnte sich die gesamte Menschheit selbst auslöschen. Um 1970 hatte sich die Situation völlig gewandelt. Deutschland, das 1945 in Schutt und Asche gelegen und den Besatzungsmächten unterstanden hatte, war nun die größte Wirtschaftsmacht Europas. Auch fast alle übrigen europäischen Länder erlebten in dieser Zeit einen nie gekannten wirtschaftlichen Aufschwung. Auslöser dafür war der Boom der US-Wirtschaft in den 1950er-


Opernhaus Syndney Jørn Utzon, 1959–1973

und 1960er-Jahren. Amerikanische Finanzhilfen, die gemäß dem Marschall-Plan ab 1947 nach Westeuropa lossen, gaben im zerbombten Europa den Startschuss zur wirtschaftlichen Erholung. Später machten Amerikas Zugkraft und verführerische Vision der Konsumgesellschaft weltweit Schule. Auch in den von den UdSSR dominierten Ostblockstaaten ging es aufwärts. Die 1957 mit viel Idealismus gegründete Wirtschaftsgemeinschaft entwickelte Strategien, um Wohlstand für alle zu erreichen. Vor dem Hintergrund dieser Umwälzungen kamen künstlerische Neuerungen vor allem in Gebieten zum Tragen, die unter fremder Besatzung standen, oder wo die Meinungsfreiheit gefährdet bzw. eine noch neue Erfahrung war. Nach der Jahrhundertwende war dies zunächst in Frankreich der Fall. Bis 1939 war Paris Hauptstadt der Avantgarde. Viel tat sich auch in Deutschland, Russland und den Niederlanden, aber auch Italien und Spanien leisteten Beiträge zur Moderne. In Großbritannien und den USA dagegen, wo Rede- und Gedankenfreiheit als selbstverständlich galten, interessierte man sich erheblich weniger für moderne Kunst. Erst als die USA ab 1945 zum Vorbild der westlichen Demokratie aufstiegen, verlagerte sich der Schwerpunkt nach New York. Das prägende Merkmal der Epoche der Moderne in der Kunst ist aber wohl ihre Politisierung: Demokratie und Freiheit wurden zum wichtigen Thema.1

Wichtige Ereignisse 1900 1907 1909 1910 1914-18 1917 1919 1919 1924 1929 1933 1936 1963 1937 1938 1938 1939 1941 1943 1945

Architektur Viele der ersten wirklich modernen Wohnhäuser waren Spielereien wohlhabender Bauherren. Die eigentliche Moderne begann nach dem Ersten Weltkrieg 1918 und schließt verschiedene Strömungen ein, die sich oft nicht eindeutig voneinander abgrenzen lassen: Grob chronologisch lassen sie sich folgendermaßen anordnen: Expressionismus, Bauhaus, Neues Bauen, Neue Sachlichkeit, Internationaler Stil, Funktionalismus und seit dem Chrysler Building, New York William van Alen, 1930

1947 1955 1956 1957 1962 1962 1967 1969

Freud veröffentlich seine Traumdeutung Picassos Les Demoiselles d‘Avignon „analytisch“ kubistische Werke Braques und Picassos Kandinsky malt erste abstrakte Bilder Erster Weltkrieg; Marc und Macke fallen Russische Revolution Versailler Vertrag; Weimarer Republik bringt künstlerische Vielfalt André Breton und Philippe Soupault schreiben Die magnetischen Felder Manifest des Surrealismus von Breton Börsenkrach an der Wall Street und Beginn der Weltwirtschaftskrise Hitlers Machtergreifung spanischer Bürgerkrieg (bis 1939) Internationale Surrealistenausstellung in London Ausstellungen „Entarteter Kunst“ Hitler annektiert Österreich Trotzki und Breton schreiben das Manifest Für eine unabhängige revolutionäre Kunst Deutscher Einmarsch in Polen; Beginn des Zweiten Weltkriegs Deutschland greift UdSSR an Rothko, Still und Gottlieb legen die wesentlichen Ziele ihrer Kunst in der New York Times dar Kapitulation Deutschlands; Ende des Zweiten Weltkriegs; USA werfen Atombombe ab New York wird Hauptstadt der künstlerischen Avantgarde Warschauer Pakt Ungarnaufstand wir brutal niedergeschlagen Verträge von Rom, Gründung der EWG Kubakrise Andy Warhols 25 Coloured Marilyns „Flower Power“; Proteste gegen den Vietnamkrieg erste bemannte Mondlandung

1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.341-343

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Josef Bernard, Junges Mädchen mit Krug Dallas Crow Center, 1910

