TOTALOPER Interview 04 philip bussmann1

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»Am Tisch ausgedachte Ideen haben sich meiner Erfahrung nach sehr selten bewährt.«

Interview mit Philip Bussmann



Interview mit Philip Bussmann

Philip Bussmann Studium Bühnenbild an der Akademie in Stuttgart. Videokünstler und grafische Arbeiten für die Wooster Group in New York. Videoarbeiten mit William Forsythe für das Frankfurter Ballett und internationale Produktionen. Verschiedene Arbeiten als Bühnenbildner. Eigene Ausstellungen als Foto- und Videokünstler. Betreuung Bühne und Video bei »Im weißen Rössl« und »L’Orfeo«



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Du bist Videokünstler und hast Bühnenbild in Stuttgart studiert. Wieso dieser Beruf und was war das Wichtigste, was du im Studium gelernt hast ? Ich habe schon als Kind Papiertheater gebastelt und wollte schon immer am Theater arbeiten. Dabei lieber im kreativen Team und nicht als Schauspieler auf der Bühne. Das Wichtigste, was ich im Studium gelernt habe, war, meine eigene ästhetische und künstlerische Identität zu finden und gegenüber den Mitstudierenden und den Lehrenden zu vertreten. Nach deinem Studium hast du in New York bei der Wooster Group gearbeitet: Was war dort deine Aufgabe? Ich habe bei der Wooster Group als VideoDesigner für die Theaterprojekte gearbeitet und auch das Grafik-Design und die Webseite gestaltet. Was war dort das Besondere an der Theaterarbeit – das »gemeinsame« prozesshafte Inszenieren? Gab es eine Demokratie? Nein, dort gibt es keine Demokratie, so wenig wie in den meisten Theaterorganisationen, die ich kennengelernt habe. Aber es gibt durchaus einen gemeinsamen Prozess


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und der ist ja die Seele der Theaterarbeit. Ich glaube, Theater funktioniert nicht ohne hierarchische Strukturen. Das gilt nicht nur für die zwischenmenschlichen Aspekte, sondern auch für die eingesetzten Mittel. Letztendlich steht immer der Theatertext, beziehungsweise das inhaltliche Projektmaterial an oberster Stelle und diesem dienen dann alle: Regisseure, Schauspieler, Kostüm- und Bühnenbildner, Light-Designer, Komponisten, Sound- und Video-Designer. Funktioniert das auch für die Oper? Ich mache da keinen Unterschied zwischen den Sparten. Theater funktioniert für mich immer nur dann gut, wenn es zum Gesamtkunstwerk wird. Dieser Begriff ist für mich nicht nur auf die Oper, sondern ebenso auf Sprechtheater, Ballett oder disziplinär nicht einzuordnende Projekte anwendbar. Du arbeitest viel im Tanztheater. Was interessiert dich dabei? Was ist der Unterschied zur Oper? Lebt sie immer noch von der traditionellen Erhöhung, der Ausstattung, von starken Bildern oder erneuert sie sich gegenwärtig? Theater erneuert sich konstant. Für mich gibt es, wie schon gesagt, keinen Unterschied zwischen den Sparten. Der interessante Aspekt der westlichen Oper ist für


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mich, dass es sich für unseren Kulturkreis um eine sehr kodifizierte und letztendlich manierierte Theaterform handelt. Welche Rolle spielt hierbei die Musik? Grundsätzlich spielt die Musik bei allen Theaterformen für mich eine wichtige Rolle, weil damit auf eine einfache Weise Emotionen transportiert werden können. Braucht die Oper einen Gegenwartsbezug? Natürlich! Theater hat immer einen Gegenwartsbezug, auch wenn es sich um eine klassische Inszenierung handelt. Dein Schwerpunkt ist der Videobereich – heute sieht man sehr häufig Projektionen –, woher kommt diese Entwicklung? Theater hat sich schon immer der aktuellen technischen Möglichkeiten bedient, ob dies nun Weihrauch, Gaslicht oder Hydraulik waren. Video ist heutzutage erschwinglich und beinhaltet eine natürliche Theatralik. Deshalb wird es nun auch genutzt. Was ist dir am wichtigsten bei deinen Videoarbeiten? Wie konkret, abstrakt, narrativ, emotional, interaktiv sollte Video im Bühnenraum sein?


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Das hängt bei mir immer direkt vom Probenprozess ab, in dem sich erst wirklich offenbart, was eine Produktion an Video braucht. Ich arbeite immer sehr intuitiv und entwickle das Video während der Proben. Am Tisch ausgedachte Ideen haben sich meiner Erfahrung nach sehr selten bewährt. Du schreibst auch eigene Programme, welche Techniken und technischen Hilfsmittel verwendest oder brauchst du? Ich programmiere auf meinem 17-ZollMacBook Pro in Objective-C und ein ganz klein wenig C++, für MacOS X und iOS. Ersetzt Video das Bühnenbild? Oder tritt es in Konkurrenz zu den anderen Disziplinen? Auch das hängt von der jeweiligen Inszenierung ab. Aber ich denke nicht, dass Video das Bühnenbild grundsätzlich ersetzen kann. Konkurrenz zwischen den Disziplinen ist gut! Ein Abend ist immer dann spannend, wenn sich der Zuschauer für einen Fokus entscheiden muss. Dabei sollten natürlich alle Elemente stark sein und genügend Raum haben, sich zu entfalten. Welche Anforderungen hast du an den Bühnenraum?


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Gar keine. Ich stelle mich immer darauf ein, was ich vorfinde. Warum ist das Licht dabei so entscheidend? Welche Funktion hat das Licht? Schlechtes Licht kann natürlich viel kaputt machen, das gilt nicht nur für Videoprojektionen, sondern ebenso für Bühne, Kostüm, Maske und letztendlich für die gesamte Inszenierung. Spannend wird es, wenn das Licht einen eigenen Charakter bekommt und gleichwertig mit den anderen Mitteln den Abend trägt.

»Theater hat immer einen Gegenwartsbezug, auch wenn es sich um eine klassische Inszenierung handelt.«


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Was ist die Herausforderung bei Inszenierungen außerhalb traditioneller Theaterräume wie bei »L’Orfeo« im BLG-Forum? Bevorzugst du diese Orte? Man kann dort nicht auf herkömmliche Theaterstrukturen zurückgreifen. Das hat Nachteile, aber auch den Vorteil, dass man »außerhalb der Box« denken muss. Du hast das »Weiße Rössl« und »L’Orfeo« an der HfK betreut. Welche Inszenierung hat dir mehr zugesagt und warum? Ich fand das »Rössl« letztendlich geschlossener. Und kompositorisch überraschender, als den Orfeo. Was natürlich auch daran liegen kann, dass dieser mir vertrauter ist. Was war hierbei dein schönster Moment? Dass der Video-Berg am Ende dann doch sehr gut sowohl technisch als auch ästhetisch funktioniert hat. Und der schwierigste? Den Video-Berg zum Funktionieren zu bringen!




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