Ende des Zweiten Weltkrieges die Nachkriegsmoderne, innerhalb derer sich etwa der Brutalismus und der Strukturalismus abgrenzen lassen. Mit Postmoderne und Dekonstruktivismus, Organischer Architektur und anderen Strömungen indet ab den 1960er/70ern eine erste Überwindung der Anliegen der Moderne statt. Das Programm der umfangreichen Architekturtheorie lässt sich (verkürzt) in drei pointierten Leitsätzen zusammenfassen: Form follows function (Louis Sullivan), Less is more (Ludwig Mies van der Rohe) und die Aussage einer schon 1908 von Adolf Loos verfassten Polemik „Ornament und Verbrechen“. Zum einen soll sich die Gestaltung also von der architektonischen Funktion ableiten. Dies äußert sich häuig in der Sichtbarkeit des Bauskeletts eines Gebäudes und der Versorgungsleitungen. Zum anderen ist die Ausgestaltung oft von asketischer Schlichtheit. Obwohl die Architektur der Klassischen Moderne auf bestimmten gemeinsamen Prinzipien basiert, ist sie doch kein klar deinierter Stil im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Epoche. Die Haltung zum rechten Winkel bzw. zur geschwungenen Form bestimmt z. B. unterschiedliche ästhetische Positionen. Auch die Verwendung von vorwiegend Glas und Stahl oder aber von Beton kann zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen. So war das erklärte Ziel für Mies van der Rohe der Totale Raum: drinnen und draußen sollten ineinander übergehen. Dies erreichte er beispielsweise bei der Berliner Neuen Nationalgalerie durch den völligen Verzicht auf tragende Wände. Stattdessen ist der Raum ausschließlich von Glas begrenzt. Eine andere Tendenz, insbesondere im Brutalismus, setzt dagegen auf massiven Beton – wodurch natürlich eine völlig andere Wirkung erzielt wird. Die städtebaulichen Leitbilder waren 1933 in der Charta von Athen festgehalten worden und beinhalteten nicht nur die Ablehnung der dichten gründerzeitlichen Stadt, sondern einen radikalen Bruch mit allen städtebaulichen Traditionen. Wesentliche Elemente waren die Entlechtung der

städtischen Funktionen, eine offene Bebauung und die autogerechte Stadt. Beispiele: Bauhaus Dessau, Walter Gropius, 1925–1926 Villa Savoye, Poissy, Le Corbusier, 1928-31 Glashaus, Pierre Chareau, 1928–1931 UNO-Hauptquartier, New York, 1949–1951 Farnsworth House, Plano (Ludwig Mies van der Rohe, 1950-51) Guggenheim Museum, New York, Frank Lloyd Wright, 1956 Neue Nationalgalerie, Berlin, Ludwig Mies van der Rohe, 1965–1968 Finlandia-Halle, Helsinki, Alvar Aalto, 1962–1971 Sydney Opera House, Jørn Utzon, 1959–1973 Planhauptstadt Brasília, Oscar Niemeyer 1956–19601 Chrysler Building, New York, William Van Alen 1936

Skulptur

Trotz seines Einlusses hatte Rodin weder unmittelbare „Schüler“ noch gründete er eine „Schule“. In der Nachfolge bemühte sich Antoine Bourdelle (1861-1929) um eine noch stärker vergeistigte Kunst. Sein Hang zur Monumentalität und zur Vereinfachung der Ebenen verleiht seinen Skulpturen einen gewollten Archaismus, zugleich versuchte er die Kraft Rodins zu bewahren. Der Einluss von Rodin und Bourdell machte sich in ganz Europa bemerkbar. Die Werke des Kroaten Ivan Mestrovic (1883-1962) im Museum in Split zeigen eine deutliche Nähe zur Pariser Kunst. Andere Bildhauer hingegen hielten sich davon fern. So tendierte der Belgier George Minne (1866-1941) zum Symbolismus. Der deutsche Bildhauer Wilhelm Lehmbruck (1881-1919) ist mit seinen schlanken, oft überlängten Gestalten deutlich manieristisch geprägt. An die italienische Tradition anknüpfend fand Arturo Martini (19011980) nach den Exzessen des Verismus zu einer

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Moderne

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Henri Bouchard Antoine Bourdelle Apollon und die Musen Der sterbende Kentaur Bronze, Paris Bronze 1913

Maurice de Vlaminck, Schlepper bei Chatou Öl auf Leinwand, 1906

maßvollen künstlerischen Synthese. In Frankreich erlebte die Bildhauerei dieser Zeit einen ihrer glänzendsten Momente. Zahlreiche Bildhauerkarrieren sind hier zu entdecken, die sich durch Leidenschaft und Können ebenso auszeichnen wie durch ihre ausgeprägte Sensibilität: Francois Pompon (1855-1933) Joseph Bernard (1866-1931) Paul Landowski (1875-1961) Charles Despiau (1874-1946) Robert Wlérick (1882-1944) In der ersten Hälfte des 20.Jhs. besinnt sich die Skulptur wieder auf ihre dekorative Funktion. Während sie vorher Gefahr lief, nur noch als städtisches Denkmal in Erscheinung zu treten, geht es jetzt wieder um das Zusammenspiel mit der Architektur, teilweise sogar um die komplette Aussendekoration eines Gebäudes. In den immer öfter stattindenden Großausstellungen indet diese Tendenz Unterstützung (Pariser Weltausstellung 1900, Internat. Kunstgewerbeausstellung 1925, Weltausstellung 1937): Emmanuel Frémiet (1824-1919) Léon Drivier (1878-1953) Pierre Marie Poisson (1876-1953) Raymond Delamarre (1890-1986) Carlo Sarrabezolles (1888-1971) Albert Pommier (1880-1944) Henri Laurens (1885-1954) Ossip Zadkine (1890-1967) Étienne Haidu (1907-1996)1

Malerei Von 1900 bis 1950 war Paris das Zentrum der künstlerischen Innovation und lockte Künstler, Sammler, Händler sowie Kenner aus der ganzen Welt an. Alle großen Neuerungen vom Kubismus bis zum Surrealismus gingen von Pariser Ateliers aus und wurden dort bei Avantgarde-Ausstellungen erstmals gezeigt. Die vielen Stile, Künstler und Aktivitäten fasst man locker als „Pariser Schule“ zusammen. Georges Braque, Atelier 1949

Fauvismus (1900-1907) Der Name entstand beim Herbstsalon 1905 in Paris. Der Kunstkritiker Louis Vauxcelles verspottete die bunten Gemälde als Werke wilder Tiere. Den um die Jahrhundertwende locker verbundenen Mitgliedern der Gruppe geiel dieser Spitzname durchaus. Matisse und Derain lernten sich 1898 im Studium kennen.Vlaminck, ein Freund Derains, kam zwei Jahre später dazu. Stark beeinlusst waren die Fauves durch van Gogh und Cézanne, aber auch von Seurats Pointillismus. Ein zentrales Thema waren Farbharmonien, die zunächst in der getupften Malweise Seurats ausprobiert wurden. Bald lösten breite, kurze Pinselstriche diesen Stil ab. Die Farben waren strahlend rein und großlächig aufgetragen, getreu Derains Ideal, „Farbe um ihrer selbst willen“ einzusetzen. Gegenstände konnten nun selbst Licht ausstrahlen. die wichtigsten Mitglieder der Fauvres waren Matisse, Dufy, Derain, Vlaminck und Braque. Einer ihrer Lieblingsorte war das südfranzösische Collioure. Um 1907 wandten sich die meisten der Gruppe bereits anderen persönlichen Kunstidealen zu. Kubismus (1907-1918) Der Kubismus war die wichtigste Innovation in der Kunst der ersten Hälfte des 20.Jhs., in Effekt und Folgen vergleichbar mit der Erindung des Verbrennungsmotors, des Flugzeugs und des Radios - all dies geschah in etwa zur gleichen Zeit. Erinder der Strömung waren Picasso und Braque. Ihre kleinformatigen frühen kubistischen Arbeiten waren konventionellen Gattungen, wie Stillleben, Landschaft und Porträt verplichtet. Das Innovative war die Zerstückelung der Formen, die wie ein falsch zusammengesetztes Puzzle wirken. Die monochrom auf Leinwand gemalten Werke von 1910/11 gehören zum „analytischen“ Kubismus - hier wird Geschehenes uintersucht -, ab 1912 werden die Bilder des „synthetischen“ Kubismus auf der Basis des neuen Sehens zusammengesetzt und mit verschiedenen Materialien ergänzt.

1 Jacques Thuillier; Geschichte der Kunst; Flammarion; S.521-534

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Franz Marc, Der Turm der blauen Pferde, 1913 Das Gemälde ist seit 1945 verschollen Emil Nolde, Mohn ca 1920

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Expressionismus und Abstraktion (frühes 20.Jh.) Expressionismus und Abstraktion waren die wichtigsten Tendenzen in der Frühzeit der modernen Kunst. Ihr Einluss auf viele individuelle Stile ist bis heute spürbar. Kunst sollte nun nicht mehr Formen und Äusserlichkeiten beschreiben, sondern wie die Musik durch Suggestion, geschärfte Wahrnehmung und freie Assoziation Gefühle und Bedeutung vermitteln. Vorrangig wird der Begriff Expressionismus für alle Künste etwa in den ersten drei Jahrzehnten des 20.Jh. verwendet. In der Malerei stehen dafür besonders Künstlergruppen wie die „Brücke“ und der „Blaue Reiter“. Im weiteren Sinne wird von expressionistischem Stil auch bei einer Malweise gesprochen, die den persönlichen, meist impulsiv wirkenden Ausdruck betont. Abstrakte Kunst zeichnet sich durch eine intellektuelle oder emotionale Ausstrahlung und Bedeutung aus, ohne jedoch erkennbare Objekte oder Personen abzubilden oder nachzuahmen. An den Betrachter stellt sie oftmals hohe Anforderungen, denn meist verbirgt sich die Aussage des Bildes hinter Ideen des Künstlers, die sich nicht aus dem Bild erklären. Zumindest ist es wichtig, sich der Eigenwirkung des Bildes zu öffnen, auch ohne Vorwissen.

Mueller, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Franz Marc, August Macke, James Ensor, Käthe Kollwitz, Oskar Kokoschka, Francis Picabia, Marcel Duchamp, Kurt Schwitters, Jean (Hans) Arp, John Heartield, Max Ernst, Alexej von Jawlensky, Michail Larionow, Alexander Exter, Kasimir Malewitsch, Wladimir Tatlin, Alexander Rodtschenko, Giacomo Balla, Umberto Boccioni, Max Weber, Max Beckmann, Otto Dix, George Grosz, Christian Schad, László Moholy-Nagy, Lyonel Feininger, Paul Klee, Josef Albers, Oskar Schlemmer, Piet Mondrian.

Egon Schiele, Edvard Munch, Emil Nolde, Otto

Die Brücke (1905-1013) Wichtige deutsche Avantgarde-Gruppierung, in Dresden gegründet durch durch Kirchner, Schmidt-Rottluff, Heckel und Bleyl. Die Künstler setzten radikale politische und soziale Ansichen in moderne, städtische Motive oder Landschaften mit Figuren um. Später schlossen sich weitere Künstler wie Nolde, Pechstein und Mueller an. Einlüsse lieferten die aktuellen Pariser Strömungen und primitive exotische Kunst sowie das Leben in der Stadt und die freie Natur. Typisch sind die leuchtenden Farben, hervorstechenden Konturlinien und der bewusste Verzicht auf komplexe Maltechniken.

Oskar Kokoschka, Prag 1938

Max Ernst, Wein Weib Greis und Blume 1923/24 aus dem Moma New York


Der Blaue Reiter (1911-1914) Obwohl mit dem Almanach von 1912 eine Art Manifest existierte, verstanden sich die Expressionisten um Kandinsky und Marc eher als Aktionsbündnis denn als Gruppe. Marc hatte eine Vorliebe für Blau, das er ebenso wie Kandinsky auch symbolhaft verstand, und beide malten immer wieder Reiter und Pferde - so entstand der Name. Ihr Anliegen war es, mit Hilfe von Vereinfachung und Farbwirkung spirituelle Werte in der Kunst auszudrücken. Dadaismus (1915-1922) ist die erste moderne Anti-Kunst-Bewegung mit Gruppierungen in Europa und New York. Die prominentesten Vertreter wie Arp, Duchamp, Ernst, Man Ray und Picabia setzten Absurdes, Banales, Provozierendes und schlichtweg Scheußliches ein, um die konventionellen Vorstellungen von Kunst, Leben und Gesellschaft in Frage zu stellen. Der Name (frz. „Steckenpferd“) wurde angeblich zufällig im Wörterbuch gewählt.

Rodtschenko sowie später die Brüder Antoine Pevsner und Naum Gabo entwickelten eine „konstruierte“, architektonische Kunst als Vision der modernen Welt. Stichworte sind Abstraktion, Raum, neue Werkstoffe, Dreidimensionalität und Sozialreformen. In ganz Europa verteilt, beeinlussten die Künstler ab 1922 Architektur und Kunsthandwerk, u.a. am Bauhaus und in der De-Stijl-Bewegung. Futurismus (1909-1915) Diese Strömung entstand in Italien, hatte jedoch auch Anhänger in Russland. Sie war eine der wichtigsten frühen Avantgarde-Bewegungen. Ihre Protagonisten waren Boccioni, Balla, Carrà und Severini. Der Futurismus wollte eine progressive Weltsicht fördern, nicht zuletzt durch seine vielen Manifeste, die zu einem Bruch mit der Vergangenheit aufriefen. Lautstark propagierten die Futuristen Maschinen, Geschwindigkeit, Moderne und revolutionären Wandel. Ein wortgewaltiger Theoretiker war zunächst Tommaso Marinetti, der später auch in Diensten Mussolinis stand.

Konstruktivismus (1917-1921) Der Konstruktivismus war eine wichtige russische Avantgarde-Bewegung. Tatlin und

Wladimir Tatlin, Der Seemann St.Petersburg, 1911/12

Umberto Boccioni Die Dynamik des Fussballspielers

Nationalsozialismus und „Entartete“ Kunst (1930er-Jahre) Für Ideologen des Nationalsozialismus war jegliche Kunst, die nicht mit ihrem Ideal der handwerklich ordentlichen Darstellungen von Helden oder behaglichen Genreszenen übereinstimmten, „Verfallskunst“, das Produkt degenerierter, verderblicher Subjekte. Moderne Künstler erhielten Ausstellungs- und Arbeitsverbot, ihre Werke wurden beschlagnahmt, viele davon verbrannt. Eine Wanderausstellung moderner und abstrakter Werke, u.a. von Beckmann, Dix, Grosz, Kandinsky, Mondrian und Picasso, sollte 1937 dem deutschen Volk vor Augen führen, wie abscheulich diese „Machwerke“ waren. Doch gerade dadurch wurden viele Künstler erst der breiten Öffentlichkeit bekannt. Bauhaus (1919-1933) Bauhaus ist die berühmteste moderne Schule für Kunst und Kunstgewerbe dieser Zeit. In der Kunst und im Design ist die Bauhaus-Ästhetik bis heute aktuell. Gegründet wurde das Bauhaus 1919 in Weimar durch Walter Gropius, die Schule zog 1924 nach Dessau um, 1932 nach Berlin und wurde 1933 von den Nationalsozialisten geschlossen. Schlüsselbegriffe der Lehre waren Einfachhheit, klares Design, Abstraktion, Massenproduktion, die moralischen und wirtschaftlichen Vorzüge einer richtig konzipierten Umwelt, Demokratie und Einbeziehung der Arbeiter. De Stijl (1917-1931) De Stijl (niederl. „der Stil“) war der Name einer Gruppe niederländischer Künstler und des von ihnen herausgegebenen, in den 1920er-Jahren einlussreichsten Kunstmagazins der Avantgarde. Zu den Mitgliedern und Autoren gehörten Mondrian, Doesburg und Rietveld. Ihre Anliegen waren eine geometrische Variante der Abstraktion, soziale und spirituelle Erneuerung und die Befolgung von Harmoniegesetzen, die nicht nur für die Kunst, sondern für das Leben gelten sollen.

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Laszlo Moholy Nagy, Konstruktion Z1 1922/23

Lyonel Feininger, Das hohe Ufer 1923

Paul Klee, Aufgehender Stern, 1931 Fondation Beyeler Riehen bei Basel

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Surrealismus (1920er-1930er-Jahre) Von allen Avantgarde-Bewegungen hatte der Surrealismus zwischen den Weltkriegen den nachhaltigsten Einluss. Erklärtes Ziel des Gründers und führenden Kopfes André Breton war es vor allem, das Unbewusste mit dem Bewusstsein in Kontakt zu bringen, um so eine „Über-Realität“ zu schaffen, den surréalisme. Den Anstoß gaben Kubismus, Dadaismus und Sigmund Freud. Aus einer literarischen Bewegung hervorgegangen, trat der Surrealismus von Anfang an in einer Vielzahl von Einzelstilen in Erscheinung: surrealistische Bilder konnten Gegenstände über-realistisch perfekt wiedergeben wie bei Dalí oder am anderen Ende des Spektrums völlig abstrakt wie bei Miró. Unabhängig von der Art der Ausführung sollten diese Werke verblüffen. sogar schockieren oder beunruhigen, stets jedoch eine traumartige Atmosphäre schaffen, die manchmal hochspeziisch , manchmal vage und suggestiv sein konnte. Da das Unbewusste eine äußerst persönliche Sache ist, lässt es sich nicht kategorisieren. Buchstädlich alles konnte Thema eines surrealistischen Werks werden. Max Ernst experimentierte mit suggestiven Zufallsmustern. Magrittes ironische Gemälde arbeiten mit rätselhaften, oft sexuell gefärbten Zusammenstellungen. Der Maler und Bildhauer Arp setzte schlichte, vage biomorphe Formen in knalligen Farben scheinbar willkürlich zu Assemblagen zusammen.

Jost Schmidt, Plakat Bauhaus Weimar, 1923

Salvador Dalí, Joan Miró, André Masson, Yves Tanguy, Man Ray, Meret Oppenheim, Sir Roland Penrose, Paul Delvaux, René Magritte, Matta, Pablo Picasso, Paul Nash, Sir Stanley Spencer, Ivon Hitchens, Henry Moore, Dame Barbara Hepworth, Ben Nicolson, John Piper, Graham Sutherland, David Alfaro Siqueiros, Diego Rivera, José Clemente Orozco, Frida Kahlo, Giorgio de Chirico, Giorgio Morandi, Hans Hofmann, Elie Nadelman, Louise Nevelson, Joseph Cornell, Grand Wood, Charles Sheeler, Charles Demuth, Edward Hopper, Jackson Pollock.

Piet Mondrian Komposition, 1921

Abstrakter Expressionismus (Ende 1940er-1950er-Jahre) Diese Stilrichtung entwickelte sich aus den menschlichen Tragödien im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise und dem Zweiten Weltkrieg. Angesichts der unvermittelt drohenden Einschränkungen der Meinungsfreiheit und später der Vernichtung der ganzen Menschheit fühlten sich viele Künstler zum Handeln verplichtet. Ihr Schaffen spiegelt diese Themen wider. Der Abstrakte Expressionismus ging indirekt aus dem Surrealismus hervor, war jedoch nie eine zusammenhängende Bewegung mit konkreter


Salvador Dali, Paranoic Visage

Agenda, sondern eine Ansammlung persönlicher Stile. Das Zentrum war New York, aber auch Europa wurde davon beeinlusst. Während Pollock mit dem Drip-Painting die Grauzone zwischen zufälligen Farbspuren und dem kontrollierten Malvorgang auslotete, verstand Rothko seine riesigen Farblächen als Meditationsbilder. Bei einigen Vertretern des Abstrakten Expressionismus (z.B. Pollock) sollten energiereiche Formen den mühsamen, ganz persönlichen Schaffensakt des Künstlers im Angesicht der Leinwand dokumentieren. Andere thematisierten die tiefsten, universellen Gefühle und Ängste in gegenständlichen, aber verzerrten Bildern oder mit teils nur geringfügig modulierten, teils kontrastreichen reinen Farblächen. Ebenso wie Musik erschließen sich all diese Werke jedoch letztlich nicht mit dem Verstand, sondern nur mit dem Gefühl. Mark Rothko, Willem de Kooning, Barnett Newman, Franz Kline, Sam Francis, Karel Appel, Nicolas de Stael, Jean Dubuffet, Yves Klein, Hans Hartung, Friedensreich Hundertwasser, Günther Uecker, Mario Merz, Michelangelo Pistoletto, Antoni Tàpies, Francis Bacon, Victor Vasarely, Robert Rauschenberg, Alexander Calder, Roy Lichtenstein, Alex Katz, Jasper Johns, Andy Warhol, Richard Hamilton, David Hockney.

Blue II, Joan Miro 1961

Pierre Alechinsky

Pop-Art (1950er-1960er-Jahre) Die Pop-Art entstand Mitte der 1960er-Jahre in New York und London und blieb bis Ende der 1960er-Jahre vorherrschende Avantgardeströmung. In den USA ging es zunächst um die Überzeugung, dass die Kunst den Kontakt zur realen Welt suchen müsse. Während die USVariante der Pop-Art sich mit der Konsumgesellschaft auseinander setzte, zog sich durch die britische immer ein Hauch von Nostalgie. Es war die Stunde des Alltäglichen, Gewöhnlichen. In der Kunst wurden nun Coca-Cola-Flaschen, Hamburger, Comic-Strips, Zeitungsbilder, Werbeanzeigen zum Bildmotiv, kurz alle möglichen Erzeugnisse der westlichen Konsumindustrie. Teilweise deshalb, weil die Pop-Art es als ihre Plicht ansah, die moderne Welt zu thematisieren, doch ging es im Zeitalter der Massenproduktion auch um die Lösung von einer subjektiven Kunst. Wie die Pop-Musik zeichnet sich auch die Pop-Art durch jugendlichen Verve aus, zumal sie sich eher für Werbung begeistert als für intellektuelle oder abstrakte Kunst. Pop-Art sollte bewusst „anders“, frech, dabei gefällig und einprägsam sein. Spaß und wirtschaftliche Mechanismen wurden als Phänomene der Moderne erkannt und fanden ihren Weg in eine ganz und gar diesseitige Kunst.1

1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S.341-447

Arte Povera (ab ca. 1967) Den Begriff prägte der italienische Kunstkritiker Germano Celante für einen Werktypus, der in größerem Rahmen erstmals 1970 in Turin ausgestellt wurde und sich bis heute in der Kunst behauptet. Gemeint sind Objekte aus natürlichen und einfachen Materialien, die authentisch sind und nicht über sich hinaus verweisen. Damit erteilen die Künstler der komplizierten und mit kommerzeillen Interessen betriebenen Maschinerie des Kunstbetriebs eine Absage und machen neben der ästhetischen auch eine politische Aussage.

Jasper Johns, Oval Ofice

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Kunst der Gegenwart ab 1970

Das Tanzende Haus, Prag Frank O. Gehry, 1996

Die Beurteilung von Kunst und Politik der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit ist zwangsläuig subjektiv. Wir haben kaum genügend Abstand, um künstlerische Moden von nachhaltigen Entwicklungen zu unterscheiden. Nach wie vor spielen aktuelles Gedankengut und neue technische Möglichkeiten eine entscheidende Rolle. Jede Epoche hat ihre Vorlieben. Heute mehr denn je sind Künstler auf Mechanismen des Marktes angewiesen, und so ist es nicht verwunderlich, dass oftmals gutes Marketing eher über den Erfolg entscheidet als die Erfüllung von Kriterien, nach denen künstlerisches Talent zu beurteilen wäre. Selbst die Epoche der „-ismen“, das frühe 20.Jh. reicht in Hinsicht auf die Vielfalt der Stile nicht an die Gegenwart heran. Künstler werden danach beurteilt, ob sie relevante Gedanken aufgreifen, eine bedeutende oder zumindest interessante Position zu aktuellen Fragestellungen beziehen - in ästhetischer wie gesellschaftskritischer Hinsicht. Doch vereinfacht lässt sich sagen: disqualiiziert wird, wer traditionelle Techniken unrelektiert nutzt oder in einem größeren Zusammenhang irrelevante, auch allzu subjektive Themen behandelt. Es gibt also nach wie vor eine Skala von „in“ und „out“, in die jeder Künstler von Kritikern, Sammlern und dem informierten Publikum eingeordnet wird. Die Kunst ist heterogen wie nie zuvor, Stile, Techniken und Themen sind auf einzelne Künstler oder kleine Gruppen begrenzt, und dies vielfach nur temporär. Das Konzeptionelle ist seit den 60er-Jahren nicht aus

der Kunst wegzudenken. Raumfüllende Installationen ebenso wie scheinbar simple Plastiken oder „Ready-mades“ sind nur deutbar, wenn die Idee des Künstlers bekannt ist, denn sie erschließt sich selten aus dem Objekt selbst. Gesellschaftskritisch und politisch ist die Kunst nach wie vor, oft verschlüsselt, dann wieder plakativ und polarisierend, aber eben nur stark zeitgebunden und dadurch vergänglich. Die Malerei stand lange Zeit im Schatten der Fotograie, die sich endgültig als Kunstform etabliert hat. Wer heute Ölfarben benutzt, bezieht Stellung zur Bedeutung dieser traditionellen Technik, und auch ob ein Künstler gegenständlich oder abstrakt malt, ist keine Entscheidung, die ohne Bezug auf den historischen Kontext gefällt wird. Manchmal scheint es, als zögen die derzeitigen Innovationen einen ähnlichen Wandel nach sich wie seinerzeit die Neuerungen der Renaissance. Der Stellenwert des PC wäre dann vergleichbar mit dem von Gutenbergs Buchdruck. Computer- und Videokunst thematisieren die Grenze zwischen Alltagswelt und Kunst und stellen damit wieder einmal die Frage nach der Wahrnehmung generell, setzen sich zugleich aber mit der Wirkungsweise von Massenmedien, von Werbung oder dem Konsum von elektronischen Spielen auseinander. Die Kunst ist Teil unserer Freizeitkultur geworden, was zuletzt bei der Begeisterung für akademische Kunst in der zweiten Hälfte des 19.Jh. der Fall war.1

1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S. 449-450

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Architektur

Jüdisches Museum Berlin Daniel Libeskind

Bahnhof Lissabon Oriente Santiago Calatrava, 1998

In den 1960er-Jahren begannen Architekten, zunächst in den USA, einen collageartigen Stil zu entwickeln, den man Postmoderne nannte. Einer ihrer Meister war Robert Venturi, dessen Komplexität und Widerspruch in der Architektur (1965) zur Bibel der Postmoderne wurde. Venturis Worte „Less is a Bore“ war eine Anspielung auf Mies van Rohes „Less is More“. Venturi wollte eine Architektur, die umfassend, populistisch und spielerisch war. In den Händen guter Architekten gelang dies, doch als in den 1980er-Jahren Bauten dieser Art von Los Angeles bis Shanghai entstanden, begann auch die Postmoderne zu langweilen. Spannender war die Entstehung neuer Architekturformen durch CAD. Als der junge Ingenieur Peter Rice die Dachkonstruktionsprogramme der Oper in Sydney plante, arbeitete er noch mit Rechenschieber und -tabellen. Nur wenige Jahre später konnten Architekten dank des Computers verblüffende Bauten entwerfen und sich ihrer Tragfähigkeit sicher sein. Bilder von der Erde, 1968 von Apollo 8 aus aufgenommen, haben die Schönheit, aber auch die Zerbrechlichkeit unseres Planeten deutlich sichtbar gemacht. Seither setzen sich immer mehr Menschen für den Umweltschutz ein. Jeder kann einen Beitrag zum Erhalt des Planeten leisten, auch die Architektur, indem sie so energiesparend wie möglich baut.1

Wichtige Ereignisse 1973 1974 1975 1976 1979 1980 1987 1988 19891991 1990 1993 1998 1999 2001

2003 1 Jonathan Glancey; Architektur; DK 2007; S.469-495

2005

Die USA ziehen sich aus dem Vietnamkrieg zurück; Jom Kippur-Krieg im Nahen Osten Rücktritt Nixons; Watergate-Skandal Die Roten Khmer richten ein marxistisches Terrorregime in Kambodscha ein (bis 1979) Tod Mao Tse-tungs Islamische Revolution im Iran; sowjetische Invasion in Afghanistan Krieg zwischen Iran und Irak (bis 1988) Beginn des palästinensischen Widerstands (Intifada) Gorbatschow führt in der UdSSR Reformen ein (Perestroika und Glasnost) Zusammenbruch des Sowjet-Kommunismus in den Ostblockstaaten und schließlich der UdSSR (1991) Irakische Truppen greifen Kuweit an Die Oslo-Verträge gewähren den Palästinensern eine beschränkte Selbstverwaltung Indien und Pakistan führen Atomwaffentests durch NATO-Bombardement als Antwort auf die Verfolgung von Kosovo-Albanern durch Serbien Nach 9/11 führen die USA Krieg gegen Al Kaida und den Terrorismus; in Afghanistan setzen die USA das TalibanRegime ab Die USA marschieren im Irak ein und stürzen Saddam Hussein Französische und niederländische Wähler stimmen gegen die EU-Verfassung

Guggenheim Museum Bilbao 1997 Frank Gehry

Kunst der Gegenwart | 91


Malerei Die abendländische Kunst bezieht die entscheidenden Impulse aus ihrem dialektischen Verhältnis zur Gesellschaft. Themen wie Umweltpolitik, Globalisierung, die Genderproblematik, Gesundheit, Jugendwahn und die Tabuisierung des Todes machen Schlagzeilen und werden künstlerisch verarbeitet. Wenn auch manche Ansätze von geballtem kritischem Anspruch überfrachtet sein mögen - die Kunst ist ein wesentlicher Bestandteil der öffentlichen Diskussion. Joseph Beuys, George Segal, John Chamberlain, Donald Judd, Sol LeWitt, Cy Twombly, Robert Ryman, Richard Estes, Gerhard Richter, Dan Flavin, Christo & Jeanne-Claude, Eva Hesse, Georg Baselitz, Richard Serra, Sigmar Polke, Gilbert & George, Jörg Immendorff, Sean Scully, Anselm Kiefer, Anthony Gormley, Jeff Koons, Andreas Gursky, Keith Haring, Damien Hirst, Herbert Brandl, Christian Ludwig Attersee, Günther Brus, Gottfried Helnwein, Maria Lassnig, Arnulf Rainer, Hubert Schmalix, Hans Staudacher, Markus Prachensky.1 Maria Lassnig Woman Power

Arnulf Rainer Zyklus Kristalle 2002

1 Robert Cumming; Kunst; DKO 2006; S. 451

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Anthony Gormley Lech am Arlberg 2010

Jeff Koons, Puppy Guggenheim Museum, Bilbao

Georg Baselitz, Hirte Frieder Burda Museum

Kunst der Gegenwart | 93


Bildnachweis

Abkürzungsschlüssel: o = oben, u = unten, l = links, r = rechts, m = Mitte

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Impressum

Titel

Bildkomposition

Arbeit

Jahrgangsarbeit 2. - 4. Semester

Autorin

Antonia Zimmermann

Dank an

Eckart Sonnleitner für die geduldige und kompetente Heranführung an das Thema Burkhard für seine tatkräftige Unterstützung

Projektbegleitung

Mag. art Eckart Sonnleitner

Aulage

1 Stück

Schrift Layout

Arial Antonia Zimmermann InDesign CS 5.5

Druck Bindung Papier

www.blurb.com bedrucktes Hardcover Premium glänzend, 148 g/m2

Erstellung

Jänner bis März 2013

. Prager Fotoschule Österreich . Jahrgang 41

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